Die Band- und Hosenträgerfabrik von Johann Gottfried Schöne in Großröhrsdorf bei Radeberg

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Titel: Die Band- und Hosenträgerfabrik von Johann Gottfried Schöne in Großröhrsdorf bei Radeberg
Untertitel:
aus: Album der Sächsischen Industrie Band 2, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 2, Seite 153–155
Herausgeber: Louis Oeser
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Band und Hosenträgerfabrik von Johann Gottfried Schöne in Gross-Röhrsdorf.

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Die Band- und Hosenträgerfabrik von Johann Gottfried Schöne in Großröhrsdorf bei Radeberg.


Die Gegend um Pulsnitz, welcher der Volkswitz den Namen „der wendischen Türkei“ beigelegt hat, ist für die sächsische Industrie in vielfacher Beziehung nicht ohne Interesse, vorzüglich aber deshalb von Wichtigkeit, weil sich hier der Hauptsitz der sächsischen Bandfabrikation in Wolle befindet; es werden zwar auch im Erzgebirge, besonders in der Gegend von Annaberg, wollene Bänder gefertigt, doch nicht in dem Umfange wie hier.

Der stets regsamen Stadt Pulsnitz hat die Gegend überhaupt viel zu danken, denn von hier aus entstanden und verbreiteten sich zwei der wichtigsten Erwerbszweige in die Umgegend, der Leinwandhandel und die Bandfabrikation und wir benutzen die Gelegenheit, hier zugleich über die ersteren Etwas zu sagen.

Der Leinwandhandel entstand hier im Jahre 1710 durch Christian Kind, einen einfachen Leinweber aus dem Dorfe Pulsnitz, einem thätigen, umsichtigen und intelligenten Mann, der Anfangs mit seiner Waare die Dresdner Märkte bezog, wo er Bekanntschaft mit einem Kaufmann aus London machte, der ihm erst seine Vorräthe abkaufte, dann aber veranlaßte, seine Waare direkt nach England zu senden. Die Leinwand war so vorzüglich und fand in dem Inselreich so großen Beifall, daß zahlreiche Aufträge einliefen. Kind richtete sich nun vollkommen kaufmännisch ein und gründete ein lange Jahre bestehendes Handlungshaus; auch wurde er Veranlassung zur Entstehung mehrerer anderer Leinwandhandlungen am Ort und der Umgegend.

Am stärksten war immer der Absatz der weißgarnigen Leinwand, welche hier und in der Umgegend, z. B. Bretting, Hauswalde, Friedersdorf, Röhrsdorf, Leppersdorf, Rammenau u.s.w. gefertigt wurde, in der Gegend von Zittau die Bleiche empfing und dann fast gänzlich ins Ausland ging und noch geht. Auch wird viel Futterleinwand und bunte Leinwand gefertigt, die von den hiesigen Färbern gefärbt wird. Vorzüglich geht auch viel Segel- und Packleinwand von hier nach Amerika, von wo sie nicht selten als Emballage von Materialwaaren an den Ort ihrer Entstehung zurückkommt. Seit 1784 betrug hier der jährliche Absatz an Leinwanden bis 100,000 Thaler. Im Jahre 1811 lieferte ein einziges Haus 50,000 Ellen Leinwand für die Lazarethe.

Ehe wir nun zu der Bandfabrikation übergehen, wollen wir noch zwei der renommirtesten Artikel von Pulsnitz erwähnen. Der erste derselben sind die allbeliebten, auf keinem Markte fehlenden Pfefferkuchen, die sogenannten Thorner Pfefferkuchen, deren Verfertigung der früher in Thorn arbeitende Bäcker Thomas hier einführte, und in denen seit einer langen Reihe von Jahren hier höchst ansehnliche Geschäfte gemacht werden. Gegenwärtig zeichnet sich vorzüglich die Firma Groschy aus.

Nicht minder erfreuen sich die Pulsnitzer Töpferwaaren eines bedeutenden Rufs, sowohl in Hinsicht ihrer Eleganz, als auch vorzüglich wegen ihrer inneren porzellanartigen Glasur, als deren Erfinder der hiesige Töpfermeister Schildbach angegeben wird, welcher in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hier lebte und seit etwa 1780 dieses verbesserte Geschirr fertigte, allerdings nicht in der Vollkommenheit, wie man es jetzt liefert. Die Geschäfte damit sind bedeutend, viel dieses Geschirrs geht [154] nach Böhmen, Oesterreich und selbst bis Triest, ebenso nach Ungarn und sogar nach Afrika wurden schon Ladungen davon versendet.

Auch die Bandfabrikation entstand zuerst in Pulsnitz. Ein Einwohner, Namens J. C. Garten gründete sie im Jahre 1762 (nach andern Nachrichten bereits 1750). Er fertigte nicht nur leinenes, vorzüglich das sogenannte holländische feine Kipperband, sondern auch die damals in Sachsen noch nicht üblichen Wollenbänder und erfand dazu eigene Stühle und Maschinen oder Mühlen, von vier bis sechszehn Gängen. Seitdem hat sich die Bandfabrikation in dieser Gegend bedeutend ausgebreitet, und der Landmann setzt sich nach Beendigung der Feldarbeit gewöhnlich hinter den Bandstuhl, ähnlich wie es im Erzgebirge mit dem Klöppelsack der Fall ist.

