Das Leipziger Schlachtpanorama
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Das Leipziger Schlacht-Panorama.
Der auf dem Roßplatze zu Leipzig stehende, vor Kurzem eröffnete prächtige Rundbau, dessen wuchtige Architektonik dank der freien Lage des Gebäudes zu voller Geltung kommt, beherbergt das Panorama der Schlacht von Mars la Tour. Der Schöpfer dieses Panoramas ist wiederum Professor L. Braun, dem wir bereits die Panoramen zu Frankfurt am Main, München und Dresden verdanken. Wie bei den Arbeiten Braun’s durchweg ein steter Fortschritt, ein Wachsen des künstlerischen Vermögens nicht zu verkennen ist, so muß dem Leipziger Panorama in seiner Einheitlichkeit und Geschlossenheit der Composition, in seinem alle anderen Panoramen übertreffenden Figurenreichthume, in der lebendigen kraftvollen Wiedergabe des gewaltigsten Reiterkampfes des deutsch-französischen Krieges, in der interessanten, durchaus individuellen Charakterisirung der einzelnen Kämpfer, in der gerechten, allem Chauvinismus völlig fremden Anerkennung französischer Bravour und Kampfestüchtigkeit, und endlich in der trotz aller Leidenschaftlichkeit und Erregtheit des vorgeführten Moments bis in jedes Detail getreuen Darstellung der Preis vor den anderen Panoramen-Darstellungen zuerkannt werden. Wer diesem leidenschaftlichen Hinüber und Herüber des imposanten Reiterkampfes gegenübersteht und den vollen Zauber des malerisch vollendeten Gemäldes auf sich wirken läßt, wird sich leicht der Auffassung hingeben wollen, als hätte er es mit einem Bilde zu thun, dessen Composition allein nach den Anforderungen der künstlerischen Aesthetik, allein in dem Streben nach harmonischer Schönheitswirkung aufgebaut sei. Und doch – welch lange Reihe mühsamer Terrainaufnahmen, eingehender militärischer und Kriegsstudien müssen vorausgehen, bevor auch nur der erste Pinselstrich auf der weiten Leinwandfläche gethan werden kann!
Versuchen wir, um auch dem großen Publicum einen Einblick in das geheimnißvolle Entstehen eines solchen Panoramas zu verschaffen, den Maler bei seiner Vorarbeit zu dem Rundgemälde zu belauschen. Suchen wir Professor Braun einmal in seinem Atelier auf, das er in seinem Schlosse Wernfels in Franken aufgeschlagen hat, einem sehr interessanten Baudenkmale, das ursprünglich ein römisches Castell, später von den Burggrafen von Nürnberg, den Hohenzollern, als Vorwerk ausgebaut worden, 1284 von einem Ahnen Schweppermann’s an das Bisthum Eichstädt kam. In dessen Besitz blieb es bis zur Säcularisirung des Bisthums 1806 und kam seitdem herunter, bis vor wenigen Jahren Braun die Ruine des einst stolzen Schlosses erworben und jetzt in echt künstlerischem Sinne restaurirt hat. Hier also, im Rittersaale des einst den Hohenzollern gehörigen Schlosses, entwirft unser Künstler die Pläne zu seinen Panoramenbildern, welche der Verherrlichung des großen Hohenzollern gewidmet sind – welch eigenthümliches Spiel des Zufalls!
Nachdem der Plan für ein Schlacht-Gemälde festgestellt, begiebt der Künstler sich zuerst mit einigen ihn unterstützenden Malern in die Gegend des betreffenden Schlachtfeldes zur Aufnahme genauer Terrainstudien, die oft lange Zeit in Anspruch nehmen und bei denen Braun – der bisher stets den Krieg von 1870 auf 1871 zum Gegenstande seiner Panoramen gemacht hat – bei der französischen Landbevölkerung durchweg eine unliebenswürdige, mitunter selbst gehässige Aufnahme gefunden hat. Dann beginnt das Studium des kriegswissenschaftlichen Theils, des Generalstabswerkes und der Kriegsgeschichte der einzelnen Regimenter und dann die sehr ausgedehnte Correspondenz mit den gegenwärtigen und früheren Regimentschefs. Fragebogen circuliren nun bei den noch activen wie den bereits pensionirten Officieren, welche an der betreffenden Schlacht theilgenommen. Portraits hervorragender Führer oder Soldaten, die sich hervorgethan, wie z. B. für das Leipziger Panorama das Portrait Binkebank’s, des von Freiligrath besungenen Trompeters, müssen beschafft, Farbe und Beschaffenheit der Pferde der einzelnen Regimenter oder mindestens der der Officiere müssen festgestellt werden. Jedem der betheiligt gewesenen Regimenter wird freigestellt, mitzutheilen, welch hervorragender Zug von Tapferkeit aus ihrem Regimente der Darstellung besonders werth erscheint, und so fort. Nun laufen von allen Seiten die erbetenen Berichte ein und – widersprechen vielfach einander in Einzelheiten. Jetzt gilt es zu sichten, das übergroß anschwellende Material zu prüfen und zwar schon im Hinblicke auf seine malerische Wirkung, denn inzwischen hat immer lebensvoller vor dem geistigen Auge des Künstlers das Bild der darzustellenden Schlacht sich entrollt und in verschiedenen mannigfachen Compositionen hat er in größeren oder kleineren Skizzen die einzelnen Scenen – verschiedenartig aufgefaßt – auf’s Papier geworfen.
