Textdaten
Autor: Anton-Wall (= Christian Leberecht Heyne
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Titel: Der Stammbaum
Untertitel: Erste Fortsetzung der beyden Billets
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Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Dyk
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google = Commons
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[1]
Der
Stammbaum.

Erste Fortsetzung
der beyden Billets
von
Anton-Wall.

Leipzig,
im Verlage der Dykischen Buchhandlung,
1791.



[3]
Personen:


Märten, ein alter Bauer.
Röse, seine Tochter.
Gürge, ihr Liebhaber.
Schnapps, Dorfbarbier.


Scene:

Ein freyer Platz vor Märtens Hause; im Vordergrunde ein großer Stein zum Sitzen.



[5]
Erster Auftritt.
Schnapps allein.

Schnapps (mit dem Barbiersacke, einen langen Flor um jeden Arm und auf dem Hute, kömmt langsam vom Dorfe her; tragisch.) Nein, edler Schnapps! Du mußt dir Courage anschaffen, du mußt nicht mit Fleisch und Blute streiten. Ein großer Mann fällt nicht auf den ersten Streich. Ermanne dich, erbarmenswürdiger Jüngling, zerreiß dein zerschmettertes Schicksal, und sey wiederum Schnapps! – Die beiden Billets glatt und gar verhunzt; mein ehrlicher Name in der Klemme, und meine Braut – in die Pilze! – (wehmüthig) Und nicht einen einzigen Arm- oder Beinbruch mehr in der ganzen Pflege – und (mit Würde) nur noch sieben Bartkunden im ganzen Dorfe! – O, mein Busenfreund, der Wurmdoktor, hat Recht: es giebt kein [6] herrlicheres Schauspiel, als einen ehrlichen Mann, der sich mit dem Mallehr herumbalgen muß. – Va, stehlen oder nicht stehlen, das ist die Frage. – Ja, es ist beschlossen. Verunglückten jene beiden Billets, so sollen doch diese nicht verunglücken. Und verunglücken auch diese; wohlan, großer Schnapps, so verwandle diesen Barbiersack in einen Tornister, schleife diese Messer zu Dolchen, und werde – – Regimentsfeldscheer unter den Patrioten. – (in seinem natürlichen Tone) Sapperlot, nun bin ich im Feuer, und nun will ich den Augenblick den alten Märten barbieren. (geht nach der Thür des alten Märten, und pocht an) Holla! Vater Märten!


Zweiter Auftritt.
Schnapps und Märten.

Märten (inwendig.) Nu, nu, nu, wer ist denn da?

Schnapps. Macht auf, Vater Märten; es ist heute Barbiertag.

Märten. Ist’s denn so eilig? – Gleich. (kömmt heraus)

[7] Schnapps. Guten Tag, Vater Märten! und (giebt ihm die Hand, feyerlich) Ihr könnt versichert seyn, daß ich Euer Freund bleiben werde, wenn ich Euch auch nicht mehr werde barbieren können. Das Schicksal gebietet über die Menschen, aber ich denke zu edel darzu, und ich werde meine alten Bekannten nicht vergessen.

Märten (mit großen Augen.) Großen Dank, Mosje Schnapps, großen Dank! aber – ich weiß gar nicht, ist Ihm denn etwas begegnet?

Schnapps. Richtig, Alter, richtig! Mir ist so etwas begegnet.

Märten (bedenklich.) Wir wollen es doch heute mit dem Balbieren seyn lassen, Mosje Schnapps.

Schnapps. Nun so lebt wohl. Ich brauchte freylich einen klugen Mann, dem ich mein ganzes Herz decofferiren könnte, und ich hatte Euch darzu bestimmt; aber – lebt wohl unterdessen. Ich will Euch schon noch balbieren. (geht)

Märten (für sich.) Der arme Mensch muß sich meine Röse zu Gemüthe gezogen haben. Ich kann ihn meiner Treue nicht so gehn lassen. (läuft nach) Ach hör’ Er doch, Mosje Schnapps! auf ein Wort!

[8] Schnapps. Ruft Ihr mich, Vater Märten?

Märten. Auf ein Wort. – Aber je, Du liebes Väterchen, alleweile seh’ ich’s erst, Er trauret ja gar.

Schnapps. Ach, lieber Alter, ich lache mit dem einen Auge, und hahaha! ich weine mit dem andern. (zieht mit einem langen Handtuche eine Papierrolle und einen schwarz geränderten Brief aus der Tasche) Hört an, ich habe Euch wegen Eures feinen Verstandes beständig unserm Richter vorgezogen, und ich habe immer geglaubt, daß Ihr über den Richter zu befehlen haben solltet, und nicht der Naseweis über Euch.

Märten. Ach, Mosje Schnapps, mach’ Er das nicht bey mir rege.

Schnapps. Kurz, ein Mann wie Ihr, kann ein Land regieren, und einen Mann wie Ihr seyd, kann man um Rath fragen, wenn man ein Geheimniß auf dem Herzen hat.

Märten. Ich versteh’ Ihn wahrhaftig ganz und gar nicht. Wer ist Ihm denn gestorben? Wir haben, Gott verzeih’ mir’s, alle gedacht, Er gehörte gar keinem Menschen an. Denn Er hat ja immer gesagt, Er wäre von der französischen Grenze her.

[9] Schnapps. So kommt her, und laßt Eure Nase nicht wissen, was Euer Auge sehn wird. Eure Zunge müsse stumm seyn, wie dieser Barbiersack, und Eure Ohren müssen mit dreyfachen Pflastern bedeckt seyn, wenn Euch jemand ausfragen will.

Märten (sucht in der Tasche.) Nun, ich bin sonst nicht neugierig, aber – Daß dich! da hab’ ich nun gleich die verdammte Brille nicht bey mir.

Schnapps. Nun so will ich Euch vorlesen. (liest langsam den Brief) „Hochedelgebohrner Herr Baron, Insonders Hochgeehrtester Herr Baron, Vornehmer Freund und Gönner“

Märten. Erst noch ein Wort, Mosje Schnapps: an wen ist denn der Brief?

Schnapps. Nur Geduld, Vater Märten, nur Geduld: das wird sich schon von selbst ausweisen. (liest) „Ich melde hierdurch Ew. Hochfreyherrliche Gnaden mit der ersten reitenden Post, daß Dero Herr Vetter hochseeligen Andenkens gestern an einer schweren Wurm-Krankheit verschieden ist, und daß er vor seinem Gott gebe seeligen Ende Ew. Hochfreyherrl. Gnaden alles vergeben hat, und daß er Höchstdieselben vor Notarius und Zeugen zu seinem Universal-Erben [10] ab intestato eingesetzt hat. Es steht nun bey Ew. Hochfreyherrl. Gnaden, ob Sie Ihre Gelder in Europa, oder hier in Surinam verzehren wollen.“

Märten. Flickerment, der Brief ist schöne geschrieben. Aber an wen ist er denn nun?

Schnapps. Wird sich schon von selbst ausweisen, Vater Märten. (liest) „Eine weitläuftige Muhme des Hochseligen droht zwar mit einem Prozesse: aber sie hat den Prozeß schon so gut als verloren; und wenn Ew. Hochfreyherrl. Gnaden sie heirathen wollen, so prozessirt sie ganz gewiß nicht, weil sie erst sechzehn und ein halb Jahr alt, und ganz rasend schön ist. Unterdessen will ich morgen Höchstdenenselben von Dero Unterthanen huldigen lassen, (Märten nimmt andächtig die Mütze ab) und überschicke Denenselben zugleich Dero gerichtlichen Stammbaum. Ich empfehle mich Höchstdenenselben zu beständigem hohen Wohlergehn, und ersterbe in tiefster Devotion Ew. Hochfreyherrliche Gnaden wohlaffektionirter – der hiesige Ostindische General-Gouverneur. Surinam, den 3 Januar 1789.“ (zeigt ihm die Aufschrift) „Zukomme dieser Brief an Herrn, Herrn – Schnapps – (Märten taumelt zurück) [11] Chirurgus und Wundarzt très-renommé im Schwäbischen Kreise. Cito, cito, cito. Franco Batavia. 5 gl. 6 pf. Porto.“ (reicht Märten mit stolzer Gleichgültigkeit den Brief) Hier lest selber, Vater Märten.

