Textdaten
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Autor: Moritz Busch
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Titel: Der Mann im Monde
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 806–808, 810
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Volksglaube rund um den Mond
Beruht auf einem 1850 anonym publizierten, vermutlich von Busch verfassten Artikel in Die Grenzboten 19 (1860), S. 489–506 Google; in veränderter Form wiederabgedruckt in Die Grenzboten 36 (1877), S. 361–377 Google.
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[806]

Der Mann im Monde.

Von Moritz Busch.

Wie von vielen anderen Dingen, so weiß das Volk auch von den Erscheinungen am Himmel mancherlei, was Leuten, die sich für gescheidter halten, unbekannt ist. Es weiß, z. B., daß, wo Sternschnuppen hinfallen, ein Schatz liegt, daß die Milchstraße die Leiter ist, auf der Jakob im Traume die Engel auf- und absteigen sah, und daß die drei aneinander gereihten Sterne, welche den Gürtel des Orion bilden, nichts Anderes sind, als der Wunderstab, mit dem Moses das rothe Meer theilte. Wohlbegründete Thatsachen sind ihm, daß die Sonne beim Aufgehen am Ostermorgen drei Freudensprünge thut, und daß sie, am Neujahrstag roth aufgehend, Krieg weissagt, und ebenso verbürgt ist ihm, daß der Regenbogen mit seinen beiden die Erde berührenden Enden stets über zwei Gewässern steht, aus denen er mit zwei goldenen Schüsseln schöpft.

Nun hat der nachdenkliche Sinn, der diese Wahrheiten heraus gefunden, natürlich auch über den Mond nachgesonnen, [807] der, als in stiller, einsamer Nacht scheinend, mehr als Anderes zu denken gab, und auch hier sind einige ganz anmuthige Entdeckungen gelungen, auf welche im Nachstehenden aufmerksam gemacht werden soll.

Betrachten wir den Vollmond, so wird er den Meisten wie ein pausbäckiges Gesicht vorkommen, das, je nach der Stunde, in welcher sie aus dem Wirthshause heimgehen, gerade oder schief steht. Die Sternkundigen halten die dunklen Flecken, welche auf diesem Gesichte Augen, Mund und Nase andeuten, für Berge oder Thäler des Erdtrabanten. Das Volk, das kein Fernrohr, aber ebenfalls Wissensdrang und zur Befriedigung desselben eine flinke und fruchtbare Phantasie hatte, nennt sie den Mann im Monde und weiß auch, wie der Mann in den Mond gekommen ist. Stimmen die Ansichten, die es in dieser Hinsicht hat, nicht in allen Stücken überein, so doch darin, daß er ein armer Verbannter ist, der einen dummen Streich begangen hat, und das wollen wir uns von den verschiedenen Sagensammlungen, da es zwar Zweifeln unterliegen möchte, aber sich ganz hübsch anhört, im Folgenden zunächst einmal erzählen lassen.

Zu Waltensburg in Graubünden erklärt man sich die Sache so: Ein Senne wurde von einer armen Frau um etwas Milch angegangen. Er schlug es ihr mit harten Worten ab, und darauf verwünschte sie ihn in den kältesten Ort auf der Welt. Durch diesen Fluch kam er in den Mond, wo es beiläufig auch nach der Meinung der Astronomen sehr kalt werden kann, und dort sieht man ihn bei Vollmond, noch immer in seinem Eimer herumrührend, sitzen.