Der Künstler beginnt seine Arbeit. Er arbeitet innerhalb eines aufrechtstehenden Cylinders, der genau ein Zehntel der Größe des künftigen Panoramas umfaßt, also 1,60 Meter hoch und 11,80 Meter lang ist. In völlig genauer Zeichnung wird nun zuerst die Landschaft geschaffen, mit allen Höhen und Niederungen, Wegen, Wäldern etc., und bei der Zeichnung der Bodenbeschaffenheit muß bereits der nach Vollendung des Panoramabildes herzustellende plastische Vordergrund, der den Uebergang zu dem eigentlichen Gemälde in einer für den Beschauer völlig unmerklichen und täuschenden Art zu vermitteln hat, vollständig berücksichtigt werden.
Inzwischen hat der Künstler aus seinen verschiedenen Compositionsentwürfen das Passendste ausgewählt; nun werden, nachdem noch genau die militärischen Stellungen der Kämpfenden eingetragen, die Einzelgruppen eingezeichnet, worauf die Ausarbeitung der einzelnen Figuren – immer noch in der Skizze – beginnt. Hierzu sind natürlich ausgedehnte Studien nach dem Modell nöthig gewesen, wochenlang sind Skizzen aller möglichen Stellungen von kämpfenden Soldaten aller in Betracht kommenden Truppentheile entworfen worden. Jetzt wird bereits jedes Detail, jedes militärische Abzeichen, jeder Knopf mit berücksichtigt. Gleichzeitig ist hierbei eine große perspectivische Aufgabe zu lösen: jede Figur auf dem nach diesen Skizzen auszuführenden Rundgemälde muß trotz der Entfernung vom Standpunkt des Beschauers aus lebensgroß erscheinen; ebenso muß jetzt schon der Linienführung des Ganzen, der Wucht der Darstellung Rechnung getragen werden, wie bei der Composition der Einzelgruppen natürlich bereits die Wechselwirkung zu einander berücksichtigt werden muß.
Wenn nun in dieser Weise nach den einzelnen farbigen Studien die genauen Contouren in die Composition eingetragen [739] sind, werden von dem Ganzen Pausen hergestellt, in welchen jedes Detail, scharf mit der Feder umrissen, klar ausgearbeitet ist. Diese Pausen werden dann, in 100 Quadrate eingetheilt, auf Glastafeln photographirt und nun mit den sämmtlichen (oft gegen hundert) colorirten, metergroßen Studienbildern in das betreffende Panoramagebäude geschafft, wo inzwischen die 16 Meter hohe und 118 Meter lange, zur Aufnahme des Gemäldes bestimmte und bereits dreimal grundirte Leinwand in der Weise aufgespannt ist, wie der Beschauer später das Rundgemälde erblickt. Diese Leinwand wird nun gleichfalls in 100 Quadrate eingetheilt, welche also zehnmal größer als die von den Pausen auf die Glastafeln photographirten Quadrate sind; die Quadrate auf der Leinwand tragen dieselbe Nummer wie die auf den Glastafeln, welche nun als Objecte einer großen Camera obscura benutzt werden, mit deren Hülfe die ganze Composition in zehnmaliger Vergrößerung auf die Leinwand übertragen wird, eine Arbeit, die zwei geübte junge Künstler nicht weniger als sechs Wochen vollauf beschäftigt.
