BLKÖ:Wintersteller, Rupert (Enkel)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Winterstein, Karl von
Band: 57 (1889), ab Seite: 98. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Rupert Wintersteller in der Wikipedia
Rupert Wintersteller in Wikidata
GND-Eintrag: 143805045, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wintersteller, Rupert (Enkel)|57|98|}}

Wintersteller, Rupert, der Enkel (tirolischer Schützenmajor, geb. zu Kirchdorf in Tirol am 25. Jänner 1773, gest. daselbst 30. August 1832). Nach seinem Vater [S. 101, Nr. 2] übernahm er dessen Gastwirthschaft und führte dieselbe bis 1797, wo ihn die Kriegsunruhen, welche Südtirol bis 1798 bedrohten, zu den Waffen riefen und er als ein seiner Väter würdiger Kämpfer und Vertheidiger seiner Heimat sich bewährte. In den genannten Jahren stand er unter dem Hauptmann Joseph Schlechter [Bd. XXX, S. 70] vor Kitzbühel als Lieutenant in der Scharfschützen-Compagnie des Gerichtes Kitzbühel und erkämpfte sich durch seinen Muth, seine Ausdauer und Tapferkeit die landschaftliche große silberne Tapferkeitsmedaille. Mit gleichem Eifer nahm er cm den Feldzügen 1800 und 1801 unter dem Schützenhauptmann Georg Reischer [Bd. XXV, S. 243 im Texte] von Kirchdorf Theil und stritt mit Heldenmuth am 19., 21, und 24. December 1800 bei Unken und am Jettenberg, worauf er zum Oberlieutenant befördert wurde. Neue Beweise seiner Tapferkeit und Umsicht gab er im Jahre 1805, in welchem er es sich zunächst angelegen sein ließ, die Kirchdorfer Schützen im Schießen zu üben. Zu diesem Zwecke bestritt er aus eigenen Mitteln viele Scheibenschießen, kaufte Pulver, Blei und Stutzen und schenkte oder ließ davon ärmeren Schützen. Er war daher vollkommen gerüstet, als er im Anfang October 1805 Befehl erhielt, mit seinen Leuten nach Kössen zum Schutze der dort vom Feinde bedrohten Grenzen abzugehen. Auch traf er sehr zweckmäßige Verfügungen zu gebührendein Empfange des Feindes, der aber dieses Mal nicht erschien, weil er einen anderen Weg, nämlich von Salzburg nach dem Paß Strub eingeschlagen hatte. Uebrigens nahmen die Dinge in Tirol damals eine ganz unerwartete Wendung, das Land wurde von Oesterreich abgerissen, und zähneknirschend empfingen die Tiroler das französisch-bayrische Joch. Aber während dieser Zeit der Knechtung blieben die Tiroler Patrioten nicht unthätig, und Wintersteller, Hauptmann Hager von Oberndorf, Schützencommandant Schlechter von Kitzbühel, Thomas Reischer, Anton Oppacher und andere Schützenofficiere kamen oft heimlich zusammen und beriethen das Schicksal ihres Landes. Auch Andreas Hofer besuchte ab und zu seine Kampfgenossen, und so geschah es denn, daß Wintersteller im Jahre 1809, als der Tiroler Aufstand ausbrach, eine höchst einflußreiche Rolle spielte. Nach Hofer’s Rückkehr aus [99] Wien im Februar 1809 ward auch er, der überhaupt als höchst zuverlässiger Mann galt, von dem Sandwirth ins Geheimniß gezogen und im Stillen für das große Werk der Befreiung Tirols von dessen Zwingherren mitzuwirken, aufgefordert und sofort gewonnen. Die Zeit bis zum 11. April, wo er von Hofer die Nachricht erhielt „jetzt geht es los“, benützte er, Kriegsvorräthe und Freunde zu sammeln. So war er im Stande, noch am Abend desselben Tages den 180 Mann starken bayrischen Posten bei St. Johann ohne Geräusch aufzuheben. Nun zum Schützenmajor des Landgerichtes Kitzbühel ernannt, zog er zur Belagerung Kufsteins und später zur Deckung der Grenze nach Kössen. Als dann am 11. Mai Nachmittags die Nachricht eintraf, daß der Paß Strub soeben vom Feinde genommen worden sei, brach er augenblicklich mit seinen zwei Kirchdorfer Compagnien und den Schützen von Kössen gegen Waidring auf, in dessen nächster Nähe sich dieser Paß befindet. Aber schon im Heiminger Walde begegnete er den Jochberger und Kitzbüheler Schützen, welche nach heldenmüthiger Vertheidigung des Passes sich