Textdaten
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Autor: Franz Döbereiner
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Titel: Das Wasserglas
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, 20, S. 198-200, 278-280
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Das Wasserglas.
Eine geschichtliche, technisch-chemische und volkswirthschaftliche Skizze.
Von Dr. Franz Doebereiner.

Auf der Rückreise von der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1854 hatte Herr von Liebig Gelegenheit, in Lille ein großartiges Etablissement, wo Wasserglas dargestellt wird, kennen zu lernen und in Erfahrung zu bringen, daß dieses Fabrikat in Frankreich bereits eine sehr verbreitete Anwendung finde. Liebig machte darüber alsbald in dem Abendblatt der „Neuen Münchener Zeitung“ eine Mittheilung (s. unten), welche in die gelesensten Zeitblätter überging und dadurch eine bereits vor etwa vierzig Jahren gemachte deutsche Entdeckung in Erinnerung brachte. Liebig’s Worte scheinen nothwendig gewesen zu sein, um die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums auf diese Entdeckung zu leiten.

Das große Interesse, welches das Wasserglas in unseren Tagen nicht allein bei den Gewerbtreibenden und Künstlern, sondern auch bei jedem Gebildeten erregt, so wie auch die Wichtigkeit, die dasselbe bald in der Land- und Volkswirthschaft erzielen wird, haben mich veranlaßt, in diesen der Belehrung und Unterhaltung gewidmeten weit verbreiteten Blättern eine skizzenhafte Auffassung über die Geschichte, die Darstellung, Eigenschaften und Verwendung des Wasserglases und dessen volkswirthschaftlichen Werth bekannt zu machen, wozu ich mich aus besonderen Gründen verpflichtet und, da ich mich selbst vielseitig mit Versuchen über Wasserglas beschäftige, berechtigt fühle.

„Professor Fuchs in München verdient für die Entdeckung des Wasserglases den Dank der Welt, und dieser wird ihm werden, denn die Erfahrung lehrt, daß die Welt sich stets für die Arbeiten desjenigen Chemikers interessirt, welcher geneigt ist und [199] sich bemüht, seine durch wissenschaftliches Forschen gewonnenen Kenntnisse möglichst zu popularisiren. Fuchs hat dieses gethan und er wird dafür, außer jenem Dank, auch noch die Freude haben, von den Architekten zu erfahren, daß sein Wasserglas das Holz nicht allein relativ unverbrennlich, sondern auch fähig macht, sich mit der Stein- oder Erdmasse, womit man die Zwischenräume eines hölzernen Baugerippes auszufüllen pflegt, chemisch zu verbinden und in Folge dieser Verbindung dem Gebäude selbst mehr Dauer und Festigkeit zu geben. Wären unsere Wohnungen noch wie ehedem ganz von Holz, was sich gewiß Viele der Gesundheit wegen wünschen, so würde der Verbrauch des Wasserglases so bedeutend sein, daß die Darstellung desselben eine größere Zahl von Fabriken, als die des gewöhnlichen Glases, beschäftigen würde.“

Diese Worte der Anerkennung der Verdienste Fuchs’ wegen des von ihm im ersten Viertel unseres Jahrhunderts entdeckten Wasserglases wurden von meinem verstorbenen Vater vor nahe dreißig Jahren bereits ausgesprochen. Dieser war durch die Frau Großfürstin Marie, Großherzogin von Weimar, im Jahre 1828 in Stand gesetzt, in Verbindung mit dem Mechanicus Dr. Körner zu Jena großartige Versuche über die Bereitung der zu optischen Zwecken dienenden Glassorten anzustellen. Mein Vater dehnte diese Versuche auch über das einige Jahre zuvor von Fuchs entdeckte und nach diesem benannte Wasserglas aus; er änderte nicht allein die Zusammensetzung ab und erhielt dabei ein leichter schmelzbares Glas, das heute noch in chemischen Lehrbüchern zum Unterschied von dem Fuchs’schen Wasserglas als Döbereiner’sches Krystallglas oder Wasserglas aufgeführt wird, sondern ermittelte auch mehrere Eigenschaften desselben, wie die oben angedeutete chemische Durchdringung mit der zum Bauen dienenden Stein- oder Erdmasse, die Verwendung zur Darstellung von künstlichem Meerschaum u. s. w.

Weder Fuchs noch meinem Vater war es von der Vorsehung gestattet, eine Anerkennung von der allgemeinen Wichtigkeit der Entdeckung des Wasserglases und eine Erfüllung der darüber gehegten Hoffnungen zu erleben, obgleich beide Männer noch lange nach jener Entdeckung und der Würdigung derselben der Wissenschaft und Wirksamkeit als Lehrer erhalten blieben. Hatte auch Fuchs die Freude, seine Erfindung bei dem Neubau des Münchener Theaters in Anwendung bringen zu können, um das Holzwerk und andere leicht feuerfangende Gegenstände gegen die flammende Verbrennung zu schützen, und wurde auch nach meines Vaters Vorschlag das Wasserglas zur Bereitung von künstlichem Meerschaum benutzt, so blieben doch diese beiden Fälle vereinzelt und dem großen Publikum fast gänzlich unbekannt.

Die deutsche Entdeckung blieb – wie auch sonst so häufig – bei uns unbeachtet und kam fast gänzlich in Vergessenheit; das Wasserglas figurirte buchstäblich nur in chemischen Lehrbüchern. Das Vorhandensein einer Fabrik auf Wasserglas in Böhmen war nur Wenigen bekannt, und noch geringer mochte die Zahl derjenigen sein, welche die Verwendung des dortigen Fabrikates kannten. Nur die Benutzung des Wasserglases zu Frescomalereien, welche seit 1847 von Kaulbach eingeführt worden war, wurde in weiteren Kreisen bekannt, aber doch im Ganzen auch nur wenig beachtet.

