Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Reiser, Othmar
Band: 25 (1873), ab Seite: 243. (Quelle)
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Reischer, Thomas (tirolischer Scharfschützenhauptmann, geb. zu Furth in Tirol am 4. März 1781). Ein Sohn des tapfern Scharfschützenhauptmanns Georg Reischer, der sich in den Jahren 1796 und 1798 bei Nauders und Engadin ausgezeichnet hatte. Georg war Besitzer des großen schönen Gutes Furth bei Kirchdorf. Schon im Jahre 1799 machte der Sohn den Zug in’s Oberinnthal und Vintschgau mit und bewährte sich bald als ebenso kühner wie kluger Schütze. Am 19. December 1800 wirkte er mit einer Abtheilung von 80 Scharfschützen bei der Vertreibung [244] von 500 Franzosen am Jettenberg bei Schneitlreith unweit Reichenhall mit und wurde für sein tapferes Verhalten Lieutenant. Neuerdings zeichnete er sich wieder am 21. und 24. December d. J. bei Schneitlreith und Bothenbühl aus und erhielt in Folge dessen im Jänner 1801 von der Tiroler Landschaft die große silberne Medaille. Im Jahre 1805 leistete R. bei der Besetzung der Unterinnthaler Grenzen treffliche Dienste. Im Jahre 1809 wurde R. Oberlieutenant bei der Kirchdorfer Schützencompagnie und nahm wesentlichen Antheil an der von Wintersteller angeordneten Gefangennehmung des im Gerichte Kitzbühel gelegenen bayerischen Militärs, das er, 1259 Mann stark, nach Lofer escortirte. Ganz besonders that er sich am 11. Mai bei der Mühlthaler Brücke oberhalb Waidring hervor. Die feindlichen Streitkräfte betrugen 18.000 Mann und 20 Geschütze, jene der Tiroler waren 600 bis 700 Schützen und einige hundert Landstürmer des Gerichtes Kitzbühel stark. Der Kampf gegen eine solche Uebermacht war hartnäckig, und als sich die an Zahl so geringen Tiroler endlich zurückziehen mußten, deckte R., der indessen schon zum Hauptmann ernannt worden war, mit seiner Compagnie den unvermeidlich gewordenen Rückzug, Schritt für Schritt den Boden, auf dem er stand, vertheidigend. Die Franzosen hatten ihn vogelfrei erklärt und seine Besitzung verwüstet, so daß er vom wohlhabenden zum dürftigen Manne herabgesunken war. Um ihn für diesen großen Verlust einigermaßen zu entschädigen, wurde R. mit Decret vom 27. Juni 1800 zum provisorischen Wegmeister von St. Johann ernannt. Einen Monat später erhielt er mit Decret vom 26. Juli 1809 den Auftrag, im Pinzgau die Defensivanstalten auf das Schnellste zu organisiren und Alles, was zur Rettung des Vaterlandes nothwendig erscheint, vorzunehmen, welchen R. seiner ganzen Ausdehnung nach mit Schnelligkeit ausführte, überall Schanzen, Brustwehren, Verhaue u. dgl. m. errichtete und mit Schützen und Sturmmännern besetzte. Die feindlichen Pikete wurden nun alle versprengt, aber als es galt, die von dem Feinde stark verschanzte und mit Kanonen besetzte Brücke, deren Vertheidigung General Sibein leitete, zu nehmen, da machte das an den Krieg und seine Schrecken nicht gewöhnte und aus lauter unerfahrenen Leuten zusammengesetzte Pinzgauer Aufgebot Kehrt, ja Reischer war nahe daran, von einem seiner eigenen Schützen, der ihn in der Hauptmannsuniform für einen feindlichen bayerischen Officier gehalten, erschossen zu werden, indessen hatte nicht er selbst, sondern nur sein Hut den Schuß erhalten. Aber die meisten Cassen hatte er glücklich gerettet. Mit wahrer Todesverachtung focht R. am 25. September bei Unken, wo er sich mit 600 Mann gegen eine bedeutend stärkere feindliche Abtheilung den ganzen Tag über mit Heldenmuth vertheidigte und wo Mann gegen Mann gefochten wurde. Reischer behauptete auch siegreich seine Stellung, welche der Feind mit dem Verluste von 400 Todten und Verwundeten und 200 Gefangenen räumen mußte; während Reischer’s Verluste im Ganzen 3 Todte und 14 Verwundete betrugen. Nach Eroberung des Postens ward aber der Muth und die Kampfbegeisterung der Tiroler an allen Puncten, wo sie aufgestellt waren, so gesteigert, daß auf allen Seiten vollständig der Sieg errungen wurde. Als aber allmälig der Feind in großen Massen vordrängte, war das wackere Häuflein von [245] Schützen außer Stande, solcher Uebermacht nur einigermaßen mit Erfolg sich entgegenzustellen. Es wurden also, um nicht dem Gegner Anlaß zu blutigen Repressalien zu geben, die Compagnien entlassen und Reischer, der vom Feinde geächtet war, suchte Rettung in der Flucht. Als hierauf das Land bayerisch wurde, hatte er die mannigfachsten Widerwärtigkeiten und Verfolgungen aller Art zu bestehen, selbst nachdem ihm die Rückkehr in seine Heimat gestattet worden war, in der er aber sein ganzes Vermögen eingebüßt hatte. Die bayerische Regierung vergaß sich in ihrer blinden Verfolgungswuth gegen R. so weit, daß sie ihm mit Decret vom 1. Mai 1810 jede Bewerbung um irgend eine Bedienstung untersagte. Dabei wurde ihm aber auch der Paß nach Oesterreich verweigert. Ihm blieb also nur heimliche Flucht übrig, die er zuletzt auch glücklich bewerkstelligte. Er begab sich nun nach Wien, wo er bei Kaiser Franz seine Lage darstellte. Mit Decret ddo. 13. December 1810 erhielt er nun eine Wegmeisterstelle zu Kuchau in Böhmen, später in Eger, und kehrte, als Tirol wieder österreichisch wurde, dahin zurück, wo er mit Decret vom 1. October 1814 seine frühere Stelle bei St. Johann erhielt. Daselbst diente er, im Jahre 1839 mit einem kleinen Gehaltszuschuß bedacht, bis 1841, in welchem er in den Ruhestand übertrat. Als aber im Sommer 1848 Tirol wieder unten Waffen trat, führte R. am 8. August als Obercommandant die sämmtlich zusammengezogenen Schützencompagnien an, aber zum Kampfe wurde ihm keine Gelegenheit geboten. Ob R. noch lebt, ist dem Herausgeber dieses Lexikons nicht bekannt. Im Jahre 1856, in welchem er seinen Stutzen dem Ferdinandeum in Innsbruck, als eine geschichtlich denkwürdige Waffe, zum Geschenke gab, war er noch am Leben und damals 75 Jahre alt.

Peternader (Anton), Tirols Landesvertheidigung nebst interessanten Biographien und Skizzen merkwürdiger Tiroler Landesvertheidiger (Innsbruck 1853, Witting, 8°.) Theil I, S. 181–204: „Thomas Reischer“. – Volks- und Schützen-Zeitung (Innsbruck, 4°.) XI. Jahrg. (1856), Nr. 4: „Lebensgeschichte eines Stutzens“ [auch abgedruckt im „Oesterreichischen Volksfreund“ 1856, Nr. 12, im Feuilleton].