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Autor: Diverse
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Titel: Das Spitzenklöppeln
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aus: Album der Sächsischen Industrie Band 2, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 2, Seite 147–152
Herausgeber: Louis Oeser
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung: siehe auch Barbara Uttmann
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[147]
Das Spitzenklöppeln.


Das sächsische Erzgebirge war ehemals der Hauptsitz einer berühmten und in früherer Zeit wohl lohnenden und viele Personen zu großem Reichthum emporhebenden Industrie, welche, wie mehrere Nachrichten besagen, sogar hier erfunden sein soll, welches indeß so gewiß nicht festgestellt ist: wir meinen das Spitzenklöppeln, jene an und für sich einfache und doch so überaus mühsam und bei feiner Waare auch große Kunstfertigkeit verlangende Arbeit. Heute kann man diesen Industriezweig allerdings für die damit beschäftigten Arbeiter nicht mehr für so lohnend erklären, denn auch hier sind die Maschinen als mächtige Concurrenten eingetreten, und durch sie ist die Arbeit zwar vervollkommt, aber sie zeigen sich auch als Feinde der Arbeitenden, da sie feinere, zartere und zugleich unverhältnißmäßig billigere Arbeit liefern, als die geübteste Klöpplerin herzustellen im Stande ist.

Die Spitzen sind seit uralter Zeit ein wesentlicher Bestandtheil der weiblichen Kleidung – einst auch der männlichen – geworden, und werden in unserem Jahrhundert vielleicht noch weit häufiger als früher benutzt, da oft ganze Kleider, ohne die Zubehör, aus diesem luftigen, spinnenwebenartigen Geweben zusammengesetzt sind; die Kaiserin auf dem Throne, die Salondame, bis herab zu dem einfachsten Landmädchen schmücken sich mit Spitzen und man sollte glauben, durch diesen massenhaften Verbrauch müßte die Lage der mit Herstellung der Spitzen Beschäftigten mindestens eine befriedigende sein und dieses würde sich auch bewahrheiten, wenn noch wie ehemals alle diese Gewebe unter den kunstgeübten erzgebirgischen Klöpplerinnen entstanden wären, so aber hat sich deren Lage vielmehr verschlimmert. – Gleichwohl gilt das Klöppeln immer noch für einen der Hauptgewerbszweige des oberen Erzgebirges, welcher namentlich zur Winterzeit eine Masse fleißiger Hände beschäftigt.

Die früheren Spitzen waren gestickt und sind, wie alle spitzenartigen Arbeiten eine uralte Erfindung, von der sich schon bei den Griechen und Römern Spuren vorfinden. In dem Mittelalter stieg die Anwendung der Spitzen bedeutend, man fertigte sie von Leinen, Wolle, Seide, Gold und Silber und wendete sie fast überall an, die Frauenkleider waren reich mit Spitzen besetzt, nicht minder beanspruchte die damalige Männertracht mehr oder minder häufige Anwendung dieses luftigen Schmucks, und auch die Kirche bedurfte viel davon, denn Meßgewänder, Chorhemden und Altartücher wurden – wie wir an aus jener Zeit auf uns gekommenen wohlerhaltenen Stücken sehen – reich mit den kunstvollst gearbeiteten Spitzen verziert. – Ein guter Theil dieses Spitzenbedarfs wurde von Nonnenklöstern geliefert.

Zeitig wurden die Brabanter Spitzen berühmt. In Brabant, namentlich aber in Brüssel, hatten die Meisterinnen in der Kunst Spitzen zu sticken ihren Sitz, sie lieferten die feinste und geschmackvollste Waare, die unter den Namen: Brabanter Spitzen, Brüsseler Spitzen oder Points nach aller Welt gingen und bedeutende Summen in das Land zogen, denn diese Spitzen waren nicht nur die feinsten, sondern auch die theuersten, wie dieses heute noch der Fall ist, nach dem über vier Jahrhunderte verrauscht sind, denn jene Artikel wurden daselbst schon im fünfzehnten Jahrhundert von ausgezeichneter Güte gefertigt, und nicht nur auf Gemälden aus jener Zeit können wir uns von den kunstvollen Mustern überzeugen, sondern auch aus Resten dieser Arbeiten.

Ob man damals wirklich alle Spitzen noch nähte oder stickte, oder ob das Klöppeln hin und wieder in Brabant in Gebrauch war, darüber ist man nicht einig und es wird das Eine wie das Andere mit Entschiedenheit behauptet.