Unsere westlichen Nachbarn wußten indessen die deutsche Entdeckung gehörig zu würdigen und auszubeuten. Liebig fand im Jahr 1854 zu Lille in Frankreich eine große Fabrik auf Wasserglas vor, worüber er und über die Verwendung des Fabrikates nachstehende, in dem Abendblatt der „Neuen Münchener Zeitung“ enthaltene Mittheilung machte, in der leider vermißt wird, seit welcher Zeit dort die Fabrikation des Wasserglases im Betrieb ist.

„Ich hatte“ – sagt Liebig in jener Mittheilung – „die Weltausstellung in Paris gesehen, und begleitete auf meinem Wege nach England meinen langjährigen Freund Kuhlmann nach Lille, seinem Wohnsitze; er hatte versprochen, mir in der chemischen Fabrikation mehreres Neue zu zeigen, was mich überraschen würde, und meine Neugierde, übersättigt von dem, was ich in Paris gesehen, war nicht wenig gespannt.

„Was ich Ihnen in Lille zeigen will, – sagte mir mein Freund, – ist das Mittel, das den Zerstörungen durch Feuer, Fäulniß und Verwitterung eine Grenze setzt; es ist das von ihrem berühmten Landsmanne Fuchs in München entdeckte und für diese und andere gleich wichtige Zwecke vorgeschlagene Wasserglas; ich habe es in Frankreich eingeführt, wo es eine unendliche Verbreitung gefunden hat. Unsere Architekten wenden es an, um die mit gewöhnlichem oder hydraulischem Mörtel überzogenen Mauern, um Häuser und Kirchen, aus verwitterndem Stein aufgeführt, vor dem Zahn der Zeit zu schützen; mit verschiedenen Farben gemischt, dient es zum Anstrich auf Holz, Stein und Eisen; es wird in den Kattundruckereien und Tapetenfabriken auf Papier und Baumwolle verwandt; das Holz, mit Wasserglas getränkt, verliert seine Entzündlichkeit.

„Ich war in der That überrascht, als ich in der Nähe von Lille die Wasserglasfabrik meines Freundes besichtigte, deren großartige Ausdehnung, wie sich leicht wahrnehmen ließ, berechnet war, Tausende von Centnern dieses Produktes dem Handel und den Gewerben zu liefern. Ich war erstaunt und beschämt; – beschämt, weil in Deutschland das Wasserglas im eigentlichen Sinne nur in den chemischen Handbüchern existirt, und weil ich wußte, mit welchen Widerwärtigkeiten mein Freund Fuchs viele Jahre zu kämpfen hatte, um nur eine einzige der vielen nützlichen Anwendungen, deren es fähig ist, verwirklicht zu sehen.

„Das merkwürdige Product, das Fuchs mit dem Namen „Wasserglas“ bezeichnet hat, ist ein Glas, welches sich im Wasser löst; es wird in der Regel durch einfaches Zusammenschmelzen von 15 Theilen Quarz, 10 Theilen Pottasche (oder 9 Theilen Soda) und 1 Theil Kohle dargestellt, und ist im trocknen Zustand wasserhell, hart und etwas schwer schmelzbar; wenn es fein gepulvert in siedendes Wasser getragen wird, so löst es sich, bei fortgesetztem Sieden, in 5 bis 6 Theilen Wasser vollkommen zu einer syrupdicken Flüssigkeit auf, die, auf Glas, Mörtel, Holz aufgestrichen, zu einem unverbrennlichen Firniß eintrocknet. In Lille wurde diese Flüssigkeit direct durch Auflösung von Quarz (Feuerstein) in einer starken Natronlauge in eisernen Kesseln, unter einem Druck von 7 bis 8 Atmosphären, also ohne vorangehende Schmelzung dargestellt.

„Es gibt einen sehr einfachen Versuch, welcher die wichtigsten Eigenschaften des Wasserglases anschaulich macht; es ist folgender: Man lege in eine Auflösung von Wasserglas, welche etwa zehn Procent trockene Substanz enthält, ein Stück gewöhnlicher Schreibkreide, vorher benetzt mit gewöhnlichem Wasser, und lasse es vier bis fünf Tage darin liegen. Wenn man es nach dieser Zeit aus der Flüssigkeit herausnimmt und trocknet, so wird man wahrnehmen, daß die Kreide alle ihre gewöhnlichen Eigenschaften verloren hat; aus einer weichen, färbenden Substanz ist sie in eine steinharte Masse übergegangen, welche mit dem Fingernagel keinen Eindruck mehr annimmt und, mit einem glatten Körper gerieben, Politur erhält; diese Aenderung in der ersten Beschaffenheit erstreckt sich tief in das Innere des Stückes, je nach der Dauer der Einwirkung des Wasserglases, und rührt von einer wahren Verbindung desselben mit dem Kieselglase her, zu einer Masse, die durch Wasser und Kohlensäure nicht mehr angegriffen wird. Man wird hieraus den Nutzen des Wasserglases auf Mauern und Kalkwänden und auf porösem, verwitterndem Baustein leicht verstehen; wenn sie damit bis zur Sättigung getränkt werden, so wird ihre Oberfläche wie verkieselt und gegen die Einwirkung der Witterung mehr als durch irgend ein anderes bekanntes Mittel geschützt.“

Diese Mittheilung über das Wasserglas erregte in ganz Deutschland ein großes Interesse, ob nun deshalb, weil sie von Liebig kam oder weil die deutsche Entdeckung erst im Ausland gewürdigt werden mußte, mag ich nicht entscheiden. Gewerbtreibende und Künstler prüften die Angaben und stellten nach verschiedenen Seiten hin neue Versuche mit dem Wasserglas an. Die Nachfrage um Wasserglas vermehrte sich so, daß alsbald auch in Deutschland Fabriken darauf begründet wurden. Dr. Marquart in Bonn ist wohl der Erste in Deutschland gewesen, welcher nach der Liebig’schen Bekanntmachung eine Fabrik auf Wasserglas errichtete und zugleich durch ein kleines Schriftchen „Anleitung zur Anwendung[WS 1] des Wasserglases. Eilenburg, 1856“ für die Verbreitung desselben wesentlich beigetragen hat. –

