Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 58 (1889), ab Seite: 130. (Quelle)
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Wothe, Ludwig (k. k. Hofschauspieler, Ort und Jahr seiner Geburt unbekannt, gest. in Ober-St. Veit nächst Hietzing bei Wien am 26. August 1869). Bei der Nachricht von seinem Tode wurde er als mit 66 Jahren verstorben angeführt, sonach wäre er 1803 geboren; da er aber 1811 beim Burgtheater engagirt worden, so müßte er damals erst acht Jahre alt gewesen sein. Dies ist aber nicht möglich. Er war also, als er starb, unbedingt älter als 66 Jahre, und wir werden kaum fehlgehen, wenn wir die 66 mit 76 Jahren vertauschen. Auch über seinen Geburtsort fehlen sichere Angaben, nur so viel steht fest, daß er einer älteren deutschen in die ersten Zeiten des regelmäßigen Schauspiels zurückreichenden Schauspielerfamilie entstammt. Eines Herrn und einer Madame Wothe gedenkt das Buch: „Galerie von teutschen Schauspielern und Schauspielerinen der älteren und neueren Zeit“, (Wien 1783, 8°.) auf S. 261, worin Madame Wothe als Berlinerin bezeichnet wird. Der Vater spielte Chevaliers, Officiere, alle Arten von Wildfängen, die Mutter war Sängerin. Ludwig Wothe kam, wie erwähnt, 1811 zum Burgtheater und mochte damals die Zwanzig überschritten haben, sonach fiele seine Geburt kurz vor oder nach dem Beginne des letzten Decenniums des achtzehnten Jahrhunderts, also um 1790. Er blieb bis 1850 an der Hofbühne, in welchem Jahre er am 20. Juni pensionirt wurde. Er war eines der ersten Opfer des Laube’schen Regimes und fiel, obgleich schon ein Sechziger, viel zu früh, da er gleich Anderen, wie Anschütz, die Haizinger, noch sehr gut verwendbar war, aber er mußte gehen, um einem Anderen Platz zu machen. In der ersten Zeit spielte er Liebhaber, mit wenig Glück; später trat er in komischen, namentlich in Dialektrollen, mit entschiedenem Erfolge auf. Zu seinen typischen Rollen gehörten Vatel in „Ehrgeiz in der Küche“, Reitknecht Stiefel in Kotzebue’s „Pagenstreiche“, Crescendo in „Der Gang ins Irrenhaus“, Pfeffer in „Nr. 777“, Farbenreiber Girolamo im Weißenthurn’schen Lustspiel „Des Malers Meisterstück“, welche Rolle, mit jener des Vatel und Crescendo, Davison nicht verschmähte, ihm auf Gastrollen nachzuspielen. In Bauernfeld’schen Stücken schuf er manche gute Rollen und war überhaupt einer jener talentvollen, zielbewußten [131] und eifrigen Künstler, welche das einst so berühmte Ensemble des Burgtheaters bildeten. Mit seinem Abgang von der Bühne trat er aber in eine neue Phase und wurde als Sonderling eine der typischen Gestalten von Altwien. Wothe war, wenn nicht gerade reich, doch sehr wohlhabend; immer knickerisch, sollte er sich sein Vermögen erspart haben, nach Anderen hätte er eine reiche Frau beerbt und wurde nun Häuserspeculant eigener Art; er zog sich nach Ober-St. Veit nächst Hietzing bei Wien zurück und erstand dort zum Verkauf gelangende Häuser. Sobald er Eigenthümer geworden, kündete er allen Inwohnern die Miethe, nagelte die Häuser zu und ließ sie – Ruinen werden. Dies ist Thatsache, da ich, nahezu ein Vierteljahrhundert in Ober-St. Veit wohnend, Zeuge der Verwüstung war, in welcher die Wothe’schen Häuser und auch jenes, das er selbst bewohnte, sich befanden. Jeder Besucher wurde abgewiesen, die Gartenarbeit verrichtete er selbst, und man konnte ihn öfter mit Spaten, Haue und Hacke beschäftigt erblicken. Außerdem betrieb er mit großem Eifer die Gänsezucht, wobei er sehr rationell vorging, die Thiere mit einer Weidenruthe in der Hand selbst auf die Weide trieb, beim Eierlegen und Brüten beobachtete und wartete u. s. w. Wollte Jemand mit ihm sprechen, so mußte dieser bei einem Loche in der Mauer sich bemerkbar machen und was er brachte – so z. B. die Pension – durch dasselbe hineinschieben, worauf die Empfangsbestätigung auf demselben Wege zum Ueberbringer gelangte. Bei ihm lebte seine alte Schwester, noch ein widrigeres Original als er, die, wenn sie statt des Bruders etwas übernahm, nicht selten die Zunge dem Ueberbringer herausreckte. Als er starb, hieß es in einem kurzen Berichte über ihn: „Sein Krankenbett war ein elendes Strohlager, sein Arzt die alte Schwester und sein Trost: Flüche auf die Menschheit. Und der Mann, der so lustig auf der Bühne und so elend im Leben war, hinterließ nach seinem Tode nebst zwei schönen Stadthäusern noch ein Vermögen von nahezu zweihunderttausend (?) Gulden.“ Was im Vorstehenden über seine Sonderlingsnatur berichtet worden, beruht auf Thatsachen. Viel wurde auf Rechnung derselben gefabelt, absichtlich entstellt oder hinzugelogen; doch war das Thatsächliche widrig genug.

Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1869, Nr. 1807 in den „Theater, und Kunstnachrichten“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1869, Nr. 249, 232, 255 und Nr. 262 in der Rubrik „Theater und Kunst“. – Wiener Zeitung, 1869, Nr. 207. – Constitutionelle Vorstadt-Zeitung (Wien, Fol.) 11. September 1869, Nr. 252 im Feuilleton: „Der gespenstige Hausherr von Ober-St. Veit“. Von (W)im(mer). – Costenoble in seinen Memoiren „Aus dem Burgtheater“ (Wien 1888) gedenkt an mehreren Stellen Wothe’s, und Glasbrenner in seinen „Bildern und Träumen um Wien“ gibt eine Charakteristik des Künstlers. – Kinderfreund (Karl Jos.). Thalias und Euterpes Klagen. Nebst vermischten Episoden über Manches aus unserer Zeit (Wien 1850, 8°.) S. 100 u. 103.
Wothe’s Porträt und Costumbilder. Der Hofschauspieler Anton Wagner [Bd. LII, S. 88] hat Wothe’s Porträt für die Sängerin Rosenbaum in Aquarell gemalt. Wothe stand damals noch in jüngeren Jahren, und das Bild war ihm sehr ähnlich. Später gelangte dasselbe in den Besitz eines Peter Schneer, seinerzeit Beamten der Finanz-Landesdirection in Wien. – Die Bäuerle’sche „Theater-Zeitung“ brachte wiederholt Costumbilder Wothe’s, unter anderen zwei auf Blatt 15 ihrer „Costumbilder“, gezeichnet von Schoeller, gestochen von And. Geiger: Wothe als Kosak in „Yelva“ und als Vatel in „Ehrgeiz in der Küche“.