[148] In Deutschland und somit auch in Sachsen, kannte man zu jener Zeit nur die gestickten Spitzen und es war daher ein wichtiges Ereigniß, als das Spitzklöppeln durch eine wackere Frau in dem Erzgebirge begründet wurde.

Barbara Uttmann ist der Name dieser Frau, die mit Recht als Wohlthäterin des Erzgebirges heute noch gepriesen wird.

Barbara wurde im Jahre 1514 geboren, angeblich in dem Städtchen Elterlein; sie stammte aus der Familie von Elterlein, ein ansehnliches nürnberger Patriziergeschlecht, welches sich wegen des damals im höchsten Flor stehenden Bergbaues nach Sachsen gewendet und seinen Wohnplatz in Elterlein genommen hatte. Hier starb auch 1582 Barbaras Vater Heinrich von Elterlein im sieben und neunzigsten Jahre seines Alters.

Späterhin verheirathete sich Barbara mit dem reichen Bergherrn Christoph Uttmann in Annaberg, der in hohem Ansehen stand, was dadurch bewiesen wird, daß ein Berggebäude bei Annaberg „Christoph Uttmanns Lehn“ genannt wurde, eine Ehre, die nur hochgestellten oder sonst ausgezeichneten Personen zu Theil ward.

Daraus geht nun hervor, daß es Sage ist, wenn man erzählt, Barbara sei die Tochter eines ganz armen Bergmanns gewesen, sie habe durch ihre Schönheit das Herz des reichen Bergherrn Uttmann gewonnen, so daß dieser sich mit ihr vermählte.

Auf gleicher Stufe steht die poetisch ausgeschmückte Erzählung, nach welcher Barbara in Brabant geboren sein und dort die Kunst des Klöppelns erlernt haben soll; von dort sei sie mit Uttmann, der als Hauptmann in spanischen Diensten gestanden, wegen Religionsverfolgungen nach Sachsen geflüchtet und habe die Kunst Brabants nach dem Erzgebirge verpflanzt.

Einige erzählen nun, Barbara habe sich viel mit dem Spitzensticken beschäftigt und sei dabei auf den Gedanken gekommen, durch in einander verschlungene Fäden auf leichtere Weise Spitzen herzustellen, denn durch das mühsame und viele Zeit verlangende Sticken und dieses habe sie dann auf die Erfindung des Klöppelns geleitet. Diese Erfindung soll im Jahre 1561 geschehen sein.

Wahrscheinlicher klingt die andere Erzählung. Eine protestantische Brabanterin aus Brüssel war um den Verfolgungen durch Albas blutigen Henkern zu entgehen, nach Deutschland ausgewandert und nach Annaberg gekommen, wo sie in Uttmanns Hause gastfreundliche Aufnahme fand und zum Dank dafür Barbara die Kunst des Spitzenklöppelns lehrte.

Barbara ergriff mit Begier diese Kunst und suchte sie, mit hellem Blick ihre Wichtigkeit für das Gebirge erkennend, nach Kräften weiter zu verbreiten, sie sammelte junge Frauen und Mädchen aus der Stadt und der Umgegend um sich und lehrte sie die neue Kunst. Sie hatte auch die Freude zu sehen, wie das Spitzenklöppeln schnell sich durch das ganze Gebirge verbreitete und reichlichen Verdienst den damit Beschäftigten gewährte.

Die würdige Frau führte ein glückliches Leben; nachdem sie vier und sechszig Kinder und Enkel erlebt und in den letzten Jahren Wittwe geworden, starb sie am 14. Januar 1575 allgemein geliebt und betrauert. Sie ruht auf dem Gottesacker in der Nähe der bekannten großen Linde und eine eiserne Platte deckte Jahrhunderte lang ihr Grab. Die Platte hatte nicht die Dauer, wie der Name der unter ihr Schlummernden, die Innschrift verwitterte, das Eisen rostete und zersprang endlich.