Märten (tritt immer weiter zurück.) Nein, ach nein, Ihro – Ihro – Ihro – –

Schnapps. So nehmt doch, nehmt doch, und haltet fest. – Was sagt Ihr nun darzu?

Märten. Ach nehm’ Er mir’s nicht übel, Ihre Gnaden, ich – wüßte gar nichts, was ich zu sagen wüßte.

Schnapps. Setzt auf, setzt auf, Vater Märten, und erholt Euch.

Märten (weinerlich.) Das Herz ist mir voll, Ihro Hochfreyherrl. Gnaden, Mosje Schnapps. So wahr ich lebe, wie mich damals alle Doktors aufgegeben hatten, und Ihro Hochfreyherrl. Gnaden mich für einen todten Mann angenommen hatten, und ich wieder gesund wurde – – –

Schnapps. Ja, und wie hinterdrein die Spitzbuben, die Stadtquaksalber, sagten, es wäre eine Pferdekur gewesen.

Märten. Hab’ ich da nicht tausendmal gewünscht, daß ich’s Ihm vergelten könnte? Ich hatte [12] nichts als meine Röse. Nun, der liebe Himmel hat sich nun selber drein gemengt, und Ihn zum großen Mann gemacht. – Nun tausend Glück und Segen, Ihro Hochfreyherrl. Gnaden, tausend Glück und Segen!

Schnapps (auch weinerlich.) Weint nicht, Vater Märten, und setzt auf.

Märten. Nein, Mosje Schnapps, laß’ Er mich immer weinen. Aber aufsetzen will ich, damit Sie nur nicht böse werden.

Schnapps. Und das hier (wischt sich die Thränen ab, und wickelt die große Papierrolle auf) ist der Stammbaum, von dem im Briefe steht. – Haltet einmal mit.

Märten (greift mit an.) Ach du liebes Väterchen! – Mit Erlaubniß. (legt die Mütze an die Erde, und hält mit beiden Händen.)

Schnapps. Das hier (zeigt mit dem Stocke) ist der Herr Baron Sebastian von Schnapps der Erste. Den hat Kaiser Karls des Großen älteste Tochter manch liebes mal über den Schnee in ihr Schlafkabinet getragen.

Märten. Ach du liebes Väterchen! Das hätt’ ich sehn mögen.

[13] Schnapps. Das hier ist sein Sohn, der Herr Baron Sebastian von Schnapps der Zweyte. Der hat dem Kaiser Rudolph von Schwaben die rechte Hand abgehauen, die noch in Merseburg bey Leipzig zu sehen ist.

Märten. Ach du liebes Väterchen! Die Hand steht wahrlich dabey geschrieben.

Schnapps. Das ist der Herr Baron Sebastian von Schnapps der Dritte. Der hat im Hussitenkriege geraubt, geplündert, gesengt und gebrennt, was das Zeug gehalten hat. Das ist der berühmteste unter meinen seeligen Vorfahren.

Märten. Ach du liebes Väterchen!

Schnapps. Das ist der Vierte. Der war Generalfeldmarschall de France. Der Fünfte war Amsterdammer Generalstaate. Der Sechste war mein seeliger Vetter, der mich zum Erben eingesetzt hat. Und nun hier – der Herr Baron Sebastian von Schnapps der Siebente – das bin ich, und drum steht auch hier in meinem Wappen eine große deutsche Sieben.

Märten. So wahr ich lebe, da steht eine Sieben.

Schnapps. Hier nehmt den Stammbaum [14] auch zu Euch, und leset ihn selbst mit der Brille nach – nur damit ich einen Vertrauten habe, dem ich manchmal heimlich mein Herz ausschütten kann.

Märten. Ja, daß ich einen theuern Schwur thue; wenn ich nicht da Schwarz auf Weiß in der Hand hätte, ich glaubte es meiner Seele nicht. Nun, Ihro Hochyfreyherrl. Gnaden, lassen Sie mir’s nicht entgelten, daß ich Ihn manchmal ausgehunzt habe. Ich habe, so wahr ich lebe, kein Wort von Seinem Herkommen gewußt. Er hätte mir wohl einmal im Vertrauen stecken können, wie es eigentlich mit Ihm wäre.

Schnapps. Ich konnte es Euch mit nichts beweisen, Vater Märten. – Seht Ihr, ich gehe Euch einmal zu Paris mit meinem seligen Herrn Vetter in die Komödie. Eine französische Herzoginn, in die sich der Minister verliebt hatte, sieht mich, läßt mir durch ihr Kammermädchen nachgehn, schickt mir Tags drauf einen Liebesbrief in französischen Versen, und – mit Einem Worte, sie verführt mich. Der Minister erfährt es, wird ganz entsetzlich jaloux, überwirft sich mit meinem Vetter, und mein Vetter sagt sich auf ewig von mir los. [15] Ich muß mich hernach noch mit dem Minister schießen – – –

Märten. Ach, Gott steh’ uns bey. Nun, Sie kamen doch mit dem Leben davon?

Schnapps. Aus Versehen erschoß ich meinen Mann, und mußte landflüchtig werden. Ich begab mich also hieher ins Schwäbische, als ein blosser Privatmann, lebte im Stillen, und nahm zum Zeitvertreibe Bartkunden an, bis mein seliger Vetter sterben würde.

Märten. Nun da will ich auch gleich auf der Stelle sterben, wenn ich in Ihro Hochfreyherrl. Gnaden mein Tage was anders gesucht hätte, als einen ordinären Dorfbarbier. Aber nun werden wir wohl Ihre Gnaden bald verlieren?

Schnapps (stemmt die Arme in die Seite.) Ihr glaubt wohl gar, Vater Märten, ich werde als ein Holunke an Eurer Tochter handeln, und meine gnädige Baronesse Muhme heirathen?

Märten. Hören Sie nur, Ihre Gnaden – – –

Schnapps. Laßt mich ausreden, Vater Märten. Ich heirathe nicht nach Gelde und nach vornehmen Stande: sondern ich sehe das Herz an, und ich heirathe nach Liebe. Ihr habt mir für meine Kur Eure liebe kleine Röse versprochen, [16] und ich habe Ja! gesagt, und ich bin ein Cavalier – – –

Märten. Aber Ihro Gnaden – – –

Schnapps. So fallt mir doch nicht ins Wort, Schwiegervater – und ich will eine Frau haben, die ich liebe, und die ich auf den Händen tragen kann – – –

Märten. Nur, Ihro Hochfreyherrl. Gnaden – – –

Schnapps. Und kein ehrlicher Mann, der nicht Wort hält! Und wenn die Hochzeit vorbey ist – – –

Märten. Nur ein winzig kleines Wörtchen, Ihre Gnaden – – –

Schnapps. So nehme ich meine Frau, reise mit ihr nach Surinam, zeige meiner gnädigen Baronesse Muhme, daß ich schon vermählt bin, finde mich mit ihr ab, verkaufe meine Ländereyen, komme mit Eurer Tochter und mit meinen Geldern wieder, kaufe mir hier in der Nähe einige Herrschaften – – –

Märten. Nur die Wetter-Röse, Ihre Gnaden! – – –

Schnapps. Und mache unserm Richter hier zum Trotze meinen Schwiegervater Märten zum [17] Oberbefehlshaber über alle meine Bauern, mit Stock und Degen, und mit dem Charakter als – – – Freyherrlich Schnappsischer Geheimer – Premier – Land – Richter.

Märten. Wa – – Was? – (freundlich) Ach, ich dachte was mir wäre, Mosje Schnapps.

