Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 55 (1887), ab Seite: 194. (Quelle)
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Weyl, Joseph (Schriftsteller, geb. in Wien am 9. März 1821). Nicht zu verwechseln mit dem auf ähnlichen schriftstellerischen Geleisen wandelnden Berliner [195] Liew Weyl. Richtig schreibt er sich Weil, da aber zur Zeit, als er zu schriftstellern begann, 1847, ein Philipp Weil im Pesther „Spiegel“ mit Proben seiner stark demokratisch angehauchten Feder debutirte, veränderte er seinen Namen orthographisch in Weyl. Nachdem er längere Zeit in Wien das Gymnasium besucht hatte, verlor er seine Eltern durch den Tod, infolge dessen er sich genöthigt sah, sein Studium zu unterbrechen. Sein unleugbares schriftstellerisches vorherrschend auf komischem Gebiete wirksames Talent drängte ihn auf das journalistische Gebiet, auf welchem er nun bald ein halbes Jahrhundert thätig ist. Er betrat die schriftstellerische Laufbahn schon im Vormärz, zunächst als Feuilletonist im schöngeistigen Tagesblatte „Das Vaterland“ in Raab, zwei Jahre später wurde er Feuilletonredacteur der Zeitschrift „Pannonia“ in Preßburg, und 1848 versah er in Wien die Secretärstelle bei einem der damaligen Oppositionsblätter. Ueberdies war er im letzteren Jahre auf dem Gebiete der Lyrik mit nächsten Beziehungen auf die bewegte Zeit ziemlich thätig, und Freiherr von Helfert schreibt ausdrücklich: „daß sich Weyl schon in der Zeit vor dem October durch muthige Satyre hervorgethan und im Nachoctober eine unerschöpfliche Fruchtbarkeit entwickelt habe. Weyl verstand aber auch ernstere Töne anzuschlagen. Hieher gehört „Kein Geißelhieb“, von dem armen „Fido“, der auf dem Grabe des unglücklichen Studenten ausharrt, seinem Herrn bis in den Tod treu, während jener seinem kaiserlichen Herrn die Treue gebrochen! Noch vorzüglicher ist die „Siegesweihe der Todten“ im Charakter der „nächtlichen Heerschau“ von Zedlitz, doch keineswegs Nachbildung, geschweige denn Nachäffung derselben, wo er den todten Latour aus dessen Bureau Befehle an Windischgrätz und Jelačić ausfertigen läßt, die von Ordonnanzen auf „luftigen Pferden“ den beiden Feldherren überbracht werden.“ Diese Loyalität erwarb ihm auch in den Kreisen der besonnenen Bevölkerung viele Freunde, welche im Hinblick aus die precäre Lage seines schriftstellerischen Lebens ihm riethen, sich um eine Anstellung im Staatsdienste zu bewerben. So gelang es ihm denn – wenn ich nicht irre – durch Vermittlung Rudolf Hirsch’s [Bd. IX, S. 47], bei der obersten Polizeibehörde, an deren Spitze damals General Kempen von Fichtenstamm [Bd. XI, S. 163] stand, zunächst in der Bibliothek des Polizeiministeriums eine Verwendung zu finden. Einige Jahre später kam er als Kanzleibeamter zum Polizeicommissariate Wieden und aus derselben zur k. k. Polizeidirection, in deren Evidenzbureau er als Redacteur der Fachblätter, dann als Translator und Dolmetsch in italienischer und französischer Sprache beschäftigt ist. Die Muße seines Berufes benützt er zu Arbeiten, welche er in Wiens geselligen Kreisen, zu deren Juxen und Ergötzlichkeiten seine geradezu unerschöpfliche Muse nicht unwesentlich beisteuert, gewöhnlich selbst vorträgt. Weyl übergab diese humoristischen und lyrischen Ergüsse seiner Muse dem Drucke, und die Sammlung derselben, welche unter dem Titel: „Gesammelte heitere Vorträge“ in zwanglosen Heften bei Kienast, vormals Klemm in Wien erscheint, umfaßt bereits zwanzig Hefte. Aber von Zeit zu Zeit veröffentlicht er außerdem kleinere Sammlungen seiner Arbeiten unter besonderen Titeln, so: „Epheuranken am Fusse der Habsburg“ (St. Pölten 1852); – „Passifloren des Jahres 1848“ (Wien [196] 1854, Eurich); – „Kurzweiliges“ (ebd. 1856, Klemm); – „Humoristischer Almanach“, I–VI. Jahrgang (ebd. 1861 bis 1866); – „Eine lustige Neujahrsgabe. Humoristische Vorträge. Mit Illustr.“ (ebd. 1862, typ. lit. artist. Anstalt, 8°.); – „Juxbrevier. Humoristische Vorträge für Jung und Alt. Mit Illustr.“ (ebd. 1863, typ. lit. art. Anstalt, 8°.); – „Kurzweiliges. Eine reiche Sammlung heiterer Vorträge, komischer Dialoge und Scenen, nebst einem Anhang ernster Declamationspiele und Gelegenheitsgedichte“ (Wien 1867, Geitler, 8°.), eine von der oben unter gleichem Haupttitel 1856 angeführten Sammlung verschiedene; – „Pros’t Neujahr! Komischer Kalender für 1870. Mit Illustr.“ (ebd. 1869, 8°.); – „Mephisto. Humoristischer Kalender für 1869“ (ebd., Wenedikt). Auch übertrug Weyl für Wiener Bühnen viele größere Theaterstücke und Opern aus dem Französischen, so z. B. „Die Reise nach China“, komische Oper, – „Gavaud Minard“, Lustspiel’. – „Häuptling Abendwind“, Operette; – „Die Verlobung vor der Trommel“, Operette; – „Taub muß er sein“, Operette; – „La rédemption“, Oratorium von Gounod u. A. Nicht zu zählen sind auch seine für Akademien, Concerte, Liedertafeln und gesellige Vereinsabende geschriebenen ernsten und heiteren Gedichte, Gesangtexte, Pro- und Epiloge, so daß man wohl annehmen kann, kein heiteres Fest, welch immer einen Namen es führen mag, wird öffentlich in Wien begangen, zu welchem Weyl einen Beitrag zu liefern nicht aufgefordert würde. Bei Gelegenheit, als der Wiener Männergesangverein der damaligen belgischen Prinzessin, gegenwärtigen Erzherzogin Kronprinzessin Stephanie als Huldigung in Brüssel das Ständchen darbrachte, erhielt Weyl das Ritterkreuz des belgischen Leopoldordens, und am 25. December 1885 verlieh ihm Seine Majestät der Kaiser die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. Ein Urtheil über Weyl’s Leistungen zu fällen, ist hier nicht am Platze, wer aber im März 1878 dem von der „Concordia“ zu Haeckel’s Ehren veranstalteten Abend beigewohnt und die von Udél vorgetragenen „Haeckel-Bänkel“, deren Verfasser Weyl ist, gehört hat, muß der Eigenart der Muse unseres Dichters ihr Recht einräumen und begreift vollkommen dessen Beliebtheit in Wiens geselligen Kreisen.

Helfert (Freiherr J.). Der Wiener Parnaß im Jahre 1848 (Wien 1882, Manz, gr. 8°.) S. 462. [Das Register gibt eine ausführliche Uebersicht von Weyl’s poetischer Fruchtbarkeit in diesem Bewegungsjahre.]