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Der vollkommen kreisförmige Raum hat 142 Fuß Durchmesser und ist eben so hoch; aus einer, 28 Fuß weiten Oeffnung in der Spitze der Kuppel fällt magisch das Licht. – Korinthische Säulen von Porphyr tragen das Gebälke der Kuppel. Zahlreiche Nischen, wo die Götterstatuen standen, sind aus der 20 Fuß dicken Mauer gehöhlt. Jene des Jupiter bildet jetzt den Hochaltar; – die der übrigen Olympier sind der Verehrung von eben so viel christlichen Heiligen geweiht. Sonst war auch der Kuppel innere Decke mit Bildertafeln von vergoldeter Bronze belegt. Sie sind nicht mehr. Aber die Wände und der Fußboden glänzen noch von buntfarbigem, köstlichem Gestein, mit dem sie ausgelegt sind.

Dieses Werk, das Meisterstück römischer Architektur, in welchem die höchste Pracht von der Kunst überwunden ward, ist, obschon als das besterhaltene berühmt, doch zu verschiedenen Zeiten vielfach beraubt, verstümmelt und entstellt worden. Die kostbaren Metallstatuen der Götter verschwanden in den ersten Verwüstungsschauern. Genserich, der Vandalenkönig, schleppte nach der Verheerung Roms des Pantheons Pforte als Trophäe mit fort. Constanz II. nahm ihm die erzenen Stufen, Constantinopel damit zu zieren; Pabst Urban VIII. entkleidete die Säulen, die Decken, das Gebälke, das Frontispiz von ihrem erzenen Kunstschmucke, um die Kanonen der Engelsburg daraus zu gießen, und um ihn zu geschmacklosen Säulen und Verzierungen des Hochaltars der Peterskirche zu verwenden. Vier tausend fünf hundert Zentner wog das von ihm aus Agrippa’s Tempel geraubte Metall, die Nägel allein über 100 Zentner. Dieser Pabst verunstaltete auch das Aeußere mit den 2 kleinen Glockenthürmen! – Der Feuersbrünste Gluth, welche die Stadt so häufig verwüsteten, verdarben ebenfalls vieles; sie calcinirten die Marmorbekleidung der Mauern, und selbst mehre Säulen fanden sich, als Kaiser Phocas (609) den Tempel dem Pabste Bonifacius IV. schenkte, der ihn zur Kirche weihete, so verkalkt, daß sie weggenommen und durch andere, fast gleiche, ersetzt werden mußten, die man in den Bädern des Nero gefunden.

Seit der Verwandlung des Pantheons in einen christlichen Tempel hat man sein Inneres, an die Stelle des verschwundenen Schmucks der antiken Kunst, nach und nach mit Statuen der Heiligen und mit Gemälden ausgeziert. – Die meisten sind von unbedeutenden Meistern aus der Zeit des Verfalls der römischen Kunstschule: von Mazoli, Gobbo, Lorenzo Ottone etc. Diese Kirche hätte Raphael schmücken sollen, Raphael, dessen sterbliche Hülle hier ruht neben der des Hannibal Carracci.

Vergleicht man dieses Denkmal der classischen Baukunst, obschon seines Schmuckes beraubt, mit der weit größern, von Pracht strotzenden Peterskirche, so wird man zugeben müssen, daß diese – die gepriesene – doch dem Pantheon an Charakter wahrer Größe und Schönheit weit nachsteht. Der erste Eindruck, den das Innere der Peterskirche auf den Beschauer macht, ist durchaus nicht in Einklang mit den Erwartungen, die ihr Aeußeres anregt. Das Uebermaß von Pracht und Zierath hat etwas Niederdrückendes. – Ein unnennbar großes Gefühl