Um die Ruhestätte der edlen Barbara vor Vergessenheit zu retten, errichtete im Jahre 1835 Herr August Reiche-Eisenstuck senior, einer der Chefs des bekannten Annaberger Handlungshauses Eisenstuck und Comp., welches seit länger als einhundert fünf und zwanzig Jahren in erzgebirgischen Spitzen große Geschäfte gemacht und dabei großen Wohlstand erlangt hatte, aus Dankbarkeit gegen Barbara Uttmann über ihrem Grabe ein einfaches Denkmal aus Sandstein, welches auf der vorderen Seite die Innschrift trägt:

[149]
„Hier ruhet
Barbara Uttmann
gestorben den XIV. Januar MDLXXV.
Sie ward durch das im Jahre MDLXI von ihr erfundene Spitzenklöppeln
die Wohlthäterin des Erzgebirges.“

Auf der Rückseite aber steht:

„Ein sinniger Geist, eine thätige Hand,
Sie ziehen den Segen in’s Vaterland.“

In wie weit die Bezeichnung als „Erfinderin“ richtig ist, lassen wir dahingestellt sein, aber unbestritten bleibt ihr das Verdienst „Begründerin“ des Spitzenklöppelns im Erzgebirge und damit die nicht genug zu preisende Wohlthäterin des Erzgebirges gewesen zu sein, die es wohl verdient, daß die spätesten Geschlechter ihrer noch mit Verehrung und Dankbarkeit gedenken. – Durch das Spitzenklöppeln, welches Tausende und aber tausende von Händen beschäftigte, wurde von zahllosen Familien wenigstens der drückendste Nothstand ferne gehalten, der so oft das trotz dem im Schooße seiner Berge ruhenden Metallreichthums doch so arme Erzgebirge heimsuchte, und Hunderte von Familien haben durch den Spitzenhandel nicht nur großen Wohlstand, sondern selbst Reichthum erworben.

Noch eine sehr wohlthätige Einwirkung hatte das Klöppeln auf die Bevölkerung des Erzgebirges, sie wurde dadurch gleichsam von selbst zur Reinlichkeit im Hauswesen, an Körper und Kleidung hingeführt, da oben diese leichte, spinnwebenartige Arbeit durch nichts eher unscheinbar gemacht wird, als durch Schmutz, was dann wieder bedeutenden Einfluß auf den Lohn hat. Da suchen Klöppler und Klöpplerinnen auf das sorgfältigste jede Unreinlichkeit von sich fern zu halten, und das Kind wird schon von seinen ersten Jahren zur Sauberkeit gewöhnt.

Hin und wieder gab es allerdings auch Leute, die von der neuen Erwerbsquelle wenig erbaut sich zeigten, so der alte Historiker Jonisius (ehemals Rector der Schule zu Annaberg, dann Hofprediger in Dresden), der in seinen 1604 gedruckten „Annaberger Annalen“ sich ziemlich grämlich darüber ausspricht. Nachdem er – und das wohl nicht ganz mit Unrecht – ernstlich davor warnt, sich durch die neue Kunst nicht zu Hochmuth und Ueppigkeit verleiten zu lassen, ruft er voll heiligen Eifers aus: Wir elenden Menschen entnehmen aus Allem Stoff zum Hochmuthe, nicht beachtend, daß, wenn wir mit Gold uns schmücken, die Erde uns diesen Glanz gewähre, wenn wir mit Spitzen uns zieren, ein geringes Gras und wenn wir seidene Kleider tragen, die Würmer uns diesen Schmuck verleihen.“

Die Kunst des Spitzenklöppelns verbreitete sich – wie schon gesagt – ziemlich rasch über das ganze Erzgebirge, doch wurde anfänglich nur der Bedarf des Erzgebirges und der nächsten Landschaften versorgt, von wo sich der Absatz nach und nach über ganz Sachsen verbreitete. Die Mode begünstigte diesen Erwerbzweig und dabei war die erzgebirgische Spitze zwar nicht besser, aber doch um Vieles wohlfeiler als die Brabanter und Brüsseler und überhaupt die gestickten Spitzen.

Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts verbreitete sich der Handel mit geklöppelten erzgebirgischen Spitzen auch über das Ausland, aber nicht durch eigene Thätigkeit der Erzgebirger, sondern durch Schottländer.

Des Erzgebirges Metallreichthum hatte großen Ruf durch ganz Europa erlangt und mochte wohl oft die übertriebensten Vorstellungen erzeugt haben, von der Leichtigkeit, mit welcher man hier große Reichthümer erwerben könne, ungefähr so, wie noch heute Viele durch ausschweifende Träume von unermeßlichen Schätzen nach Californien gelockt werden, obgleich das eigentliche Goldfieber längst vorüber ist. Da zogen denn aus allen Ländern Leute heran, um das Erzgebirge nach Schätzen zu durchforschen, namentlich Ungarn, Italiener (Venetianer) und Schottländer, aber die Mehrzahl dieser nach leicht zu erwerbenden Reichthümern Lüsternen mochte wohl sehr schmerzlich enttäuscht werden.

