Das Pantheon (La Rotonda) in Rom

LXXIX. Der Theseus-Tempel bei Athen Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band (1835) von Joseph Meyer
LXXX. Das Pantheon (La Rotonda) in Rom
LXXXI. Madras
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DAS PANTHEON
in Rom

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LXXX. Das Pantheon (La Rotonda) in Rom.




Unter den unzählichen Monumenten, welche unsern Tagen der alten Roma versunkene Herrlichkeit verkünden, ist das Pantheon (auf der PIAZZA DELLA ROTONDA, in der Mitte des heutigen Roms) das besterhaltene. Die Sprache hat kein seiner würdiges Beiwort. Die Schönheit seiner Form, die Regelmäßigkeit und Harmonie seiner Verhältnisse, die Kühnheit und Festigkeit seiner Bauart, machen es zum Triumph der Baukunst, und gewannen ihm die Bewunderung der Welt durch alle Zeiten.

Die Inschrift auf der Tafel des Portikus nennt den Agrippa (Schwiegersohn des August) als seinen Erbauer und bestimmt das Jahr 27 vor Christo als die Zeit seiner Vollendung. – Jener große Feldherr führte es auf, und widmete es allen Göttern, zum Zeichen des Dankes für den Sieg bei Actium, der über das Schicksal des Weltreichs entschied. Jupiter’s goldne Statue, colossal und mit Edelgesteinen geschmückt, stand in einer Hauptnische, gegenüber dem Eingang, und umher reiheten sich die Bildsäulen der übrigen Götter von Silber und von vergoldetem Erz. Daher der Name Pantheon: Versammlung aller Götter!

Fünf bronzene Stufen führten sonst zum 111 Fuß breiten Portikus. Ihn trugen und tragen noch sechzehn 40 Fuß hohe und 15 Fuß in der Runde spannende corinthische Säulen von GIALLO ANTICO (rothgelbem, afrikanischem Marmor), deren Knäufe von syrakusanischem Erz waren. Das Gebälk war mit bronzenen Tafeln belegt, diese mit Sculpturen bedeckt. Das Frontispiz, jetzt das kahle Mauerwerk zeigend, schmückte ebenfalls ein BASSO RELEVO von Erz. Dieß war ein Meisterstück der Kunst. Jupiter stellt es vor in einem Kriegswagen, wie er, mit Blitzen bewaffnet, die Titanen vom Himmel stürzt, – eine schmeichelhafte Anspielung auf den Triumph August’s. In der That konnte die gewaltige Zurüstung des Antonius den himmelstürmender Giganten verglichen werden, und des letztern Persönlichkeit, sein Ehrgeiz, seine Tapferkeit und seine Prahlerei gaben ihm Aehnlichkeit mit jenen gewaltigen Kindern der Erde. – Auf dem Gipfel des Frontispiz und an dessen beiden Ecken standen Statuen von Bronze, Meisterwerke von der Hand des Atheniensischen Diogenes. Ein ehernes, 30 Fuß hohes und 20 Fuß breites, vergoldetes, ciselirtes Flügelthor, dessen Angeln sich auf silbernen Säulen drehten, verschloß den Eingang. Architrav, Pfosten und Schwellen desselben sind von der edelsten Architektur. Die innern Wände und Decken des Portikus bekleideten Marmortafeln mit Bildwerken in Relief; leider meistens längst abgefallen, oder zerstört. – Nichts Majestätischeres aber kann gedacht werden, als des Tempels Inneres. [85] Der vollkommen kreisförmige Raum hat 142 Fuß Durchmesser und ist eben so hoch; aus einer, 28 Fuß weiten Oeffnung in der Spitze der Kuppel fällt magisch das Licht. – Korinthische Säulen von Porphyr tragen das Gebälke der Kuppel. Zahlreiche Nischen, wo die Götterstatuen standen, sind aus der 20 Fuß dicken Mauer gehöhlt. Jene des Jupiter bildet jetzt den Hochaltar; – die der übrigen Olympier sind der Verehrung von eben so viel christlichen Heiligen geweiht. Sonst war auch der Kuppel innere Decke mit Bildertafeln von vergoldeter Bronze belegt. Sie sind nicht mehr. Aber die Wände und der Fußboden glänzen noch von buntfarbigem, köstlichem Gestein, mit dem sie ausgelegt sind.

