BLKÖ:Vega, Georg Freiherr
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 50 (1884), ab Seite: 60. (Quelle) | |||
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[61] Besuch des Gymnasiums und beendete 1775 das Lyceum, auf welchem er den Geistlichen Joseph von Maffei zum Lehrer in der Mathematik hatte, mit so ausgezeichnetem Erfolge, daß er sofort, erst 21 Jahre alt, die Stelle eines k. k. Navigationsingenieurs in Innerösterreich erhielt. Aus dieser Anstellung, in welcher ihm die ihres ungeberdigen Laufes wegen schlimm beleumundete Save Gelegenheit genug zu mathematisch-technischen Studien bot, trat er 1780, wie er es selbst ausdrücklich sagt, aus entschiedener Neigung zum Militär. Er wurde nun Lehrer der Mathematik bei der Artillerie und gab als Unterlieutenant des 2. k. k. Feldartillerie-Regiments 1782 den ersten Band seiner mathematischen Vorlesungen heraus. [Die bibliographischen Titel der Werke Vega’s folgen S. 67 am Schlusse der Biographie.] Schon im folgenden Jahre erschienen seine ersten logarithmisch-trigonometrischen Tafeln, welche er mit Hilfe seiner Schüler, theils Unterofficiere, theils gemeine Kanoniere des Regiments, deren Mitwirkung er dankbar erwähnt, nach älteren derlei Werken neu berechnet hatte. An diese Arbeit schritt Vega, welcher in den von ihm benützten Werken, nämlich in den Tafeln von Schulze, Gardiner und Adrian Vlacque viele Fehler entdeckte, von dem Wunsche beseelt, den Mathematikern fehlerfreie Logarithmen zu liefern, und er erbot sich, für jede an ihn zuerst gelangte Anzeige eines in seinen Tafeln aufgefundenen, die Rechnung störenden Fehlers einen Goldducaten zu zahlen, ein Versprechen, welches er später bei jeder neuen Auflage bis 1797 zum vierten Male wiederholte. Im Jahre 1784 rückte er zum Oberlieutenant, 1787 zum Hauptmann im Regimente vor, wurde aber zugleich Professor der Mathematik im k. k. Bombardiercorps. Während dieser ganzen Zeit immer schriftstellerisch thätig, hatte er eben die weiteren Bände seiner mathematischen Vorlesungen herausgegeben, als der Krieg gegen die Türken ausbrach, in welchem der greise Laudon zum Feldherrn ernannt wurde. Wohl sollte Vega in seiner Stellung als Professor in Wien verbleiben, aber er bat um die Erlaubniß, mit ins Feld rücken zu dürfen, um vor dem Feinde praktisch auszuführen, was er im Corps theoretisch vorgetragen. Und in der That, er bewährte sich auch in der Praxis. Sein ausgezeichnetes Verhalten, namentlich bei dem von bisher beispiellosem und glänzendem Erfolge gekrönten Bombardement Belgrads vom 5. bis 7. September 1789 fand allgemeine Anerkennung. Insbesondere war es die wirksame Behandlung des schweren Geschützes, welches zu so rühmlichem Ziele verhalf. Nun aber zeigte sich Preußen mit dem Glücke der kaiserlichen Waffen gegen die Türken so wenig zufrieden, daß Friedrich Wilhelm II. eine Armee in Preußisch-Schlesien zusammenzog, in Folge dessen das im Süden beschäftigte kaiserliche Heer sofort zur Deckung der Grenzen nach Mähren eilen mußte. Auch Vega marschirte dahin und schrieb in seiner Cantonirung zu Leipnik am 10. Juli 1790 die Vorrede zu der Beilage im dritten Bande seiner mathematischen Vorlesungen, bei welcher Arbeit er eine bis zu dieser Zeit für unmöglich gehaltene Verbindung von Räderwerken entdeckte und berechnete. Ende October 1792 wieder in Wien, ging er an die Herausgabe der zweiten Auflage seiner mehrerwähnten mathematischen Vorlesungen, welche er nach seinen mündlichen Vorträgen durch seinen Schüler Conrad Gernrath [Bd. V, S. 