Das Wasserglas ist eine Verbindung, welche in der chemischen Sprache ein Salz, im Besonderen ein Sauerstoffsalz genannt wird, indem in ihm neben einer sauerstoffhaltigen Basis eine sauerstoffhaltige Säure zu einem neuen Ganzen gebunden enthalten ist. Die Basis ist im Wasserglas das Kali oder Natron, im Döbereiner’schen Krystallglas beide neben einander, die Säure hingegen eine Substanz, welche zwar für sich nicht im geringsten die Eigenthümlichkeit einer Säure hat, aber bei Berührung mit basischen [200] Körpern unter günstigen Umständen den Charakter einer solchen annimmt, indem sie wie die eigentlichen Säuren vermögend ist, die Eigenthümlichkeiten der basischen Körper durch die Verbindung damit, wenn auch nicht gänzlich aufzuheben, doch sehr wesentlich zu modificiren. Diese Substanz ist die Kieselerde oder Kieselsäure, aus welcher die Kieselsteine, der Feuerstein und der Sand hauptsächlich bestehen; sehr rein findet sie sich im Quarz und vollkommen rein im Bergkrystall. Wir finden aber auch die Kieselerde als die kieselschalige Absonderung von Infusorien mitunter in bedeutenden Ablagerungen, wie z. B. in Berlin der Grund und Boden eines Theiles der Friedrich-Wilhelmsstadt, der Kochstraße u. s. w. aus solcher Infusorienerde besteht und ganz vor Kurzem bei Hannover eine meilenweite Ausdehnung derselben gefunden worden ist.

Das Wasserglas hat in der Zusammensetzung eine große Aehnlichkeit mit der Seife. Auch in dieser ist das Kali oder Natron als basischer Körper, dagegen das während der Verseifung in seiner Zusammensetzung wesentlich modificirte Fett oder Oel als sauere Substanz enthalten. Dieses veränderte Fett oder Oel zeigt für sich auch keine bestimmte Eigenschaften einer Säure und ist wie die Kieselerde im Wasser unlöslich; tritt es aber mit Kali oder Natron zusammen, so werden dadurch auf gleiche Weise wie im Wasserglas die Eigenschaften dieser Basen wesentlich modificirt und das veränderte Oel oder Fett wie die Kieselerde in Wasser löslich gemacht. Aber nicht allein in der Zusammensetzung, sondern auch in den Eigenschaften findet sich eine große Aehnlichkeit zwischen der Seife und dem Wasserglas, denn wie in ersterer das Kali oder Natron die Eigenschaft, wenn auch in etwas gemäßigtem Grade, behält, auf fettige Stoffe noch lösend oder auflockernd zu wirken, so daß diese dann aus damit verunreinigten Stoffen durch den Vorgang des Wassers beseitigt werden können, so hat auch das im Wasserglas gebundene Kali oder Natron dieselbe Eigenschaft. Das Wasserglas wirkt, wie die Seife, reinigend auf pflanzliche und thierische Fasern und daraus verfertigte Zeuge und die zu energischen Wirkungen des reinen Kali’s oder Natrons werden, wie in der Seife, durch das Binden an das veränderte Fett oder Oel, in dem Wasserglas durch die Vereinigung mit Kieselerde gemildert.

Die Darstellung des Wasserglases kann auf zweierlei Weise unternommen werden, nämlich entweder daß die Kieselerde mit ätzender Kalilauge oder Natronlauge, d. h. mit der durch Kalk ätzend gemachten Lösung von Pottasche oder Soda (kohlensaurem Kali oder Natron), längere Zeit hindurch gekocht wird, oder daß man trockene Pottasche oder Soda einfach mit Kieselerde zusammenschmilzt.

Zur Ausführung der ersteren Methode ist es nothwendig, daß die Kieselerde höchst fein zertheilt ist und daß das Kochen derselben mit der ätzenden Kali- oder Natronlauge unter einem erhöhten Druck, der bis auf 7 oder 8 Atmosphären zu steigern ist, geschieht. Ist die Kieselerde und die Lauge rein, so wird bei diesem Verfahren sogleich eine reine Lösung von Wasserglas gewonnen. Wird hingegen eine unreine Kieselerde, wie z. B. die oben erwähnte Infusorienerde, zur Lösung in der Lauge verwendet, so muß die dieser anhängende Thonerde und der phosphorsaure Kalk aus der noch heißen Lösung durch einen Zusatz von Kalkwasser entfernt werden.

Die zweite Methode zur Darstellung des Wasserglases ist die gewöhnlichere. Das Zusammenschmelzen der Pottasche oder Soda oder beider zugleich mit der feingepulverten Kieselerde geschieht bei starker Rothglühhitze in einem Tiegel von Thonmasse oder Gußeisen. Dieser muß aber so geräumig sein, daß er dem Raum nach wenigstens das Doppelte des Gemisches von Pottasche oder Soda und Kieselerde faßt, indem durch die Einwirkung der Kieselerde auf die Pottasche oder Soda die in dieser gebundene Kohlensäure in Freiheit gesetzt wird und diese wegen ihrer luftförmigen Beschaffenheit in der zähe schmelzenden Masse ein Aufschäumen verursacht, wodurch diese selbst, wenn der Tiegel nicht hinreichend geräumig wäre, aus ihm zum Theil herausfließen würde.

