Christliche Symbolik/Tod
Das Schreckliche, das im Tode für den natürlichen Menschen liegt, erkennt auch der Christ an und fordert keineswegs den Tod heraus oder sucht ihn muthwillig auf. Selbstmord ist eine schwere Sünde. Aber der Christ überwindet die Schrecken des Todes durch seinen Glauben an das Wort: „Es wird gesäet verweslich und auferstehen unverweslich.“ Christus hat den Tod überwunden und Alle berufen zur Unsterblichkeit. Den Gerechten und Reuigen, Büssenden, den unschuldig Leidenden, den Kämpfenden hat er das Paradies verheissen. „Ich habe einen guten Kampf gekämpft.“ 2. Timoth. 4, 7. „Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ 1. Korinth. 15, 55. Die Gottlosen aber erwartet eben [496] so gewiss die ewige Verdammniss. Daher sie, wie schrecklich immer der Tod seyn mag, doch lieber in ewigen Tod gingen, als in das ewige Höllenleben. „Sie werden den Tod suchen, und der Tod wird vor ihnen fliehen.“ Offenb. Joh. 9, 6. Nicht umsonst heisst Christus das ewige Leben. Vor ihm vermag kein Tod zu bestehen. In einem Hymnus des Notker heisst es daher: „Der Tod selber wurde getödtet durch Christo.“ Fortlage, lat. Gesänge S. 53.
Die christlichen Sterbsakramente und Ceremonieen beziehen sich daher auch nur auf die Einweihung zum neuen Leben nach dem Tode. Dem Sterbenden wird Asche auf das Haupt gestreut zum Zeichen, dass er, leiblich aus Staub geboren, leiblich auch wieder zu Staub werden muss. Er wird bekreuzigt und küsst das Crucifix zur Erinnerung an das Leiden und Sterben des Herrn, durch das er von seinem eigenen, weit kleineren Leiden und weit minder bedeutendem Sterben erlöst werden soll. Er empfängt in der letzten Oelung das heilende Oel, durch das er von allen Schmerzen dieser Welt frei wird, und man gibt ihm eine brennende Kerze in die sterbende Hand, als Sinnbild des ewigen Lebens, in das er eingeht. Auch der Kuss, den die alten Christen dem Sterbenden gaben, war als Osculum Domini nur das Siegel des ewigen Lebens in dem Herrn. Vgl. Binterim, Denkw. VI. 3. 97ff. – Auf älteren Kirchenbildern wird das Ausgehen der Seele aus dem Körper durch ein kleines Kind, das aus seinem Munde hervortritt, bezeichnet. Vgl. d. Artikel Kind. Auch streiten sich auf solchen Bildern häufig ein Engel und Teufel um die ausfahrende Seele.
Tod und Teufel werden zuweilen einander gesellt als die schlimmsten Feinde des Menschen, die auf ihn lauern, der eine um ihn zeitlich, der andere um ihn ewig zu verderben. Beide erscheinen schon verbunden in der oben angeführten Stelle von des Todes Stachel und der Hölle Sieg. Im apokryphischen Evangelio Nicodemi c. 20–23. kommt Satan im Gespräch vor mit Hades (der Hölle) und dem Tode, die alle ihre Unmacht, Christo gegenüber, bekennen müssen. [497] Auf einem berühmten Stich von Albrecht Dürer reitet ein biderber deutscher Ritter ernst und festen Sinnes durch eine Waldwüste, begleitet von zwei scheusslichen Gestalten, deren eine den Tod, die andere den Teufel bedeutet, die stumm, aber tückisch lauernd hinter ihm reiten, auf die er jedoch nicht achtet. Heller, A. Dürer II. 2. 502. Auf einem Bilde des Weltgerichts von Christophson tritt der Erzengel Michael mit einem Fuss auf den Tod, mit dem andern auf den Teufel. Kunstblatt 1843. S. 231.
Wie die Schlange Symbol des Teufels, so ist der Apfel Symbol des Todes, weil Adam und Eva im Apfel den Tod assen. Furtmayr malte 1481 in einem Missale für den Erzbischof von Salzburg den Baum des Lebens und Todes in einem Baum, der links die Aepfel des Todes, rechts aber Hostien trägt. Links steht Eva und lässt sich von der Schlange die Aepfel reichen, um sie vielen knieenden Menschen auszutheilen; rechts steht Maria und pflückt die Hostien gleichfalls für eine knieende Menge. Links sieht man mehr Männer, rechts mehr Frauen und besonders Nonnen. Dursch, Aesthetik der christl. bildenden Kunst S. 486.