Schnapps. Und ich verlange von Eurem Vermögen nichts, als bey der stillen Verlobung die hundert Stück Souveräns, die Ihr liegen habt, Herr Schwiegervater; und das Uebrige könnt Ihr einmal vermachen, wem Ihr wollt, denn ich will Eure Tochter haben, und nicht Euer Vermögen.

Märten. Man sieht doch meiner Seele gleich an den Federn, daß Ihre Gnaden ein Baron sind. Sie schwatzen so vornehm, so kavaliermäßig, so – ich weiß gar nicht gleich, wie ich’s von mir geben soll.

Schnapps. Aber das sage ich Ihnen, lieber Herr Schwiegervater. Kein Mensch darf itzt wissen, daß ich der Herr Baron Sebastian von Schnapps der Siebente bin, nicht einmal meine Gemahlinn. Denn wir reisen im Stillen mit einander nach Surinam, ohne daß sie selber weiß, wohin.

[18] Märten. Aber Ihre Gnaden, Herr Schwiegersohn – – –

Schnapps. Desto größer soll das Aufsehn werden, wenn ich wiederkomme. Vier achtspännige Kutschen, sechs Laufer, sechs Heiducken, sechs Mohren, sechs Kammerdiener, sechs Leibjäger, sechs Vorreiter, zwölf Köche, achtzehn Mundschenken, und vier und zwanzig Leibbarbiere zu Pferde – – –

Märten. Ach du liebes Väterchen! (weint)

Schnapps. Und gerade vor des Richters Hausthüre laß’ ich halten, brrr! und lasse fragen, wie das Dorf hier heißt, und wo der Hochfreyherrlich Schnappsische Herr Geheime Premier-Land-Richter Martini wohnt. Denn Märten ist zu wenig.

Märten. Hahaha! hahaha! hahaha! (weint immer fort)

Schnapps. Und da schick’ ich Euch einen von meinen Schwarzen, und einen schönen Engländer vors Haus, und der führt ihn, und Ihr setzt Euch drauf, und kommt mir an des Richters Hausthür gravitätisch entgegen geritten.

Märten. Hahaha! hahaha!

[19] Schnapps. Und der Richter nimmt die Mütze ab – – –

Märten. Was sich der ärgern wird, Mosje Schnapps! (wischt sich die Augen ab)

Schnapps. Und Sie machen ihm ein Gesicht, als wenn Sie ihn fressen wollten.

Märten (schluchzend.) Nein, Ihre Gnaden, nun ich sehe, daß er die Mütze vor mir abnimmt, nun bin ich ihm wieder gut.

Schnapps. Nun, so schlagen Sie ein, Herr Geheimer Land-Richter Martini.

Märten. Nun, ich sehe wohl Ihre Gnaden, daß es des Himmels Wille so ist. Da haben Sie meine Hand, Ihro Hochfreyherrl. Gnaden, Herr Schwiegersohn.

Schnapps. Aber noch einmal! Itzt keinem Menschen ein Wort! und ich verlange weiter nichts, als bey der Verlobung die hundert Souveräns Reisegeld.

Märten. Vollwichtig, Ihro Graden, vollwichtig! – Ein Wort, ein Mann, Herr Schwiegersohn!

Schnapps. Nun ich empfehle mich unterdessen; (geschwind hinter einander) ich muß itzt den [20] Schulmeister balbieren, und wenn ich nicht mit der Stunde da bin, so reißt er mich allemal herunter, daß kein ganzer Bissen an mir bleibt.

Märten. Nun alles vergeben und vergessen, Ihre Gnaden! Ich habe es manchmal auch so gemacht, wenn Sie so lüderlich waren.

Schnapps. Adjeh, Papa Martini, adjeh! (umarmt ihn)

Märten. Adjehs, Ihro Hochfreyherrl. Gnaden! – – Aber potztausend, Ihre Gnaden, noch ein Wort!

Schnapps (kehrt um.) Nu, Papa Martini?

Märten. Wenn ich nur wüßte, wie ich den armen Gürgen los würde. Fest hab’ ich’s freylich noch nicht mit ihm gemacht, aber ich hatte es doch vorgestern meiner Röse in ihren freyen Willen gestellt. – Sie haben gestern beyde an mir geleyert, daß ich der Sache einmal ein Ende machen sollte. Und es ist ordentlich des Himmels Wille gewesen, daß ich sie noch habe zappeln lassen.

Schnapps. Haben Sie denn Gürgen geheißen, Papa Martini, daß er sich in Ihre Röse verlieben soll?

Märten. Nein, sie haben’s alle beyde vor sich selber gethan. – Aber meine Röse, Ihre Gnaden [21] – meine Röse ist wegen der beyden Billets – mit Respekt zu sagen – sie hat mir da was von Ihro Hochfreyherrl. Gnaden erzählt – – –

Schnapps. A propo! Das hätt’ ich bald vergessen. Sehn Sie nun, Papa Martini, was der Gürge für ein lüderlicher Kerl ist? Und wie er’s mit den Billets macht, so macht er’s einmal mit seiner Frau ihrem Vermögen, und mit Haus und Hof obendrein, und am Ende suchen sie mit einander das Brod vor den Thüren. Der Vater hat’s auf seinem Gewissen, der so einem Lappländer eine von seinen überleyen Stieftöchtern giebt. Ich habe ihn tüchtig ausgehunzt, und Rösen darzu. Sie werden wohl ein loses Maul gehabt haben?

Märten. Die Rabenäser! Sie haben mir da ein Geschichtchen weiß gemacht – – –

Schnapps. Wie? was?

Märten. Je, das Blitzzeug sagte, Ihre Hochfreyherrliche Gnaden hätten die Billets gestohlen.

Schnapps. Was?

Märten. So wahr ich lebe, wenn ich nun nicht erfahren hätte, daß Sie ein Kavalier wären – sie machten’s beide so natürlich – – –

[22] Schnapps. Nun, Papa, wird’s Zeit, daß ich mich fortmache. Sobald ich den Schulmeister balbiert habe, wollen wir alles weiter überlegen. (ab)

Märten (allein.) Hahaha! hahaha! Nun wie’s der Himmel will! hahaha! wie’s der Himmel will! Aber wie wunderbar doch manchmal die Fügungen sind! Der Richter heißt mich vor der ganzen Gemeine einen einfältigen Mann, und damit ich nun wieder mein Müthchen an ihm kühlen soll, muß sich in Paris ein junger Kavalier von einer französischen Herzoginn verführen lassen, muß zum Landläufer werden, muß da herkommen – Hahaha! hahaha! (will abgehn.)


Dritter Auftritt.
Märten. Röse.

Röse (kömmt gesprungen.) Vater! Vater! (nimmt ihn bey Seite; ins Ohr) Ich weiß was.

Märten (lächelnd.) So? (führt sie auf die andre Seite) Und ich weiß auch was.

[23] Röse (mit vorigem Spiel.) Und ich spiele ihm einen Schabernack.

Märten. Und er spielt Dir auch einen Schabernack.

Röse. Habt Ihr ihn auch schon von weitem gesehn, Vater?

Märten. Ach, ich habe ihn wohl in der Nähe gesehn, Röse.

Röse (mit Zeichen.) Hier um den Hut, Vater? und hier, und hier um den Arm?

Märten (macht die Zeichen nach.) Hier um den Hut, Röse, und hier, und hier um den Arm.

Röse. Freut Ihr Euch denn nicht recht, Vater?

Märten (nimmt sie bey Seite.) Höre, Wettermädel, hast Du etwa gehorcht?

Röse. Nein, Vater, wahrhaftig nicht. Aber ich habe ihn hinter dem Garten herkommen sehn.

Märten. Höre, liebe Röse, sag’s ihm ja nicht, daß ich Dir’s verrathen habe.

Röse. Nein, nein Vater!