Vorzüglich eifrig wird dieser Industriezweig in Großröhrsdorf betrieben, ein ansehnliches, fast eine Stunde langes Dorf mit 3500 Einwohnern, welches von der Röder durchströmt wird und eine Stunde von Radeberg, eine Stunde von Pulsnitz, zwei Stunden von Bischofswerda und vier eine halbe Stunde von Dresden entfernt liegt. Auch hat es Aussicht, von der von Radeberg nach Kamenz projektirten Eisenbahn berührt zu werden, während es jetzt mit seinem Verkehr an den Bahnhof Radeberg an der sächsisch-schlesischen Eisenbahn gewiesen ist.

Dieser Ort war von jeher äußerst thätig, denn bereits 1803 wurden hier auf 203 Band- und 110 Leinweberstühlen gegen 113,000 Stück wollene Bänder, gegen 1500 Schock grobe und gegen 1000 Längen flächsene Leinwand gefertigt.

Das ansehnlichste Etablissement in Großröhrsdorf ist das unter der Firma

Johann Gottfried Schöne

bestehende, dessen Besitzer gegenwärtig sind

Herr Johann Gottfried Schöne

und dessen Söhne, die Herren

Florenz Julius Schöne und Gottfried Bruno Schöne.

Der Gebäudecomplex umfaßt ein Haupt- und fünf Nebengebäude.

Das Gebäude A enthält die Wohnung der Herren Besitzer, das Waarenlager und das Verpackungslager;
in dem Gebäude B befindet sich die mechanische Bandweberei und Appretur;
in dem Gebäude C befindet sich der Dampfkessel;
in D aber die Dampfmaschine und der Kohlenraum;
in E ist die Färberei, Bleicherei, das Farbenwaarenlager, der Saal für Jaquardweberei ohne mechanischen Betrieb und das Rohgarnlager;
das Gebäude F endlich enthält einen Saal für die Jaquardweberei und das Lager gefärbter Garne.

Zu der Fabrik gehört noch ein Garten von circa 200 Quadratruthen und 9 Acker Feld und Wiesen.

Das Etablissement beschäftigt sich allein mit der Bandfabrikation und seine Haupterzeugnisse sind Band, Gorl und Hosenträger, sowie halbwollene Velbel und Plüschband.

Die Erzeugnisse der Fabrik finden ihren Hauptabsatz sowohl im In- als Auslande, z. B. nach der Moldau, Polen, England, Schweden, theilweise auch auf überseeischem Wege nach fremden Welttheilen.

Von Messen werden nur die von Leipzig und Frankfurt an der Oder bezogen. In Leipzig besitzt die Firma überdies ein stehendes Verkaufsetablissement.

Von Ausstellungen wurden von dem Etablissement bisher nur beschickt:

1837 die in Dresden, wo die Vorzüglichkeit der ausgestellten Waaren durch Ertheilung der kleinen silbernen Medaille anerkannt wurde;
1842 in Mainz, wo es eine Medaille erhielt;
1850 in Leipzig, wo ihm die silberne Medaille zuerkannt wurde;
1854 in München, wo die Firma die Preismedaille davon trug.

[155] Außerdem erhielt das Etablissement im Jahre 1856 eine Ehrenmedaille von dem Dresdner Gewerbverein.

Zum Betrieb der mechanischen Weberei u.s.w. ist eine Dampfmaschine von sechs Pferdekraft aufgestellt.

Die Zahl der hier beschäftigten Arbeiter ist bedeutend, doch läßt sich dieselbe genau nicht angeben, da außer dem im geschlossenen Etablissement selbst arbeitenden Personal noch in Großröhrsdorf selbst, wie auch in Ohorn und Obersteina eine Menge Hände für dieses Etablissement thätig sind, deren Zahl, wie überall, nach Maßgabe des mehr oder minder lebhaften Geschäftsverkehrs steigt oder fällt.

Herr Johann Gottfried Schöne, geboren im Jahre 1801, gründete im Jahre 1826 dieses Etablissement. Er begann mit nur zwei Webestühlen für Drathband, zu denen 1830 noch zwei Stühle für hohle Lampendochte kamen. Herr Schöne hatte sich indessen durch seine Leistungen bereits bemerkbar gemacht und demzufolge wurde ihm am 31. Januar 1832 auf Veranlassung des letztverstorbenen Königs Friedrich August die erste Jaquardmaschine in Dresden übergeben und in seine Behausung gebracht; doch erst 1834 ließ sich die Anwendung dieser Maschine ermöglichen. Da auch gleichzeitig die bis dahin jedem freieren Aufschwung der Industrie Sachsens so hinderlichen preußischen Zollschranken fielen, so wurde dieses der erste Impuls zu der jetzigen Fabrik. Von Tag zu Tage hob und erweiterte sich das Geschäft und schon nach Verlauf einiger Jahre machten sich Erweiterungen der Baulichkeiten nöthig; so wurde denn im Jahre 1837 der Grundstein des Hauptgebäudes gelegt, im Jahre 1850 aber der zum Gebäude B. Fünf Jahre später (1855) erfolgte die Einrichtung der Dampfkraft für Appretur und Färberei, sowie zum Versuch der Bandweberei auf mechanischem Wege.

Im Jahre 1856 kaufte Herr Schöne zwei mechanische Bandwebestühle in England, die ersten in Sachsen, weshalb er auch die steuerfreie Einfuhr derselben genoß. Diese dienten nachher als Modelle, nach denen die weiteren mechanischen Stühle gebaut wurden. Um den Bedarf der Fabrik an Maschinen überhaupt jeder Zeit genügend zu decken, kaufte Herr Schöne im Jahre 1859 in Neuschönfeld bei Leipzig eine Maschinenbauanstalt, die seit 1860 mit einer Eisengießerei verbunden unter der Firma: Schöne und Großer fortgeführt wird.