« 19. Vortrag Wilhelm Löhe
David und Salomo
21. Vortrag »
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XX.
2. Chron. 1, 1–6; 7–10; 11. 12.


1.
 Sonst kommt ein Mann allmählich empor, sein Einfluß und Ansehen wächst mit seinen Jahren. Bei Salomo ist’s anders. Bei ihm läuft das Ansehen den Thaten voraus, denn es ist gleich im Eingang seiner Regierung in dem gelesenen Text (V. 1) von ihm gesagt: Gott machte Salomo immer größer. Gott gibt ihm was er nicht gesät hat: seines Vaters Herrlichkeit und Gottes Gnade leuchtet über ihm. Davids Sonne war untergegangen mit großen Opfern und Freudenfesten, und der Sohn beginnt seine Regierung mit einem großen Opferfest (V. 6). Er handelt dabei wie sein Vater; er redet, wenn es sich um eine gottesdienstliche Veranstaltung handelt, mit den Obersten und Fürsten Israels, er gibt ihnen den Gedanken anheim, er will nicht durch sein Ansehen erzwingen was sich freiwillig einstellen muß: die heilige Festlust und die Festfreude. Er rechnet das Vertrauen| und die Hingebung der Gemüther nicht zu den Regalien d. h. zu den Dingen, die ein Herrscher kraft seiner Autorität fordern kann. Aber während David in der letzten Zeit seines Lebens auf Morija auf dem Altar opferte, den er zur Zeit der Pest errichtet hatte, erhebt Salomo die Höhe zu Gibeon zur Opferstätte. Darin zeigt sich nach der Chronik die Weisheit Salomos. Der einzig bis jetzt berechtigte Altar ist der eherne Altar vor der Stiftshütte auf Gibeon gewesen. Dies nennt auch die Chronik als Grund der Wahl Gibeons zur Opferstätte durch Salomo, während in den Königsbüchern ein geringerer Grund angegeben wird: daß nämlich alles Volk noch auf den Höhen geopfert habe, und Gibeon eine besonders „herrliche“ Höhe gewesen sei. In jener Zeit konnte ja kein großer Fluch darauf liegen, wenn noch auf den Höhen geopfert wurde, weil es noch keinen Tempel gab und seit Silo die Hütte auf der Wanderschaft war. Davids Verdienst war es, daß er eine Ordnung in das gottesdienstliche Leben brachte. In jener Übergangszeit aber hatte Davids Weise eben so viel Berechtigtes als die Salomos. David opfert am liebsten bei der Lade, an dem Ort, den der HErr selbst sich erwählt hatte, an der Opferstätte der Zukunft, Salomo hält den ehernen Altar und den Ort heilig, der in der Vergangenheit die gesetzmäßige Cultusstätte Israels gewesen war. Wie also David endet, so beginnt Salomo, mit Opfern und Freudenfesten, und es ist uns, als sähen wir ganz nahe an einander gerückt einen wundervollen Sonnenuntergang und einen herrlichen Sonnenaufgang. Wenn eine Wahl sein soll, was wählst du? Ohne Zweifel die Herrlichkeit der Abendsonne, denn wenn sie strahlend untergeht, ist ihr Tagewerk wohl vollbracht. Aber über den Sonnenaufgang Salomos können wir uns nicht so freuen, wir kennen das Ende und wissen, daß es dem Anfang nicht| entsprochen hat. Das ist’s was unser Herz bei aller Frühlingsluft und Morgenpracht doch ein wenig still und kalt läßt. Den richtigen Eindruck vom Leben hat man eben erst, wenn es abgeschlossen ist. Wer nicht stirbt wie er anfangs gewesen, täuscht sich und andre. Daher ein jeder Ursach hat zu bitten, daß es Gott mit seinem Ende gut machen möge.