158] niederschreiben ließ. Im folgenden Jahre 1793 [62] rückte er neuerdings ins Feld, und zwar dieses Mal als Major des Bombardiercorps zur Rheinarmee. Als am 13. October der Angriff auf die Weißenburger Linien stattfand, bot sich Vega aus freien Stücken an, die feste Stadt Lauterburg zur Uebergabe aufzufordern. Man nahm seinen Antrag an, und er führte sofort zwei zur Bedeckung des Belagerungsgeschützes anwesende Divisionen bis auf Kartätschenschußweite gegen die Stadt, ritt dann ganz allein vor die aufgezogene Brücke und forderte die Besatzung zur gutwilligen Uebergabe auf. Diese erfolgte auch, und nun schritt er über die niedergelassene Zugbrücke an der Spitze der zwei Divisionen hinein, verlangte die Schlüssel zu allen Nationaldepositorien, leitete persönlich ununterbrochen durch vierzehn Stunden mit dem Degen in der Faust die Patrouillen, schaffte Alles aus der Stadt, was nicht hineingehörte, und bewerkstelligte so, ohne die geringste Störung, die Uebernahme. Dann führte er, bis vom Armeecommando die nöthigen Anordnungen getroffen worden, mehrere Tage lang in durchaus musterhafter Weise das Stadtcommando. – Am 10. November desselben Jahres griffen die Oesterreicher unter Generalmajor von Lauer[Bd. XIV, S. 216] das mitten im Rhein auf einer Insel gelegene Fort Louis an. Vega commandirte das Belagerungsgeschütz. Drei Tage schon dauerte das Bombardement, aber das Fort leistete noch energischen Widerstand und hatte bereits einen beträchtlichen Theil des kaiserlichen Geschützes demontirt. Obwohl Vega Tag und Nacht mit beispielloser Selbstaufopferung – denn er war der einzige Artillerie-Stabsofficier – die Beschießung leitete, zeigte sich noch immer kein Erfolg, und die Lage wurde bei dem eingetretenen schlechten Wetter, welches alle Operationen erschwerte, immer mißlicher. Und wie es denn schon bei solchen Mißerfolgen zu geschehen pflegt, entblödete man sich nicht, im Lager Vega dafür verantwortlich zu machen und mit der Rede herauszurücken, daß, wenn ihm die Unternehmung auf das Fort nicht gelinge, man alle Schuld auf ihn schieben müsse. Als diese Ansichten am 12. November bei der Officierstafel laut geäußert wurden, erklärte Vega, daß, wenn man ihn mit der gesammten Belagerungsartillerie nach seinem Plane verfügen lasse, er durch das bloße Artilleriefeuer, innerhalb 24 Stunden die Festung zur Uebergabe zwingen wolle. General Lauer willfahrte nicht nur diesem Verlangen, sondern fügte der Bewilligung angesichts sämmtlicher Officiere die Versicherung hinzu, daß, wenn das Unternehmen der Erfolg kröne, er bei Seiner Majestät um das Theresienkreuz für Vega sich verwenden werde. Da theilte dieser seinen Angriffsplan mit und schritt vom Mittagstische weg sofort an die Ausführung. Er traf nun alle Anstalten, ließ das Geschütz überführen und aufstellen und ruhte nicht in seinen Dispositionen, mit denen er so rasch fertig wurde, daß er bald nach eilf Uhr Nachts mit der Beschießung beginnen konnte. Zwölf Stunden lang ließ er dann unausgesetzt aus zehnpfündigen Haubitzen 60löthige Patronen unter 15 bis 16 Graden Elevation – was bisher nie geschehen war – feuern. Und der Erfolg war ein glänzender, denn schon am folgenden Tage Mittags suchte der Feind um einen Stillstand der Beschießung an – um capituliren zu können. Und wirklich erfolgte die völlig unerwartete Capitulation. General Lauer hielt sein Wort, mit einem Zeugnisse, welches er selbst, dann General [63] Funk und eilf andere Stabs- und Oberofficiere zu Fort Louis am 28. November