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ergreift ihn hingegen, wenn er in des Pantheons Mitte steht, umfangen von dem Eindruck der hohen Einfalt, die von allen Seiten auf das Auge, tief auf die Empfindung wirkt. Die lange Reihe der Jahrhunderte, welche seit der Gründung dieses Tempels entflohen sind, schwebt mit ihren in Staub gesunkenen Menschengeschlechtern, Völkern und Religionen vor ihm vorüber. – Die tiefsinnige Analogie aber, die er in dem Umstande findet, daß dieser allen Götzen der Römer gelobte Tempel jetzt allen Heiligen des einigen Gottes geweiht ist, erfüllt seine Seele mit religiösem Schauer.

Vor dem Pantheon, auf dem Piazza della Rotonda, steht eine prächtige Fontaine, in ihrer Mitte ein hoher Obelisk. Die Hieroglyphen an seinen Seiten verrathen seinen Ursprung. Außer diesem Koloß zieren noch neun, weit größere die Plätze Roms. Sie wurden hergeführt, als die alte Königin der Städte in ihren Mauern die Kunstwerke aller Länder und Zeiten zu versammeln strebte, und mit Aegyptens mystischen Monolithen und mit den Blüthen altgriechischer Kunst zugleich sich schmückte. – Wunderbare Roma! Viele Jahrhunderte vor deiner Gründung arbeitete für dich der Steinmetz am Nil, und, ehe man außer des kleinen Latiums Grenzen deinen Namen nur kannte, die Praxitels und Phidias, die Meister von Heliopolis und Korinth, in Sycion und Athen. Neben dem Weltherrscherthrone errichtetest du einen zweiten der Kunst; und als jener längst versunken war unter den Streichen der Barbaren; als die Allmacht des an seine Stelle erhobenen, dreigekrönten Sessels vor dem Lichte der Vernunft in wesenlosen Schatten zu vergehen anfing: da – aus der Asche, mit welcher dich Gothen, Vandalen und Deutsche bedeckt hatten, rang sich die Kunst nach langen Jahrhunderten, wie ein Phönix, wieder auf. Da thront sie fort, eine neue Weltherrscherin, berufen, die Menschheit zu veredeln und zu bilden, und weiter, als je die Siegesadler deiner Vorzeit ihn trugen, trägt sie, die Ewige! deinen Ruhm.