2.
 Ist es die höchste Bitte, die Salomo thun konnte? Konnte er nicht noch eine bessere und höhere Bitte stellen als diese Reichs- und Königsbitte; nämlich eine Bitte für sein persönliches Leben? Sein Vater hat ihn aufs Innere verwiesen, auf das Eine was noth ist: nämlich mit ganzem Herzen an Gott zu hangen. Hätte er nicht bitten können und dürfen um ein Herz, das allewege an Gott fest bleibe, und erst in zweiter Linie um die Gnade, seinen irdischen Beruf so auszuführen, daß er sein großes Volk glücklich mache? Er hatte wol alle Ursache sein Volk groß und seine Aufgabe für schwer zu achten; aber eben weil alle Menschen sich so um ihn drängten und alles ihm so umsonst zufiel, Frieden, Liebe, Ehre ihn umgab, ohne daß er darum gearbeitet hätte, weil er, der 20jährige Jüngling mehr geehrt wurde als sein Vater, der doch größer war als er – hätte er da nicht Nothwendigeres zu bitten gehabt, hätte er nicht vor allem für seine Seele sorgen sollen? Ihr sagt mir vielleicht: „du meisterst! Man sieht, daß du David holder bist als Salomo. Gott freute sich über die Bitte Salomos und du willst damit unzufrieden sein? Ist nicht Salomo ein Vorbild Christi und seines ewigen Friedenreiches?“ Gewiß ist er das, aber es ist nicht zu vergessen, daß in dem Urbild, Christus, David und Salomo Eins, daß der leidende, streitende und der verherrlichte Christus Eine Person ist,| während im Vorbild beides, Leiden und Herrlichkeit, sich aus einander legt, und Salomo an seiner Person und seinem Reich eine Herrlichkeit darstellt, die nicht durch Kampf und Leiden erworben ist. Hierin liegt ein Mangel des Vorbilds, der abkühlend, ja erkältend wirkt. David tritt dem Herzen ohne Vergleich näher als Salomo. Aber ganz abgesehen davon bleibe ich doch dabei, daß der Mensch den ewigen Beruf dem zeitlichen voranstellen muß, und daß, so schön sonst die Bitte Salomos ist, sich hier doch Unvollkommenheit und Mangel zeigt. Wenn du in einen Beruf kommst und dein Gebet wäre, Gott möge dir ein gehorsames Herz und Weisheit in Dingen deines zeitlichen Berufes geben – wäre das das rechte? Ich denke nicht. Menschliche Weisheit und Größe ohne Frömmigkeit ist eine verwelkende Blume. Aber große Thaten, hervorgewachsen aus einer gottgeweihten Seele, das ist Größe, die ewige Glorie bringt. Was hilft einem König die Krone, wenn er sie dort nicht trägt. Nicht der Weise, aber der Fromme, der Heilige und Beter, – und wenn er hier ein Taglöhner im Staube ist, wird dort Kronen tragen. Darum bitte ein jeder zuerst um ein gehorsames und weises Herz in Dingen, die das ewige Leben betreffen, und erst dann um das was ihm nöthig ist zum Gelingen seines irdischen Berufs.


3.
 Gott hat es also für möglich erachtet, daß Salomo um Geringeres, um Reichthum, Ehre etc. hätte bitten können. Weil er das nun nicht that, weil er, wenn auch nicht um das Beste, so doch um das Bessere bat, so ist Freude bei Gott, und dem Salomo fällt nun auch das Geringere zu, um das er auch hätte bitten können. Kein Kind ist so umfangen von der Mutterliebe wie Salomo von der Güte| seines Gottes. Und doch weiß Gott alle Dinge und sieht das Ende. Hat denn Gottes Wissen um Salomos Ende keinen Einfluß auf sein Verhalten zu ihm? Es scheint so, denn Gott hat Freude an Salomo und an seiner Bitte. Er freut sich an ihm in diesem Augenblick und achtet der Zukunft nicht. Es ist etwas Menschliches, daß Gott einen Menschen nicht nach der Totalität seines Lebens beurtheilt, sondern nach seinem Verhalten in der Gegenwart. Gott ist der große Künstler, der sich jederzeit dem Stand des inwendigen Lebens, dem Wollen und Begehren des Menschen anschließt, und in jedem Augenblick ihm die Unterstützung gibt, die für ihn am förderlichsten ist auf seinem Weg zum ewigen Ziel. ER läßt es an nichts fehlen, ER wird dir an jenem Tage zeigen, daß ER auch an dir nichts versäumt hat. Es wird sich zeigen, daß Gottes Grundsatz, den Menschen nicht nach seiner göttlichen Voraussicht, sondern nach seinem jeweiligen Zustand zu behandeln, der richtige ist, den alle Heiligen preisen müßen. Du aber nimm dich in Acht, daß du nicht in deinen Freudenstunden die erfahrene Gunst und Gnade Gottes für unverlierbar hältst. Je mehr Gnade vom Himmel träuft, desto tiefer lege dich in den Staub. Wenn dir’s Gott gelingen läßt in deinem zeitlichen Beruf oder in deinem inwendigen Leben, so denke nicht: mit mir ist Gott ewiglich verbunden! Ein Jedidja, ein Liebling Gottes kann dennoch fallen, wie Salomo fiel (wir hoffen: nicht für ewig). Gott behandelt dich in jedem Augenblick wie du es haben mußt und wie es zur Förderung deines inwendigen Lebens dient; du aber hüte dich vor dem Irrwahn, als seien deine Gnadenaugenblicke ein Vorspiel der ewigen Glückseligkeit. Bekehre dich vielmehr so oft es nöthig ist und bitte Gott um ein gehorsames Herz, das allezeit willig ist Seinen Weg zu gehen bis zum Ziel der ewigen Ruhe. Nur das Eine bedinge dir| aus: selig willst du werden, und zweitens: erhalten werden auf dem Weg der Heiligung bis zur Vollendung; alles Übrige stelle in Seine Hände. Dann wird der HErr dich aus aller Noth des Lebens zu jener sichern Ruhe bringen, wo man nicht mehr um Erhaltung in der Gnade bittet, sondern ewig für die Erhaltung dankt.
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