unterfertigten, brachte er Major Vega für das Theresienkreuz in Vorschlag. Vega wurde auch in dem darauf folgenden Capitel einstimmig des Ordens würdig erkannt, erhielt aber durch Zufall – welcher Art derselbe war, ist nicht bekannt – die Auszeichnung nicht. Dies Mißgeschick focht ihn jedoch wenig an, mitten im Kriegslärm beschäftigte er sich mit seinen mathematischen Arbeiten und vollendete sein berühmtestes Werk: „Thesaurus logarithmorum“. Aber schon im December dieses Jahres befindet er sich wieder auf dem Kriegsschauplatze, und zwar am Rhein unter dem Commando des Feldzeugmeisters Grafen Wartensleben. Durch seine Unerschrockenheit und Umsicht zeichnete er sich daselbst am 23. und 24. December bei der Belagerung der Rheinschanze aus, deren Uebergabe er indeß trotz seiner trefflichen Leitung des Geschützfeuers nicht verhindern konnte. Die Uebermacht des Feindes war zu groß, und so erfolgte am 25. December die Capitulation. Aber seine Umsicht und Energie waren es, welche die Rettung des Geschützes ermöglichten, das sonst in die Hände des Gegners gefallen wäre. In diesem Rettungswerke von seinem eigenen Kameraden, dem Pontoniermajor von Roth verlassen, fand er in dem kurpfälzischen Brückenmeister Paul von Seyl den rechten Mann, mit dem vereint er sämmtliche kaiserliche und auch mehrere kurpfälzische Geschütze in Sicherheit brachte. – Schon im türkischen Feldzuge bei der Belagerung Belgrads hatte Vega die Wahrnehmung gemacht, daß die Geschütze lange noch nicht die Kraft und Wurfweite besaßen, deren sie fähig waren, wenn sie nach den Regeln der Mathematik calibrirt und montirt würden. In Folge dessen ließ er zu Mannheim im Frühjahre 1795 nach seiner Angabe und unter seiner unmittelbaren Leitung zwei neue neunzöllige Bombenmörser gießen und nach seiner Erfindung gut und dauerhaft montiren. Am 3. Juli fand nun in Mannheim in Gegenwart einer zahlreichen aus Generälen, Artillerie- und Genie-Stabsofficieren bestehenden Commission ein Probeschießen statt, welches folgendes Resultat ergab: ein gewöhnlicher 30pfündiger Bombenmörser mit der größten bisherigen Pulverladung von zwei und einem halben Pfund erzielte unter dem Elevationswinkel von 45 Graden nur die mittlere Wurfweite von 872 Klaftern, während ein Mörser von Vega’s Erfindung unter gleichen Verhältnissen eine mittlere Wurfweite von 1153 Klaftern erreichte. Ueberdies besaßen Vega’s Mörser noch den Vortheil, daß ihre Pulverkammern vier Pfund und darüber Pulver faßten, während die bisher im Gebrauche befindlichen nur zwei und ein halb Pfund vertrugen, die neuen, mit einer Ladung von vier Pfunden, die bisher unerhörte mittlere Wurfweite von 1565 Klaftern und mit einer Ladung von vier ein halb Pfund sogar die größte Weite von 1640 Klaftern erzielten. Um Vega’s Erfindung jeder Controle zu unterziehen, verglich man sie mit der allergrößten bis jetzt aus den schwersten Geschützen und mit der stärksten Pulverladung erzielten Wurfweite. Zu diesem Behufe wurde ein sechzigpfündiger Bombenmörser alter Einrichtung mit fünf Pfund Pulver geladen, und seine größte Tragweite erreichte nur eine Distanz von 980, seine mittlere bei fünf Schüssen gar blos eine solche von 931 Klaftern. Die außerordentliche Leistungsfähigkeit der von Vega erfundenen Mörser war nun [64] außer allen Zweifel gesetzt. Es galt nur noch, dieselbe vor dem Feinde praktisch darzuthun, wozu sich noch im Herbste desselben Jahres Gelegenheit fand. Es sollte nämlich das von den Franzosen besetzte Mannheim durch eine förmliche Belagerung