Märten. Er hat mir’s bey Leib und Leben verboten, Du sollst gar nichts davon wissen, als bis die Hochzeit vorbey ist.

[24] Röse (verschämt-freudig.) Ach, Vater, die Hochzeit? die Hochzeit?

Märten. Ja, und bis er die Rittergüter gekauft hat.

Röse. Ey, meinetwegen mag er kaufen was er will, wenn nur die Hochzeit gewiß ist.

Märten. Und bis er kommt, und beym Richter fragt, wo ich wohne, und bis er mir einen von seinen Schwarzen, und einen Engländer schickt – – –

Röse. Ach, warum nicht gar, Vater?

Märten (mit Grimassen.) Und da setz’ ich mich recht gravitätisch auf den Schwarzen, und der Engländer läuft mit der Hetzpeitsche vorweg, und knallt, und knallt, daß das ganze Dorf einfallen möchte. Und der arme Teufel, der Richter, steht mit seinem Pudelmützchen da, daß mir vor Jammer die Augen übergehn möchten. – – Aber ich muß hineingehn, Röse, und muß mir Wunders halber das da (klopft auf die Papiere) noch einmal durchstudiren.

Röse. Da drinne steht’s, Vater?

Märten. Freylich, Röse. – Da liegt eben der Hund begraben, hahaha! – Du weißt also noch nicht alles, Röse?

[25] Röse. Je nu, ein Bischen, Vater.

Märten. Aus mir bringst Du nichts, das sag’ ich Dir; du magst mich der Kreuz und der Quere ausfragen, wie Du willst, hahaha! (klopft auf die Papiere) Da liegt der Hund begraben, und da soll er auch begraben bleiben. (ab)

Röse. St! Da trällert was! – Er ist’s! er kommt! er kommt! O, er sieht ganz scharmant aus. Hurtig versteckt! hurtig! (versteckt sich)


Vierter Auftritt.
Gürge allein.

Gürge (bringt auf einem Schubkarren ein halbes Dutzend Geldsäcke; ein Band um den Hut, das mit beyden Enden lang herunterhängt; um jeden Arm ein geschmackvolles Strumpfband; im Busen ein großes Papier; singt) Wenn mich nur mein Röschen liebt, bin ich schon geborgen, wem das Glücke Reichthum giebt, dem giebt es auch Sorgen: Drum wenn mich mein Röschen liebt, bin ich schon geborgen, wem das Glücke Reichthum giebt – – – (hält inne, und setzt [26] nieder) – Dem gäb’s auch Sorgen? – Aetsch, das ist nicht wahr. Wer das Lied gemacht hat, der hat den ersten Theil von mir gestohlen, und den andern hat er aus seinem Kopfe darzu gesetzt. Ich wüßte meiner Six nicht, wo die Sorgen herkommen sollten, weil ich ein halbes Dutzend Geldsäcke im Lotto gewonnen habe. (Röse schleicht hervor, versteckt die Geldbeutel, und tritt hernach hinter ihre Hausthüre) Ich gebe den Plunder meiner Röse, und die nimmt die Geldbeutel sachte einen nach dem andern, (mit Grimassen, als wenn er Rösen copirte) und trägt sie fort, und steckt sie auf die Seite, und ich sehe nicht einmal hin. Das ist wohl eine rechte Sorge. – Aber nun muß ich auch studiren, wie ich zu Rösen sprechen will, wenn ich ihr das Geld zu ihren kleinen niedlichen Füßchen hinlege. Zum Exempel, da stünde Röse, (tritt an den Ort, den er ihr bestimmt) und da stünde ich, (tritt gegenüber) – und nun sprech’ ich – ja, was sprech’ ich nun? (in einer Stellung, als wenn er eine Oration halten wollte) Höre, Röse, hier hast Du den ganzen Plunder, groß und klein, Gold und Silber unter einander, wie’s der Hirte zum Thore hinaus treibt – Nein, das ist zu grob, Gürge! Das muß ein Bischen pfiffig gemacht werden. – „Meine liebe Röse!“ – [27] ja, das ist pfiffiger – „Meine liebe Röse, sey so gut, und thue mir den Gefallen – da ist das Geld, das ich in der Lotterie gewonnen habe, und da bin ich – und Du sollst so gütig seyn, wenn Du willst, und sollst das Geld nehmen – und mich mit darzu, wenn Du willst – und es wird mir viel lieber seyn, wenn Du mich mit darzu nimmst, als wenn Du das Geld alleine nimmst. Und das ist noch lange nicht alles, meine liebe Röse, sondern das Beste kommt noch nach. Denn sieh’ mich nur einmal recht an.“ – Und hernach – packe ich erst die Hauptkostbarkeiten aus (zeigt auf seine Bänder) – und flickerment, da wird sie Augen machen. – Nun itzt geht mir das Maul wie eine Klappermühle; itzt will ich sie rufen. (ruft an die Hausthüre) Röse!


Fünfter Auftritt.
Gürge. Röse. Hernach Schnapps.

Röse (von innen.) Nu was giebts draußen?

Gürge. Komm’ einmal ein bischen raus, meine liebe Röse.

[28] Röse (kömmt heraus.) Ach, bist Du’s, Gürge?

Gürge. Höre, Röse, tritt einmal daher, wenn Du so gütig seyn willst. (stellt sie an ihren Platz, und tritt gegen über.)

Röse. Nun, was soll denn da werden?

Gürge (schickt sich zur Oration an.) Meine liebe Röse!

Röse. Mein lieber Gürge!

Gürge. Da bin ich – –

Röse. Das seh’ ich, mein lieber Gürge.

Gürge. Und da ist das Geld – – –

Röse. Das seh’ ich nicht, mein lieber Gürge. Du fährst wohl deinen Schubkarrn spatzieren?

Gürge (verwirrt.) Und da wäre mir’s viel lieber, wenn Du das Geld – wenn Du mich – wenn Du das Geld alleine nähmst.

Röse. Aber was denn für Geld, Gürge?

Gürge (entdeckt, daß sein Geld weg ist, ganz erstarrt.) Ah!

Röse. Hast Du denn Geld drauf gehabt?

Gürge. Ah!

Röse. Nun so rede doch, Gürge.

Gürge. Ich kann nicht reden.

Röse. Von wem hast Du denn das Geld gekriegt?

[29] Gürge. Von Ihro Hochwürden.

Röse. Vom Lottodirektor?

Gürge. Sechs Beutel.

Röse. Nun, wo ist’s denn hin?

Gürge (kommt mit einem tiefen Seufzer zu sich, losbrechend.) Der verdammte Bettel! (sucht auf, unter und neben dem Schubkarren) Siehst Du, die alte Sabine hat Recht. Sie sagte, bey den Lottogewinnsten wäre mein Tage kein Glück und kein Seegen, und das Zetergeld, verzeih’ mir meine Sünde, liefe allemal wieder heim zum Direkter.

Röse. Du armer Schelm, Da dauerst mich ordentlich.

Gürge. Läßt sich das Grob geduldig bis vor deine Hausthür trecken, und nun ich mich müde geplackt habe – Aber warte! (will fort)

Röse. Wo willst Du denn mit dem Schubkarrn hin?

Gürge (pfiffig.) Ich will aufpassen bey Ihro Hochwürden, bis es ankommt.

Röse. Je, Närrchen, springe doch zu Fuße durch unsern Garten durch – Dorthin! – dorthin! (weißt ihn dahin, wo die Beutel stehn)

[30] Gürge (stolpert in der Koulisse über die Beutel.) Je, alle Hagel! Da fall’ ich über die Bestien weg.

Röse. Nun, Schöpschristelchen, willst Du denn ein andermal deine Sachen besser in Acht nehmen?

Gürge. Je, Du kleine Wetter-Hexe!

Röse. Und die schöne Oration, die Du mir halten willst, kann ich Dir auch schenken.

Gürge. Du hast mich also behorcht?

