<<< Löwe >>>
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Löwe,

Sinnbild der Stärke und des Königthums, weil er als König der Thiere gilt. Daher ein Symbol Christi selber. Schon im 1. B. Mosis 49, 9. wird Juda mit einem jungen Löwen verglichen und im Stamme Juda wird Christus geboren, welcher daher in der Offenbarung Johannis 5, 5. der Löwe vom Stamm Juda heisst. Auf Fenstern des Berges Athos schläft der Löwe zu den Füssen des Christkinds. Didron, icon. 348. Der Löwe, der sehr oft am Eingang alter Kirchen angebracht ist, gleichsam als deren Wächter, bedeutet deren Macht in Christo. Vgl. Heider, Thiersymb. S. 34. Kreuser, Kirchenbau I. 123. Merk im Kunstbl. 1845, S. 374.

Der brüllende Löwe insbesondere ist ein Sinnbild der Auferweckung von den Todten. Nach einem alten Physiologus, den Origenes in genesin hom. 17. anführt, schläft der neugeborne Löwe drei Tage und drei Nächte (wie Christus im Grabe), und nach Durandus, rat. offic. VII. rubr. de evang. weckt der alte Löwe am dritten Tage sein Junges, wie Gott Vater den Sohn aus dem Grabe. Vgl. auch das altd. Thierbuch [37] in Graffs Diutiska III. 23. und Conrad von Megenberg, Buch der Natur 1842. fol. 65. Diese Erweckung des jungen Löwen durch den alten ist auf einem Glasgemälde der Kathedrale von Bourges abgebildet. Martin et Cahier, les vitreaux de Bourges pl. 1. Didron, man. p. 145. Noch erhabener ist die Anwendung dieses Bildes in Conrad von Würzburgs goldner Schmiede 502 f., wo der Todesschrei des am Kreuz sterbenden Heilandes die Todten weckt, wie der Löwe seine Jungen. Auch in einer Hymne des Faulbert von Chartres (Königsfeld, lat. Hymnen S. 106) heisst es:

Christus, invictus leo,
dum voce viva personat,
a morte functos excitat.

Andrerseits ist Christus nicht selbst Löwe, sondern Löwenbändiger und zwar wieder in Bezug auf die Auferstehung. In vielen Kirchen nämlich (zu St. Stephan in Wien, Kloster Neuburg, Freiburg im Breisgau, Löwen, Amiens etc., vgl. Heider, über Thiersymbolik S. 22, wozu noch die von Bock in Brüssel in einer eigenen Monographie beschriebenen Bilder zu Nivelles kommen) reitet Simson auf dem Löwen und bricht ihm den Rachen auf, worunter nichts anderes zu verstehen ist, als Christus, der das Grab aufbricht. Vgl. den Artikel Simson. Der von Simson erschlagene Löwe bedeutet gleichwohl wieder Christum selbst, wegen des Honigs in seinem Rachen. Ein grosser Löwe, von Bienen umschwärmt, ist Christus, von dessen Tode die Menschen leben: Morte unius tot millia vivunt. Daher auch in altlateinischen Hymnen Maria favus Samsonis heisst, weil sie den honigbringenden Löwen gebar.

Dem Löwen steht zuweilen das Lamm zur Seite, beide auf Christum bezüglich, die Allmacht und die Gnade, die Gerechtigkeit und die Liebe, beide Thiere tragen den Kreuznimbus. Auf sehr alten Miniaturen, vgl. Didron, ic. p. 348. Heider S. 14. Man findet aber auch den Löwen, der ein Lamm oder einen nackten kleinen Menschen, oder beide zugleich vor sich hält. Ciampini vet. mon. musiva tab. 17. Das [38] bedeutet wohl die Macht der Kirche, welche die Unschuld beschützt.

Im Jahr 1130 fand Graf Adalbert von Froburg in der Schweiz auf der Jagd mitten im Wald an einer Quelle ein reizendes Weib mit einem Kinde, die sich hier in freundlicher Waldeinsamkeit zu ergötzen schienen, plötzlich aber auf einem Wagen, den ein Lamm und ein Löwe zogen, gen Himmel fuhren. Es war die Madonna mit ihrem Kinde gewesen, und an selber Stelle baute der Graf das Kloster Schönthal. Schwab, Ritterburgen der Schweiz III. 494.