Solche Zwecke führten auch zur Zeit der Regierung des Churfürst Christian II. (1591 bis 1611) [150] den Kaufmann Cuningham aus Schottland[WS 1] nach Annaberg, wo er sich niederließ. Er war durch den König Jakob von England dem Kurfürsten sehr warm empfohlen und genoß daher besonderen Schutz und Berücksichtigung in seinen Unternehmungen. – Aber der Bergbau war schon zu jener Zeit bedeutend gesunken und Cuninghams darauf bezüglichen Pläne mißlangen. – Da wandte der umsichtige Mann seine Aufmerksamkeit der immer mehr aufblühenden Spitzenfabrikation zu, erkannte, welche Vortheile diese Waare bei der Ausfuhr nach fremden Ländern bot, gegenüber den weit theueren Brabanter und Brüsseler Spitzen. Er schickte nun zahlreiche seiner in Sachsen anwesenden Landsleute aus, welche mit den erzgebirgischen Spitzen dann ganz Deutschland, die Schweiz, Oberitalien und England durchzogen und ansehnliche Geschäfte machten. Von diesen ersten ausländischen Händlern erhielten später alle Spitzenhändler, welche durch das Land zogen, den Namen: Spitzenschotten.

Die erzgebirgischen Klöpplerinnen erwarben sich mit der Zeit große Kunstfertigkeit, das ganze Klöppelwesen wurde überhaupt ausgebildeter und zu immer höherer Stufe gehoben, so daß die erzgebirgischen Spitzen bald wirklich als ausgezeichnete Waare anerkannt wurden. – So boten schon 1608 Buchhändler Modellbücher von auserlesenen Zennigen oder Spitzen aus, und 1626 schickte man aus dem benachbarten Joachimsthal die feinsten Spitzen von großem Werth an die Damen des kaiserlichen Hofes zu Wien. – Dieses beweist, daß die erzgebirgischen Spitzen schon damals mit den ausländischen erfolgreich in die Schranken treten konnten.

Späterhin wurde in Annaberg jeden Dienstag ein besonderer Spitzenmarkt gehalten, wo die größeren Handlungen ihre Vorräthe aufkauften, doch ist dieser, nachdem er schon längst seine größte Bedeutung verloren, seit etwa zwanzig Jahren gänzlich eingegangen, und die kleineren Händler bringen ihre Waare entweder den Kaufleuten ins Haus, oder sie hausiren damit im Lande herum und beziehen auf eigene Rechnung Märkte. Die Spitzenverkäufer waren bei dem Einbringen ihrer Waaren von jeder Abgabe befreit.

Um den Klöpplerinnen das tauglichste Material zu ihrer Arbeit zu liefern, wurden in dem Gebirge nach und nach mehrere Zwirnmaschinen aufgestellt, denen gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die erste Tramir- oder Seidenzwirnmaschine folgte. Kaufmann Mende in Annaberg errichtete dieselbe, sie setzte 432 Spulen in Bewegung, zwirnte täglich fünf bis sechs Pfund Seide und bedurfte zu ihrer Bedienung nur zwei Personen; sie wurde als „Meisterstück der Mechanik“ gerühmt. Kurfürst – nachmals König – Friedrich August besuchte 1791 die Mendesche Anstalt, bewilligte dem thätigen Unternehmer eine Prämie von tausend Thalern und ertheilte ihm ein Privilegium auf fünfzehn Jahre.

Spitzen wurden von allen Arten gefertigt, nicht allein aus Zwirn, Seide u.s.w., sondern auch aus Gold- und Silberfäden, letztere namentlich in Schneeberg. Von dem dabei bisweilen entwickelten Kunstaufwande möge folgendes Beispiel einen Beweis liefern. 1811 klöppelte die Frau des Tagelöhners Stieler in Bernsbach bei Grünhain drei Ellen Spitzen zu Manschetten, wo sie für die Elle drei Thaler Arbeitslohn erhielt, die aber mit der fast dreifachen Summe bezahlt wurde.

Sehr zeitig lehrte man das Klöppeln in den Schulen mit, und die Kinder wanderten mit dem Buch unter dem einen und dem Klöppelsack unter dem andern Arme zur Schule, späterhin aber wurden eigene Klöppelschulen gegründet, welche zum größtentheil wenn nicht von Staatswegen selbst veranlaßt und unterhalten, so doch vom Staat Unterstützung bekamen.