Man hat bei der Bereitung des Wasserglases durch Zusammenschmelzen von Pottasche oder Soda und Kieselerde ganz besonders darauf zu achten, daß die Materialien frei von Kalk und anderen basischen Körpern sind. Das Wasserglas ist nämlich nur dann im Wasser löslich, wenn es nur aus kieselsaurem Kali oder Natron besteht. Ist die Bedingung zur Bildung eines anderen kieselsauren Salzes vorhanden, z. B. die Pottasche oder Soda mit Kalk oder Magnesia verunreinigt oder die zu verarbeitende Kieselerde mit einem Metalloxyd verbunden, so bildet sich neben kieselsaurem Kali oder Natron zugleich eine Verbindung von Kieselerde mit Kalk, Magnesia oder einem Metalloxyd, die sogleich mit dem kieselsauren Kali oder Natron zu einem Doppel- oder [WS 2] zusammentritt und dieses in eine der gewöhnlichen Glasmassen verwandelt und damit in Wasser vollständig unlöslich macht.

Sowohl die Pottasche, wie die Soda, jede derselben für sich mit der Kieselerde einer hohen Temperatur ausgesetzt, geben nur schwierig schmelzbare Glasmassen. Nach meines Vaters Beobachtung wird die Glasmasse so leicht schmelzbar, daß man sie im Kleinen über der Flamme einer Berzelius’schen Weingeistlampe darstellen kann, wenn man Pottasche und Soda zu gleichen chemischen Aequivalenten mit der Kieselerde erhitzt. Das so erhaltene Döbereiner’sche Krystallglas zeichnet sich vor dem Fuchs’schen Wasserglas dadurch aus, daß seine Lösung bei gleichem Gehalt an fester Substanz weit dünnflüssiger und nicht so leicht gerinnbar ist, daher also leichter in die Poren des Holzes und anderer Körper eindringt.

Das durch Schmelzen gewonnene Wasser- oder Krystallglas muß behufs seiner Verwendung in den meisten Fällen wieder flüssig gemacht, d. h. in Wasser gelöst werden. Dieses geschieht dadurch, daß man es nach dem Erkalten auf mechanischem Wege in ein höchst feines Pulver verwandelt und dieses in kleinen Portionen zu siedendem Wasser giebt; das Kochen muß, wenn man eine stark gesättigte Lösung des Wasserglases erzielen will, bei einem Ueberschuß von Wasserglaspulver einige Stunden hindurch fortgesetzt werden.

Ob diejenige Wasserglaslösung, welche durch Kochen von Kali- oder Natronlauge mit fein gepulverter Kieselerde geschieht, in einigen ihrer Eigenschaften sich anders verhalte, als die durch Lösen des geschmolzenen und gepulverten Wasserglases in kochendem Wasser hervorgebrachte, und ob dadurch die Art der Anwendung zu modificiren ist, hat man bis jetzt noch nicht beachtet. Aus wissenschaftlichen Gründen läßt sich wohl annehmen, daß beide Flüssigkeiten einige Abweichungen zeigen können, wodurch vielleicht die Anwendung derselben in ähnlicher Weise modificirt werden muß, wie die des Kali- und des Natronwasserglases, von denen man bereits verschiedene Fälle kennt, wo das eine erfolglos oder zweckwidrig ist, während das andere ausgezeichnete Dienste leistet. Die Erforschung dieser Abweichungen beider Flüssigkeiten soll der Gegenstand meiner nächsten experimentalen Thätigkeit sein.



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Die verschiedenen Eigenschaften des Wasserglases. – Wozu dasselbe benutzt werden kann. – Das Ueberziehen des Holzes mit Wasserglas. – Das Wasserglas als Kitt. – Seine Benutzung als Bindemittel bei Anstrichfarben. – Seine Verwendung bei Erhaltung von Ruinen und Monumenten. – Das Wasserglas als Seife. – Die größere Dauerhaftigkeit des Holzes durch Anwendung des Wasserglases. – Sein großer Einfluß auf die Landwirtschaft. – Deutsche Erfindungen und deutsche Trägheit. – Nachschrift. – Wasserglas als Mittel gegen faule Eier.

Die Eigenschaften, worauf die Anwendung des Wasserglases in den Künsten und Gewerben, so wie in der Hauswirthschast beruht, sind folgende:

1. Das geschmolzene Wasserglas bildet eine vollkommen glasartige Masse, welche bei reinem Kaliglas durchaus farblos erscheint, bei natronhaltigem Wasserglas aber in Masse schwach bläulich ist; aber auch letztere zeigt sich bei dünnen Lagen vollkommen farblos. Es ist wie gewöhnliches Glas spröde und zu einem schneeweißen Pulver zerreibbar.

2. Im geschmolzenen Zustand hat das Wasserglas keinen Geschmack, weil es im Wasser und in der Speichelflüssigkeit unlöslich ist; fein gepulvert zeigt es auf der Zunge nach längerer Zeit einen ganz schwachen, laugenhaften Geschmack. Als Pulver ist es beim langdauernden Kochen im Wasser löslich; dieses kann je nach der Menge des im Wasserglas enthaltenen Natrons oder Kalis 1/6 bis 1/3, selbst die Hälfte von der ganzen Glasmasse lösen.

3. Die Lösung des geschmolzenen Wasserglases oder die durch Kochen der Kieselerde mit Lauge erhaltene Flüssigkeit ist bei reinen Materialien vollkommen farblos, verursacht, zwischen Finger gerieben, wie eine schwache Lauge ein fettiges Gefühl, und hat einen laugenartigen Geschmack, dessen Intensität von der Menge des ungebundenen Kalis oder Natrons abhängig ist.

4. Die Lösung irgend eines Wasserglases, in dünnen Lagen auf Gegenstände von Holz, Glas, Metall oder feste Körper, die nicht zur Kategorie der unten bei 6. und 7. angedeuteten gehören, gestrichen, trocknet sehr bald zu einem farblosen, glasglänzenden Ueberzug ein, welcher in gewöhnlichem Wasser und Seifenwasser unauflöslich, für Luftarten und Dämpfe undurchdringlich und bei einer hohen Temperatur zwar schmelzbar ist, aber doch in einer vollkommen dichten, dünnen Schicht auf den erhitzten Gegenständen haften bleibt.

