BLKÖ:Costenoble, Karl Ludwig

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 3 (1858), ab Seite: 19. (Quelle)
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Costenoble, Karl Ludwig (dramatischer Künstler u. k. k. Hofschauspieler, geb. zu Herford in Westphalen 28. Dec. 1769[BN 1], gest. zu Prag 28. August 1837). Er besuchte nach dem frühzeitigen Tode seines Vaters, eines reformirten Predigers, die Domschule in Magdeburg, wo jedoch die Pedanterie eines despotischen Lehrers allen Willenseifer in dem feurigen Knaben zu ertödten drohte. Seine Abneigung gegen das Lernen begleitete ihn auch in die Friedrichsschule; da weckte ein Marionettentheater, das er zufällig sah, seinen Hang zur darstellenden Kunst auf unwiderstehliche Weise. Bald darauf sah er von lebenden Schauspielern das alte Stück „Galora von Venedig“ aufführen, und die Darstellung des „Hamlet“, welche er später sah, war entscheidend für seinen Beruf. Er las nichts als Theaterstücke, erhielt Gelegenheit, auf einer Privatbühne sich zu versuchen, und unfähig seinem Kunstdrange zu widerstehen, entfloh er 1790 aus Magdeburg. Auf Verwenden des Schauspielers Klingmann, der später in Wien starb, wurde er, jedoch ohne Gehalt, bei der Truppe der Kloß und Butenop in Wismar angestellt, debütirte als Peter in „Menschenhaß und Reue“ und gefiel; zog 1792 mit Butenop nach Berlin und trat hier mit Beifall auf, doch ohne ein Engagement anzunehmen. Auf Zureden seiner Mutter, welche er in Magdeburg besuchte, widmete er sich nun dem Studium der Musik, und war im Begriff, sich zum künftigen Kapellmeister auszubilden, als der Schauspiel-Director Quandt ihn für seine Truppe engagirte und ihn so der darstellenden Kunst erhielt. Mit ihm ging er nach Baireuth, u. wurde, da Quandts Unternehmen nur kurzen Bestand hatte, bald darauf für das Fach der Intriguants am Salzburger Theater angestellt, welches damals Karl Maria von Weber’s Vater dirigirte. 1795 wurde er in Nürnberg, 1796 in Magdeburg, 1798 in Altona engagirt; 1801 aber erlangte er ein Engagement in Hamburg und füllte 17 Jahre hindurch verschiedene Rollenfächer, namentlich aber das Fach der niedrig-komischen Rollen aus. Der Schneider in den „Schwestern von Prag“, Adam im „Dorfbarbier“, Thomas im „Geheimniß“, Tapezier in „Fanchon“, „Rochus Pumpernikel“ u. dergl. waren die Rollen, in welchen ihm der Volksjubel entgegenströmte, wenn er auf der Bühne erschien. In seiner Anhänglichkeit an Hamburg schlug C. ein Berliner Engagement mit 1800 Thalern Jahresgehalt aus. Bei der in Aussicht stehenden Directions-Veränderung der Bühne hoffte C. auf die Wahl zum Director. [20] Er hatte sich getäuscht und fühlte sich tief gekränkt. Rasch studirte er im Winter 1814/15 verschiedene Rollen anderer Fächer ein, warf das Opernwesen ganz bei Seite, gastirte im J. 1816 in Prag und Wien, wurde 1818 an der k. Hofbühne zu Wien engagirt, wo er nach Kochs Tode die Regie erhielt und an dieser classischen Bühne 19 Jahre als eines ihrer beliebtesten Glieder wirkte. C. machte alljährlich während der Urlaubsferien Reisen; im Laufe des Sommers 1837 reiste er zu einem Gastspiel nach Hamburg. Seit 19 Jahren hatte C. Hamburg, wo er früher als Komiker ausgezeichneten Ruf genoß, nicht besucht. Sein erstes Auftreten war ein Losungswort für das zahlreich versammelte Publicum u. rauschender, langanhaltender Applaus gab kund, in welchem frischen Andenken der liebe Gast noch bei denen war, die er in früherer Zeit so oft ergötzt. Nach Beendigung seiner Gastrollen in Hamburg reiste er nach Wien zurück, welches seine Heimat geworden, er erreichte es jedoch nicht, sondern starb am 28. August 1837 in Prag, wo er schon kränklich angekommen, an der Gehirnlähmung. Seine Leiche ist nach Wien geführt worden. Seltsamer Weise traf seine Leiche an dem Tage in Wien ein, welcher der letzte seines Urlaubes war. Vielseitigkeit, Humor und rührende Wahrheit vereinigte C. in seinem Spiel; sein langes Künstlerleben reifte unter den glücklichsten Umständen zur Vollkommenheit. Seine Darstellungen des Klosterbruders im „Nathan“, des Shylok im „Kaufmann von Venedig“, des Shewa im „Juden“, des alten Rapid im „Schneider und sein Sohn“, des Hermann in „Er mengt sich in Alles“, des Dichters Hild in Deinhardsteins „Garrick“ und des Hofrathes Wacker im „Porträt der Mutter“ waren vollendete Meistergebilde. In den letzten Jahren seines Lebens bemeisterte sich C. vorzüglich der gemüthlichen Charaktere. Diese Rollen hatte er sich ganz zu eigen gemacht, je weniger äußere Mittel er anwandte, desto kräftiger und tiefer wirkte die geistige Wahrheit. Alles was er sprach, schien in dem Momente in seiner Seele entstanden, Mimik und Geberde waren stets die ungezwungensten Begleiter seiner Worte, so daß die Kunst ihr schönstes Ziel erreichte. C.’s Anstellung beim Wiener Hofburgtheater gab seinem Künstlerleben erst den Aufschwung, so daß es ihm gelang, die Stufe des wahren Künstlers zu erringen; C. hatte mit Hindernissen mancherlei Art zu kämpfen, namentlich war sein Organ, wenn nicht gerade störend, doch auch nicht angenehm. – Auch als Bühnendichter hat C. manches Lobenswerthe geliefert. Er gab einen „Almanach dramatischer Spiele“ (Hamburg 1811, 1814 und 1816, 12°.) heraus, welcher folgende Stücke enthält: 1811: „Vatertreue“; – „Die Katze läßt das Mausen nicht“; – „Das Blindekuhspiel“; – „Fehlgeschossen“; – 1814: „Die Steckenpferde“; – „Heimlichkeiten“; – „Zauberflöte“; – „Der Unsichtbare“; – 1816: „Prinz Kilian“; - „Lottoglück“; – „Die Capitulation“; – „Der Träumer“; – in der Sammlung: „Lustspiele“ (Wien 1830, gr. 12°.) befinden sich die Stücke: „Der todte Onkel“; – „Der Schiffbruch“; – „Die Testamentsclausel“; – „Die Terne“; „Fehlgegriffen“ und „Amor hilft“; – und in Kotzebue’s Almanach 1822: „Drei Erben und Keiner“; – 1823: „Der Alte muß“. Alle diese Stücke sind leicht und gefällig geschrieben, und werden zum Theil noch gerne gesehen.

Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien 1823, 4°.) XIV. Jahrg. Nr. 102-107: „Künstlerbild“ von Weidmann. – Allg. Theaterrevue. Herausg. von August Lewald. III. Jahrg. [enthält Costenoble’s Lebensgeschichte von ihm selbst erzählt. „Costenoble beginnt darin von seiner Flucht aus dem elterlichen Hause 1790; her einfache, [21] ungezierte Ton des Ganzen, die Naivität der Auffassung, der ungetrübte frische Blick, die Redlichkeit der Selbstgeständnisse machen diese Autobiographie in jeder Parthie anziehend, und einen ganz besonderen Werth erhält sie dadurch, daß sie ein treues, lebendiges und munteres Bild von jener Zeit der nomadisirenden Bühnen gewährt, wo kleine vagabundirende Truppen oft mehr wahrhafte Genies und auf Universitäten durchgebildete Männer aufzuweisen hatten, als zu unserer Zeit eine Hof- und Nationalbühne.“ „So H. Marggraff in den Blättern für literarische Unterhaltung 1838, Nr. 231, S. 938]. – Pietznigg (Franz), Mittheilungen aus Wien Jahrg. 1834, II. Bd. S. 82. III. Bd. S. 93. IV. Bd. S. 37: „Skizzen aus meinem Leben“ von C. selbst. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Auflage) IV. Bd. S. 435. – Nouvelle Biographie générale … publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1853) XII. Bd. Sp. 83. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer u. Czikann) , (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 606 [gibt irrig das Jahr 1770 als C. ‘S Geburtsjahr an, welches auch das „Archiv“ und andere Werke angeben]. – Allg. Theaterzeitung von Ad. Bäuerle (Wien, 4°.) 1837, Nr. 167, S. 684; – Nr. 176, S. 712; – Nr. 204, S. 832. – Dieselbe enthält auch zwei Abbildungen C.’s im Costüm: als „Essighändler“ und als „Shylok“, gez. von Schöller, gest. von Geiger. – Thalia. Norddeutsche Theaterzeitng. Red. von Dr. C. Töpfer (Hamburg 1857, 4°.) II. Jahrg. Nr. 80: „Costenoble’s Schwanengesang.“ [In Hamburg sollte nämlich Costenoble in Raimunds „Verschwender“ die gleichnamige Rolle spielen. Verhältnisse verhinderten die Aufführung. Auf ein Blättchen Notenpapier schrieb nun C. zwei Strophen auf die Melodie des berühmten Hobelliedes. Es waren seine letzten Zeilen und die vier Endverse lauten:

Und winkt mir einst mein letztes Haus
     Muß es geschieden sein,
So ruf’ ich sanft: Mein Hamburg! aus
     Und schlafe selig ein.

Etliche Tage darauf war C. eine Leiche, in dem er auf der Reise noch von der Krankheit überfallen wurde, an der er in Prag starb]. – Der Telegraph. Oestr. Conversationsblatt (Wien 1837, 4°.) II. Jahrg. Nr. 109: „Am Grabe Ludwig Costenoble’s“ von Eduard Anschütz. – Abendzeitung. Redigirt von C. G. Th. Winkler (Th. Hell) 1820, Nr. 182 u. f. [darin sind C.’s „Bemerkungen und Andeutungen über verschiedene Gegenstände der dramatischen Kunst“ enthalten].

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Costenoble, Karl Ludwig [Bd. III, S. 19].
    Goedeke (Karl), Grundriß u. s. w., wie bei Castelli, Bd. III, S. 812, Nr. 403 [nach diesem geb. 25. December 1773]. [Band 28, S. 328]