Ist die Uebertragung vollendet, so beginnt Professor Braun die eigentliche Arbeit des Malens. Eine ganze Sammlung von Waffen, Uniformstücken, zerhackten Helmen, durchbohrten Harnischen etc. befindet sich als Hülfsmaterial in buntem Durcheinander nebst jenen vorher erwähnten colorirten, ganz ausgeführten Naturstudien im Panoramabau neben der Farbenkammer, welche mit ihren Hunderten von Pinseln aller Größen bis herab zu den kleinsten Haarpinseln eine eigene Bedienung erfordert. Rund um das Bild laufen eiserne Schienen, auf denen wie gewaltige Eisenbahnwagen die bis zu 16 Meter hohen Gerüste, welche den Malern als Standort dienen (siehe die Bilder S. 738 und S. 740), hin und hergeschoben werden. Man sieht: es ist neben der Arbeit des künstlerischen Schaffens auch eine nicht unwesentliche Anstrengung der physischen Kraft nothwendig, um die ungeheure Fläche der Leinwand mit dem Getümmel des Kampfes zu beleben. Auf dem Bilde S. 738 sehen wir Professor Braun selber bei der Arbeit, während das Bild S. 740 rechts das fahrbare Gerüst mit malenden Hülfskräften darstellt. Links steht Professor Braun auf dem im Mittelpunkt des Panoramas befindlichen Podium, dessen oberster Theil für die Zuschauer bestimmt ist und dessen abgedachte Fläche den erwähnten plastischen Vordergrund zu tragen hat; darüber erblicken wir einen Theil des runden Lichtschirmes, der das Oberlicht vom Beschauerplatze abhält und auf das Bild wirft.
Ist dann nach etwa halbjähriger emsiger Arbeit endlich das Panoramabild vollendet, so beginnt der Anbau des natürlichen Vordergrundes. Man ging in der plastischen Behandlung des Vordergrundes früher viel weiter als jetzt; man suchte durch natürliche Wasserfälle zu wirken, durch halb gemalte, halb ausgestopfte daliegende „Todte“. In dem Panorama der Schlacht bei Waterloo, das in den sechsziger Jahren in Antwerpen entstand, ist eine Ecke eines englischen Carrés, etwa dreißig Mann, ebenso fünfzehn Franzosen und eine ganze Batterie völlig plastisch dargestellt, wodurch jedoch die Lebendigkeit des Bildes keineswegs erhöht, vielmehr eine marionettenhafte Wirkung hervorgerufen wird. Jetzt wird auch die Behandlung des Vordergrundes rein künstlerisch aufgefaßt, man bringt ihn in enge Verbindung mit dem Bilde, man führt eine Chaussee, eine Mauer, ein Stück begrasten Bodens des Bildes zur Erhöhung der Illusion figürlich fort und giebt eben nur so viel, als nöthig ist, um den Beschauer nicht erkennen zu lassen, wo die Begrenzung des Vordergrundes aufhört und die bildliche Darstellung beginnt. In dem Leipziger Panorama bildet den Vordergrund eine Fortsetzung des Ackerfeldes, in welches die schweren Räder der Kanonenwagen tiefe Furchen gezogen haben und auf welchem einzelne Gewehre liegen, außerdem ein Stück sumpfigen Bodens, in welchem eine Kanone mit Protzwagen stecken geblieben ist. Köstlich zur Geltung kommt die Luftstimmung des schwülen Augustmittags, das Blitzen und Blinken der Kürasse, der Helme und der Schwerter, die zu Hieb und Stich erhoben; großartig ist die ganze Farbengebung, ist die Wirkung des Lichtes, in welches die Darstellung getaucht ist und welches den Beschauer so überrascht, wenn er plötzlich aus den verdunkelten Gängen auf das Podium tritt und in hellem Tageslicht um sich das Wüthen des Reiterkampfes und darüber den wolkenlos blauen Himmel erblickt, an welchem zartweiße Wölkchen, die von den zerplatzenden Granaten zurückgeblieben sind, langsam zerflattern. Durch den erwähnten Lichtschirm wird das von oben durch das Glasdach einfallende Licht auf das Bild geworfen, und dieses dadurch gleichmäßig und tageshell beleuchtet. Um den Lichtschirm läuft im Leipziger Panorama dann noch ein Gang, in welchem eine elektrische Maschine angebracht ist, um in den Abendstunden durch den Reflector elektrisches Licht auf das Bild fallen zu lassen, wie es auch in Berlin im Sedanpanorama Brauch ist. Professor Braun hat für sein Leipziger Panorama aus der Schlacht von Mars la Tour jenen gewaltigen Reiterkampf gewählt, der unter der Bezeichnung „der Todesritt der Bredow’schen Brigade“ für alle Zeiten in die Annalen der Kriegsgeschichte verzeichnet ist und den Stefanie Keyser in ihrer Novelle „Fanfaro“ eben jetzt den Lesern der „Gartenlaube“ vorführt.