5. Die Wasserglaslösung läßt sich mit Farbenmaterialien, die nicht zu der Kategorie der unter 6. und 7. angedeuteten Körper gehören, wie Oel, Firniß oder Lack zu homogenen breiigen Massen anreiben, welche sich mit dem Pinsel ausstreichen lassen und auf den damit überzogenen Gegenständen zu einer festen, nicht abreib- oder abwaschbaren Decke eintrocknen, die den besonderen Ton des Farbmateriales und etwas Glanz besitzt. Letzterer läßt sich durch Ueberstreichen von einer Wasserglaslösung wesentlich erhöhen und in manchen Fällen bis zum Glasglanz steigern. Eine derartige farbige Decke ist wie die des reinen Wasserglases für Luftarten, Dämpfe und Feuchtigkeit undurchdringlich, erleidet aber bei hoher Temperatur in den meisten Fällen eine Veränderung der Farbe, indem ein Bestandtheil oder das ganze Farbmaterial mit dem Wasserglas zu einem mehrfach zusammengesetzten Salz zusammentritt. Farbmaterialien aus rein organischen Stoffen oder mit solchen sind meist für die Verarbeitung mit Wasserglas nicht geeignet, indem ihre organische Grundlage durch das Kali oder Natron wesentlich verändert und gewöhnlich eine Braunfärbung veranlaßt wird.

6. Die Wasserglaslösung wird durch alle Salze mit alkalisch erdiger, rein erdiger oder metallischer Grundlage zersetzt und zwar augenblicklich, wenn diese in Wasser löslich sind, hingegen langsam, wenn jene Salze sich nicht in Wasser lösen können. Es tritt hierbei die Säure des Salzes mit dem Kali oder Natron des Wasserglases zu dem entsprechenden Salz zusammen, während sich die Kieselerde mit der basischen Grundlage des in Zersetzung übergegangenen Salzes zu einem unlöslichen kieselsauren Salz verbindet. In manchen Fällen und besonders bei einem Ueberschuß von Wasserglas wird das neu gebildete kieselsaure Salz von einem Theil unzersetzten Wasserglases zu einem unlöslichen Doppelsalz gebunden.

In diesem Verhalten zeigt das Wasserglas vollkommene Analogie mit der Seife; diese zersetzt genau dieselben Salze, indem ein lösliches Kali- oder Natronsalz entsteht und die Fettsäure oder Oelsäure mit der basischen Grundlage des zugesetzten Salzes eine unlösliche salzartige Verbindung bildet. Wir sehen derartige unlösliche Verbindungen sehr häufig in den käsigen Absonderungen sich bilden, wenn Seife in sog. hartem Wasser aufgelöst wird. Dieses enthält Kalk- und Magnesiasalze, welche eben durch ihre Zersetzung die angedeutete Erscheinung veranlassen. In derartigem Wasser veranlassen einige Tropfen Wasserglaslösung ebenfalls eine Absonderung, und es kann daher diese Lösung dazu benutzt werden, um schnell zu erfahren, ob ein Wasser als hartes Wasser zu betrachten ist. Es ist aber auch selbstverständlich, daß man ein derartiges Wasser nicht zum Auflösen oder Verdünnen des Wasserglases benutzen darf, wenn es darum zu thun ist, durch Eintrocknen des Wasserglases einen rein durchsichtigen Ueberzug zu erzielen.

7. Die Wasserglaslösung wird auch durch einige ungebundene Basen zersetzt, indem diese die Kieselerde anziehen und das Kali oder Natron in Freiheit gesetzt wird. An der Luft zieht dann das Kali oder Natron nach und nach Kohlensäure an.

8. Die Wasserglaslösung wirkt auf fettige Stoffe und Schweiß lösend und auf den mit diesen gemischten Schmutz so lockernd, daß er dann leicht durch Spülen mit Wasser von pflanzlichen und thierischen Fasern oder daraus verfertigten Zeugen weggespült werden kann. Sie verhält sich also wie eine Seifenlösung und kann wie diese benutzt werden, weshalb ich auch in dieser Beziehung das Wasserglas als Glasseife bezeichnen möchte.

9. Das geschmolzene oder eingetrocknete Wasserglas erleidet keine Veränderung durch den Zutritt der Luft, während seine Lösung an freier atmosphärischer Luft nach und nach Kohlensaure anzieht und Kieselerde fallen läßt. Es ist deshalb nothwendig, die Wasserglaslösung in wohl verschlossenen Flaschen aufzubewahren.

Die Eigenschaft der Wasserglaslösung, für sich in dünnen Lagen auf Gegenstände gestrichen, zu einer festen, farblosen Decke einzutrocknen, läßt sich auf mannichfaltige Weise benutzen. Damit überzogene Metalle werben dadurch gegen den Einfluß der atmosphärischen Feuchtigkeit und Kohlensäure geschützt, können also nicht rosten, beschlagen oder anlaufen, behalten demnach ihren Glanz und ihre Farbe und lassen sich selbst sehr stark erhitzen, ohne eine Veränderung zu erleiden, indem die wenn auch schmelzende Glasdecke den Zutritt des atmosphärischen Sauerstoffgases vollständig verhindert, und deshalb auch keine Verbrennung oder Oxydation der Metalle statt finden kann. Mit Wasserglas überzogenes Holz ist ebenfalls gegen den Einfluß der Atmosphärilien geschützt und gegen den Schwamm, selbst auch gegen Insectenfraß gesichert. Der wichtigste, von dem Entdecker Fuchs bereits besonders hervorgehobene Zweck des Ueberziehens des Holzes mit Wasserglas ist aber der, dasselbe relativ unverbrennlich zu machen. Nicht Holz allein, sondern auch jede andere brennbare Substanz von pflanzlicher und thierischer Abstammung, mit Wasserglas hinreichend überzogen oder damit getränkt, ist nämlich bei hoher Gluth und bei Zutritt atmosphärischer Luft nicht fähig, in Flamme auszubrechen, weil der Wasserglasüberzug auch bei der durch starke Erhitzung bedingten Schmelzung auf der ganzen Oberfläche des brennbaren Körpern eine den Durchgang der atmosphärischen Luft vollkommen verhindernde Decke bildet. Erleidet auch die brennbare Substanz in Folge der hohen Temperatur eine Verkohlung, so wird sie doch durch die Glasdecke wegen Mangels an Sauerstoffs gegen die Entzündung selbst geschützt und kann also auch nicht die Flamme weiter tragen; der Verkohlung kann natürlich nicht vorgebeugt werden.