Röse. Nun setze nur erst deine Siebensachen wieder her. (hilft ihm das Geld wieder auf den Schubkarrn setzen)

Gürge. Nun höre, Röse, was sagst Du denn zu meiner Oration?

Röse. Tritt einmal daher. (stellt ihn an den Ort, wo er sie vorher hingestellt hat, und setzt sich gegenüber auf den Stein an der Hausthür) Mein scharmanter lieber Gürge!

Gürge. Meine scharmante liebe Röse!

Röse. Dein Geld will ich nehmen, und will’s verthun.

Gürge. Nun das ist mir wahrhaftig recht lieb.

Röse. Aber von Dir mag ich nichts wissen.

[31] Gürge. Das ist mir wahrhaftig – Nein, Röse, das ist nicht wahr, Du hast nur so ein gottloses Maul.

Röse. Unterdessen kannst Du herkommen, und noch einmal Abschied von mir nehmen.

Gürge. Aetsch, da will ich Matz heißen, wenn ich hinkomme – (indem er sich ihr immer nähert) Aber, Röse, spaße nur nicht so albern – es geht einem durch Mark und Bein. – Siehst Du, frevle nicht so, oder ich komme meiner Treu nicht hin. (kniet dicht vor ihr nieder) Liebe Goldröse, rede doch nicht so gefährlich. Soll ich hinkommen? oder soll ich nicht hinkommen?

Röse. Antworte mir! Willst Du mein lieber Gürge seyn und bleiben?

Gürge. Ach, ich muß ja wohl, ich mag wollen oder nicht. Ich weiß gar nicht, wie’s mit mir zugeht.

Röse. Willst Du dein Geld für Dich behalten – –?

Gürge. Mein Geld?

Röse. Und hübsch Acht drauf geben? Oder ich kratze Dir die Augen aus, und bin Dir noch obendrein nicht ein Bischen mehr gut.

Gürge. Nun wie Du willst. (steht auf, und [32] fährt den Schubkarrn dicht hinter den Sitz) Siehst Du, ich fange schon an.

Röse. Nun komm her, und setze Dich zu mir. (Gürge setzt sich neben sie) – Du hast Dich ja recht bebändert.

Gürge. Je ja, liebe Röse, da hab’ ich aus der Stadt ein Schürzenband (nimmt es vom Hute) – und ein Paar Strumpfbänder (knüpft sie von den Armen) – und da noch was (zieht das Papier aus dem Busen) mitgebracht. (legt ihr alles in den Schoos)

Röse (hält beide Hände von sich ab.) Nu, was willst Du denn mit den allerliebsten Sachen vornehmen? Hat sie denn unsre gnädige Comtesse bey Dir bestellt?

Gürge. Ja höre nur, Röse, und da weiß ich gar nicht – wie ich den Trudel anbringen soll.

Röse. Nun?

Gürge. Je, die Madam, bey der ich die Sachen kaufte, die sagte, ich müßte dem hübschen Mädchen die Strumpfbänder selber umbinden.

Röse (erboßt.) Die Madam wohl ist nicht gescheit.

Gürge. Aber ich sagte zur Madame, andern [33] Mädchen wollt’ ich die Strumpfbänder wohl umbinden, denn da hätte es nichts zu bedeuten – – –

Röse (steigend.) So? Das hast Du gesagt?

Gürge. Ja, aber meiner Röse könnte ich sie nicht umbinden, denn da – denn da – denn da hätte es was zu bedeuten, denn ich hätte bey der gar keine Courage, weil ich so verliebt in sie wäre.

Röse. Je Du Erz-General-Schelm, also für mich hast Du die schönen Sachen mitgebracht?

Gürge. Und in dem Papiere da – mach’s einmal auf!

Röse. Je Du Schelm, ein Schnürsenkel!

Gürge. Da sagte die Madam, ich müßte Dich selber zum erstenmal damit einschnüren. – Aber, liebe Röse, damit verschone mich. Mir läuft’s eiskalt über die Haut, wenn ich nur dran denke.

Röse. Laß Dir nicht leid seyn, lieber Gürge, ich will Dich verschonen.

Gürge. Aber Du mußt nur nicht böse seyn, liebe Goldröse.

[34] Röse. Aber darüber bin ich böse, daß Du dein schönes rundes Geld angegriffen hast.

Gürge. Aetsch, Röse! Die Beutel sind noch so voll, wie ich sie gekriegt habe. Nein, von solchem Gelde hätte ich Dir nichts gekauft, weil es mir keine Mühe gekostet hat. Aber mein kleines liebes Schatzgeld hab’ ich angebrochen, weil ich drüber gesammelt habe, seit Du mir in mein Herze gekommen bist, und weil ich mir’s oft nach dem Feyerabende verdient habe, und weil es mir sauer geworden ist, und weil ich gern recht viel Freude damit haben wollte.

Röse. Ist das wahr, Gürge? sieh mich einmal an.

Gürge. Wahr ist es, aber ansehn kann ich Dich mein Tage nicht recht.

Röse. O Gürge! (fällt ihm um den Hals)

Schnapps (kommt, will nach Märtens Hause, sieht die Geldbeutel, und Rösen und Gürgen in stummer Umarmung.) Alle Wetter! so bin ich in meinem Leben nicht erschrocken. – Nun, weil’s der Himmel so haben will. (packt die Beutel in den Barbiersack) Es ist doch wunderbar, wie einem der Himmel in Einem Augenblicke aus aller Noth helfen kann. – [35] Nun sperrt euch nicht, ihr Rabenäser, oder ich kuranze euch zusammen, daß ihr Oel geben sollt. – Nu geht derweile zu Bette; auf die Nacht wollen wir weiter mit einander reden. (voll Triumph) Heil dir, Schnapps, wirklicher Edelmann dereinst! (ab)

Röse. O, ich muß weinen, lieber Gürge.

Gürge. Ach, und mir ist’s von dem Mäulchen ordentlich, als wenn es mein Ende seyn sollte.

Röse. Komm, wir wollen beide den Vater heraus holen, und wollen nicht eher nachlassen, als bis er einmal für allemal Ja sagt. (vermißt das Geld, thut einen Schrey) Ah!

Gürge. Was fehlt Dir denn, Röse?

Röse. Dein Geld ist gestohlen.

Gürge. Je, Du kleine Hexe, hast Du mich nicht erschreckt!

Röse. Gürge, wahrhaftig dein Geld ist weg.

Gürge. Je, das glaub’ ich wohl. Wie Du mir das Mäulchen gabst, da hättest Du mich mir selber aus der Jacke heraus stehlen können, ich hätte es nicht gewußt.

[36] Röse. Je nein, Gürge, es ist wahrhaftig gestohlen. (weint)

Gürge. Je, ich glaub’ es ja, Röse. – Hahaha, ich werde schon wieder drüber wegstolpern.

Röse. Je nein, ich habe Dir’s wahrhaftig nicht genommen.

Gürge (ernsthaft.) Höre, Röse, ist Wahrhaftig ein Schwur?

Röse. Je freylich ist es ein Schwur.

Gürge. Höre einmal – Flickerment, das muß ich mir überlegen. Das verdrießt mich, daß Wahrhaftig ein Schwur ist. Weißt Du noch, wie Du zu mir gesagt hast, da Du mir’s zum erstenmale sagtest?

Röse. Was denn?

Gürge. Du sagtest, Du wär’st mir wahrhaftig gut. Und auf das Wahrhaftig hab’ ich gebaut; und nun nimmst Du mir das verdammte Geld, das ich Dir so schon gegeben habe, und sprichst, Du hast es wahrhaftig nicht, und weinst noch obendrein dazu. (weint mit) Flickerment, alleweile besinn’ ich mich. Je Du kannst ja weinen, wenn Du willst, und kannst auch schwören, wenn Du willst.

[37] Röse. Was? bist Du rasend? Je Du bist ja ein rechter – ein rechter – ein rechter Erz-Grobian. Du bist ja ein ordentlicher Ehrenschänder. Mit Dir sollte sich ja kein ehrliches Mädchen abgeben.