Ein Sinnbild göttlicher Stärke sind die Löwen am Throne Salomons, 1. Kön. 10, 19. 2. Chron. 9, 19; oft nachgeahmt an christlichen Thronstühlen, Heider S. 38, wo die Löwen die Apostel bedeuten. Kunstbl. 1841. S. 414. Der Löwe ist der Wächter Gottes bei Jesaias 21, 8. Desgleichen die Cherubim mit dem Löwengesicht bei Ezechiel 1, 10. Insbesondere ist der Löwencherub Begleiter des Evangelisten Marcus, ein geflügelter Löwe mit dem Nimbus (das Wappen der alten Republik Venedig). Marcus soll den Löwen haben, weil sein Evangelium mit dem Löwen der Wüste, Johannes dem Täufer, beginnt. Kreuser, Kirchenbau II. 89.

Als Symbol des Lebens in der Wüste erscheint der Löwe den frommen Einsiedlern dienstbar. Löwen begruben den ersten Einsiedler Paulus, als er in der ägyptischen Wüste gestorben war, eben so die ägyptische Maria, den heiligen Onofrius, den heiligen Macarius (diesen nur eine Zeitlang zur Busse). Zum heiligen Hieronymus kam ein Löwe, der sich einen Dorn in den Fuss gestochen hatte, liess sich von ihm heilen und blieb fortan bei ihm. Noch einige Beispiele bei Bagatta, admir. VII. 1. 10. Simeon, der Einsiedler, lebte im 5ten Jahrhundert in der Wüste am Berg Sinai verborgen. Als ihn einst Pilger fanden, und er keine Lebensmittel hatte, ihnen etwas vorzusetzen, kam ein Löwe und brachte ihm einen Palmzweig voller Datteln. Leben der Altväter, 1725. S. 225. Dem heiligen Einsiedler [39] Quiriacus hütete ein Löwe seine Kräuter. Surius zum 29. September. Hieher gehören auch die Löwen im alten Testament, die im Dienste Gottes den Propheten (1. Kön. 13, 24.) und die Cuthäer (2. Kön. 17, 25.) zerrissen.

Im altrömischen Reich pflegte man christliche Martyrer öffentlich im Amphitheater den Löwen vorzuwerfen, um zugleich dem heidnischen Publikum zum Schauspiel zu dienen. Von vielen Martyrern aber sagt die Legende, die Löwen hätten sie verschont, ihnen demüthig die Füsse geküsst, ja sogar sie gegen die Heiden vertheidigt. Das gilt vom heiligen Abdon, Aemilianus, Andronicus, Benignus, Blasius, Cerbonius, Erasmus, Faustinus, Felicianus, Modestus, Pantaleon, Pontianus, Primus, Probus, Taracus, Tyrsus, Vitus, von der heiligen Christina, Daria, Euphemia, Glyconia, Martina, Prisca, Thekla etc. Anna Almeida[WS 1], eine spanische Heilige, liess schon als Kind einmal ihren Rosenkranz in eine Löwengrube fallen, ging arglos zu den Löwen hinunter und band einen mit dem Rosenkranz, der ihr wie ein Hund folgte. — Der heilige Malchus, ein christlicher Sklave, entfloh seinem heidnischen Herrn in Mesopotamien und wurde von ihm verfolgt. In eine Höhle fliehend, ward er von dem darin befindlichen Löwenpaare verschont, während sein Herr und dessen Gefährte, als sie zur Höhle kamen, von den Thieren zerrissen wurden. Leben der Altväter, 1725. S. 113. Derselbe musste als Sklave eine Mitsklavin heirathen, deren Mann aber noch lebte, weshalb er nur in jungfräulicher Ehe mit ihr lebte, bis beide in einem Mönchs- und Nonnenkloster ein Asyl fanden. 22. October. Bearbeitet in v. Bülows Zwölf Legenden zur Nachfolge Christi. — St. Gerasimus, Einsiedler am Jordan im 5ten Jahrhundert, zog einmal einem Löwen einen Dorn aus dem Fusse, wofür ihm derselbe nachher aus Dankbarkeit bis zum Tode diente. Als der Heilige starb, legte sich der Löwe auf sein Grab und verhungerte. Acta SS. 5. März. Der christliche Androkles. Einen auf dem Löwen reitenden heiligen Samuel kennt die äthiopische Legende. Harris, Schoa II. Anhang S. 112.

