BLKÖ:Wurm, Franz (Mechaniker)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wurm, Ernst
Band: 58 (1889), ab Seite: 278. (Quelle)
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Wurm, Franz (Mechaniker, geb. zu Ebenthal bei Klagenfurt am 18. Juli 1786, gest. in Wien am 6. November 1860). Als Sohn eines Gärtners, der in Diensten des Grafen Goëß stand, erhielt er keine andere Ausbildung, als die, welche die Normalschule in Klagenfurt gewährte, worauf er als Lehrling bei seinem Oheim, dem Handelsmann und Gewerker Guggitz in Hüttenberg, eintrat. Von diesem kam er zu dessen Schwager Johann Türk in Guttaring, und hatte er an beiden Orten Gelegenheit, sein angeborenes ungewöhnliches mechanisches Talent ebenso durch Nachahmung als selbsteigene Erfindungen in berg- und hüttenmännischen Ausführungen von Modellen geltend zu machen. Die von ihm hergestellten Sackpumpen und Feuerspritzen ohne Stiefel und Kolben zeigten ihren praktischen Nutzen bei dem am 3. März 1809 in Guttaring ausgebrochenen verheerenden Brande, da durch ihre Verwendung die Rettung eines großen Theiles des Marktes ermöglicht wurde, wofür ihm die Bürgerschaft in einer besonderen Urkunde ihren Dank aussprach. Noch im nämlichen Jahre mußte er bei der zur Landesvertheidigung aufgebotenen Landwehr einrücken; als er aber nach deren Auflösung heimkehrte, bot sich bald neue Gelegenheit, seine Erfindungsgabe zu bethätigen. Kaiser Napoleon hatte nämlich auf die Erfindung einer Flachsspinnmaschine den großartigen Preis von einer Million Franken ausgesetzt. Sich darum zu bewerben, war wohl der Mühe werth, und Wurm that es. Mit rastlosem Eifer und Fleiß ging er an die Ausführung, die unzähligen Schwierigkeiten, wie sie die Flachsbehandlung bietet, überwindend, und die von ihm 1812 erfundene Spinnmaschine befand sich noch 1860 zu Ebenthal in Kärnthen aufgestellt. Nachdem er nämlich den Beweis ihrer Brauchbarkeit erbracht hatte, begab er sich nach Wien, um für die Bewerbung in Paris eine vollkommene Maschine anzufertigen. Mittlerweile aber hatte der Rückzug Napoleons von Moskau stattgefunden, und nun folgten die Tage, welche der Preisbewerbung in Paris ein Ende machten und so den Erfinder nöthigten, den Lohn für seine Mühen in praktischer Anwendung der Erfindung zu suchen. Nach mannigfachen eine solche versprechenden Versuchen bildete sich eine Actiengesellschaft, und es wurde in der Nähe von Wien – wenn ich nicht irre in Marienthal – unter Wurm’s Leitung eine Flachsspinnfabrik angelegt, welche vermittelst Wasserkraft 73 verschiedene Maschinen für Flachsband, Feinspinnerei, Wergband, Spagatspinnerei, Saite, Gurten, Zwirn u. s. w., dann verschiedene Apparate und Pressen in Bewegung setzte und dabei überdies 120 Menschen beschäftigte. Der Erfolg war vortrefflich, aber es fehlte auch nicht an Nachwehen, die dem ganzen Unternehmen verderblich wurden, darunter ein Proceß mit Gerard, der für einzelne Punkte der Erfindung das Vorrecht beanspruchte, dann aber vornehmlich die unglückliche Einführung einer chemischen Bleiche, die mehr als hunderttausend Strähne zwar sehr weiß färbte, welche aber nur sehr kurze Zeit haltbar waren und dann wie mürber Zunder zerfielen. Dies Alles versetzte dem Unternehmen den Todesstoß, und es mußte aufgegeben werden. Aber das Princip dieses Maschinen- und Hantirungssystems wurde von Wurm einige Jahre später auf die Vorbereitung und Verspinnung unfilirbarer Seidenabfälle, nämlich der sogenannten Moresken (pugatti, sbusse, strussi) mit dem besten [279] Erfolge angewendet und in Wiener-Neustadt im Großen ausgeführt. Zwanzig Jahre waren so dem Erfinder unter Mühsal, schweren Prüfungen und Widerwärtigkeiten hingegangen, aber reich an Erfahrungen schritt er nun zu neuen Arbeiten, zunächst vom Erzherzog Johann dazu aufgefordert, der den erfinderischen Geist Wurm’s alsbald erkannt und unseren Mechaniker schon 1816 ersucht hatte, für Watt und Boulton in London das Modell zu einem Dampfschiffruderrade