genommen werden. Diese begann auch am 13. November. Vega pflanzte zwei Geschütze beim sogenannten Rabensteine auf dem Galgenberge auf und warf Kugeln bis in die Festung, wohin kein anderer Bombenmörser reichen konnte. Vier Tage lang setzte er die Beschießung der Stadt mit seinen beiden Geschützen fort, damit keinen anderen Zweck verbindend, als die Bevölkerung der Stadt einstweilen zu ängstigen und mittlerweile die eigentlichen Belagerungsarbeiten vorzubereiten und zu fördern. Schon am 17. November konnte der Angriff mit sämmtlichen Geschützen beginnen. Der Erfolg war ein glänzender, denn nach vier Tagen, am 21. November, sah sich die Stadt zur Capitulation gezwungen. Vega aber wurde in der 42. Promotion vom 11. Mai 1796 mit dem Ritterkreuze des Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet, und vom obersten Armeecommando erging sofort der Befehl, mehrere Mörser nach seiner Erfindung zu gießen. Auch bei der feindlichen Bloquade der Stadt Mainz 1796 zeichnete sich Vega besonders aus, vor Allem verhinderte er durch sein gut angebrachtes Artilleriefeuer jede feindliche Annäherung und auch jeden von Seite des Feindes gegen die Festung unternommenen und ihre Erstürmung bezweckenden Angriffsbau. Dann machte er mit der Garnison zwei Ausfälle und leistete bei Vertreibung des Feindes von Wiesbaden bis über den Fluß Sieg durch geschickte Vertheilung der Artillerie dem kaiserlichen Heere vortreffliche Dienste. Bei Dietz an der Lahn fast auf sich selbst angewiesen, vertrieb er durch geschickte Benützung der Artillerie den Feind ganz aus der Ebene diesseits der Stadt über den Fluß. Dann besetzte er die wichtigsten Anhöhen und pflanzte sein Geschütz an den entsprechendsten Punkten auf. Wiederholt suchten die Franzosen unser Corps, welches am 16. September die Lahn bei Dietz passiren wollte, mit Gewalt daran zu hindern, aber Vega mit seinem Geschütz drängte die feindliche Division des Generals Marceau entschieden zurück, und unser Corps ging fast ohne Verlust über den Fluß. Major Vega wurde für seine Anordnungen im Tagsbefehl öffentlich gerühmt. Noch wirkte er bei der Belagerung von Kehl am Rhein mit. Nach dem Frieden von Campo Formio 1797 erscheint er nicht mehr auf dem Kriegsschauplatze. Er widmet sich nun unausgesetzt wissenschaftlicher Thätigkeit auf mathematischem Gebiete und besorgt neue Auflagen seiner Werke, von denen er den vierten Theil seiner mathematischen Vorlesungen, die Dynamik mit Widmung vom 23. August 1800 – den Tag vorher war er in den Freiherrenstand erhoben worden – den Ständen seines Vaterlandes Krain zueignet. Denselben übersandte er auch mit einem Exemplare seiner vollständigen bis dahin erschienenen Werke zugleich beglaubigte Abschriften von acht Zeugnissen der höchsten militärischen Autoritäten über sein ausgezeichnetes Verhalten als Soldat vor dem Feinde, im Feldzuge gegen die Türken, bei Belgrad und im Kriege gegen Frankreich am Rhein. Im Jahre 1802 rückte er zum Oberstlieutenant im 4. k. k. Feldartillerie-Regimente vor. Er beschäftigte sich um diese Zeit mit seinem Werke „Das natürliche Maß-, Gewichts- und Münzsystem“, dessen Manuscript er noch mit [65] einem Schreiben vom 11. September dem Buchhändler J. V. Degen in Wien überschickte und überließ. In der zweiten Hälfte des September verschwand er plötzlich, ohne daß man vermuthen konnte, wohin er gegangen. Nachdem man neun Tage vergeblich nach ihm geforscht hatte, fand man ihn am 26. September 1802 todt in der Donau mittels eines dünnen Strickes an einen