Der Ottiliensberg bei Freiburg

Textdaten
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Autor: Friedrich Gottschalck
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Titel: Der Ottiliensberg bei Freiburg
Untertitel:
aus: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, S. 212-219
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1814
Verlag: Hemmerde und Schwetschke
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Erscheinungsort: Halle
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch Badisches Sagenbuch, 1. Band: St. Ottilien, Ottilie und St. Ottilien
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Der Ottiliensberg bei Freiburg.

Im Elsaß lebte einmal ein Graf von Hohenburg. Reich war er, sehr reich, hatte viele Schlösser und Wälder und Knappen, und auch eine schöne Hausfrau. Alles, was sein Herz wünschte, besaß er, oder konnte er erlangen. Nur, was sich nicht mit Gelde erhandeln läßt, eigene Kinder, die hatte er nicht. Er betete oft in der Kapelle seiner Burg: Gott möchte seinen Wunsch erhören – denn auch ein frommer gottesfürchtiger Mann war er –, aber es vergingen wohl zehn der Ehejahre, und noch wiegte er keinen Erben seiner schönen Länder auf dem Schooße. Da verzweifelte er ganz daran, je einen zu sehen. Aber, unverhofft kommt oft! Im eilften Jahre gebahr ihm sein Weib ein Mägdlein. So groß indessen die Freude vor der Geburt war, so groß war das Leid nach der Geburt; denn das neugeborne Mägdlein kam blind zur Welt.

Vater und Mutter jammerten, jedes für sich im Stillen, über dieß traurige Schicksal, härmten sich ab und grämten sich, daß ihre Freude so grausam verbittert worden. Doch, die Zeit, die alles lindert, alles ebnet, machte ihnen das Unglück zur Gewohnheit, und sie hatten das Töchterchen, das das einzige Kind blieb, recht herzlich lieb. Es wuchs gesund und schlank heran, und wurde ein recht feines und gutes Mädchen.

Ottilie, so hieß sie, war ungefähr vierzehn Jahre alt, als sie – durch welchen Zufall, weiß man nicht – plötzlich das Augenlicht erhielt. Die Freude der Eltern darüber war grenzenlos. Große Pläne machten sie nun für Ottiliens künftiges Schicksal, suchten sich unter den benachbarten Edeln und Rittern des Landes einen stattlichen Schwiegersohn aus, oder setzten sie gar schon an die Seite eines Rheinfürsten.

Nicht so Ottilie. Ihr früher Zustand hatte ihr einen Hang zur Schwärmerei, zum Religiösen gegeben, und einen ewigen Bund mit dem Himmel zu schließen, war ihr fester Entschluß. In der Erlangung ihres Gesichts gewahrte sie einen Fingerzeig Gottes, ihrem Vorsatze getreu bleiben zu müssen, und der stand denn auch felsenfest.

Da begab es sich, daß ein reicher Ritter des Gaues das schöne Fräulein lieb gewann. Oft sprach er bei den Eltern ein, um Ottilien näher kennen zu lernen, aber immer wußte diese sich unter irgend einem Vorwande zu entfernen. Das gefiel zwar Anfangs dem Ritter, er hielt es für jungfräuliche Züchtigkeit, aber den Eltern gefiel es nicht. Sie hatten schon längst gemerkt, daß Ottilie geneigter sey, sich mit dem Himmel, als mit einem Ritter zu vermählen, und das wurde ihnen jetzt ganz klar. Sie hofften indessen, daß sich das geben werde, und als daher der Ritter ihnen einen förmlichen Antrag um die schöne Ottilie machte, so erhielt er ein fröhliches Jawort, ohne daß die Hauptperson weiter befragt worden wäre.

Ottilie hatte eben ihr Abendgebet verrichtet, war frommen Herzens aus der Burgkapelle in ihr Kämmerlein zurückgekehrt, und drehte schon wieder züchtiglich die Spindel, als die Eltern zu ihr hereintraten. Mit freudiger Gebehrde verkündigten sie, was geschehen sey, erzählten, daß der Ritter ihrer harre, und sie nun, als seine Verlobte, ihn begrüßen solle.