mit stets vertical wirkenden Ruderschaufeln auszuführen, was auch geschah; und nun folgte Erfindung auf Erfindung: eine Hanfseil-Spinn- und Schlagmaschine für das Arsenal in Plymouth; eine Hanfbrechmaschine für Wison in London; eine Perlenstickmaschine für Mme. Thyrion in Paris; mehrere künstliche Füße mit Hüft-, Knie- und Knöchelgelenken; eine Waschmaschine nach Paris, eine Ziegelmaschine, mehrere Kreissägemaschinen; ferner in das k. k. Blindeninstitut in Wien zur Beschäftigung erwachsener Blinden: eine Schreibmaschine, eine Flachsspinnmaschine, eine Fournier-Kreissägemaschine und eine Brennholzschneidemaschine. Für die allgemeine k. k. Hofkammer in Wien lieferte er eine neue Erfindung unübertragbarer Waarenstempel, eine Goldsand- Waschmaschine, im Jahre 1844 eine Maschine zur Verfertigung des Stempelpapiers nebst genauer Angabe der Bogenzahl, für die k. k. Hofkammer im Münz- und Bergwesen eine Fachseil-Nähmaschine, mehrere Münzplatten, Justirmaschinen, eine Drahtspinnmaschine, auf welcher Drahtseile von mehr als hundert Klafter Länge behufs der Schachtbeförderung in den Bergwerken erzeugt werden konnten. Infolge der Vortrefflichkeit dieser von Wurm ausgeführten Maschinen wurde ihm von der k. k. Hofkammer die Ausführung und Herstellung des ganzen Maschinen- und Werkbaues im k. k. neuen Münzgebäude übertragen. So hat denn Wurm sämmtliche Maschinen und Vorrichtungen in dieser großartigen Anstalt, von der Roherzeugung der Metallstücke bis zu ihrer Vollendung, sowohl im Zusammenwirken der Apparate, als in der vollkommen entsprechenden Leistung der Maschinen in musterhafter Weise hergestellt und zur Abwendung jeglicher Gefahr mit großen Wasserreservoirs und Feuerspritzpumpen versehen. Als dann während dieser Ausführungen der Wasserdurchbruch im Quecksilberbergwerk zu Idria die alten Erzgruben zu ersäufen drohte, wurde er dahin geschickt, wo er sofort eine Dampfmaschine von 28 Pferdekräften aufstellte, ein neues Schacht- und Maschinenhaus erbaute und mit den nöthigen Wasserschöpfwerken versah. Die in der neuen k. k. Münze aufgestellten Maschinen erregten durch ihre Originalität und Zweckmäßigkeit auch die Aufmerksamkeit des Auslandes, und er erhielt infolge dessen aus Petersburg die ehrenvolle Aufforderung, auch für die k. russische Münze eine Münzplatten-Justirmaschine mit einer dazu gehörigen Prismen-Schleifmaschine und einer Münzplatten-Wag- und Sortirmaschine anzufertigen. Diese bildete in der Ausstellung 1839 im k. polytechnischen Institute, wie ein damaliger Berichterstatter sich ausdrückt, „die Krone aller Ausstellungsgegenstände, ja man fühlte sich versucht zu glauben, die Maschine habe selbst Verstand“. Um von der sinnreichen Construction derselben dem Leser nur einigermaßen einen Begriff zu geben, erwähnen wir: daß sie die in mehrere Trichter vorgegebenen rohen Münzplatten, von welcher Sorte sie auch [280] sein mögen, ohne weitere Beihilfe einer Menschenhand mit ihren zehn künstlichen Wagschaalen Stück für Stück genau abwägt, die zu schweren, die vollwichtigen und die leichten Platten jede Gattung in ein eigenes Fach wirft, wieder neue Platten auf ihre Wagschaale bringt und so in einem Tage über einhunderttausend Stück Münzplatten mit einer Genauigkeit abwägt und sortirt, wie es noch so viele Arbeiter in gleicher Weise nie leisten würden. Die anderen Vortheile, welche diese Sortirmaschine bietet, übergehen wir als nur für den Fachmann verständlich. England, Frankreich, Rußland eigneten sich Wurm’s Erfindungen an, auch nach Nordamerika verbreiteten sich diese Schöpfungen seines Genius. Tschulik [Bd. XLVIII, S. 70][WS 1] entwarf den Grundgedanken seiner Letternsetzmaschine, Wurm aber führte sie aus und erfand insbesondere eine Ablegevorrichtung. Im Jahre 1847 ging die erste dieser Art Maschinen von Triest nach New-York ab: auch die Brockhaus’sche Druckerei in Leipzig erwarb eine solche. Neben den genannten Erfindungen machte Wurm noch andere, so eine Maschine zur