kämpfend von Waidring zurückgezogen hatten. Es war bereits spät Abends. Während der Nacht forschte Wintersteller mit großer Lebensgefahr Stellung und Stärke des Feindes aus und entwarf dann mit dem Hofcommissär von Roschmann einen Plan, wie der Feind bis zum Eintreffen der erforderlichen, durch kaiserliches Militär in Aussicht gestellten Verstärkungen mit Erfolg aufzuhalten sei. Die Höhen des engen Thales wurden zu beiden Seiten mit sechs Schützen-Compagnien, denen sich noch während der Nacht die Sturmmannschaft des Landgerichtes Kitzbühel anschloß, im Ganzen mit etwa 2000 Mann besetzt, während die feindliche Macht mindestens sechsmal stärker war. Wintersteller entwickelte bei Ausführung dieser Vertheidigungsmaßregeln eine geradezu unglaubliche Thätigkeit; er war an allen Orten, bestimmte die wichtigsten Punkte, feuerte die Leute an, er war überall der Erste und der Letzte. Schon sehr früh am Morgen des 12. Mai begann die bayrische Colonne die Straße entlang vorzurücken; als sie in den Schußbereich der Tiroler Schützen kam, begannen diese zu feuern; jeder Schuß traf sein Ziel, besonders die feindlichen Kanoniere und Dragoner empfanden die gefährliche Wirkung des Schützenfeuers. Wiederholte Versuche der Bayern, vorzudringen, wurden von unseren Schützen immer blutig zurückgewiesen. So hatte der mörderische Kampf bereits mehrere Stunden gedauert, als er in unerwarteter Weise eingestellt ward; schon machte sich Mangel an Pulver und Blei fühlbar, ein Sturmangriff ohne Schießgewehr war unausführbar, die zugesagte und mit Zuversicht erwartete militärische Unterstützung blieb aus, und General Wrede machte schon Anstalten, mit seiner Truppe die braven Tiroler zu umringen; unter solchen Umständen blieb Wintersteller nichts übrig, als seinen Kampf einzustellen. Nachdem er noch eine zweite Aufstellung am Aberg, etwa eine halbe Stunde rückwärts vom Kampfplatz, jedoch erfolglos versucht hatte, begann er langsam zurückzuweichen. In diesem Gefechte, welches von 4 Uhr Morgens bis 11 Uhr Mittags dauerte, fielen über hundert Tiroler, der Verlust der Bayern aber betrug das Fünfzehnfache. Da Letztere wußten, daß bei diesem Kampfe die Kirchdorfer besonders thätig gewesen und deren Anführer ein Angehöriger desselben [100] Dorfes war, so rächten sie ihre schweren Verluste, ganz gegen die Gesetze des Kriegsbrauches unter gesitteten Völkern, dadurch, daß sie nun in Kirchdorf plünderten, sengten, die Häuser niederbrannten, Kinder und Weiber ermordeten und auf Wintersteller’s Kopf einen Preis von hundert Ducaten setzten. Der gerichtlich erhobene Schaden, den die Bewohner Kirchdorfs an diesem Tage erlitten, bezifferte sich auf 117.306 fl., von welcher Summe unseren Wintersteller allein der Betrag von 46.350 fl. traf. Siebzehn seiner Gebäude mit den gut besetzten Ställen und Speichern wurden ein Raub der Flammen. Aber alle diese Verluste beugten seinen Muth nicht, und als sprechender Charakterzug sei bemerkt, daß es ihn namenlos freute, als er die große Trommel gerettet wußte, welche sein Großvater im Jahre 1703 den Bayern abgenommen hatte. Daß wir im Vorstehenden nicht übertreiben, dafür gibt der Feind selbst ein beredtes Zeugniß. General Wrede, über die verübten Greuel seiner Soldatesca entsetzt, schrieb in seinem aus Ellenau vom 12. Mai datirten Tagesbefehle: „Ich habe heute und gestern Grausamkeiten, Mordthaten, Plünderungen und Mordbrennereien sehen müssen, die das Innerste meiner Seele ergreifen. Wer hat euch das Recht eingeräumt, selbst die Unbewaffneten zu morden, die Häuser und Hütten zu plündern und Feuer in Häusern und Dörfern anzulegen? Soldaten! ich frage euch, wie tief sind heute und gestern eure Gefühle von Menschlichkeit gesunken? Blickt selbst auf den Weg von Lofer hieher, auf die Brandstätten, auf die geplünderten Dörfer, auf jene Leichen, die ohne Waffen in der Hand ermordet worden sind“ u. s. w. Es war ein