Die älteste dieser Schulen wurde in Schneeberg im Jahre 1809 von dem König Friedrich August dem Gerechten gegründet, wo die Zahl der daselbst unterrichteten Kinder von 60 bis auf 150 gestiegen ist. Um den Geschmack in den Mustern zu vervollkommnen, stellte die Regierung ein Jahr später – 1810 – in der Person des Mustermalers d’Aligne einen eigenen königlichen Zeichnenlehrer an, dessen Zeichnenschule aber 1813 mit der Klöppel-Industrieschule verbunden ward. Auch einige Musterstecher erhielten Anstellung, sowie nach einiger Zeit ein zweiter Zeichnenlehrer hinzukam. – Die Regierung that überhaupt viel für Hebung dieser Industrie und daß ihr Streben nicht ohne Erfolg [151] blieb, bewiesen die Sendung der feinsten und geschmackvollsten Spitzen an die königliche Familie. Auch wurden auf Bestellung nun Blätter zu ganzen geklöppelten Kleidern gemacht.

In dem bekannten Nothwinter von 1816 zu 1817 errichtete die Regierung in Oberwiesenthal eine zweite Klöppelschule, die in drei Klassen eingetheilt ist, in welcher von zwei Lehrerinnen circa sechszig Kinder unterrichtet werden. Jedes Kind verdient etwa 5 bis 6 Neugroschen die Woche.

Dann folgte Rittersgrün 1818, 1819 wurde eine zweite und 1846 eine dritte Schule daselbst gegründet; in Aue entstand 1819 eine Klöppelschule.

Außerdem befinden sich Klöppelschulen in Unterwiesenthal, Crottendorf, Großpöhla, Crandorf Breitenbrunn (die sich durch besonders feine Arbeit auszeichnet) Neudorf, Raschau, Johanngeorgenstadt, Schwarzenberg, Neustädtel, Hundshübel, Schönhaide u.s.w. Die meisten Klöppelschulen befinden sich in der Umgebung Schwarzenbergs.

Aber die Concurrenz der Maschinenspitzen, welche von England und zum Theil auch aus Frankreich kommen, hob immer gewaltiger ihr Haupt und lastete drückend auf der vaterländischen Industrie, denn die Maschinen lieferten die Spitzen zehn bis fünfzehn Mal billiger, als es die Klöpplerin im Stande ist. Nun suchten zwar mehrere Männer, vorzüglich Kaufmann Schreiber in Dresden, welche Belgien bereist und dort die Verfahrungsart bei Herstellung der immer noch wohlrennomirten Brabanter Spitzen kennen gelernt hatten, diese Methode auch im Erzgebirge einzuführen, wovon sie sich viele Vortheile versprachen, doch war man damit immer noch nicht im Stande, der Concurrenz der Maschine so zu begegnen, wie es zur erneuten Blüthe dieser Industrie nöthig wäre. – Nach Brabanter Methode wird aber jetzt häufig gearbeitet und in einigen Klöppelschulen selbst ausschließlich gelehrt.

Die Spitzenklöppelei wird jetzt vorzüglich in dem höhern Gebirge und daselbst besonders in den Dörfern getrieben, und sie erstreckt sich von Dippoldiswalde bis in die Nähe von Adorf. Es bestehen dabei so eine Art Distrikte für verschiedene Arten von Spitzen. Die weißen Zwirnspitzen werden hauptsächlich in der Gegend von Burkhardsdorf bis Annaberg, Schneeberg, Johanngeorgenstadt u.s.w. gefertigt; die schwarzseidenen Spitzen haben ihre Bezirke bei Marienberg und im Voigtlande, die weißseidenen Spitzen oder Blonden werden bei Schwarzenberg und Wiesenthal geklöppelt. Die feinsten Spitzen nach Brabanter Methode, auch Points, liefert jetzt Oberwiesenthal.

Außerdem werden Sammetspitzen, Gorlspitzen, Gorlspitzen mit Perlen, Gold und Silberfäden u.s.w. geklöppelt.