In der Gegend von Derendingen in Schwaben erzählt man, wie Meier berichtet, den Kindern die Geschichte anders. Hier heißt es: Ein Weingärtner arbeitete des Sonntags in seinem „Wingert“, beschnitt die Reben, band, wie das Gebrauch, die abgeschnittenen Schößlinge in ein Bündel zusammen, legte es oben auf seine Butte und ging damit nach Hause. Nach Anderen stahl er dieses „Rebebüschele“ in einem fremden Weinberge. Als der Mann nun wegen seiner Entheiligung des Sonntags oder wegen seines Diebstahls zur Verantwortung gezogen wurde, leugnete er, verschwor sich hoch und theuer, daß er unschuldig sei, und sagte: „Haun ih’s dann, so komm i in Maun.“ (Hab’ ich’s gethan, so will ich in den Mond kommen.) Für diesen Frevel ist er denn auch richtig nach seinem Tode in den Mond gekommen, wo er zur Strafe geschmolzenes Eisen essen muß. Wenn daher Jemand am Sonntage „schafft“, so ruft man ihm zu: „Gieb Acht, sonst mußt Du auch noch einmal in den Mond.“ Die Mutter aber sagt zu ihrem Kinde, wenn der Vollmond aufgeht: „Guk au den Ma im Maun mit sell Rebebüschele!“ und warnt es dann mit der Geschichte des unglücklichen Winzers vor aller Sonntagsentheiligung.

In anderen schwäbischen Orten hat der Mann Sonntags im Walde Holz gestohlen und es in seiner „Kräbe“ (Tragkorb) nach Hause geschafft. Im Schwarzwalde endlich, in der Gegend von Calw und Liebenzell, schnitt er sich Sonntags, wo die Jäger und Feldhüter nicht im Walde sind, ein Büschel Besenreiser und trug es auf dem Rücken heim. Da begegnete ihm zwischen den Bäumen ein Mann; der war der liebe Gott; der stellte ihn zur Rede, fragte ihn, ob er nicht wisse, wie das dritte Gebot laute, und sagte, daß er ihn bestrafen müsse, doch solle er sich wählen dürfen, ob er lieber in den Mond oder in die Sonne verwünscht sein wolle. Darauf versetzte der Dieb: „Wenn es denn sein muß, so will ich lieber im Monde erfrieren als in der Sonne verbrennen,“ und so ist er denn, mit seinem Bündel Reisig auf dem Rücken, wie man deutlich erkennen kann, in den Mond versetzt worden. Nach Einigen war der liebe Gott aber noch milder, indem er dem „Besenmännle“, damit es bei der großen Kälte auf dem Monde nicht erfriere, das Bündel Holz auf dem Rücken anzündete, das heute noch brennt und niemals erlöschen wird.

Ein heidnischer Zug ist in derjenigen Form der Sage, wo der Mann nicht deshalb in den Mond verbannt wird, weil er am Sonntage, sondern weil er im Mondscheine gearbeitet hatte, und dies ist offenbar die ältere Gestalt aller Geschichten vom Mondmanne. Alles Arbeiten bei Mondschein ist zu meiden, namentlich darf man dann nicht spinnen; denn, wie man in der Oberpfalz meint, hält das auf diese Art gewonnene Garn nicht und eine schwäbische Sage bei Meier berichtet zur Warnung Folgendes:

Eine Frau in Brackenheim, die sich mit Spinnen ernährte, war so fleißig, daß sie oft Nächte lang vor der Kunkel saß, und so sparsam, daß sie bei Vollmond kein Licht ansteckte. Da trat aber einmal mit dem Schlage Zwölf ein Mann zu ihr in die Stube, der brachte ihr einen ganzen Arm voll Spindeln und sagte: „Wenn Du die nicht in dieser Nacht vollspinnst, so ist’s aus mit Dir; denn dann hol’ ich Dich.“ Da kriegte die Frau eine große Angst, aber schlau, wie die Weiber sind, kam sie auf den klugen Einfall, daß sie die Spindeln ja nur einmal zu überspinnen brauche, und so wurde sie mit ihrer Aufgabe noch vor Tagesanbruch fertig. Der Mann, welcher der Teufel war, kam wirklich wieder, fand die Spindeln voll, nahm sie stillschweigend und ging fort. Die Frau aber hat niemals wieder im Mondschein gesponnen.