Gürge. Was? ich ein Ehrenschänder?

Röse. Und ich eine Diebinn – eine die den Leuten das Geld nimmt, und es hernach abschwört?

Gürge. Aus dem Gelde, das Du mir genommen hast, mach’ ich mir nichts. Aber Du sprichst: Wahrhaftig, und es ist doch nicht wahr, und ich mag mit solchen Leuten nichts zu thun haben.

Röse. Und ich mit solchen Ehrabschneidern auch nichts.

Gürge. Seht Ihrs, sie will nichts mehr mit mir zu thun haben; so weit hat sies gerne haben wollen.

Röse. Nun er mich um ein solches Mäulchen gebracht hat, nun macht er sich nichts mehr aus mir.

Gürge. Das ist nicht wahr, und ich möchte gern noch zehn solche Mäulchen von Dir haben – aber ich mag nichts mehr von Dir wissen. Denn Du bist falsch, Du bist eine Schlange.

[38] Röse (äußerst erboßt.) Nun ists aus mit uns. Gleich geh, und komme mir nicht wieder unter die Augen. Hier hast Du deine Bänder (wirft sie ihm vor die Füße) – Was? ich wäre Dir nicht gut? ich stürbe nicht mit Freuden für Dich? ich könnte ohne Dich leben? – Gram bin ich Dir, gerade so gram als Schnappsen, und mache, daß Du fortkommst. Wenn ich Bänder brauche, soll mir sie Schnapps kaufen.

Gürge (auf einmal weichherzig.) O weh, das ist mir in alle Glieder geschlagen. – (ganz resignirt) Ich will zur Ader lassen, und hernach – will ich in den großen Teich springen. Ja, ich bin desperat, ich springe in den großen Teich. (ab)

Röse. Ach du lieber Himmel! – Vater! Vater! – Hülfe, Vater! Hülfe!


Sechster Auftritt.
Röse. Märten.

Märten (von innen.) Was giebt’s denn?

Röse. Hülfe, Vater! Hülfe!

[39] Märten (kommt heraus.) Es thut Dir ja niemand was? Was schreyst Du denn, als wenn Du am Spieße stäkst?

Röse. Er will ins Wasser laufen, Vater!

Märten. Ist er denn da gewesen?

Röse. Ja, Vater; er läuft Euch wahrhaftig in den großen Teich.

Märten. Er wird doch nicht des Teufels seyn.

Röse. Ja, Vater; er sagte, er wäre desperat.

Märten. Warum denn?

Röse. Weil ich mich mit ihm gezankt habe.

Märten. Je Du Rabenaas, wer heißt Dich Denn mit ihm zanken?

Röse. Ach, Vater, ich will’s in meinem ganzen Leben nicht wieder thun.

Märten. Nu warte, ich will was mitnehmen. (geht hinein)

Röse (ringt die Hände, und läuft herum.) Ach du lieber Himmel! – Du lieber Himmel! – Kommt Ihr noch nicht bald, Vater?

Märten (kommt mit einer langen Stange.) Erst schnäbelt sich’s, hernach neckt sich’s, und hernacher zankt sich’s; es wird wohl so gewesen seyn. [40] Nun, ich will Dir den Fisch schon herauslangen. Ich sehe doch wahrhaftig, daß er’s ehrlich mit Dir meynt. (will mit ihr abgehn, begegnet Schnappsen)


Siebenter Auftritt.
Röse. Märten. Schnapps.

Schnapps (ohne Barbiersack.) Wohin so geschwinde, Schwiegervater?

Märten. Nu, da ist er ja, frisch und gesund, Du Marzepille. Das Freyen hat Dir wohl den Kopf verrückt, he?

Röse. Je nein, Vater! Gürge! Gürge!

Märten. Gürge?

Röse. Je ja freylich, kommt nur.

Märten. Je, der arme Teufel! Ja, nun merk’ ich wohl, wo es raus kommt.

Schnapps. Was ists denn mit Gürgen? Ich habe ihn heute noch gar nicht gesprochen. Ich komme da aus dem Oberdorfe her. Hat er denn etwa einen Arm oder ein Bein gebrochen?

Märten. Je, er will in den großen Teich springen. Er kann sich’s ja wohl an den Fingern abzählen. [41] (ins Ohr) Nehmen Sie mir’s nicht übel, Ihre Gnaden, daß ich Sie nicht Ihre Ehre gebe.

Schnapps (ins Ohr.) Wir verstehen uns mit einander, wie die Spitzbuben, Papa Martini. Ich werde auch heute noch von dem vornehmsten Bankier in der Stadt einige tausend Thaler auf meine Länder vorgeschossen bekommen. Ich will Ihnen morgen das Geld zeigen.

Märten. Verflucht, Ihre Gnaden!

Röse. Vater, so kommt doch, so kommt doch ums Himmels willen.

Märten. Nu, ich und Röse wollen hier herum gehn: gehe er dort herum, Mosje Schnapps. So kommen wir am andern Ende des Teichs zusammen.

Schnapps. Ja, ja, (sucht in der Tasche) und meinen Schnäpper will ich gleich in die Hand nehmen, damit ich den Augenblick parat bin. An Vollblütigkeit soll er mir nicht sterben. (auf der einen Seite ab)

Märten. Aber mir fällt was ein, Röse, bleibe Du hier. So ein Anblick könnte Dir doch in der Nacht wieder vorkommen.

Röse. Vater, soll ich Euch denn zu Füßen [42] fallen? So kommt doch ums Himmels willen; so kommt doch.

Märten (im Abgehn) Närrchen, wir kommen noch Zeit genug. Man kann Einen wieder lebendig machen, wenn er auch vor zwölf Stunden ertrunken ist. (Gürge kommt ihnen entgegen, mit Schnappsens Barbiersacke auf dem Rücken)


Achter Auftritt.
Röse. Märten. Gürge.

Röse. Je der Abschaum von einem Balbiere!

Märten. Höre, Röse, vergreife Du Dich nicht an dem Herrn Baron, wollt’ ich sagen, an dem Herrn Balbiere! – Aber ich glaube, es spuckt bey Euch allen beiden. (Gürge setzt seine Last ab, und tritt auf die andere Seite) Was soll denn das da? – Wartet einmal, ich will nur meine Stange hinlegen, und meine Brille holen. (ab ins Haus)

Röse (bey Seite.) Wenn ich nur wüßte, wie ich wieder gut werden sollte; ich bin gar nicht böse mehr.

[43] Gürge (bey Seite.) Das Geld hab’ ich wieder; aber um meine zeitliche Glückseligkeit hat mich mein Schandmaul gebracht.

Röse (kniet plötzlich in ihrer Ecke nieder.) Ich will’s in meinem Leben nicht wieder thun.

Gürge (fällt in eben demselben Augenblick auf die Knie) Nein, ich will’s in meinem Leben nicht wieder thun.

Röse. Willst Du mir alles vergessen und vergeben?

Gürge. Nein, wenn ich Dir alles vergessen wollte, da müßte ich Dir auch das Mäulchen vergessen, das Du mir vorhin gegeben hast.

Röse (steht auf, hält sich die Hand vors Gesicht.) Willst Du noch eins darzu haben? (tritt vor ihn)

Gürge. Nein – ja – je nun, wie Du glaubst, daß es am besten ist. (steht unentschlossen auf)

Röse (küßt ihn.) Ist es so am besten? Bist Du mir wieder gut, lieber Gürge?

Gürge. Ach, wenn Du nur wieder gut bist, liebe Röse. Nach mir brauchst Du gar nicht zu fragen. Ich bin ja an allem Schuld gewesen.

[44] Röse. Nein, das ist nicht wahr; ich bin an Allem schuld gewesen.

Gürge (ernsthaft.) Siehst Du, Röse? Da machst Du mich gleich wieder desperat. Wer ist schuld gewesen?

