Der Palmbaum
Der Palmbaum.
Liebe kränzet sich mit Myrth’ und Rosen;
Für den Held und Dichter sprießet Lorbeer;
Aber Palmen sind des heilgen Siegers
Ehrenzweig; und auch dem matten Wandrer
* * *
Als Onuphrius, ein rascher Jüngling,
Von den Vätern des Elias Leben
Ueber alles hoch lobpreisen hörte,
Rüstet’ er sich, eilend in die Wüste.
Rief ihm zu: „was thust du hier, Elia?“
Bis von Sonnenglut und Durst und Hunger
Er ermattet sank. „Nimm meine Seele,
Sprach er, Herr! Nur einen Trunk zur Labung,
Und ein süßer Schlaf umfing den Jüngling,
Und sein Engel stand bei ihm: „Verwegner,
Der du Gott versuchst, bist du Elias?
Doch zu deinem Lohn und deiner Lehre,
Und ein Palmbaum über deinem Haupte.
Siebzig Jahre sollst du hier mit ihnen
Leben, und sie werden mit dir sterben.
Aber keines Menschen süße Stimme
Bis dir Einer kommt, der dich begrabe.“
Froh erschrocken sah der Auferwachte,
Was der Engel ihm im Schlafe sagte;
Nannte jetzt den Palmbaum seinen Bruder,
Sich an ihrem Trank, an seinen Früchten,
Kleidete sich in des Baumes Blätter;
Aber keines Menschen süße Stimme
Kam zu ihm die siebzig lange Jahre.
„Dieser, sprach er, ist von Gott gesendet,
Daß er mich begrabe!“ nahm den Gast auf,
Und erzählt’ ihm seines Baums Geschichte.
„Also, hast du deine Pflicht erfüllet;
Menschen sind geschaffen für die Menschen.“
Kaum gesprochen, sank der Greis danieder
Todt; ein Sturmwind riß den Baum mit seinen
Wurzeln aus; die Quelle war versieget.
„Komm, o Bruder, komm aus deiner Wüste;
Was dir deine eigne Schuld versagte,
Singet dir der Himmel jetzt entgegen,
Süße Freundschaft unter Himmels-Palmen.“
Dessen Antlitz glänzete. Die Wüste
Heulte rings um ihn, und trieb ihn von sich:
„Ach, sprach er, so viel sie Leid sich bringen,
So viel geben sie sich Trost und Stärke;
* * *
Dank, Onuphrius, nach tausend Jahren
Dank dir, daß du eines Mannes Seele
Noch in seiner letzten Stund’ erquicktest.
Schüchtern, krank, mißtrauend allen Menschen,
Trug er in der Brust;) so floh Torquato
Tasso zu dir. Seine zarte Schläfe
War bedeckt mit Lorbeer; keinen Lorbeer
Sucht’ er mehr; ihn labte deine Palme.[1]
- ↑ Tasso, dieser liebenswürdige, aber fast sein ganzes Leben hindurch unglückliche Dichter, als er erschöpft an Kräften in Rom ankam, um auf dem Capitolium gekrönt zu werden, ließ sich in das Kloster St. Onofrio bringen, wo er, indeß alle Anstalten zur Feierlichkeit gemacht waren, den Tag vor seiner Krönung sanft entschlief. Er liegt mit Barklai und dem Dichter Gnidi in der Kirche St. Onofrio unter einem Steine begraben; zu einem Denkmal ist kein Raum da. Man zeiget sein Brustbild und die dem Gesicht des Todten entnommene Larve.