Pfahl angebunden. Sein Neffe Georg, der Sohn seiner Schwester Maria verheirateten Peterka, eilte auf die Schreckenskunde nach Wien und erzählte heimgekehrt, was er dort vernommen: Vega, der wegen seines Genies und wegen seiner Erhebung in den freiherrlichen Stand von vielen beneidet und gehaßt wurde, sei am 17. September mit einem Freunde aus Wien ausgefahren, um die zu einem Ausmarsche erforderlichen Pferde einzukaufen, aber dieser sein Freund sei von mehreren hochgestellten Herren durch Bestechung zur Verübung des Mordes verleitet worden, denn nach jener Ausfahrt habe man Vega nicht mehr gesehen. Längere Zeit glaubte man an dieses abgeschmackte Bravo-Märchen. Anderseits sprach man sogar von einem Selbstmorde und fand in Vega’s oft getrübter Heiterkeit seines Wesens und in dem Umstande, daß seine Verhältnisse nicht die glänzendsten waren, die Ursachen dieser That. Da führte zu Beginn des Jahres 1811 ein Zufall zur Entdeckung des Mörders. Ein österreichischer Artillerist, der während des Krieges 1809 bei einem Müller, unweit Nußdorf vor den Linien von Wien im Quartier lag, wünschte für den Augenblick einen Zirkel. Der Müller äußerte, daß er einen solchen besitze und brachte denselben auch sogleich herbei. Da der Artillerist dies Instrument wegen dessen Feinheit sehr lobte, so machte ihm der Quartierherr ein Geschenk damit. Ein Officier, welchem der Artillerist lange nachher den Proportionalzirkel zeigte, erkannte ihn sogleich als ehemaliges Eigenthum Vega’s, da dessen Name in demselben eingegraben war. Der Müller wurde hierauf sofort in Untersuchung gezogen und gestand auch bald, daß er Vega ermordet habe. Er besaß nämlich zu jener Zeit, als Letzterer mit einem Male verschwand, einen Schimmel, welchen derselbe zu kaufen wünschte, da er bereits einen völlig ähnlichen hatte. Wiederholt machte der Freiherr dem Müller ganz annehmbare Anerbietungen, welche aber dieser immer ausschlug, weil er sich eben des Thieres nicht entäußern wollte. Da kam Vega eines Tages wieder zum Müller, suchte ihn aufs Neue zum Verkaufe des Schimmels zu bewegen und hielt ihm eine mit blanken Ducaten gefüllte Börse vor. Das Gold weckte mit einem Male des Müllers Habsucht, dieser stellte sich zum Verkaufe willig, führte den Oberstlieutenant in die Nähe des Stalles über einen Steg, und hier schlug er den Vorangehenden mit einem Prügel in den Nacken, daß der Getroffene sofort zu Boden stürzte. Er nahm seinem Opfer nun Geld, Uhr und ein mathematisches Portefeuille ab und warf den Leichnam in die Donau. Damit widerlegen sich alle Angaben, daß der Müller aus Rache über die Verkürzung, welche ihn ob Vega’s Maß- und Gewichtssystem getroffen, u. dgl. m. die That begangen habe. Es war ein ganz gewöhnlicher Raubmord an dem berühmten 49jährigen Mathematiker verübt worden. In der verhältnißmäßig kurzen Spanne seines Lebens hat es doch dem genialen Denker und Rechner an Ehren nicht gefehlt. Welche Auszeichnung er sich durch seine Tapferkeit erwarb, wurde [66] bereits berichtet, aber auch die Kreises der Wissenschaft und sein Vaterland blieben nicht müßig, ihm die verdienten Ehren zu erweisen. Schon im Jahre 1793 hatte ihn die Akademie der Wissenschaften in Erfurt unter ihre Mitglieder aufgenommen, bald danach die königlich großbritannische Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen, dann die gelehrten Vereine zu Mainz und Prag; im Jahre 1800 wurde ihm von Seiner Majestät dem Kaiser „zur Belohnung seiner während einer zwanzigjährigen Dienstleistung im Militärfache