Da erhob sich die erschrockene Tochter von ihrem Sitze, schlug ein Kreuz, und sprach:

„Ich bin schon eine Braut des Himmels, und kann nie eines Mannes Gattin werden. Dieß schwöre ich bei dem Heile meiner Seele!“

Da erzürnte sich der Vater und wurde heftig. Die Mutter weinte. Aber weder Bitten noch Drohungen halfen. Ottilie blieb fest entschlossen, blieb standhaft, und erklärte nochmals, daß sie eher den Tod suchen, als in den Willen ihrer Eltern sich je ergeben werde. Da schwur der erzürnte Vater, diesen Starrsinn zu brechen. Er deutete Ottilien an, sich morgen zur Hochzeit zu bereiten, und verließ sie im vollen Zorn.

Die arme Ottilie weinte. Ihrem Vorsatze getreu zu bleiben, war sie fest entschlossen, aber sie wußte auch, daß der Vater auf seinem Verlangen eben so fest beharren werde. Was nun machen! – Die halbe Nacht verbrachte sie mit Ueberlegungen. Bald wollte sie das, bald jenes, und immer kam kein Entschluß zur Reife. Als aber die Hähne den grauen Morgen zu verkünden begannen, da entschloß sie sich plötzlich, aus dem väterlichen Hause zu fliehen. Sie nahm das Köstlichste ihrer Habseligkeiten mit, schlich aus der hoch gelegenen Burg, und eilte nun schleunig und auf gut Glück fort.

Als am Morgen in der Burg des Ritters schon alles wach und mit den Anstalten zum Hochzeitfeste beschäftigt war, da fehlte noch immer Ottilie. Und als sie noch immer fehlte, wie die Sonne schon hoch heraufgerückt war, da ging der Vater auf ihre Kammer, sie zu holen. Aber leer war es, das kleine Kämmerlein. Man suchte und suchte, man störte die ganze weitläufige Burg aus, aber nirgends war das Fräulein zu finden, auch nicht im Burggarten. Da wurde es allen glaubhaft, daß sie entflohen sey. Der Ritter ließ nun alle seine Mannen aufbieten, die Entflohene zu suchen. Alles setzte sich zu Pferde, und eilte nach allen Weltgegenden. Auch der Vater und der Bräutigam ritten aus, und nahmen ihren Weg nach der Stadt Offenburg im Breisgau zu.

Schon begann der Tag sich zu neigen, als sie bei dieser Stadt einen Berg hinaufritten. Sie wollten von da die Gegend überschauen, und dann in Offenburg zu Nacht bleiben. Da hörten sie plötzlich einen lauten Schrei, und, als sie aufblickten, sahen sie Ottilien oben auf des Berges Spitze stehen. Im Hui sprengten sie hinan, frohlockend, der Beute gewiß zu seyn.

Ottilie weinte, hob die Hände gen Himmel, und bat die lieben Engelein um Hülfe und Rettung. Da schützte der Himmel seine Braut. Unter ihren Füßen öffnete sich der rauhe Fels, und vor den Augen des Vaters und des Bräutigams sank Ottilie in die Tiefe hinab. Der Fels schloß sich, und eine lautere Quelle lief aus einer kleinen Oeffnung hervor.

Weinend und trostlos kehrte der Vater heim, und nie sah er seine Ottilie wieder.

Das Wunder ward bald bekannt im ganzen Lande. Man wallfahrtete nach der Stelle, trank von dem hellen Wasser, das sehr stärkend für schwache Augen war, und ein Einsiedler baute nicht weit davon sich eine Wohnung hin. Lange, lange pilgerte man nach dem Ottilienberge, der noch jetzt diesen Namen führt.

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Streifereien in einige Gegenden Deutschlands (von Klinger). – Mad. Naubert, in den neuen Volksmährchen der Deutschen 1r Bd. Lpz. 1789. 8., hat diese Sage von S. 276 bis 361 romantisch bearbeitet.