Kehren wir zu unserem Mondmanne zurück, so begegnen wir ihm auch in norddeutschen Sagen häufig. Im Havellande erzählt man, wie Kuhn uns mittheilt: Es war einmal ein Mann, der bekam am Weihnachtsabend Appetit auf Grünkohl, und weil er selber keinen im Garten hatte, ging er auf das Beet seines Nachbarn und holte sich welchen. Da ritt, als er seinen Korb eben voll hatte, der heilige Christ auf seinem Schimmel vorbei; der sagte zu ihm: „Weil Du am heiligen Abend gestohlen hast, so sollst Du gleich mit Deinem Korbe voll Kohl im Monde sitzen.“ Auf der Stelle saß er darin und ist bis auf den heutigen Tag dort geblieben. Im Paderbornschen hat der Mondmann nicht gestohlen, wohl aber, wie Kuhn sich von einem dortigen Schäfer belehren ließ, am Ostertage den Leuten, die zur Kirche wollten mit einer „Gaffel“ Dornen den Weg durch sein Feldthor versperrt. In Ostendorf an der Lippe trägt er einen Wachholderbusch – weshalb, das sagt Kuhn, meine Quelle auch hier und im Nächstfolgenden, uns nicht. In der Gegend von Wittingen ist der Mann in den Mond verbannt, weil er am grünen Donnerstag Besen gebunden, in Deilinghofen, weil er am Sonntage gemäht hat.

Wieder anders wird die Sache in der Grafschaft Limburg und zu Hemer an Westphalen erzählt. Dort heißt es: „Der Mann im Monde ist Einer, der am Ostermorgen Holz gestohlen hat, weil er dachte, unser Herr Christus wäre nun gekreuzigt und todt. Zur Strafe muß er im Monde sein und Schleifholz tragen.“ In Hemer aber lautet die Geschichte: „Es war einmal ein Mann, der wollte am stillen Freitage sein Feld einzäunen und hatte einen Haufen Dorngesträuch an der Gabel; da kriegte ihn unser Herrgott zu fassen und setzte ihn so, wie er ging und stand, in den Mond.“

Alle diese Erklärungen des Mondmännchens laufen, wie man sieht, auf die Bestrafung der Entheiligung oder Störung von Feiertagen hinaus, tragen also einen christlichen Charakter. Heidnischen Ursprungs dagegen sind wieder die nachstehenden beiden, von denen die erste aus dem Siegenschen, die andere aus Schmallenberg in Westphalen stammt. Ein junger Mann hat einmal des Nachts zu seinem Mädchen in’s Fenster steigen wollen. Da hat aber der Mond so hell geschienen, daß der Bursche gedacht hat: Du willst ihn doch mit einer Dornwelle verfinstern. Wie er aber so gestopft hat, ist er zuletzt darin hängen geblieben. – Ein Säufer hat einmal dem Monde, als er betrunken aus dem Wirthshause auf die Straße trat – vermuthlich weil er ihm das schiefe Gesicht des seligen Herrn von Mühler machte – mit einer Dornwelle gedroht, und der Mond hat das übel genommen und den Mann mitsammt seiner Dornwelle zu sich hinaufgezogen, wo er noch immer sitzt.

Nach einigen Erzählungen hat der Mond nicht blos diesen einen Bewohner, sondern es befindet sich darin außer einem Manne, der Dornen an einer Gabel trägt, auch eine Frau, die an der „Kirne“ (Butterfaß) steht und buttert. „Das sind,“ erzählt man zu Hemer, „ein Paar Eheleute gewesen, die den Sonntag nicht heilig gehalten haben. Der Mann hat während der Kirche sein Feld mit Dornen umzäunt, die Frau aber hat Butter gekirnt. Da hat sie unser Herrgott damit bestraft, daß sie dies (ein Anklang an die Sage vom ewigen Juden, vom fliegenden Holländer und vom wilden Jäger) in alle Zukunft hin thun sollten, jedoch nach ihrer Wahl entweder in der Sonne oder im Monde. Sie haben aber – man vergleiche damit die verwandte schwäbische Geschichte vom Verbannten im Monde, die oben mitgetheilt wurde – bei sich gedacht, in der Sonne möchte [808] es ihnen gar zu heiß werden, und so haben sie sich in den Mond setzen lassen.