durch Klugheit, ausgezeichnete Tapferkeit und sonstig rechtschaffenes Benehmen sich um das allgemeine Beste gesammelten Verdienste“ der Freiherrenstand verliehen, der ihm übrigens als Maria Theresien-Ritter ohnehin gebührte, und die krainischen Stände nahmen auf dem Landtage vom vom 26. November 1801 ihn einstimmig und taxfrei als Landstand in ihre Mitte auf. Ueber ein halbes Jahrhundert aber ließ man vorübergehen, ehe man sich besann, dem berühmten Mathematiker ein bleibendes Denkmal zu errichten. Der Gedanke, in der Nähe des Bahnhofes zu Laase, von wo aus seine Heimat allgemein sichtbar ist, ihm eine imposante aus aufeinander gelegten Bomben gebildete Steinpyramide, geziert mit seinem Brustbild und Wappen, aufzustellen, blieb leider unerfüllt. Nun ging, allerdings nicht, obwohl er ein slovenischer Bauernsohn war, von seinen slovenischen Landsleuten, sondern von zwei Wienern, J. Wagner und J. Bergmann, die Idee aus, Vega’s Andenken durch ein bleibendes Zeichen zu sichern. Es sollten zwei Gedenktafeln, die eine in der Kirche zum h. Kreuz in Wien, die andere an seinem Geburtshause, aufgerichtet werden. Ob die Errichtung der ersteren zur Ausführung gelangte, ist mir nicht bekannt, jene des Denksteins an Vega’s Geburtshause zu Zagorica fand in Gegenwart seiner Wiener Verehrer am 26. September 1865 statt. – Vega war als Lehrer, Schriftsteller und Soldat gleich ausgezeichnet. Als letzterer im hohen Grade unerschrocken, that er sich ebenso durch seine Geistesgegenwart, wie durch persönlichen Muth und Tapferkeit hervor. Während rings um ihn herum die feindlichen Kugeln flogen und zu allen Seiten in seiner nächsten Nähe einschlugen, hielt er beim Aufstellen und Richten seiner Geschütze stundenlang aus, damit das verderbliche Geschoß genau treffe. Als Lehrer verehrten ihn seine Soldaten, die er liebte und nicht wie in seinem Dienste thätige Maschinen behandelte. In seinen Vorreden gedenkt er immer dankbar der gemeinen Kanoniere und der Hilfsarbeiten, welche seine Schüler zu seinen Werken lieferten. An seinem Vaterlande aber hing er mit aller Liebe und Treue, und als berühmter Gelehrter, als k. k. Stabsofficier, Ordensritter und Freiherr schämte er sich nicht, öffentlich zu bekennen, daß er ein armer Bauernsohn gewesen sei, daß er als mittelloser Student bei seinem Professor, Priester Joseph von Maffei, und im Hause des Herrn von Busetti oft den Freitisch und sonst leibliche Wohlthaten genossen habe. Bis in die Mitte der Fünfziger-Jahre wurde die Kleidertruhe, deren sich Vega als Student in Laibach bediente, bei seinen Anverwandten zu Zagorica als theures Andenken an ihn aufbewahrt. Später gelangte sie in den Besitz des Pfarrvicars zu Altoßlitz in Oberkrain Cajetan Hueber. Ob der praktische Vorschlag, daß dieselbe von dem ständischen Landesmuseum in Laibach erworben werden möge zur Aufbewahrung eines [67] vollständigen Exemplars der Werke Vega’s – als Wahrzeichen zur Ermunterung der studirenden Jugend Krains – in Erfüllung ging, ist dem Herausgeber dieses Lexikons unbekannt. Im Nachstehenden lassen wir eine vollständige Uebersicht der Werke dieses berühmten Mathematikers folgen: „Vorlesungen über die Mathematik, sowohl überhaupt zu mehrerer Verbreitung mathematischer Kenntnisse in den k. k. Staaten als auch insbesondere zum Gebrauche des k. k. Artillerie-Corps“, 1. Band: „Rechenkunst und Algebra“ (Wien 1782; 2. Aufl. 1793; 3. Aufl. 1802; 4. Aufl. 1821; 5. verb. Aufl. 1829, Beck Friedr. Beck, gr. 8°.); 2. Band: „Geometrie“ (ebd. 1784; 2. Aufl. 