Röse. Du, lieber Gürge, Du und kein andrer Mensche. (küßt ihn.) Bist Du nun zufrieden? (hebt emsig die Bänder wieder von der Erde auf.)

Gürge. Nu, nun ist mir mein Recht geschehen, und nun hab’ ich wieder Courage, und nun wollen wir auspacken, ob auch Alles da ist.

Märten (kömmt wieder, setzt die Brille auf.) Nun verdeutscht mir einmal die ganze Historie.

Röse. Seht Ihr, Vater, da hat heute Gürge sein Geld aus dem Lotto geholt, und da steht noch der Schubkarrn davon – – –

Gürge. Und da bracht’ ich’s gerade hieher, Vater, und wollt’ es Rösen schenken; und da plauderten wir mit einander, und da saßen wir, und da stand das Geld, und da gab mir Röse – (wischt sich das Maul.)

Röse. Da gaben wir nicht Achtung, Vater.

Gürge. Ja, so war’s, wir gaben nicht Achtung, und da war das Geld weg. Und auf Einmal zankte sich Röse – nein, ich führte mich [45] dumm auf, und da gab mir Röse den Abschied, und da wollte ich vor Angst zur Ader lassen, und – kurz, es war mir alles einerley.

Märten. Nun?

Gürge. Und wie ich an dem Balbier seine Hütte komme, da ist Euch alles verschlossen. Und nun ist Euch ein Loch im Fenster, und da seh’ ich durch, und da guckt’ Euch die eine Schnure von dem Balbiersacke da aus dem Bette heraus. Und nun denk’ ich, der Balbier liegt auch mit im Bette, und da drehe ich das Fenster auf, steige hinein, und da find’ ich die ganze Bescherung, wie Ihr sie hier seht.

Märten. Und Du bist ein erzlüderlicher Kerl, daß Du es nur weißt. Kannst Du nicht besser auf deine Sachen Achtung geben?

Röse. Ach Vater, wir haben gar recht Achtung gegeben, aber nur ein kleines Augenblickchen sahen wir nicht hin, und gerade in dem Augenblickchen hat uns der Mausekopf beschlichen.

Märten. Höre, Röse, ich sage Dir’s noch einmal im Guten, halte dein Maul. Mosje Schnapps meynt’s ehrlicher mit uns, als Du Dir vorstellst, und – Du weißt nicht, was ich weiß. Ich dachte, die Augen sollten Dir [46] aus solchen Beyspielen einmal aufgehn, daß Du mit Gürgen keine Seide spinnen wirst.

Röse. Vater, wie meynt Ihr denn das?

Gürge. Wie meynt Ihr denn das, Schwiegervater?

Märten. Daß Du ein schlechter Wirth bist, daß Du deine Sachen nicht zu Rathe hältst, daß Dir keine Frau was nütze ist, daß Du auf keinen grünen Zweig kommen wirst, und daß deine Frau einmal mit Dir betteln gehn wird.

Gürge. Schwiegervater, Ihr seyd einmal ein rechter Spasvogel. Was wetten wir, in meinem Häuschen sieh’ts aus, als wie in einem Lädchen? Und seht Ihr etwa, daß ich in die Schenke gehe? Und fragt einmal nach, ob ich einen Pfennig Gaben schuldig bin. Flickerment, Schwiegervater, ich habe mir heimlich gar einen Schatz gesammelt.

Röse. Ich weiß gar nicht, wie Ihr mir vorkommt, Vater, Ihr habt mir doch gesagt – – –

Märten. Ja, ja, ich habe Dir wohl gesagt – aber siehst Du – aber – (bey Seite) Ich will sterben, wenn ich weiß, was ich sagen soll.

Gürge. Höre, Röse, unser Schwiegervater [47] ist heute aufgeräumt, er hat uns alle beide recht zum Besten. (packt die Beutel aus) Da hier, Schwiegervater, da! – Eins, zweye; dreye, viere; fünfe, sechse! Da, das nehmt hin, und hebt’s auf, und kauft was für Rösen. Meinetwegen kauft ihr ein seiden Röckchen, oder ein scharlachen Miederchen, oder ein Rittergut, oder die Stadt mit sammt den Gassen. Ich mag gar nichts davon haben. Aber ich möchte nur mein ganzes Leben lang Rösen ihr lieber Gürge seyn dürfen, und – ich möchte nur manchmal mit Rösen auf dem Steine da sitzen dürfen.

Röse. O ja, Vater, ja! (mit der Schürze vor dem Gesicht) Ich mag gar keinen andern lieben Gürgen, als den da.

Märten (halb ängstlich unb halb erboßt.) Ihr Rabenäser, da seht Ihr nun einander zu tief in die Augen, und da nehmt Ihr solches Blitzzeug mit einander vor, und hernach soll unser Einer – Hab’ ich’s Euch denn geheißen, daß Ihr einander gut seyn sollt? – Heute hab’ ich den Kopf voll, heute hab’ ich meiner Seele den Kopf voll.

Gürge. Ihr denkt doch nicht etwa, Schwiegervater, daß ich mir von dem Gelde Schwänzelpfennige mache? Seht Ihr, ich habe wahrhaftig [48] weiter nichts gewonnen; da seht her. (schüttet den Barbiersack aus) Das sind dem Balbier seine Scheermesser – das da – sieh einmal, Röse, was das für ein Buch ist.

Röse (sieht den Titel nach.) „Kern- – Kraft- – und Donner-Sprüche – aus den neuesten – National-Schauspielen. – Leipzig und Zürch. 1788.“

Gürge. Nun die Donnersprüche habe ich auch nicht gewonnen, Schwiegervater. – Und das da ist seine Salvete – Und da – das Kindermützchen habe ich auch nicht gewonnen.

Röse. Wo er das von der Leine weg muß mitgenommen haben.

Märten. Halt’s Maul, Röse, oder – – –

Gürge. Und das – (findet noch ein zusammengelegtes Papier) Sapperlot! da hat er wohl gar noch einen Brief an mich geschrieben. – Röse, lies doch einmal, was er vorgiebt. Ich höre Dich so gern lesen.

Röse (liest.) „Du Teufelskerl aller Teufelskerle!“

Gürge (spuckt in die Hände.) Flickerment!

Röse (lißt.) „Da schick’ ich Dir unsrer Abrede gemäß [49] einen Brief vom General-Gouverneur aus Surinam – – –“

Märten. Wer? was?

Gürge (beruhigt.) Nein, der Brief ist nicht an mich. (packt den Barbiersack wieder ein, und setzt ihn bey Seite)

Märten. Lies doch ein paar Worte weiter! nur ein paar Worte!

Röse. „Und einen Stammbaum, wie Du ihn bestellt hast – – –“

Märten. Was? einen Stammbaum bestellt?

Röse. Ja, Vater! „einen Stammbaum, wie Du ihn bestellt hast. In dein Wappen habe ich Dir eine dicke deutsche Sieben gesetzt: ich glaube, sie soll halten.“

Märten. Verflucht! Lies! lies!

Gürge (ängstlich.) Nein, an mich ist der Brief nicht, Schwiegervater.

Röse. – „Ich lache mich todt, wenn Du den alten Einfaltspinsel um seine hundert Souveräns prellst. Ich schicke Dir auch deinem Verlangen gemäß ein paar neumodische Trauerspiele, damit Du lernen kannst, wie die großen Herrn reden, [50] wenn sie sich recht vornehm und recht dumm anstellen, der ich verbleibe – Dein treuer Wurmdoktor Knallespalles bis in den Tod.“

Märten. Alle Hagel! – Lies weiter!

Röse. Vater, es steht nichts weiter da! (giebt ihm das Papier.)

Märten (sieht es mit der Brille durch: für Zorn zitternd) – „Stammbaum – alten Einfaltspinsel – hundert Souveräns.“

Röse. Vater, wißt Ihr denn schon, was der Wisch heißen soll?