Die Rantumer auf der schleswigschen Insel Sylt sagen nach Müllenhoff: Der Mann im Monde ist ein Riese, der zur Zeit der Fluth gebückt steht, weil er dann Wasser schöpft und auf die Erde gießt. Zur Zeit der Ebbe aber steht er aufrecht und ruht von seiner Arbeit aus, sodaß sich das Wasser wieder verlaufen kann.

Ich knüpfe hieran einige andere Züge der Auffassung des Mondes durch das Volk. Viel verbreitet ist die Meinung, man dürfe nach dem Monde nicht mit dem Finger zeigen, denn dann bestrafe einen der liebe Gott. Wie man in den meisten Gegenden Deutschlands im Mondscheine nicht arbeiten darf, so verbietet, wie Schönwerth uns mittheilt, oberpfälzischer Aberglaube, irgend ein Ackergeräth oder einen Wagen im Mondlichte stehen zu lassen, weil er davon entzwei gehen würde. Aus demselben Grunde darf man die Wäsche nicht im Mondscheine hängen lassen, und wenn abergläubische Leute rathen, sich vor dem Schlafen im Mondlichte und vor dem Trinken aus einer Quelle oder einem Bache, in welchen der Mond scheint, zu hüten, so denken sie ebenfalls an schädliche Eigenschaften jenes Lichtes. Eine eigenthümliche Warnung ist die, daß man im Mondscheine nicht tanzen soll, „weil dann die Erddecke so dünn wie Spinngewebe ist und die Geister drunten durch das Tanzen heraufgelockt werden“. Frauen, die in anderen Umständen sind, dürfen nicht in den Mond sehen, weil das Kind sonst mondsüchtig oder blöde wird. Endlich soll der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulniß von Fleisch und Fischen befördern und sogar die Barbiermesser stumpf machen. Der Montag gilt vielfach für einen Unglückstag, am Rheine, weil die Mägde, die an ihm einen Dienst antreten, viel zerbrechen und bald wieder abziehen, im Altenburgischen, weil man das Glück für die Woche mit weggiebt, wenn man an ihm etwas verleiht oder verschenkt. Andere hierher gehörige Meinungen und Regeln führt Grässe an: nach der einen darf man am Montage bei Einkäufen nichts schuldig bleiben, nach einer andern sich beim Nachbar kein Feuer holen und ebenso keinem, der Feuer holen will, dasselbe verabfolgen, nach einer dritten in keine fremde Stubenthür hineinsehen, ohne in’s Zimmer zu treten, weil man sonst bewirkt, daß der Mann die Frau prügelt. Wer Montags zur Zeit der Sommernachtgleiche geboren wird, kann mit Geistern verkehren.