Eine andere Anwendung von der Eigenschaft der Wasserglaslösung, zu einem farblosen, festhaftenden Ueberzug einzutrocknen, ist die zum Kitten zerbrochener Gefäße von Glas, Porzellan, Irdenzeug [279] und selbst von Metall oder Stein. Sorgsame Hausfrauen haben in dem Wasserglas ein ausgezeichnetes Mittel, zersprungene oder zerborstene Gefäße und Geräthschaften dieser Art, besonders wenn die Bruchflächen noch frisch sind, nicht allein ungemein dauerhaft, sondern auch so zu kitten, daß die Bruchstelle kaum wahrnehmbar ist. In manchen Fällen findet die Kittung durch Wasserglas nicht allein in Folge der durch Kitt bedingten Adhäsionsverhältnisse, sondern auch in Folge einer chemischen Durchdringung zwischen dem Wasserglas und der Masse des zerborstenen Gegenstandes statt, und in solchen Fällen ist dann der Zusammenhang so innig, daß beim absichtlichen oder zufälligen Bruch nicht die alte Stelle davon getroffen wird.

Ganz besonders wichtig ist auch die Verwendung der Wasserglaslösung als Bindemittel für viele Anstrichfarben. Die verschiedenartigsten Gegenstände von Holz, Metall, Glas, Porzellan, Stein u. s. w., Mauerwerk, Tapeten, Coulissen, Holzgetäfel und andere Bekleidungen lassen sich mit dauerhaften, nicht abstäubenden und abfärbenden, durch reines oder Seifenwasser leicht zu reinigenden Farbenanstrichen unter Zuziehung des Wasserglases überziehen. Wenn die Farbematerialien auf die Zusammensetzung des Wasserglases keine Veränderung ausüben, so erhält man den bestimmten Farbenton, ohne befürchten zu müssen, daß derselbe sich wie beim Oelanstrich mit der Zeit ändere. Ganz unberechenbar sind die Vortheile, welche das Wasserglas dem Oel gegenüber darbietet. Ich will nur hier anführen: die Billigkeit des Materials, die Leichtigkeit, mit welcher schadhafte Stellen genau restaurirt werden können, die größere Reinlichkeit, die völlige Geruchlosigkeit und Beständigkeit des Wasserglases, endlich aber und ganz besonders die Sicherheit, welche mit Wasserglasfarben überzogene Gegenstände von Holz, Leinwand, Stroh und dergl. gegen Feuersgefahr, Schwamm und Wurmfraß gewähren. Diese Vortheile fehlen dem Oelanstrich, während durch ihn die Feuergefährlichkeit ungemein erhöht wird, da er die Entflammung brennbarer Körper sehr begünstigt und leicht die Flamme weiter trägt.

Glasgegenstände mit farbigem Wasserglasüberzug sind durchscheinend, und können in manchen Fällen und Formen die aus wirklich farbigem Glase verfertigten ersetzen, wie z. B. so überzogene Glastafeln bei der Anfertigung von farbigen Fenstern. Aber auch zum Einbrennen von Farben auf Glas, Porzellan und Irdenwaare eignet sich das Wasserglas sehr gut, indem es mit den Farbenmaterialien eine leicht verglasende Masse bildet. Man hat jedoch für letztere Anwendung genau zu berücksichtigen, welchen Farbenton das Farbematerial bei der Verglasung annimmt.

Von hohem Interesse für die Baukunst und Erhaltung von Monumenten und Ruinen ist die Eigenschaft des Wasserglases, mit der Masse salzartig zusammengesetzter und leicht verwitternder Bau- und Monumentalsteine, so wie auch mit dem Talkmörtel selbst, sehr feste chemische Verbindungen einzugehen und dieselben gleichsam zu verkieseln. Mit Wasserglas überzogene oder getränkte Bausteine und Mörtelarten widerstehen dem Einfluß der Atmosphärilien, d. h. der Einwirkung von Kohlensäure, Feuchtigkeit und wechselnden Witterungsverhältnissen in einem Grade, wie man diesen durch kein bekanntes Mittel bis jetzt erzielen konnte, und es erhalten Rohbauten aus leicht verwitternden Steinen und der Mörtelabputz durch das Ueberziehen mit Wasserglas eine bis jetzt noch gar nicht bestimmbare Dauerhaftigkeit. Selbst die begonnene und mehr oder weniger weit vorgeschrittene Verwitterung an Baudenkmälern aus Stein wird durch die geeignete Behandlung mit Wasserglas unterbrochen und der Erhaltung werthe Ruinen können durch Anwendung desselben noch für lange Zeit den Alterthumsfreund erfreuen. Pulveriges Wasserglas mit Kalk und Wasser giebt einen ausgezeichneten hydraulischen Mörtel und die Technik wird sich gewiß noch weiter bestreben, unter Mithülfe von Wasserglas künstliche Steine der verschiedenartigsten Form und Farbe herzustellen.

