Die Zeit beräuchert ein Gemälde W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Das Ende aller Dinge
Die Bank
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Das Ende aller Dinge.
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DAS ENDE ALLER DINGE.

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Das Ende aller Dinge.
(Finis.)




Dies Blatt bezweckte eine Verspottung der sogenannten academischen Malerschule, welche zu Hogarth’s Zeiten noch in genügendem Ansehen stand. Bekanntlich gefiel sich dieselbe in allegorischen Darstellungen, und in Compositionen, worin antike Mythologie und neuere Verhältnisse zusammengeworfen wurden, um auf pedantisch gelehrte Weise irgend ein modernes Sujet zu behandeln. Den deutschen Lesern Winkelmann’s wird es bekannt sein, daß dieser berühmte Kunstkenner, mit welchem eine neue Periode der bildenden Kunst für uns Deutsche begann, gegen diese absurde Manier ebenfalls zu Felde zog. Hogarth that dies in seiner Art, und wählte demgemäß auch einen passenden Titel. Er nannte es The Bathos, Finis, the end of time (das Ende der Zeit). Bathos bezeichnet nämlich im Englischen das falsche Pathos, seitdem der witzige Swift durch eine seiner Schnurren das Wort nicht unpassend für jenen Begriff in Mode brachte. Er wählte Bathos, mit geringer Abänderung [924] des Wortes Pathos, auf griechisch Tiefe, Abgrund, zur Bezeichnung seiner humoristischen Kunst, in der Poesie zu sinken (art of sinking in poëtry), anstatt mit dem Pegasus zu fliegen. In derselben Art also bezeichnet Hogarth durch den Titel dieses Blattes die Kunst, in der Malerei vom Erhabenen herabzusinken, und zwar vermittelst der Allegorie, im Geschmacke gelehrter Schulen.

Saturn, mit abgenutzten Schwingen und mit Gesichtszügen, als würde er von den sogenannten blauen Teufeln geplagt, lehnt sich liegend an einen Pfeiler. Die Tabackspfeife hat er zerbrochen, und athmet den letzten Tabacksqualm mit dem Worte Finis in die Lüfte. Neben ihm steht sein zertrümmertes Stundenglas; auch die Sense ist zerbrochen. In der Hand hält er sein Testament, worin er hinterläßt: Alles und jedes Atom hievon (d. h. von der Welt; die Einzelnheiten derselben sind in aller Form englischen Rechtes auf dem zusammengerollten Theile des letzten Willens wahrscheinlich verzeichnet) dem Chaos, das ich als meinen einzigen Testamentsvollzieher ernenne. Zeugen: Clotho, Lachesis, Atropos, die drei Parcen (All and every Atom thereof to Chaos, whom I appoint my sole executor. Witness: Clotho, Lachesis, Atropos.) – Hinter dem Pfeiler, woran Saturn sich lehnt, steht ein zertrümmerter Kirchthurm, und daneben ein Grabstein, als Rest eines Kirchhofes. Also Saturn hat sich den Acker des Todes zu seiner Ruhestätte erwählt. An dem Thurme befindet sich eine Uhr; mit dem Tode Saturn’s hat sie natürlich ihren Zeiger verloren. Auch die arme Natur hat Bankerott gemacht. Hinter dem Pfeiler liegt eine gerichtliche Acte, mit dem großen Siegel auf englische Weise verziert, als stammte dieselbe von der King’s bench. Die Ueberschrift: Nature bank rupt, verkündet den Inhalt. Das große Siegel ruht auf der einen Seite eines aufgeschlagenen Buches; die andere Seite zeigt unten die Worte: Exeunt omnes (Alle gehen). Das Buch enthält also ein englisches Schauspiel, und der letzte Act liegt mit der Bezeichnung aufgeschlagen, daß alle Schauspieler mit der Welt Ende von der Bühne abtreten. Als Zuthat zum Bankerott der Natur liegt neben der Akte noch ein leerer und zerrissener Geldbeutel.