Zahlreich sind die Vorschriften, die der Aberglaube in Betreff der Zeiten oder Phasen des Mondes ertheilt. Die Haare muß man sich in Tirol bei abnehmendem, im ganzen übrigen Deutschland aber bei zunehmendem Monde verschneiden lassen. Eier, im ersten Viertel gelegt, sind gut zur Speise sowie zum Erzielen junger Brut; die aus dem letzten Viertel taugen nicht zur Zucht. Alles Schlachtvieh, desgleichen Krebse, Muscheln und Austern sollen im Vollmonde fetter sein. Kinder müssen in derselben Phase entwöhnt werden, da sie dann besonders gedeihen, ebenso soll man in dieser Zeit die Kälber absetzen. Kürbisse sollen, wie man Zingerle in Absam sagte, drei Tage vor dem vollen Monde gesteckt werden, weil sie dann eine besondere Größe erlangen. Roggen muß man nach ziemlich allgemein verbreitetem Glauben bei wachsendem Monde säen, bei abnehmendem dagegen Gerste, Erbsen und Buchweizen. Brachen soll der Landmann in Tirol, „wenn der Mond unter der Erde ist“, das heißt bei Neumond, der von einer Regel bei Grässe auch zum Säen empfohlen wird. Im Allgemeinen gilt, daß alle Arbeiten, die auf ein Gewinnen oder Behalten abzielen, bei zunehmendem, alle, welche darauf gerichtet sind, etwas los zu werden, bei schwindendem Monde vorzunehmen sind. Indeß giebt es von dieser Regel viele Ausnahmen. Bei Grässe heißt es: Alles, was während des Neumondes unternommen wird, gelingt; deshalb soll man sich während desselben trauen lassen, weil es dann eine glückliche Ehe giebt, und neue Wohnungen beziehen, weil dann „die Nahrung zunimmt“. Wer aber kein Geld im Beutel hat, der hüte sich, ihn bei Neumond zu besehen; denn dann hat er, so lange das Licht währt, kein Geld. Komisch klingt der von Montanus angeführte niederrheinische Aberglaube, daß in der Zeit des Neumondes Verstand und Vernunft, wo sie nicht recht fest stünden, zu wackeln anfingen. Im ersten Viertel muß man die Schafe scheeren, die Wiesen mähen, Dünger auf den Acker fahren und die zum Schlage bestimmten Waldstrecken fällen. Namentlich ist das Bauholz in dieser Periode zu schlagen. Wer sein Silber im Vollmonde zählt, sieht es oft zu Gold werden; auch ist der Vollmond ein guter Eheprocurator. Dagegen dauert eine Heirath, die bei abnehmendem Monde geschlossen wird, nicht lange, weshalb sich nach Wuttke in Ostpreußen, Pommern und Hessen nicht leicht Jemand im letzten Viertel trauen läßt. Dagegen soll man in dieser Zeit waschen, Brennholz hauen und Schweine schlachten, und ebenso empfiehlt sie sich (in Mecklenburg) zum Weißen der Stuben, die dann rasch trocken werden. Andererseits ist wieder Zuchtvieh, das während dieser Phase jung oder entwöhnt wird, nicht viel werth.

Im Folgenden werden wir sehen, daß der Mond auch unter den Arzneimitteln der Volksapotheke, bei Sympathiecuren u. dgl. eine bedeutende Rolle spielt, obwohl oder vielleicht gerade weil sein Schein für giftig gehalten wird. Sommersprossen wird man in Tirol los, wenn man sich des Nachts mit Wasser wäscht, in welches der Mond scheint. Kröpfe vertreibt man sich im Harz wie in Schlesien, wenn man sich bei zunehmendem Monde drei Abende hinter einander mit dem Gesichte gegen den Mond stellt, einen Stein aufhebt, den Halsauswuchs stillschweigend damit berührt und den Stein hierauf über die Schulter weg hinter sich wirft. Gegen Zahnschmerzen hilft nach Meier in Schwaben, wenn der Mond mit seiner Sichel zum ersten Male wieder erscheint, ihm das Gesicht zuzukehren und dreimal zu sagen: „Ich sehe den Mond mit zwei Spitzen; meine Zähne sollen mich weder stechen noch schmerzen, bis ich den Mond sehe mit drei Spitzen. Im Namen Gottes des Vaters etc.“ Gepulverte Todtengebeine sind in Tirol ein unfehlbares Mittel gegen die fallende Sucht, nur müssen sie bei abnehmendem Monde eingenommen werden. Eisenkraut, nach Aufgang des Hundssternes bei Neumond gepflückt, hilft gegen Kopfweh. Krebse, bei Vollmond gefangen, wenn die Sonne im Löwen steht, lebendig verbrannt und dann im Mörser zerstoßen, heilen die Hundswuth. Bruchschäden vergehen, wenn man bei Vollmond das an die Wand fallende Licht mit der hohlen Hand dreimal auf die Geschwulst schöpft und dazu die Formel: „im Namen Gottes des Vaters etc.“ spricht. In ähnlicher Weise werden im Mecklenburgischen Flechten und Warzen vertrieben, letztere auf folgende Methode. Man sieht scharf in den Vollmond und spricht: „Wat ik seh, dat steit; wat ik striek, dat geit – im Namen etc.“ Ein Zaubersegen endlich, der nach Wuttke in Lauenburg gegen die Gicht gebraucht wird, und bei abnehmendem Monde Dienstags und Freitags abgebetet werden muß, lautet: „Gicht, ich befehle Dir durch Gottes Macht, durch Gottes Kraft, Du sollst nicht mehr reißen, Du sollst nicht mehr schleißen, Du sollst nicht mehr rennen, Du sollst nicht mehr brennen, Du sollst nicht mehr brechen, Du sollst nicht mehr stechen. Der Du unter den Neunundneunzig und Siebenundsiebzig bist, sicherlich magst Du vergehen, wie die weiße Wand (das heißt wohl: wie der weiße Mondschein an der Wand), da unser Herr Jesus am Kreuze hang. Im Namen Gottes etc.“