Da sich im christlichen Glauben der Tod nur auf den irdischen, verweslichen Leib bezieht, und nicht einmal den unverweslichen Leib, geschweige die Seele berührt, so konnte er auch schicklicherweise durch den verwesten Leichnam selbst oder durch das Gerippe personificirt werden. Das Schreckliche, das in diesem Anblick liegt, widerspricht der christlichen Vorstellung nicht, denn diese erkennt allerdings die Schrecken des Todes an. Wir können daher die Ansicht v. Wessenbergs, christl. Bilder II. 571, nicht theilen, der das Gerippe aus der christlichen Bildnerei verbannt und einen antiken, schlafähnlichen Genius dafür eingeführt sehen will. Das liegt ganz in der falschen, sentimental modernen und mit dem heidnischen Classicismus kokettirenden Grundanschauung jenes Werkes. Das Gerippe ist überdies in uralt geheiligtem Gebrauch. Als solches wurde der Tod schon im 12ten Jahrhundert aufgefasst. Vgl. die Untersuchungen in Grimms d. Myth. [498] S. 809. Das Gerippe reitet auf einem Pferde, entlehnt von dem Reiter auf fahlem Pferde in der Apokalypse. Vgl. den Artikel Pferd. Oder auf einem Löwen, z. B. d’Agincourt, sculpt. 120, entlehnt vom Löwen des Simeon. Der Löwe als das stärkste Thier gleicht dem allbesiegenden Tode, der Löwenrachen insbesondere dem Todes- und Höllenschlunde. Vgl. die Artikel Löwe und Simson. Der Tod trägt auf neueren Bildern meist eine Sense, wobei man an den antiken Chronos dachte, was aber auch zu dem Bild der apokalyptischen Sichel passt. Vgl. d. Art. Sichel. Das jüngste Attribut des Todtengerippes ist die Sanduhr, als Sinnbild des schnell vergehenden Lebens. Nur selten sind dem Tode Flügel gegeben. So auf einem wunderlichen Bilde Bandinelli’s, wo er mitten unter Gerippen ein Buch zerreisst. Der Maler gab ihm die Flügel eigentlich nur, um ihn als den Begriff des Todes oder activen Tödtens von den andern Gerippen, als den Getödteten, zu unterscheiden, und das zerrissene Buch bedeutet den zerrissenen Lebenslauf. Zuweilen führt der Tod Pfeil und Bogen, was wieder an den apokalyptischen Reiter mahnt. Vgl. den Artikel Pferd. So in den Fresken des Crescenzio zu Palermo. Auf einem Bilde von Fr. Frank in München werden Menschen und Thiere dem Tod wie einem Jäger entgegengetrieben und von seinen Geschossen erlegt. Auf dem berühmten „Triumph des Todes“ in den Fresken des Orcagna im Campo Santo zu Pisa ist der Tod als gepanzertes Weib mit Fledermausflügeln und Sense charakterisirt.
Die humoristische Auffassung des Todes ist vielleicht schon einer älteren Vorstellungsweise des deutschen Heidenthums entlehnt, und namentlich die berühmten Todtentänze lassen sich auf den in einen lustigen und verführerischen Pfeifer, Vogelsteller und Rattenfänger verkappten Todesgott, der die Menschen durch sein Spiel zu wilder Tanzlust und in die Unterwelt verlockt, zurückführen. Aber vom Heidnischen in dieser Vorstellungsweise abgesehen, lag etwas darin, was auch der Christ adoptiren konnte. Der Tod ist [499] nur dem zeitlichen, nicht dem ewigen Menschen schrecklich. Trotz seiner furchtbaren Erscheinung ist er wesentlich ohnmächtig. Deshalb konnte er für die christliche Kunst, für das christliche Volksfest und Schauspiel eine komische Figur werden, wie es auch der Teufel wurde.
In den Todtentänzen, die seit dem 14ten Jahrhundert sehr häufig gemalt wurden, ist der Grundgedanke: dass die Menschen nach der Pfeife des Todes tanzen müssen. Ueberall geht den Tanzenden der Tod (als Gerippe) voran und spielt ihnen auf. In dem Berner Bild von Niclas Manuel drei Tode mit Posaunen und einer mit dem Dudelsack, in den Icones mortis, Holzschnitten nach Holbeins Todtentanz, ist es ein ganzes Orchester. Ausser dem vorspielenden Todtengerippe führt aber jeden einzelnen Tänzer noch besonders ein Gerippe auf.
Uebrigens haben diese Todtentänze ein moralisirendes und ein humoristisches Element in sich aufgenommen. Die Moral ist: „Der Tod, Strafe der Sünde.“ Deshalb geigt der Tod in der Regel dem Adam und der Eva voran, denen die übrigen Menschen, nach Ständen geordnet, nachfolgen. Der Humor ist: „Durch der Menschen Eitelkeit wird der an sich immer schreckliche Tod doch beziehungsweise lächerlich.“ Man vermuthet, die grossen Pestilenzen des 14ten Jahrhunderts hätten die erste Veranlassung zur Abbildung der Todtentänze an Kirchhofsmauern gegeben, und in der That konnte die Menschen wohl unter keinen andern Umständen jener geniale Humor anwandeln. Man musste an den Anblick des Todes in Masse sehr gewöhnt seyn, um sich mit dem Gedanken der Gleichheit aller Stände zu trösten und um dem Schrecklichen die lächerliche Seite abzugewinnen.
