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Autor: Louis Kühnhold
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Titel: Chollragefahr
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aus: Erzählungen vom Oberharz in Oberharzer Mundart. Heft 4.
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[89]
Chollragefahr.


     „Woß hot m’r änglich of d’r Walt,
Seins käne Sorring im Gut oder Gald,
Su isses Krankhäät[1] oder Verdruß,
Woß schteets iwer uns kumme muß!“

5
     Su schproong hie Viele in greßten Kummer

In Jahr 92 an Aend von Summer,
Dänn woß arscht weit waar, waar jetzt ganz nah,
’s Schreckengespenst — de Chollera.

     „Suwoß ower“, saaten Viele verschtimmt,

10
„Daß disse Kranket[2] nog Deitschland kimmt!“

„Waar hette dänn dis wull gedacht?
Un jetzt kimmt’s wie d’r Dieb in d’r Nacht!“

[90]

„Un Hamborg, woß su viel ward besunge,
Woß än „Abs“ hot dar all Manning bezwunge —,

15
Dis Hamborg, wuus gena gitt nog Regeln,

Lett sich gaar de Chollra auffegeln!“
„Bei uns derfte dis Käner riskiern,
Die sollten ower Schuh verliern!“

     „Ach liewer Gott, su schproong de meesten Leit,

20
Vor de Hamborger isses äne schlachte Zeit,

Wänn, wie m’r do lißt, taglich su Viele schtarm[3],
Behalten se ju schließlich käne Arram[4].“

     „Ach, schrecklich“, määnte Aener, „is dan zu Muth,
Die do frieh aufschtiehn un sein — tudt,

25
Dänn woß Schrecklichersch kanns nett gaan,

Wie d’n Tudt schteets vor Aang[5] zu sahn.“

     „Nu, schweig schtille“, saate ä Annerer, „iwer Dän Schwatzen
Sollte m’r trotz dar Zeit vor Lachen platzen;
Host Du dänn im Laam[6] all gehäert,

30
Daß ä Tudter is noch rimmehaar geschläert?“


     Mehere außerdan von dan Alten,
Die kunnten iwer dar Kranket Vorträge halten.
„Ja“, määnte Aener, „[WS 1]mir sein derbei gewasen,
Wie äänst die Chollra kam, Ihr hat ’s doch gelasen

35
Dasses darer Zeit a schrecklich waar

Bei uns in 37iger Jahr“.

     „Dis Aene kann ich Eich bluus saan,
Mier wuurn nett nichtern, schteets gings in Traan.
Manning Tog haan m’r wätter Nischt genoss’n

40
Als wie forsche än hinter d’r Bind gegoss’n.“
[91]

„Von Pappcilln wußte m’r Nischt in daar Zeit,
Diss’n Ausdruck kännten käne Leit,
Ower jetzt, m’r häert hin, wu m’r will,
Ae Jed’r schwatzt von ‚Kummapappcill.‘“[WS 2]

45
     „Frieher“, schprooch’r nu wätter, „hollef schteets es Schwitzen,

Jetzt wäß m’r wätter Nischt wie schpritzen;
Glääbt mier, in dar alten Zeit
Goobs doch noch gescheitere Leit!“

     „Dos is nett wahr“, hußes von annere Seit:

50
„Mier haan jetzt gescheitere Leit,

Kommabacilln sein in unnere Zeit entdeckt;
Bei Eich haanse all in friehern Zeiten geheckt,
Un Ihr hat nette Mool gewußt,
Wos Eich gepeinigt in Leib un Brust!“

55
     „Bei Eich“, huß es frieher, „wuur die Froog[7] geschtellt“[WS 3]

Bei jeder Kranket: „Du host d’n Schnupp’n[8] verkellt!“
„Oder wänn Aener liebte, un wußte wos es waar,
Su loff’r in seiner Angst zum Dokt’r gaar, —
Un verzehltersch dänn mit betriebten Gesicht,

60
Su hott’r schteets wos zum Einreim[9] gekricht.“

„Nä Alter, dis saan mier Dir,
Gorgeln[10] bei Brandwunden kimmt jetzt nett me vier!“
[WS 4]Heiting Tog’s kann dis nett mee passiern,
Weil die Kranketen die richtigen Name jetzt fiehr’n.“

65
     Ruhig huur dar Alte Alles nu aan

Un määnte schließlich: „Ich will Nischt me saan.

[92]

Meine Mäning is: „of d’r gansen Aard[11]
Is de beste Kranket känn Dreier warth;
Die Hauptsach is, wie die Sachen hie lieng,

70
Daß mier käne Chollra haarkrieng!“


     „Ich glääbs nett!“ saaten nu Viele bestimmt,
„Daß die Kranket haar noch Annerschbarrig kimmt;
Bei dan Wasserschpiel hie in unnern Ort
Fließen die Bacill’n gewiß mit fort.

75
Die Hauptsach is, daß mier nett ängstlich sein

Un looßen käne Främden ein.“

     Sich’r fiehlte sich Jeder, bis äne Schreckenskund
Pletzlich ging von Mund zu Mund.
„Ach, Kinnersch!“ saate fast Jeder verschtäärt,

80
„Hattersch dän all nu gehäert:

Nu haan m’r de kalte School, —
De Chollra is all in Klasthol!“
„Ach Gott!“ schluchzten Viele, wie lang ward’s wahr’n,
Dänn waarn m’r noch d’r Hickelwies gefahr’n.

85
     Nu waar mit än Schlook[12] a Alles verbei,

’s goob kän Larm me und käne Schtreiterei,
Ae Jeder waar friedlich und Etliche — dis is wahr —
Machten ihr Tastemant sugaar.

     Un äne Geschicht, die griff deengt mit ein,

90
’s sollte nämlich kä Freischießen sein.

Drim ginge Jungesell’n un Schitzenbrieder
In Schtroßen jammernd auf un nieder
Un rufften, un range derbei die Händ’:
„Dis is ä Schmarz, dan Käner kännt!“

95
Un ich glääb, daß Manniger in dar Nacht

Hot wachend im Bett seine Zeit verbracht.

[93]

     Su waar’n nu all viele Toge vergange
Un Jeder sog se kumme mit Bange
Un blickte mit neigiering Gesicht

100
Of’s Neiste in d’n Zeitingbericht,

Bis daß es huß farn und nah:
[WS 5]Vorbei isses mit d’r Chollera!“

     Fruh waarn doriwer drim alle Leit
Wie wieder kam äne ruhige Zeit

105
Un daß Annerschbarrig, wu sinst nischt Schlachtes wuhnt,

A blieb von disser Kranket verschuunt.
Vor Chollra sein mier sicher, in unnern Ort
Do fließen — die Bacill’n mit fort. —
Un waarsch nett glääbt, ower driewer lacht,

110
Freeg bluus dan, daarsch[13] hot of’s Tapeet gebracht.

  1. Krankhäät = Krankheit.
  2. Kranket = Krankheit.
  3. starm = sterben.
  4. Arram = Erben.
  5. Aang = Augen.
  6. Laam = Leben.
  7. Froog = Frage.
  8. Schnupp’n = Schnupfen.
  9. Einreim = Einreiben.
  10. Gorgeln = Gurgeln.
  11. Aard = Erd.
  12. Schlook = Schlag.
  13. daarsch = der es.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Fehlendes Anführungszeichen eingefügt
  2. Fehlendes Anführungszeichen eingefügt
  3. Fehlendes Anführungszeichen eingefügt
  4. Fehlendes Anführungszeichen eingefügt
  5. Fehlendes Anführungszeichen eingefügt