Gürge. Schwiegervater, ich habe mir meiner Seele keinen Stammbaum beym Wurmdoktor bestellt.

Märten. Geht mir drey Schritte vom Leibe, oder ich – (Röse springt in die eine, Gürge in die andre Ecke; Märten läuft mit starken Schritten hin und her) Alten Einfaltspinsel! Hundert Souveräns! – Alle Hagel! – (freundlich) Röse, hole mir einmal meine Schlittenpeitsche heraus – Alle Hagel! – Die Schlittenpeitsche, mache! – (Zu Gürgen) Komm her, Schurke!

Röse (hält Märten beym Rocke.) Vater, ie Vater, Ihr seyd ja ganz außer Euch? Was fehlt Euch denn?

[51] Märten (geht auf Gürgen los.) Komm her, Du Spitzbube! (Märten verfolgt Gürgen, Röse Märten.) Willst du herkommen? – willst du den Augenblick herkommen? – Je, Du verdammter Kerl, Du sollst herkommen! (erwischt ihn endlich, und schiebt ihn Rösen an den Hals.) Da hast Du ihn, Du Hexe!

Röse. Was, Vater? – Ach nein, im Zorn ums Himmels willen nicht! – Wir wollen lieber warten, ums Himmels willen, wir wollen lieber warten.

Gürge. Ja, Schwiegervater, wir wollen lieber warten. Ich kann Rösen so vor Respekte noch nicht heirathen.

(Beide treten in ihre Ecken zurück.)

Märten. Ihr sollt und müßt! – (bittend) Röse, wenn gehst Du denn? Es ist mir in die Beine geschlagen. Die Peitsche! mache!


Neunter Auftritt.
Röse. Märten. Gürge. Schnapps.

Schnapps. Schwiegervater, ich sehe nichts schwimmen auf [52] dem ganzen Teiche. – Je, der Hammer! da steht ja unser lieber Gürge! Nun, haben wir’s bis auf ein andermal verspart, Gürge? – Ach, was der Tausend! da ist ja auch mein allerliebster Goldschatz.

Gürge (spuckt in die Hände.) Wenn ich mich nur nicht vor dem Schwiegervater fürchtete!

Schnapps. Oberste Monarchinn meines martervollen Herzens, Kammerdame meiner nächtlichen Träume, Freudenmädchen meiner verliebten Seufzer, hier liegt dein zärtlicher verwünschter Prinz Sebastianus auf seinen espenlaub-zitternden Knien: erquicke ihn mit einem wohlschmeckenden Blicke deiner rosenrothen Augen, und mit einem schmachtenden Kusse deiner himmelblauen Lippen.

Märten (der in stiller Wuth an dem Tragbande von Gürgens Schubkarne herumknüpft, ohne es losbringen zu können, losbrechend) Spitzbube!

Gürge. Heisa flickerment! nun krieg’ ich Courage.

Röse. Erzschlechter Mensch!

Gürge. Beutelschneider! (holt ihm den Barbiersack.) Mein lieber Schnapps, da nehm’ Er Seine gebacknen Birnen! es fehlt nicht ein Kindermützchen [53] dran: aber – (ins Ohr) es kömmt mir vor, als wenn es noch heute Schläge setzen würde.

Schnapps (noch immer kniend, bey Seite) Alle Hagel! (laut) Hähähä! Schwiegervater, ist das nun nicht wieder ein Exempel, daß der Leichtfuß einmal seiner Frau die Kühe aus dem Stalle stehlen läßt?

Märten (hat endlich das Tragband los.) Schurke, rühre Dich nicht!

Schnapps. Je, Schwiegervater, Ihr werdet doch Spas verstehn? – Hm! Ihr wißt ja wohl! hm! Ihr wißt ja wohl! Die vierundzwanzig Leibbarbiere, hm!

Märten. Lies! (giebt ihm den Zettel.)

Schnapps (bey Seite.) Pfuy Teufel! (packt allmälig seinen Flor ein.)

Märten. Foppen hast Du mich also wollen?

Gürge. Was? Du hast unsern Schwiegervater foppen wollen?

Röse (hält Gürgen zurück.) Je, so laß doch den Kerl reden!

Schnapps. Hähähä! hähähä! hähähä! hähähä! Muß ich doch lachen, daß mir die Augen übergehn, hähähä! Es ist mir doch recht lieb, daß [54] Ihr den Zettel gleich gefunden habt, weil ich’s Euch nicht gern ins Gesicht sagen wollte.

Märten. Was hast Du mir nicht ins Gesicht sagen wollen, Windbeutel?

Schnapps. Je, der Richter wettete mit mir um zwey Groschen, Ihr ließt Euch von mir prellen, und ich wettete, Ihr ließt Euch nicht prellen, denn Ihr wärt für mich zu schlau: und da mußte mir mein guter Freund, der Wurmdoktor, was zusammenschmieren, denn für mich alleine war ich zu dumm, hähähä! – aber es soll kein Mensch ein Wort davon erfahren, hähähä! – und ich will dem Richter schon etwas vorlügen. – Ich will sprechen, hähähä, Ihr hättet es gemerkt, hähähä, hähähä, hähähä, und hättet mich beynahe tüchtig ausgeprügelt.

Märten. Spitzbube! dasmal will ich Dir’s schenken: aber hier sieh her! (führt Rösen zu Gürgen hin) Da, Gürge, mache mit ihr, was Du willst.

Gürge. Ach, Schwiegervater, ich will gar nichts mit ihr machen: aber mit mir kann sie machen, was sie will.

Märten. Und eine Hochzeit will ich Euch ausrichten, wie im Dorfe noch gar keine gewesen seyn soll. Da soll unser lieber gnäd’ger Herr, und unsre [55] liebe gnäd’ge Frau, und die jungen Grafen, und unsre hübschen Comtessen alle dabey seyn, und da soll eine Menge Volks zulaufen – – –

Schnapps. Vater Märten, ich will auch mit zulaufen.

Gürge. Schwiegervater, er soll zum Possen Hochzeitbitter seyn.

Röse. Ja, Vater, ja, damit er doch auch eine Freude hat.

Märten. Nun weil Er mich damals curirt hat, Schnapps, so mag Er’s seyn. Aber knieen muß Er, bis das Geld da weg ist.

Röse (verschämt.) Aber es bleibt doch nun bey der Hochzeit, Vater?

Märten. Kommt herein, kommt, nehmt das Geld mit, ich will ein paar gute Freunde holen lassen.

Röse (während sie beym Gelde mit angreift, verschämt) Aber wird denn die Hochzeit bald?

Märten (launig.) Gleich den Tag nach dem Polterabende.

Gürge. Nach Eurer Commodität, Schwiegervater, nach Eurer Commodität! Es hat nun keine Eile.

Märten (zu Schnapps.) Nun, laß Er sich die Zeit nicht alleine lang werden. (ab.)

[56] Gürge. Schnappschen, studire derweile hübsch, daß Du nicht stolperst. (ab.)

Röse (mit einem Knix.) Baldige Nachfolge, Mosje Schnapps! (ab.)

Schnapps. Ich gratulire allerseits, ich gratulire. (allein, steht langsam auf.) Nun, an mir hat’s nicht gelegen, und ich habe ein gut Gewissen. – Aber daraus will ich mir wieder dreyerley ad notam nehmen. Erstens: wer nichts haben soll, (hebt den Barbiersack in die Höhe) der verliert das Brod aus dem Sacke. – Zweytens: vornehmen ehrlichen Leuten gelingt alles, aber so einem armen Schelme, in einem solchen Röckchen, gelingt gar nichts. – Und drittens, nun müssen sie mir doch ein neues Fähnchen schaffen, und wenn ich da nicht als Hochzeitbitter noch ein kleines, Schnellerchen mache, alsdenn – gute Nacht mit einander!




Ende der ersten Fortsetzung
der beiden Billets.