Man vergleiche hiermit, daß in Mecklenburg auch die Sonne das Fieber vertreiben helfen muß. Der Kranke betet dreimal bei Aufgang der Sonne und gegen dieselbe gerichtet: „Liebe Sonne, komm bald herab und nimm mir die siebenundsiebzig Fieber ab! Im Namen etc.“

Selbstverständlich ist der Mond auch bei anderem Zauberwerke nothwendiger Helfer. So beim Gießen von Freikugeln, bei der Anfertigung von Wünschelruthen und beim Festbannen von Dieben. Eine ganz eigenthümliche Rolle aber nimmt er in folgendem von Kuhn aus Westphalen mitgetheilten Recept zur Herstellung eines magischen Prügels ein: „Merke, wenn der Mond an einem Dienstage neu wird, so gehe vor der Sonne Aufgang aus, tritt zu einem Stecken, den du dir zuvor ausersehen hast, stelle dich mit dem Gesicht gegen der Sonne Aufgang und sprich diese Worte: Steck, ich greife dich an im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Nimm dein Messer in die Hand und sprich: Steck, ich schneide dich im Namen etc., daß du sollst gehorsam sein, welchen ich prügeln will, wenn ich einen Namen antrete. Darauf schneide auf zwei Orten am Stecken etwas hinweg, damit du diese Worte darauf kannst schreiben, stechen oder schneiden: Abia. obia. sabia. Lege einen Kittel auf die Schwelle unter der Thür, nun schlage mit deinem Stecken auf den Kittel und nenne des Menschen Namen, welchen du prügeln willst, und schlage tapfer zu, so wirst du denselben [810] ebenso hart treffen, als wenn er selbst vor dir läge, während er doch oft viele Meilen von dem Orte weg ist.“

Wo man das Original nicht haben kann, da thut es das Abbild. Der Mond ist, wie bemerkt, gegen Allerlei gut, gegen Gicht und Kopfschmerz, Sommersprossen und Warzen, Kröpfe und Zahnweh. Warum sollte er nicht auch gegen bösen Zauber, gegen Behexung und gegen den neidischen Blick schützen, der schon so viel Schaden angerichtet hat? Gewiß wird das so sein, sagten sich schon die alten Griechen, und da sie den Mond nicht immer sahen und ihn auch nicht bei sich tragen konnten, so machten sie sich kleine Mondchen von Metall, „Meniskoi“, die sie ihren Kindern umhingen, um sie gegen das Beschreien und namentlich gegen das „zauberhafte Auge“ zu sichern. Die Römer bedienten sich dieses Amulets ebenfalls, und zwar trugen, wie Otto Jahn berichtet, bei ihnen auch Frauen und Pferde diese „Lunulae“ an einer Schnur oder einem Bande um den Hals. Die Sitte aber ist in Italien und im Morgenlande noch heute nicht ausgestorben; denn noch jetzt glänzt der Talisman des Halbmondes auf den Minarets und den Feldzeichen der Türken, und noch vor wenigen Jahren trugen neapolitanische Damen silberne Mondchen am Arme, um gegen die Epilepsie geschützt zu sein, die allenthalben vom Volke als etwas „Angethanes“ angesehen wird.