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Das Spitzenklöppeln.


Das sächsische Erzgebirge war ehemals der Hauptsitz einer berühmten und in früherer Zeit wohl lohnenden und viele Personen zu großem Reichthum emporhebenden Industrie, welche, wie mehrere Nachrichten besagen, sogar hier erfunden sein soll, welches indeß so gewiß nicht festgestellt ist: wir meinen das Spitzenklöppeln, jene an und für sich einfache und doch so überaus mühsam und bei feiner Waare auch große Kunstfertigkeit verlangende Arbeit. Heute kann man diesen Industriezweig allerdings für die damit beschäftigten Arbeiter nicht mehr für so lohnend erklären, denn auch hier sind die Maschinen als mächtige Concurrenten eingetreten, und durch sie ist die Arbeit zwar vervollkommt, aber sie zeigen sich auch als Feinde der Arbeitenden, da sie feinere, zartere und zugleich unverhältnißmäßig billigere Arbeit liefern, als die geübteste Klöpplerin herzustellen im Stande ist.

Die Spitzen sind seit uralter Zeit ein wesentlicher Bestandtheil der weiblichen Kleidung – einst auch der männlichen – geworden, und werden in unserem Jahrhundert vielleicht noch weit häufiger als früher benutzt, da oft ganze Kleider, ohne die Zubehör, aus diesem luftigen, spinnenwebenartigen Geweben zusammengesetzt sind; die Kaiserin auf dem Throne, die Salondame, bis herab zu dem einfachsten Landmädchen schmücken sich mit Spitzen und man sollte glauben, durch diesen massenhaften Verbrauch müßte die Lage der mit Herstellung der Spitzen Beschäftigten mindestens eine befriedigende sein und dieses würde sich auch bewahrheiten, wenn noch wie ehemals alle diese Gewebe unter den kunstgeübten erzgebirgischen Klöpplerinnen entstanden wären, so aber hat sich deren Lage vielmehr verschlimmert. – Gleichwohl gilt das Klöppeln immer noch für einen der Hauptgewerbszweige des oberen Erzgebirges, welcher namentlich zur Winterzeit eine Masse fleißiger Hände beschäftigt.

Die früheren Spitzen waren gestickt und sind, wie alle spitzenartigen Arbeiten eine uralte Erfindung, von der sich schon bei den Griechen und Römern Spuren vorfinden. In dem Mittelalter stieg die Anwendung der Spitzen bedeutend, man fertigte sie von Leinen, Wolle, Seide, Gold und Silber und wendete sie fast überall an, die Frauenkleider waren reich mit Spitzen besetzt, nicht minder beanspruchte die damalige Männertracht mehr oder minder häufige Anwendung dieses luftigen Schmucks, und auch die Kirche bedurfte viel davon, denn Meßgewänder, Chorhemden und Altartücher wurden – wie wir an aus jener Zeit auf uns gekommenen wohlerhaltenen Stücken sehen – reich mit den kunstvollst gearbeiteten Spitzen verziert. – Ein guter Theil dieses Spitzenbedarfs wurde von Nonnenklöstern geliefert.

Zeitig wurden die Brabanter Spitzen berühmt. In Brabant, namentlich aber in Brüssel, hatten die Meisterinnen in der Kunst Spitzen zu sticken ihren Sitz, sie lieferten die feinste und geschmackvollste Waare, die unter den Namen: Brabanter Spitzen, Brüsseler Spitzen oder Points nach aller Welt gingen und bedeutende Summen in das Land zogen, denn diese Spitzen waren nicht nur die feinsten, sondern auch die theuersten, wie dieses heute noch der Fall ist, nach dem über vier Jahrhunderte verrauscht sind, denn jene Artikel wurden daselbst schon im fünfzehnten Jahrhundert von ausgezeichneter Güte gefertigt, und nicht nur auf Gemälden aus jener Zeit können wir uns von den kunstvollen Mustern überzeugen, sondern auch aus Resten dieser Arbeiten.

Ob man damals wirklich alle Spitzen noch nähte oder stickte, oder ob das Klöppeln hin und wieder in Brabant in Gebrauch war, darüber ist man nicht einig und es wird das Eine wie das Andere mit Entschiedenheit behauptet.

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/307&oldid=- (Version vom 11.5.2019)