Ueber die Todtentänze haben geschrieben: Fiorillo, Künste in Deutschland IV. 128 f. Ulrich Hegner, Hans Holbein der Jüngere S. 296 f. v. Rumohr im Kunstblatt 1823. Nr. 31–34. Grüneisen, das. 1830. Nr. 22–26. Massmann, die Baseler Todtentänze, 1847. Zusätze dazu im Serapeum VI. 225. Ueber die französischen schrieb Peignot, [500] recherches, Paris 1826. (Ueber spanische vgl. Clarus, span. Lit. II. 305, und v. Schack, span. Drama I. 123, jedoch nur über Gedichte, nicht über Malereien.) Vgl. auch Grässe, Literärgeschichte II. 1. 146. Endlich Wackernagel und Haupts Zeitschrift IX.
Unter den grösseren Gemälden der Todtentänze kennt man in Deutschland zwei zu Basel, einen zu Bern, zu Minden in Westphalen (von 1383), zu Lübeck (von 1463), zu Dresden (in Basrelief), Erfurt, Landshut, dann verlorne zu Annaberg, Braunschweig, Luzern, Gandersheim (Fiorillo IV. 127. 142.).
Das älteste Bild ist das in Kleinbasel (im Kloster Klingenthal) von 1312; darnach ist erst später, wahrscheinlich im 15ten Jahrhundert, das in Grossbasel verfertigt worden, das ganz dieselbe Eintheilung und Figuration hat, aber viel berühmter geworden ist, weil es zugänglicher war und von allen Fremden besucht wurde. „Der Tod zu Basel“ war bis in’s laufende Jahrhundert sprichwörtlich. Ausser dass in dem grossbaseler Bilde die Figuren etwas bewegter und die Reime darunter etwas neuer sind, als das kleinbaseler, gleichen sich beide völlig und ist demnach das grossbaseler dem ältern nur nachgeahmt. Beide enthalten vierzig Bilder. Auf beiden gehen zwei Tode mit Trompete und Pfeife voraus. Dann holt je ein Tod den Papst, Kaiser, Kaiserin, alle geistlichen und weltlichen Stände hindurch bis zum Bauer und Kind. Nur dass im älteren Bilde ein Cardinal vorkommt, wo das jüngere eine Königin setzt, ein Bischof, wo das jüngere eine Herzogin, und eine Beguine, wo das jüngere einen Krämer annimmt. Auf dem älteren Bilde macht der Tod weniger lebhafte Sprünge und Grimassen, Alles ist in denselben Gruppen einfacher und ernster gehalten. – Noch mehr Leben und Geist brachte Niclas Manuel Deutsch zur Reformationszeit in sein Berner Bild; und Hans Holbein der Jüngere in seinen weltberühmten Holzschnitt, obgleich beide ihre Ableitung aus den Baseler Bildern nicht verleugnen. Bei Fiorillo, IV. 150, findet man das lange Verzeichniss der [501] verschiedenen Ausgaben des Holbeinschen, und S. 160 des grosbaseler Todtentanzes, S. 164 noch die verschiedenen Ausgaben anderweitiger Todtentänze. Man sieht daraus, wie erstaunlich beliebt dieser Gegenstand war, dass man ihn so oft durch den Druck vervielfältigen musste. Der älteste Danse Macabre in Frankreich ist 1485 gedruckt worden, der älteste deutsche Holzschnitt vom Todtentanz schon 1480. Die bei weitem geistreichsten Holzschnitte sind die von Holbein (zu unterscheiden von dem Lützelburger Blatte). Vgl. darüber Waagen, Kunst in Deutschland II. 294. Das geistreichste Oelgemälde ist das von Manuel in Bern. Treffliche Holzschnitte gab auch Aldegrever.
Im Baseler Todtentanz ist der Tod ein noch mit etwas Fleisch überzogenes Gerippe, sein weiter Mund scheint zu lachen. Er führt seine Opfer zuweilen ohne besonders charakteristischen Ausdruck, zuweilen fasst er sie schadenfroh an, überrascht sie von hinten, stellt ihnen ein Bein, spielt ihnen spöttisch auf Zither und Geige vor. Geistvoll ist nur das Bild der Dame, die sich im Spiegel besieht und plötzlich darin das Bild des hinter ihr geschlichenen Todes erblickt. Einem Lahmen reisst er die Krücke weg, einen Blinden führt er in die offene Grube. Dem Koch nimmt er den Bratspiess mit dem fetten Huhn. – In den späteren Todtentänzen vermehren sich die witzigen Beziehungen. Der Tod trägt als Sieger einen Kranz, setzt sich die Papstmütze auf, parodirt den Narren in Narrentracht etc. Ein Paar Todtentanzbilder kommen als Holzschnitte in der alten Ausgabe von Paulli’s Schimpf und Ernst vom Jahr 1535, Blatt 49 und 50 vor.
Merkwürdig wegen der Costüme ist der Todtentanz in einem Manuscript der Stuttgarter öffentlichen Bibliothek aus dem Nonnenkloster Plöck in Oesterreich. Sehr phantastisch ist auch der Todtentanz in Valvasors Theatr. mortis. Auf dem Titelkupfer reiten Gerippe auf allerlei Thieren, dann kommt der Tod mit der Trommel und die einzelnen Scenen. Zur Cholerazeit in Paris componirte man einen sehr geistreichen modernen Todtentanz.