[925] Mit dem Bankerott der Natur und mit dem Tode Saturn’s ist das Ende der Welt erschienen. Ein früheres Wirthshaus hat dies Schild geführt; eine brennende Erdkugel mit jener Inschrift (The world’s end) diente ihm als Zeichen. Das Wirthshaus stürzt zusammen, allein das Schild mit der Inschrift ist zur Erläuterung des Ganzen noch verblieben. Die brennende Erdkugel hängt übrigens gleichsam an einem Galgen, denn diese Gestalt zeigt den Pfosten des Schildes.

Unter dem Schilde sind die Embleme der untergehenden Menschheit zusammengeworfen; Könige und Schuhputzer, Helden, Straßenkehrer, Geistliche u. s. w., alle versinken in einen gemeinsamen Abgrund. Unter dem Testamente Saturn’s ist ein Schusterriemen um einen Schusterleisten geschlungen, auf englisch Cobler’s end (Ende) und cobler’s last (auch Letztes); also ein Wortspiel, welches den Bathos erhöht. Dies Mittel, um das umgekehrte Pathos zu bewirken, ist auch noch in anderer Art angewandt; man sieht ein Tau-Ende (rope’s end) und einen Lichtstumpfen, auf englisch ein Licht-Ende (candle’s end). Ein Bogen ist zerbrochen und eine Sehne zerrissen; dies Emblem der Kraft hat aufgehört zu existiren. Unter dem Bogen ist eine Schuhbürste mit einer zerbrochenen Krone gepaart; dann folgt ein Tau-Ende, als Zeichen der Flotte (die Matrosen werden mit ihm geprügelt), und ein zerbrochenes Symbol des Heldenthums, das Bruchstück einer Flinte. Seitwärts davon fällt die zerbrochene Peitsche eines Fuhrmannes, oder vielleicht auch eines Fuchsjägers. Dann folgen die Embleme der Kunst, eine zerbrochene Palette; ferner das zertrümmerte Capital einer ionischen Säule, denn Hütten wie Paläste stürzen zusammen. Auch Hogarth’s erstes Blatt der „Zeiten“ wird vernichtet; das schon erwähnte Licht-Ende macht auch ihm ein Ende. Man wird die einzelnen Gegenstände, welche dies Blatt darstellt, leicht erkennen, unter Anderem auch die brennende Weltkugel vor dem vordersten Wirthshause. Seitwärts ist eine zersprungene Glocke, das Emblem der Geistlichkeit, zu Boden gefallen, und paart sich mit dem der guten Zechbrüder, einer Flasche, welche übrigens auch ein Loch am Boden erhalten hat. Endlich fällt noch ein abgenutzter Besen in die Augen.

[926] Im Hintergrunde erblickt man ein scheiterndes Schiff, und einen Gegenstand, der allein unter allen Trümmern sich aufrecht erhält. Es ist ein Galgen mit einem daran gehenkten Dieb. Also das zukünftige Geschlecht, welches die Erde wieder bevölkern wird, kann jenes Instrument sogleich zu ähnlichen Zwecken gebrauchen. Es ist hier wenigstens der einzige Rest, welcher ihm von unserer Civilisation überliefert wird.

Der Untergang der Welt erstreckte sich noch weiter, als auf die Erde. Phöbus liegt todt auf seinem Sonnenwagen, und seine Pferde sind crepirt. Er stürzt unter Flammen in den bodenlosen Abgrund. Der Mond ist verfinstert, denn sein Licht ist mit Phöbus erstorben.

Die sterbende Zeit ist übrigens das letzte Bild, worin Hogarth den Pinsel ansetzte. Während er daran malte, erklärte er einer Gesellschaft, es werde sein letztes sein; nach der Vollendung zerbrach er seine Palette und warf den Pinsel fort. Wo sich das Original gegenwärtig befindet, ist unbekannt.