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den Kaufmann Cuningham aus Schottland[WS 1] nach Annaberg, wo er sich niederließ. Er war durch den König Jakob von England dem Kurfürsten sehr warm empfohlen und genoß daher besonderen Schutz und Berücksichtigung in seinen Unternehmungen. – Aber der Bergbau war schon zu jener Zeit bedeutend gesunken und Cuninghams darauf bezüglichen Pläne mißlangen. – Da wandte der umsichtige Mann seine Aufmerksamkeit der immer mehr aufblühenden Spitzenfabrikation zu, erkannte, welche Vortheile diese Waare bei der Ausfuhr nach fremden Ländern bot, gegenüber den weit theueren Brabanter und Brüsseler Spitzen. Er schickte nun zahlreiche seiner in Sachsen anwesenden Landsleute aus, welche mit den erzgebirgischen Spitzen dann ganz Deutschland, die Schweiz, Oberitalien und England durchzogen und ansehnliche Geschäfte machten. Von diesen ersten ausländischen Händlern erhielten später alle Spitzenhändler, welche durch das Land zogen, den Namen: Spitzenschotten.

Die erzgebirgischen Klöpplerinnen erwarben sich mit der Zeit große Kunstfertigkeit, das ganze Klöppelwesen wurde überhaupt ausgebildeter und zu immer höherer Stufe gehoben, so daß die erzgebirgischen Spitzen bald wirklich als ausgezeichnete Waare anerkannt wurden. – So boten schon 1608 Buchhändler Modellbücher von auserlesenen Zennigen oder Spitzen aus, und 1626 schickte man aus dem benachbarten Joachimsthal die feinsten Spitzen von großem Werth an die Damen des kaiserlichen Hofes zu Wien. – Dieses beweist, daß die erzgebirgischen Spitzen schon damals mit den ausländischen erfolgreich in die Schranken treten konnten.

Späterhin wurde in Annaberg jeden Dienstag ein besonderer Spitzenmarkt gehalten, wo die größeren Handlungen ihre Vorräthe aufkauften, doch ist dieser, nachdem er schon längst seine größte Bedeutung verloren, seit etwa zwanzig Jahren gänzlich eingegangen, und die kleineren Händler bringen ihre Waare entweder den Kaufleuten ins Haus, oder sie hausiren damit im Lande herum und beziehen auf eigene Rechnung Märkte. Die Spitzenverkäufer waren bei dem Einbringen ihrer Waaren von jeder Abgabe befreit.

Um den Klöpplerinnen das tauglichste Material zu ihrer Arbeit zu liefern, wurden in dem Gebirge nach und nach mehrere Zwirnmaschinen aufgestellt, denen gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die erste Tramir- oder Seidenzwirnmaschine folgte. Kaufmann Mende in Annaberg errichtete dieselbe, sie setzte 432 Spulen in Bewegung, zwirnte täglich fünf bis sechs Pfund Seide und bedurfte zu ihrer Bedienung nur zwei Personen; sie wurde als „Meisterstück der Mechanik“ gerühmt. Kurfürst – nachmals König – Friedrich August besuchte 1791 die Mendesche Anstalt, bewilligte dem thätigen Unternehmer eine Prämie von tausend Thalern und ertheilte ihm ein Privilegium auf fünfzehn Jahre.

Spitzen wurden von allen Arten gefertigt, nicht allein aus Zwirn, Seide u.s.w., sondern auch aus Gold- und Silberfäden, letztere namentlich in Schneeberg. Von dem dabei bisweilen entwickelten Kunstaufwande möge folgendes Beispiel einen Beweis liefern. 1811 klöppelte die Frau des Tagelöhners Stieler in Bernsbach bei Grünhain drei Ellen Spitzen zu Manschetten, wo sie für die Elle drei Thaler Arbeitslohn erhielt, die aber mit der fast dreifachen Summe bezahlt wurde.

Sehr zeitig lehrte man das Klöppeln in den Schulen mit, und die Kinder wanderten mit dem Buch unter dem einen und dem Klöppelsack unter dem andern Arme zur Schule, späterhin aber wurden eigene Klöppelschulen gegründet, welche zum größtentheil wenn nicht von Staatswegen selbst veranlaßt und unterhalten, so doch vom Staat Unterstützung bekamen.

Die älteste dieser Schulen wurde in Schneeberg im Jahre 1809 von dem König Friedrich August dem Gerechten gegründet, wo die Zahl der daselbst unterrichteten Kinder von 60 bis auf 150 gestiegen ist. Um den Geschmack in den Mustern zu vervollkommnen, stellte die Regierung ein Jahr später – 1810 – in der Person des Mustermalers d’Aligne einen eigenen königlichen Zeichnenlehrer an, dessen Zeichnenschule aber 1813 mit der Klöppel-Industrieschule verbunden ward. Auch einige Musterstecher erhielten Anstellung, sowie nach einiger Zeit ein zweiter Zeichnenlehrer hinzukam. – Die Regierung that überhaupt viel für Hebung dieser Industrie und daß ihr Streben nicht ohne Erfolg

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schotttand
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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/310&oldid=- (Version vom 11.5.2019)