Endlich will ich noch die Hausfrauen auf die reinigende Kraft des Wasserglases besonders aufmerksam machen und dieselben darauf hinweisen, daß das Wasserglas, wenn auch nicht in allen, doch in vielen Fällen zum Waschen statt der Seife verwendet werden kann. Gewebe aus Linnen und Baumwolle, aus Schafwolle und Seide, Leder lassen sich sehr leicht durch Einlegen in verdünnte Wasserglaslösung und nachheriges Spülen mit Wasser vollständig reinigen, wobei die etwaigen Farben nicht mehr als durch Seife leiden. Große Wäschen dürften sich aber bei Anwendung von Wasserglas nur unter Anwendung von Waschmaschinen ausführen lassen, da das feste Wasserglas nicht wie Seife zum Einreiben brauchbar und seine Lösung für die gewöhnliche Handarbeit so wenig praktisch wie Seifenwasser ist. Es ist fast mit Sicherheit anzunehmen, daß in den großen Wollwäschen und Tuchfabriken ebenfalls das Wasserglas mit Vortheil anwendbar sein wird, da bei einem gehörigen Verhältniß von Kieselerde das Kali oder Natron in demselben genau eben so seine zerstörenden Wirkungen auf thierische Stoffe verloren hat, wie dieses bei den verschiedenen Seifenarten der Fall ist.

Ich muß hier nochmals darauf hinweisen, daß das für späteren Gebrauch bestimmte Wasserglas in seiner Lösung stets in gut verschlossenen Gläsern oder Flaschen aufbewahrt werden muß, weil diese Lösung an der Luft nach und nach Kohlensäure anzieht, in Folge dieser die Kieselerde fallen läßt und sich endlich in eine Lösung von kohlensaurem Kali oder Natron – Pottasche oder Soda – verwandelt. Eben so muß man die Lösung und Verdünnung des Wasserglases, wenn damit reine und durchsichtige glasige Ueberzüge erzielt werden sollen, mit reinem Wasser, also mit Regen- oder Schneewasser oder doch mit weichem Flußwasser vornehmen, weil die sogen. harten Wässer wegen ihres Gehaltes an Kalk- und Magnesiasalzen die Wasserglaslösung zum Theil zersetzen und feste Absonderungen von kieselsaurer Magnesia und Kalkerde geben, die beim Eintrocknen der Lösung den glasigen Ueberzug trübe machen.

Bei der Mannichfaltigkeit der Verwendungen, welche das Wasserglas bereits gefunden hat und deren es noch weiter fähig ist, würde es für diese Blätter zu umfangreich sein, jene alle im Besondern näher anzuführen. Die obigen Andeutungen sollen nur ein Bild davon geben, und ich hoffe, in einem demnächst erscheinenden besonderen Schriftchen über das Wasserglas die Art der Verwendung desselben so ausführlich und umfassend niederlegen zu können, daß sie für Jedermann belehrend und ausführbar sein wird. Hier will ich schließlich nur noch einige Betrachtungen aufstellen, die sich auf den volkswirthschaftlichen Standpunkt, welchen das Wasserglas einnehmen wird, beziehen.

Eine der wichtigsten Folgen, welche wir von einer allgemeineren Benutzung des Wasserglases haben werden, ist die einer größeren Dauerhaftigkeit des Holzes und hiermit also eine Ersparniß dieses von Tag zu Tag im Preise steigenden Materiales. Werden auch bei denjenigen Bauten und bei der Verfertigung solcher häuslichen und gewerklichen Geräthschasten, die in Holz auszuführen sind, die Kosten augenblicklich durch die Zuziehung des Wasserglases erhöht, so gleicht sich diese Preiserhöhung nicht allein durch die Dauerhaftigkeit, sondern auch und ganz besonders durch bedeutend erhöhte Sicherung gegen die Verbreitung von Feuersbrünsten aus. Es wird also das Nutzholz unserer Forsten mehr geschont und der Beitrag für Feuerschäden vermindert. Die Feuerversicherungsgesellschaften würden gewiß zum Besten ihrer Interessenten handeln, wenn sie die Anwendung des Wasserglases als Feuerschutzmittel dadurch möglichst zu verbreiten suchten, daß sie die Beiträge für solche Gebäulichkeiten, deren Holzwerk und sonstiger Inhalt von Holz durch Wasserglas geschützt ist, niedriger stellen. Durch die Anwendung des Wasserglases werden gewiß die Gefahren paralysirt, die wir in Folge einiger Unglücksfälle von der Anwendung der Photogens und ähnlicher Leuchtmaterialien befürchten. Die Holzgefäße, in welchen derartige Leuchtstoffe und andere leichtbrennbare Flüssigkeiten, wie Weingeist, Terpentinöl, Theer u. s. w., aufbewahrt werden, lassen sich durch Tränken oder Ueberziehen mit Wasserglas für das Durchgehen der Dämpfe undurchdringlich machen und gewähren demnach neben der größeren Sicherheit gegen Entzündung zugleich vollkommen dichten Verschluß.

Endlich kann man nicht umhin, dem Wasserglas einen gewissen Einfluß auf die Landwirthschaft einzuräumen. Kommt es allgemein als Bindemittel für Anstrichfarben statt des Oeles in Gebrauch und findet seine Verwendung als Reinigungsmittel statt der Seife Anklang, so muß auch die Cultur gewisser Oelfrüchte in den Hintergrund treten und es kann ein großer Theil der jetzt davon in Anspruch genommenen Ackerflächen zum Anbau anderer Feldfrüchte verwendet werden. Aber auch als Düngematerial dürfte vielleicht das Wasserglas eine Rolle spielen und besonders von günstigem Erfolg auf die Wiesengräser und eigentlichen Getreidarten sein. Wir wissen von diesen Pflanzen, daß sie zu einer gehörigen Entwickelung außer anderen mineralischen Stoffen auch Kali oder Natron und Kieselerde bedürfen; diese letztere findet sich im Wasserglas neben Kali oder Natron in der gelösten Form und deshalb am leichtesten zur Aufsaugung in die Pflanzen geeignet. Es ist mir [280] nicht bekannt, daß bis jetzt das Wasserglas als Düngematerial benutzt worden wäre. Da wir aber wissen, daß das kieselsaure Kali, welches sich in der ausgelaugten Holzasche vorfindet, von wesentlicher Wirkung bei der Düngung mit dieser ist, so können wir eine solche wohl auch vom Wasserglas erwarten. Die betreffenden Versuche werde ich im Laufe dieses Jahres anstellen, wünsche aber auch, daß sie von rationellen Landwirthen in größerem Maßstabe, als es mir möglich ist, ausgeführt werden.

