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Die Band- und Hosenträgerfabrik von Johann Gottfried Schöne in Großröhrsdorf bei Radeberg.


Die Gegend um Pulsnitz, welcher der Volkswitz den Namen „der wendischen Türkei“ beigelegt hat, ist für die sächsische Industrie in vielfacher Beziehung nicht ohne Interesse, vorzüglich aber deshalb von Wichtigkeit, weil sich hier der Hauptsitz der sächsischen Bandfabrikation in Wolle befindet; es werden zwar auch im Erzgebirge, besonders in der Gegend von Annaberg, wollene Bänder gefertigt, doch nicht in dem Umfange wie hier.

Der stets regsamen Stadt Pulsnitz hat die Gegend überhaupt viel zu danken, denn von hier aus entstanden und verbreiteten sich zwei der wichtigsten Erwerbszweige in die Umgegend, der Leinwandhandel und die Bandfabrikation und wir benutzen die Gelegenheit, hier zugleich über die ersteren Etwas zu sagen.

Der Leinwandhandel entstand hier im Jahre 1710 durch Christian Kind, einen einfachen Leinweber aus dem Dorfe Pulsnitz, einem thätigen, umsichtigen und intelligenten Mann, der Anfangs mit seiner Waare die Dresdner Märkte bezog, wo er Bekanntschaft mit einem Kaufmann aus London machte, der ihm erst seine Vorräthe abkaufte, dann aber veranlaßte, seine Waare direkt nach England zu senden. Die Leinwand war so vorzüglich und fand in dem Inselreich so großen Beifall, daß zahlreiche Aufträge einliefen. Kind richtete sich nun vollkommen kaufmännisch ein und gründete ein lange Jahre bestehendes Handlungshaus; auch wurde er Veranlassung zur Entstehung mehrerer anderer Leinwandhandlungen am Ort und der Umgegend.

Am stärksten war immer der Absatz der weißgarnigen Leinwand, welche hier und in der Umgegend, z. B. Bretting, Hauswalde, Friedersdorf, Röhrsdorf, Leppersdorf, Rammenau u.s.w. gefertigt wurde, in der Gegend von Zittau die Bleiche empfing und dann fast gänzlich ins Ausland ging und noch geht. Auch wird viel Futterleinwand und bunte Leinwand gefertigt, die von den hiesigen Färbern gefärbt wird. Vorzüglich geht auch viel Segel- und Packleinwand von hier nach Amerika, von wo sie nicht selten als Emballage von Materialwaaren an den Ort ihrer Entstehung zurückkommt. Seit 1784 betrug hier der jährliche Absatz an Leinwanden bis 100,000 Thaler. Im Jahre 1811 lieferte ein einziges Haus 50,000 Ellen Leinwand für die Lazarethe.

Ehe wir nun zu der Bandfabrikation übergehen, wollen wir noch zwei der renommirtesten Artikel von Pulsnitz erwähnen. Der erste derselben sind die allbeliebten, auf keinem Markte fehlenden Pfefferkuchen, die sogenannten Thorner Pfefferkuchen, deren Verfertigung der früher in Thorn arbeitende Bäcker Thomas hier einführte, und in denen seit einer langen Reihe von Jahren hier höchst ansehnliche Geschäfte gemacht werden. Gegenwärtig zeichnet sich vorzüglich die Firma Groschy aus.

Nicht minder erfreuen sich die Pulsnitzer Töpferwaaren eines bedeutenden Rufs, sowohl in Hinsicht ihrer Eleganz, als auch vorzüglich wegen ihrer inneren porzellanartigen Glasur, als deren Erfinder der hiesige Töpfermeister Schildbach angegeben wird, welcher in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hier lebte und seit etwa 1780 dieses verbesserte Geschirr fertigte, allerdings nicht in der Vollkommenheit, wie man es jetzt liefert. Die Geschäfte damit sind bedeutend, viel dieses Geschirrs geht

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/315&oldid=- (Version vom 11.5.2019)