Erzeugung von Schindelnägeln auf kaltem Wege, mehrere neue Gebläsedüßen zu Hochofengebläsen mit erhitzter Luft und auch eine Spielerei, die aber doch den erfinderischen Genius dieses merkwürdigen Mechanikers im klarsten Lichte zeigt, nämlich eine Stockuhr, deren ganzes Räderwerk aus Kartenpapier hergestellt ist. Da kam aber das verhängnißvolle Jahr 1848, und in diesem sollte Wurm in seinen letzten Lebensjahren, wie im Anbeginn seines Schaffens, die ganze Bitterkeit des Geschickes in nahezu erschreckender Weise durchkosten. Am 28. October bei der Einnahme von Wien wurde die an den Prater anstoßende Häuserreihe der Franzensallee in der Leopoldstadt von den Aufrührern als vorzügliche Vertheidigungsstelle angesehen, und auch der kaisertreue Wurm erhielt von denselben eine Hausbesetzung. Der Sturm der kaiserlichen Truppen begann, indessen aber hatten sich die Aufrührer aus dem Staube gemacht, und die stürmenden Rothmäntel und Croaten folgten ihnen rasch auf dem Fuße. Unvorsichtiger Weise aber hatte man diesen den Weg abgesperrt und die Gewalt provocirt; so wurde denn Wurm’s Bruder erstochen, seine Haushälterin brach bei dem Versuche, durch einen Sprung aus dem Fenster sich zu retten, die Beine, und nur Wurm allein, der die Besonnenheit in diesen kritischen Augenblicken behalten hatte, gelang es, mittelst eines Strickes, während die Erstürmer das Haus tobend durchstöberten und plünderten, sich auf die Straße zu retten. Aber sein Haus ging gleich vielen anderen in Brand auf, und außerdem erlitt er durch die Vernichtung von Modellen, Zeichnungen, Bildern, unter letzteren eines von Gauermann, das er mit 1500 fl. bezahlt hatte, einen Verlust von vielen Tausenden. Dies Alles erschütterte aber nicht Wurm’s Treue gegen Kaiser und Reich. Nach Niederwerfung der ungarischen Rebellion, nach Bewältigung des italienischen Aufstandes und Beendigung des siegreichen Krieges gegen die Sarden begann auch Wurm wieder seine Arbeiten aufzunehmen, zu deren ersten ihn die Sorge trieb um die verstümmelten Krieger, die aus dem Felde heimkehrten. Seine schon früher erprobte Geschicklichkeit in Anfertigung künstlicher Glieder widmete er nun den armen Soldaten, und als am 6. Jänner 1850 unter dem Protektorate des Erzherzogs Ferdinand Maximilian ein Verein zur [281] unentgeltlichen Betheilung verstümmelter Krieger mit künstlichen Gliedmaßen sich bildete, war es Wurm, der mit allen seinen Kräften die Zwecke dieses Vereines förderte, künstliche Füße und Hände in zahlreichen Exemplaren beisteuerte und auch sonst als Mitgründer dieses humanen Vereines Vieles zur Abhilfe der Noth der im Felde Verstümmelten leistete. Der niederösterreichische Gewerbeverein zeichnete den wackeren und erfinderischen Mechaniker, der längst schon Anspruch auf eine Würdigung seiner um Oesterreichs Industrie und Gewerbe erworbenen Verdienste besaß, durch Verleihung der großen goldenen Vereinsmedaille aus. 1860, im Aller von 74 Jahren, raffte der Tod den verdienstvollen Wiener Bürger dahin.

Carinthia (Unterhaltungsbeilage der Klagenfurter Zeitung, 4°.) 1852, S. 159. – Exner (Wilhelm Franz Prof. Dr.). Weltausstellung 1873 in Wien. Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Erste Reihe: Rohproduction und Industrie (Wien 1873, Braumüller, gr. 8°.) S. 9 und 376 [behandelt diesen ausgezeichneten Mechaniker sehr kurzweg]. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) 1845, Nr. 52: „Locomotiven mit Luftdruck“. – Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen und des gegenwärtigen Zustandes derselben... Mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat. Herausgegeben von Steph. Ritter von Keeß und W. C. W. Blumenbach (Wien 1829, Gerold, 8°.) Bd. I, S. 109; Bd. II, S. 497, 559, 764. – Oesterreichischer Soldatenfreund (Wien, 4°.) 1852, Nr. 56. – Vaterländische Blätter (Wien, 4°.) 1812, S. 393 und 556: „Erfindung einer Flachsspinnmaschine“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. XLVIII, S. 71]