Die Zahl der mit Klöppelei beschäftigten Personen wird im Sommer auf 40 bis 50,000, im Winter aber bis 70,000 angegeben, der größte Theil davon gehört dem weiblichen Geschlecht an. Den Werth der erzeugten Spitzen berechnet man durchschnittlich das Jahr auf 2,000,000 Thaler. Scheinbar ist dieses eine bedeutende Summe, die aber auf so viel Köpfe vertheilt, zu großer Unbedeutendheit zusammenschmilzt. Deshalb ist der Verdienst der Klöppelmädchen überaus schlecht, und das muß eine besonders geschickte und fleißige Arbeiterin sein, welche es die Woche auf einen Thaler oder gar noch darüber bringt; in der Regel verdient selbst die fleißigste Arbeiterin in der Stunde kaum zwei Pfennige, und die, welche die Woche 25 Neugroschen Lohn erschwingt, wird beneidet, denn Manche erhalten kaum die Hälfte davon und sie sollen dabei doch auch bestehen. – Das ist allerdings gegen frühere ein starker Unterschied, denn damals verdiente ein Kind die Woche bis sechszehn gute Groschen, eine geschickte Arbeiterin wenigstens einen Thaler, und dabei hatte das Geld einen weit höheren Werth, als es in jetziger Zeit besitzt.

Die Hauptvertriebsplätze für die Spitzen sind jetzt Annaberg und Schneeberg in erster Reihe; in zweiter Reihe kommen: Buchholz, Lößnitz, Oberwiesenthal, Krottendorf, Pöhla, Rittersgrün, Neustädtel, Eibenstock, Schönhaida, Schwarzenberg, Johanngeorgenstadt, Marienberg u.s.w.

Das Klöppeln der Spitzen geschieht auf folgende Art. Das Muster, nach welchem die Spitze gearbeitet werden soll, der Klöppelbrief, ist auf ein festes Stück Papier gezeichnet oder gedruckt; bei den für schwarze Spitzen bestimmten Mustern sind diese grün auf weißes Papier angegeben, bei den für [152] weiße Spitzen aber schwarz auf orange rothes Papier; diese Muster sind mit Nadeln durchlöchert. – Den Klöppelbrief spannt man dann auf ein rundes Kissen, das Klöppelkissen oder der Klöppelsack, dessen Größe sich nach der Beschaffenheit der Spitzen richtet, die darauf gefertigt werden sollen. Den Zwirn oder die Seide windet man auf längliche und gut abgerundete Hölzchen, die Klöppel, welche da, wo man sie anfaßt, in dünnen Röhrchen, den Klöppeldüteln, stecken, damit das Gespinnst nicht berührt und der Klöppel leichter bewegt werden könne. Das eigentliche Klöppeln nun besteht in dem Schlingen der Fäden, um die nach dem Muster abgesteckten Nadeln. Dies geschieht auf die mannichfachste Art und mit einer bewundernswerthen Geschwindigkeit. Die Nadeln, welche man von Anfang herein nicht mehr brauchte, sobald das um sie herumgeschlungene Auge fertig ist, werden immer wieder, eine nach der andern, pfeilschnell vorwärts zu neuen Schlingen eingesteckt und auf diese Art geht es bis zu Ende fort. Der kleine Klöppelsack drehet sich beständig, wie um seine Achse, und hängt oft so voll Klöppel, daß es einem unbegreiflich erscheint, wie aus einer Zahl von 30 bis 100 Klöppeln, allemal der rechte so schnell gefunden und geworfen werden kann. Uebung allein bringt diese staunenswerthe Fertigkeit hervor.

Im Winter sind stets mehr Personen mit der Klöppelei beschäftigt, weil dann auch die, welche im Sommer auf den Feldern arbeiteten, zum Klöppelsack greifen, ähnlich, wie in andern Gegenden das Spinnrad im Winter thätig wird. Dann greifen auch die Männer zu dieser Arbeit, und Hände, welche im Sommer Steine gesprengt und Stämme gerodet haben, werfen jetzt mit überraschender Gewandtheit die Klöppel.

Diejenigen Arbeiterinnen, welche den Zwirn oder die Seide zu den Spitzen selbst kaufen können und dann die fertige Waare an den Händler verkaufen, stehen sich stets besser, als die, welche das Material von dem Arbeitgeber erhalten.

Schließlich sei bemerkt, daß die berühmten Brüsseler Spitzen, deren Fabrikation man erfolgreich im Erzgebirge nachahmt, auf theils leinenen, theils baumwollenen Netzen mit der Nadel gearbeitet werden. Aehnlich sind auch die Mechelner Spitzen, die von Valenciennes und Lille, welche letztere als die billigsten gelten.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schotttand