Das Ulanenregiment Nr. 16 unter dem Commandanten von der Dollen und das Halberstädtische Kürassierregiment Nr. 7 unter Major Graf Schmettau, beide die Bredow’sche Brigade bildend, haben sich am Tage von Mars la Tour, am 16. August 1870, dem zahllos überlegenen Feinde todesmuthig und todesgewiß entgegengeworfen, um durch einen heldenmüthigen Kampf, durch den großartigsten Reiterangriff des ganzen Krieges eine bessere, gesicherte Stellung für die von der Uebermacht der Feinde bedrängten und fast schon eingeschlossenen deutschen Truppenkörper zu erkämpfen. Mit noch nicht 600 Mann waren die sich dem Tode weihenden Schwadronen ausgezogen, und von diesen 600 fielen 16 Officiere und 363 Mann, mehr als die Hälfte:
„… ein Blutritt war es, ein Todesritt;
Wohl wichen sie unseren Hieben,
Doch von zwei Regimentern, was ritt und stritt,
Unser zweiter Mann ist geblieben.“
So heißt’s in dem bekannten weihevollen Liede Freiligrath’s, in welchem er die Episode des Trompeters Binkebank schildert, dessen Trompete, die so muthig zum Kampfe gerufen hatte, jetzt versagt, da sie selbst von Kugeln durchlöchert ist: nur ein klangloses Wimmern, wie schmerzvolle Todesklage um die gefallenen Brüder, vermag sie von sich zu geben. Und diese Gewalt des Kampfes, diese erbitterte Wuth des Zusammenpralls der Bredow’schen Helden mit den zäh und energisch sich wehrenden Franzosen, all’ das tritt dem Beschauer mit siegreicher Lebendigkeit aus dem Bilde entgegen, denn Alles ist da Leben und Bewegung, in den erbitterten Gesichtern der Kämpfer liest man die Aufregung des Momentes, in den angespannten Sehnen der Kämpfenden erkennt man die Anstrengung aller Kräfte! Zum ersten Male wird hier ein Reiterkampf in seiner ganzen Wucht, in seiner ganzen männlichen Kraft vorgeführt; die prächtigen sich bäumenden oder vernichtet zu Boden stürzenden Pferdeleiber, die mannigfachen Stellungen, die durch die Natur eines Reiterkampfes bedingt sind, verleihen dieser Darstellung gegenüber den früheren Panoramabildern einen ganz besonderen Reiz. General von Bredow hat zum Sammeln blasen lassen, denn neue, noch kampfesfrische französische Cavallerie-Regimenter sind über die Anhöhe von Gravelotte und von [740] Rezonville herangesprengt wie ein Wettersturm gegen die kleine kampfesmatte, todesmüde Heldenschaar von Bredow’s Brigade. Was von den Bredow’schen Schwadronen noch übrig ist, sucht sich den Rückweg durch die feindliche Uebermacht zu erzwingen. Mit leidenschaftlicher Erbitterung wird auf beiden Seiten gekämpft.
Unsere Leser finden mehr im Hintergrunde unseres Bildes S. 736 und 737 – das einen leider nur kleinen Theil des gewaltigen Rundgemäldes vor Augen zu führen vermag – im dichtesten Reitergewühle den Kürassier-Lieutenant Campbell of Craynish (gegenwärtig Adjutant des Herzogs von Coburg). Er hat an der Spitze eines Häufleins Bredow’scher Kürassiere gegen den rechten Flügel des heransprengenden französischen zehnten Kürassierregiments gekämpft. Die französischen Kürassiere, von dem Ungestüm des preußischen Angriffs erschreckt, sind zum Theil zurückgewichen, und dadurch gelang es den Bredow’schen Reitern, einige feindliche Kürassiere am rechten Flügel von dem Gros ihrer Mannschaften abzuschneiden. Da war Lieutenant Campbell of Craynish herangesprengt, um die französische Standarte, um welche die abgeschnittenen französischen Kürassiere sich geschaart hatten, ihnen zu entreißen. Dieser Moment ist auf unserem Bilde dargestellt. Soeben hat der muthige Kürassier-Lieutenant die Standarte erfaßt, die er freilich bald, nachdem ein Degenstich in die rechte Hand diese kampfunfähig gemacht, freigeben muß. Ebenso trefflich wie die deutschen Krieger sind die französischen Soldaten charakterisirt, nirgends eine Spur von jenem rohen Chauvinismus, der sich in französischen Schlachtgemälden bei der Darstellung deutscher Truppen zeigt. Diese Darstellung des Bredow’schen Todesrittes läßt Deutschen wie Franzosen gleiche Anerkennung zu Theil werden, und in dem ganzen so umfangreichen Bilde, welches den Opfermuth deutscher Krieger feiert, ist auch nicht der geringste Zug enthalten, der einen französischen Beschauer verletzen könnte – und daß dies so ist, ist kein geringes Lob für den Maler des Leipziger Panoramas.