[40] In anderen Legenden werden die Heiligen wirklich von den Löwen zerrissen, wie schon der Prophet Joel. St. Ignatius Theophorus, Bischof von Antiochia, soll das Kind gewesen seyn, welches Jesus unter die Jünger stellte als Sinnbild der Demuth: „So ihr nicht werdet, wie die Kindlein, so werdet ihr nicht in den Himmel kommen.“ Er wurde später zu Smyrna als Christ verfolgt und im Amphitheater von Löwen zerrissen, wobei er rief: „Bin ich der Waizen Christi, so werden mich die Zähne des Löwen mahlen, dass ich ein reines Brod werde.“ 1. Februar. Acta SS. St. Marcian wurde von einem Löwen geliebkost, aber von einem Leoparden zerrissen.

Diese grausamen Löwen bedeuten den Teufel, den grimmigen Feind Christi. Daniel in der Löwengrube kommt ausserordentlich oft auf christlichen Gräbern vor und bedeutet hier immer die Erlösung aus den Banden des Todes und des Teufels. Vgl. d. Art. Daniel. Nach der Legende spielt das Christkind in der Löwengrube mit den wilden Bestien. Hofmann, Apokr. 245. Eben so der jugendliche heilige Vitus. „Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge,“ 1. Petri 5, 8. „Hilf mir aus dem Rachen des Löwen,“ Psalm 22, 22. Christus tritt zuweilen einen Löwen und einen Drachen unter die Füsse, beides Sinnbilder des Teufels. So an den berühmten Thüren zu Nowogrod, in der Kirche Notre Dame zu Chartres etc. Vgl. Heider S. 31. — Der vom christlichen Herkules besiegte und der den christlichen Pyramus zerreissende Löwe (Piper I. 407.) sind Künstlerwillkührlichkeiten, die keine Nachahmung, kaum Beachtung verdienen.

Die häufig in Kirchen vorkommenden Löwenrachen sind von verschiedener Bedeutung. Unter Säulen und Gebälken halb erdrückt oder Menschenköpfe im Rachen haltend (zu Worms) bedeuten sie ohne Zweifel den Teufel, den die Kirche bändigt oder nur warnend den Sündern vorhält. Vgl. Piper I. 407. Die vielen an den Kirchthüren angebrachten Löwenrachen, z. B. in Florenz, Mainz, Hildesheim etc., scheinen [41] aber anders verstanden werden zu müssen. Heider, S. 21, glaubt, „der Gedanke lag nicht ferne, dass der Teufel selbst dazu dienen müsse, zum Oeffnen der Kirchthüren behülflich zu seyn.“ Mir scheint jedoch, es handle sich hier nur um die Abwehr feindlicher Gewalten von der Kirche. Der Löwenkopf an Kirchthüren entspricht dem Medusenkopf an den Rüstungen der Alten, den zungenfletschenden Lallenkönigen an den Thoren der Schweizer Städte, dem Pferdekopf auf den Neidstangen bei den alten Germanen, wie er noch jetzt auf niedersächsischen Häusern in Holz geschnitzt wird etc. Er ist ein Gegenzauber, der die im bösen Sinne Nahenden abschrecken soll.

Als Sinnbild der Macht eines grossen Reichs ist der Löwe Reitthier des Königs Nebucadnezar in Daniels Vision 7, 4. Didron, man. p. 119. Brüllende Löwen heissen die Fürsten bei Zephania 3, 3.

Noch dient der Löwe zu einem schönen Symbol bei Jesaias 65, 25, wo vom Paradiese die Rede ist, in dem einst der Löwe seine Wildheit verloren haben und wie ein Lamm Gras fressen wird.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Berichtigung Band II. In der Vorlage: „Almaida“