ADB:Reichenbach, Karl Freiherr von

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Artikel „Reichenbach, Karl Freiherr von“ von Albert Ladenburg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 670–671, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reichenbach,_Karl_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 12:22 Uhr UTC)
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Reichenbach: Karl Freiherr v. R., Chemiker und Industrieller, geb. am 12. Febr. 1788 zu Stuttgart, † am 22. Jan. 1869 zu Leipzig. Der Vater war Hofbibliothekar[1] in Stuttgart. Der Sohn erhielt seine Bildung auf dem dortigen Gymnasium und auf der Universität zu Tübingen, wo er Naturwissenschaften und Nationalökonomie studirte und zum Doctor der Philosophie promovirt wurde. Schon als 16jähriger Jüngling stiftete er einen geheimen Bund zur Realisirung seiner Idee, auf den Südseeinseln ein deutsches Reich zu gründen. Er gewann damit viele Anhänger, wurde aber schließlich der Napoleonischen Polizei denuncirt, in Untersuchung gezogen und einige Monate als Staatsgefangener auf dem Hohenasperg festgehalten. Nach absolvirtem Studium bereiste er die Eisenwerke Deutschlands und Frankreichs, gründete dann zu Villingen selbst ein solches Werk und später zu Hausach die ersten großen Holzverkohlungsöfen. 1821 verband er sich mit dem Grafen Hugo zu Salm in Wien und mit vereinter Kraft riefen sie zu Blansko in Mähren rasch nacheinander eine Reihe Eisenwerke und anderer einschlägiger Industrien, ja auch eine Rübenzuckerfabrik ins Leben, die Blansko großes Ansehen und ihm große Reichthümer brachten. Er erwarb die Herrschaften Gutenbrunn und Neidlung in Niederösterreich, Nisco in Galizien und Reisenberg bei Wien, die Eisenwerke zu Terniz und die Hochöfen bei Gaya u. s. w. Im J. 1839 ward er vom König von Württemberg in den Freiherrnstand erhoben. Nach Salm’s Tode (1836) wurde er von dessen Sohne mit Beschuldigungen wegen schlechter und unregelmäßiger Verwaltung überhäuft und rief dagegen mit Erfolg die Gerichte an. In den späteren Jahren seines Lebens bewohnte er Schloß Reisenberg bei Wien, siedelte aber im J. 1867 nach Leipzig über, wo er starb.

R. hat als Forscher einen geachteten Namen hinterlassen und wir verdanken ihm Untersuchungen mineralogischen, geologischen und chemischen Inhalts. Er hat sich um die Lehre von den Meteorsteinen verdient gemacht und besaß eine ausgezeichnete Sammlung solcher, die er nach seinem Tode dem österreichischen Staate vermachte. Er hat die Gegend um Brünn und Blansko, die er geognostisch untersuchte, in einer Monographie „Geologische Mittheilungen aus [671] Mähren“ (Wien 1834) beschrieben. Von größerer Wichtigkeit noch sind seine chemischen Forschungen, die meist mit den von ihm technisch gewonnenen Producten im Zusammenhang stehen. So entdeckte er das Paraffin und das Kreosot aus dem Holztheer. Dies sind allerdings keine Körper im chemischen Sinne und Reichenbach’s Untersuchung muß auch als eine unvollständige angesehen werden, doch haben diese Stoffe durch ihre praktische Verwendbarkeit eine große Wichtigkeit erlangt. Eine Reihe anderer von ihm entdeckter Substanzen, wie das Eupion, das Picamar, das Kapnomar und das Assamar haben weniger Beachtung gefunden und verdienen auch solche nicht, da sie wissenschaftlich nicht genau charakterisirt und praktisch ohne Bedeutung sind. Dagegen sind die von ihm aus dem Theer dargestellten schönen Farbstoffe, das Crediret und das Pittakal (Eupittonsäure) neuerdings durch Liebermann und Hofmann eingehend untersucht worden, so daß ihre chemische Natur aufgeklärt ist. Auch einem größeren Publicum wurde R. bekannt durch seine Untersuchungen über das sogen. Od (vom lateinischen vado, ich gehe schnell). Er verstand unter Od eine besondere Kraft, die namentlich sensitiven Personen eigen und sie u. A. in Stand setze, unter der Erde verborgene Quellen oder Erzgänge zu fühlen, den positiven Magnetpol von dem negativen zu unterscheiden, einen Pendel, ohne ihn anzustoßen, in Bewegung zu setzen u. dergl. m. Nach R. erhebt sich das Od über den Fingerspitzen und bildet im schwachen Tageslicht eine zarte Lohe, die aufwärts zieht, jedoch etwas nach Süden geneigt u. s. w. R. hat über das Od eine große Anzahl von Schriften veröffentlicht, wovon hier die folgenden erwähnt sein mögen: „Untersuchungen über die Dynamide Magnetismus, Elektrizität, Wärme und Licht in ihren Beziehungen zur Lebenskraft“ (2 Bde., Braunschweig 1850); „Odisch-magnetische Briefe“ (Stuttgart 1852); „Der sensitive Mensch und sein Verhalten zum Ode“ (2 Bde., Stuttgart 1854); „Die Pflanzenwelt in ihren Beziehungen zur Sensitivität und zum Ode“ (Wien 1858); „Aphorismen über Sensitivität und Od“ (Wien 1866); „Die odische Lehre und einige Bewegungserscheinungen als neuentdeckte Formen des odischen Prinzips in der Natur“ (Wien 1867). Bei der Gelehrtenwelt fand er freilich mit diesen Untersuchungen und Ansichten keinen Beifall, im Gegentheil, er wurde heftig darob angegriffen (u. A. von Karl Vogt und Moleschott) und auch lächerlich gemacht. Er aber ließ sich dadurch nicht anfechten und zog deshalb nach Leipzig, um seinen Ansichten mehr Anerkennung zu verschaffen. Nach seinem dort bald erfolgten Tode sprach Niemand mehr über das Od und heute ist es ganz vergessen, wenn auch ähnliche Ansichten seitdem vielfach wieder allerdings unter anderen Namen aufgetaucht sind.

Staats- und Gesellschaftslexikon von Wagener. – Poggendorff, Biogr.-litter. Handwörterbuch.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 670. Z. 25 v. o. l.: Bibliothekar an der öffentlichen Bibliothek. [Bd. 29, S. 776]