Der Künstler, der hier jener Heldenschlacht und nicht minder seiner Künstlerschaft ein bleibend Denkmal gesezt hat, L. Braun, ist den Lesern der „Gartenlaube“ kein Fremder, in früheren Jahrgängen finden sich wiederholt Genre- und Kriegsbilder von Braun. Am 23. September 1836 zu Schwäbisch-Hall geboren, siedelte er nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1850 nach Stuttgart über, wo er bald in das Polytechnicum eintrat, um sich der Kunstindustrie zu widmen. Seine früh ausgesprochene Neigung zur Kunst begnügte sich jedoch mit diesem Ziele nicht. Er ging zur Stuttgarter Kunstschule über und malte nach nur kurzem Studium unter den Professoren Neher und Rustige alsbald unter Leitung seines älteren, inzwischen verstorbenen Bruders Reinhold zunächst Pferdestudien, konnte jedoch schon früh sich an den größeren Arbeiten seines Bruders für Petersburg, Paris etc. betheiligen. Durch zahlreiche Illustrationen für Zeitschriften und Jugendschriften – noch jetzt ist die Darstellung allerliebster Kinderscenen die Lieblingsbeschäftigung des erfolgreichen Schlachtenmalers – verschaffte sich der eifrig strebende junge Künstler die Mittel, um weiter studiren zu können. 1859 ging er nach Paris, studirte dort und in zahlreichen Garnisonstädten sowie bei Manövern die Eigenart des französischen Soldaten. Horace Vernet schenkte dem jungen Künstler Interesse und nahm ihn unter seine Schüler auf – nur zu bald freilich rief ein Todesfall ihn in die Heimath zurück. Hier schuf er eine Reihe von Aquarellen aus dem schleswig-holsteinischen Kriege und für den Großherzog von Mecklenburg-Schwerin mehrere Darstellungen aus dem Kriege von 1866 – an beiden Feldzügen hatte Braun theilgenommen. Schon hier trat des Künstlers Naturtreue, die Lebendigkeit und Gewandtheit seiner Darstellung zu Tage; auch in den historischen Bildern, die er dann schuf, und den Genrebildern blieben diese Vorzüge ihm treu. 1870 begleitete Braun die deutsche Armee bis Orleans und Paris. Es entstanden nun „Moltke bei Gravelotte“, „Die Deutschen auf der Place d’armes in Versailles“, „Capitulation von Sedan“, „Einzug der Mecklenburger in Orleans“, „Der deutsche Kronprinz bei Wörth“ etc. Der Ruhm, den Braun durch diese Kriegsbilder erwarb, hielt ihn nicht ab, sich in den folgenden Jahren in einer Reihe herziger Genrebilder aus dem bayerischen Gebirge mit Glück zu versuchen, bis er 1879 von einem Holländer den Auftrag erhielt, das erste Panorama in Deutschland für Frankfurt am Main zu malen, die Schlacht bei Sedan, welches im September 1881 eröffnet wurde.
Bereits im Mai des nächsten Jahres aber hatte er in München das Panorama der Schlacht bei Weißenburg, im August 1883 das der Schlacht bei St. Privat in Dresden und im September dieses Jahres das Leipziger Panorama vollendet.
Professor Braun steht im kräftigsten Mannesalter, auf der Höhe seines Könnens; ein glückliches Familienleben voll herziger Innigkeit – Braun ist seit 1874 mit Marie Burger in zweiter Ehe verheirathet; die erste Ehe löste 1871 der Tod – umgiebt ihn. Und wenn er sich jetzt nach Vollendung der großen Leipziger Aufgabe auf sein Schloß Wernfels zurückzieht, harren seiner bereits die Vorarbeiten zu dem Panorama für Stockholm, für welches die Schlacht bei Lützen ausersehen ist.
Philipp Stein.