Dieses Werk, das Meisterstück römischer Architektur, in welchem die höchste Pracht von der Kunst überwunden ward, ist, obschon als das besterhaltene berühmt, doch zu verschiedenen Zeiten vielfach beraubt, verstümmelt und entstellt worden. Die kostbaren Metallstatuen der Götter verschwanden in den ersten Verwüstungsschauern. Genserich, der Vandalenkönig, schleppte nach der Verheerung Roms des Pantheons Pforte als Trophäe mit fort. Constanz II. nahm ihm die erzenen Stufen, Constantinopel damit zu zieren; Pabst Urban VIII. entkleidete die Säulen, die Decken, das Gebälke, das Frontispiz von ihrem erzenen Kunstschmucke, um die Kanonen der Engelsburg daraus zu gießen, und um ihn zu geschmacklosen Säulen und Verzierungen des Hochaltars der Peterskirche zu verwenden. Vier tausend fünf hundert Zentner wog das von ihm aus Agrippa’s Tempel geraubte Metall, die Nägel allein über 100 Zentner. Dieser Pabst verunstaltete auch das Aeußere mit den 2 kleinen Glockenthürmen! – Der Feuersbrünste Gluth, welche die Stadt so häufig verwüsteten, verdarben ebenfalls vieles; sie calcinirten die Marmorbekleidung der Mauern, und selbst mehre Säulen fanden sich, als Kaiser Phocas (609) den Tempel dem Pabste Bonifacius IV. schenkte, der ihn zur Kirche weihete, so verkalkt, daß sie weggenommen und durch andere, fast gleiche, ersetzt werden mußten, die man in den Bädern des Nero gefunden.

Seit der Verwandlung des Pantheons in einen christlichen Tempel hat man sein Inneres, an die Stelle des verschwundenen Schmucks der antiken Kunst, nach und nach mit Statuen der Heiligen und mit Gemälden ausgeziert. – Die meisten sind von unbedeutenden Meistern aus der Zeit des Verfalls der römischen Kunstschule: von Mazoli, Gobbo, Lorenzo Ottone etc. Diese Kirche hätte Raphael schmücken sollen, Raphael, dessen sterbliche Hülle hier ruht neben der des Hannibal Carracci.

Vergleicht man dieses Denkmal der classischen Baukunst, obschon seines Schmuckes beraubt, mit der weit größern, von Pracht strotzenden Peterskirche, so wird man zugeben müssen, daß diese – die gepriesene – doch dem Pantheon an Charakter wahrer Größe und Schönheit weit nachsteht. Der erste Eindruck, den das Innere der Peterskirche auf den Beschauer macht, ist durchaus nicht in Einklang mit den Erwartungen, die ihr Aeußeres anregt. Das Uebermaß von Pracht und Zierath hat etwas Niederdrückendes. – Ein unnennbar großes Gefühl [86] ergreift ihn hingegen, wenn er in des Pantheons Mitte steht, umfangen von dem Eindruck der hohen Einfalt, die von allen Seiten auf das Auge, tief auf die Empfindung wirkt. Die lange Reihe der Jahrhunderte, welche seit der Gründung dieses Tempels entflohen sind, schwebt mit ihren in Staub gesunkenen Menschengeschlechtern, Völkern und Religionen vor ihm vorüber. – Die tiefsinnige Analogie aber, die er in dem Umstande findet, daß dieser allen Götzen der Römer gelobte Tempel jetzt allen Heiligen des einigen Gottes geweiht ist, erfüllt seine Seele mit religiösem Schauer.

Vor dem Pantheon, auf dem Piazza della Rotonda, steht eine prächtige Fontaine, in ihrer Mitte ein hoher Obelisk. Die Hieroglyphen an seinen Seiten verrathen seinen Ursprung. Außer diesem Koloß zieren noch neun, weit größere die Plätze Roms. Sie wurden hergeführt, als die alte Königin der Städte in ihren Mauern die Kunstwerke aller Länder und Zeiten zu versammeln strebte, und mit Aegyptens mystischen Monolithen und mit den Blüthen altgriechischer Kunst zugleich sich schmückte. – Wunderbare Roma! Viele Jahrhunderte vor deiner Gründung arbeitete für dich der Steinmetz am Nil, und, ehe man außer des kleinen Latiums Grenzen deinen Namen nur kannte, die Praxitels und Phidias, die Meister von Heliopolis und Korinth, in Sycion und Athen. Neben dem Weltherrscherthrone errichtetest du einen zweiten der Kunst; und als jener längst versunken war unter den Streichen der Barbaren; als die Allmacht des an seine Stelle erhobenen, dreigekrönten Sessels vor dem Lichte der Vernunft in wesenlosen Schatten zu vergehen anfing: da – aus der Asche, mit welcher dich Gothen, Vandalen und Deutsche bedeckt hatten, rang sich die Kunst nach langen Jahrhunderten, wie ein Phönix, wieder auf. Da thront sie fort, eine neue Weltherrscherin, berufen, die Menschheit zu veredeln und zu bilden, und weiter, als je die Siegesadler deiner Vorzeit ihn trugen, trägt sie, die Ewige! deinen Ruhm.