Raubzug, wie der dreißigjährige Krieg einen schlimmeren kaum aufzuweisen hat. Wie wenig Wirkung aber diese Mahnung des humanen Feldherrn bei der entfesselten Soldatesca hatte, nachdem dieselbe einmal Blut gekostet, dafür zeugt das Schicksal, das in den nächsten Tagen die Tiroler Gemeinden Schwaz, Vomp, Schlitters und Reith traf. Der hart mitgenommene Wintersteller sollte aber bald Gelegenheit finden, den Bayern ihre Unthat blutig zu vergelten. Am 10. September 1809 rückte er mit sieben Compagnien aus den Gerichten Kitzbühel und Kufstein und aus den Gemeinden bei Innsbruck nach Unken und griff am 16. um fünf Uhr Früh die Bayern mit einer durch die erlittenen Unbilden genährten Erbitterung an. Um den Friedhof in Unken war der Kampf auf das heftigste entbrannt, mehrmals ward der Punkt genommen und immer wieder verloren. Schon hatte eine feindliche Compagnie den Versuch gemacht, jenseits der Brücke sich aufzustellen und unterstützt von zwei Kanonen die für die vordrängenden Tiroler drohende Stellung festzuhalten. Da rief Wintersteller Freiwillige auf, und ehe die Kanonen noch gerichtet werden konnten, stürmten die Kitzbüheler und Kirchdorfer heran und mit umgekehrten Gewehren über die Brücke, während ihnen gleichfalls stürmend eine ganze Schützen-Compagnie folgte. Ohne einen Schuß zu thun, streckten die angegriffenen Bayern die Waffen, und die Kanonen wurden genommen. In und um Unken wogte indessen der Kampf fort. Wintersteller errang überall Vortheile und endlich den vollständigen Sieg. Die völlige Niederlage des Feindes aber verhinderte nur die einbrechende Nacht. Jedoch am nächsten Tage wurde der Kampf fortgesetzt, und unter Mitwirkung Speckbacher’s [101] erfolgte die gänzliche Vernichtung der Bayern; was den Kugeln der Stutzen entkam und nicht im Flusse ertrank, wurde gefangen genommen. Das königlich bayrische Leib-Regiment war von Wintersteller’s Schützen ganz aufgerieben, 1700 Gefangene, 2 Geschütze, große Mengen von Gewehren, Munition und Gepäck fielen in die Hände der siegreichen Tiroler. Wintersteller, der den Kampf geleitet und in demselben immer voran gestritten, war der Held des Tages. Nach diesem Siege aber kehrte er mit seiner Compagnie in die Heimat zurück und nahm weiter keinen Antheil am Kampfe. Gänzlich verarmt, sah er sich gezwungen, die goldene Kette und Medaille seines Vaters zu verkaufen. Als Tirol dennoch unterlag, mußte auch er sich flüchten. Lange Zeit irrte er im Gebirge umher, wurde aber am 25. März 1810 auf dem Gebirge bei Kirchdorf ergriffen und nach München in die Gefangenschaft geschleppt. Erst im November 1810 konnte er mit zerrütteter Gesundheit heimkehren. Im Jahre 1816 erhielt er die große goldene Medaille mit Oehr und Band und 1819 eine jährliche Pension von 400 fl. Den Verlust seines beträchtlichen Vermögens ertrug er ohne Kleinmuth, die Begeisterung für Fürst und Vaterland bewährte er zeitlebens. Als er, 59 Jahre alt, starb, erhielt seine Witwe eine jährliche Pension von 133 fl. – Sein Sohn, wie Vater und Großvater gleichfalls mit Vornamen Rupert (geb. 14. October 1808), trat das durch die Kriegswirren verwüstete und sehr verschuldete väterliche Erbe an und befand sich, als Kaiser Ferdinand im Huldigungsjahre 1838 zu St. Johann sein Hoflager aufschlug, als Oberlieutenant bei der Schützen-Compagnie von St. Johann und Kirchdorf, welche am 8. August genannten Jahres vor dem Monarchen in Parade aufzog.

Peternader (Anton). Tirols Landesvertheidigung nebst interessanten Biographien und Skizzen merkwürdiger Landesvertheidiger (Innsbruck 1853, Wittug, 8°.) I. Theil, S. 89–180. – Bote für Tirol und Vorarlberg 16. October 1837, Nr. 83, „Wintersteller“, Gedicht von Eduard Silesius. – Schallhammer (Anton Ritter von). Kriegerische Ereignisse im Herzogthume Salzburg in den Jahren 1800, 1805 und 1809 (Salzburg 1853, Mayr’sche Buchhandlung, gr. 8°.) S. 203 u. f.; S. 229 u. f.