Ich kann diese Skizze über das Wasserglas nicht schließen, ohne in Bezug auf deren geschichtlichen Theil eine Nebenbemerkung zu machen. Fuchs konnte seiner Entdeckung in Deutschland nicht die Würdigung verschaffen, die ihr gebührt; sie wurde in Deutschland nicht eher anerkannt und in Anwendung gebracht, bis uns die Franzosen gezeigt hatten, was mit ihr zu leisten ist. Im Jahre 1831 wurde von einem anderen deutschen Chemiker, von Reichenbach, neben vielen anderen Stoffen das Paraffin als Bestandtheil der Theerarten erkannt und wegen seiner Schönheit und Leuchtkraft als ein prachtvolles Leuchtmaterial vorgeschlagen; die deutsche Industrie übersah diesen Körper so lange, bis endlich zwanzig Jahre später die Engländer die schönen Paraffinkerzen in den Handel brachten, wo nun endlich in Deutschland der Werth des Paraffins aufgefaßt wurde und die neueste Zeit eine große Zahl von Fabriken zur Gewinnung dieses und anderer Leuchtstoffe entstehen sieht. Diese Fälle stehen leider nicht vereinzelt und es ist wirklich wenig aufmunternd für die Männer der deutschen Wissenschaft, daß ihre schönen Entdeckungen erst im Auslande ausgebeutet werden müssen, bevor sie im Vaterlande Anerkennung und Würdigung finden. Die Industriellen Frankreichs und Englands wissen sich stets mit den Bestrebungen der Physiker und Chemiker ihrer Heimath in Verbindung zu erhalten und unterstützen dieselben oft durch bedeutende pecuniäre Opfer, gewähren aber auch dann denselben bei der Ausführung ihrer Erfindungen und Entdeckungen große und dauernde Entschädigungen, wodurch selbst wiederum die Bestrebungen nach neuen Erfindungen und Entdeckungen gefördert werden.

Nachschrift.

Während des Druckes dieses Aufsatzes, welcher der Redaction, wie diese bezeugen wird,[1] im Anfang Februars eingeschickt wurde, ist von Sänger in Erfurt ein Schriftchen über das Wasserglas erschienen, das mir Mitte März zu Händen kam. Einige Sätze darin, namentlich der Vergleich des Wasserglases mit der Seife, sind den von mir oben ausgesprochenen Ansichten so frappant ähnlich, daß der Leser des Sänger’schen Werkchens und dieses Aufsatzes unwillkürlich zu der Ansicht verleitet werden muß, es habe von der einen oder der anderen Seite ein Plagiat stattgefunden. Um allen Mißdeutungen vorzubeugen, erkläre ich hiermit, daß mir das Sänger’sche Werkchen bei der Bearbeitung dieses Aufsatzes unbekannt war und daß Herr Sänger diesen Aufsatz vor der Ausgabe der bezüglichen Nummern nicht gesehen hat.

Inzwischen sind auch zwei neue Verwendungsweisen des Wasserglases ermittelt worden, nämlich die zur Conservirung der Eier und die statt des Boraxes als Flußmittel beim Löthen des Kupfers.

Die erstere Verwendungsweise hat Marquard in Bonn bekannt gemacht; sie ist namentlich für die Hausfrauen bemerkenswerth und diesen zu empfehlen. Welche Köchin ist nicht in ihren Beschäftigungen durch ein faules Ei gestört worden und wer hat nicht bereits den Ekel beim Genuß eines faulen Eies empfunden? Das Wasserglas verspricht gegen diese Unannehmlichkeiten eine sichere Hülfe und somit ist Jedermann Herrn Dr. Marquard zu Dank verpflichtet. Um den Eiern die Eigenschaft zu ertheilen, sie unbeschadet ihres Inhaltes für lange Zeit zum Aufbewahren geeignet zu machen, ist eine einfache, leicht auszuführende Manipulation erforderlich; man bestreicht dieselben entweder mit einer dünnen Wasserglaslösung oder, zweckmäßiger, legt sie einige Zeit in eine solche und läßt sie dann an der Luft trocknen. Hierbei wird die Schalensubstanz, die wie die Kreide beinahe gänzlich aus kohlensaurem Kalk besteht, verkieselt und ihre Porosität beseitigt, so daß die atmosphärische Luft nicht zu dem Eierinhalte treten kann, womit die Bedingniß zur Fäulniß abgehalten wird.

Die zweite neue Verwendungsweise ist dieser Tage von mir ermittelt worden und eigentlich nur für Kupferarbeiter von Interesse, aber für diese wegen der bedeutenden Billigkeit des Wasserglases im Verhältniß zum Borax um so wichtiger. Es kann hier nur bemerkt werden, daß man sich beim Löthen des Kupfers mit Schlagloth des mit Wasser befeuchteten Wasserglaspulvers zu bedienen und sonst wie beim Borax zu verfahren hat und daß sich besonders hierzu das leicht schmelzbare Doebereiner’sche Krystallglas eignet.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Anwen-/wendung
  2. Vorlage: Tripelsatz
  1. Geschieht hiermit.
    D. Redact.