1793; 3. Aufl. 1807; 4. Aufl. 1811; 5. Aufl. 1817; 6. Aufl. 1822, mit 16 KK., Tendier, gr. 8°.); 3. Band: „Die Mechanik der festen Körper“ (ebd. 1788; 4. Aufl. mit 11 KK. 1818): 4. Band: „Anleitung zur Hydrodynamik“ (ebd. 1800; 2. Aufl. mit 9 KK. 1819; alle vier Bände 13 Thaler); spätere Ausgaben dieser „Vorlesungen“ in neuer Ueberarbeitung besorgte Wilhelm Matzka; – „Logarithmisch-trigonometrische Tafeln nebst anderen zum Gebrauche der Mathematik eingerichteten Tafeln und Formeln“, zwei Bände (auch unter dem Titel: „Tabulae logarithmico-trigonometricae etc.“) (Wien 1783; 2. Aufl. Leipzig 1797; 3. Aufl. 1814, Weidmann, gr. 8°., 5 Thaler); erschien später von J. A. Hülsse herausgegeben unter dem Titel: „Sammlung mathematischer Tafeln“ völlig neu umgearbeitet (1848 u. ö.); –„Praktische Anweisung zum Bombenwerfen mittelst dazu eingerichteter Hilfstafel“ (Wien 1787, Trattner, gr. 8°.); – „Thesaurus logarithmorum completus ex arithmetica logarithmica et ex trigonometria etc.“, auch unter dem Titel: „Vollständige Sammlung größerer logarithmisch-trigonometrischer Tafeln nach Adr. Vlack’s Arithmetica logarithmica und trigonometria artificialis verbessert, neu geordnet und vermehrt“ (Leipzig 1794, Weidmann, Fol., 15 Thaler); es ist das größte vorhandene logarithmische Werk, ein Folioband von 713 Seiten; in der lateinisch-deutschen Vorrede gibt er die Ursachen seines Unternehmens an, erstens waren Adrian Vlack’s (Vlacque’s) „Arithmetica logarithmica“ (1628) und „Magnus Canon triangulorum logarithmicus“ (1633) schon selten geworden, und dann enthielten dieselben sehr viele und den mathematischen Arbeiter störende Fehler; – „Mathematische Betrachtungen über eine sich um eine bewegliche Achse gleichförmig drehende feste Kugel und die Folgen dieser Voraussetzung für die Astronomie, Geographie und Mechanik in Beziehung auf unser Erdsphäroid“, mit einer Kupfert. (Erfurt 1798, 8°.) [vorher in den „Nova Acta Academiae Erfordensis“ (4°.) 1797]; – „Manuale logarithmico-trigonometricum matheseos etc.“, auch unter dem Titel: „Logarithmisch-trigonometrisches Handbuch anstatt der kleinen Vlack’schen, Wolff’schen und anderen dergleichen meistens sehr fehlerhaften logarithmisch-trigonometrischen Tafeln für die Mathematikbeflissenen eingerichtet“ (Leipzig 1793, gr. 8°.; 2. Aufl. 1800), seinem Lehrer der Mathematik in Laibach Joseph Maffei, damals bereits infulirter Propst zu Alt-Bunzlau und Prälat des Königreiches Böhmen, gewidmet; die 6. Auflage war bereits – und zwar die erste – Stereotyp-Auflage; bis zum Jahre 1876 wurde die 60. neue vollständig durchgesehene und erweiterte Stereotyp-Auflage Berlin 1876, [68] Weidmann, XXXII und 575 S., gr. 8°., ausgegeben; vom 20. Stereotypabdrucke an besorgte die Ausgabe J. A. Hülsse, von der 40. an Bremiker; überdies sind Ausgaben dieses vorzüglichen, für jeden mit mathematischen Arbeiten Beschäftigten unentbehrlichen Handbuchs in schwedischer, dänischer und italienischer Sprache erscheinen; – „Versuche über Enthüllung eines Geheimnisses der bekannten Lehre der allgemeinen Gravitation“ (Wien 1800, Trattner, gr. 8°.); – „Disquisitio de supputatione massarum corporum coelestium etc.“ (ebd. 1801, gr. 8°.); – „Anleitung zur Zeitkunde mit Vergleichung der bei verschiedenen Nationen gewöhnlichen Zeitrechnung“ (Wien 1801, Sommer, gr. 8°.), mit vielen für die Chronologie äußerst wichtigen Anmerkungen; – „Natürliches aus der wirklichen Grösse unserer Erdkugel abgeleitetes und in ganz Frankreich und einigen angrenzenden Ländern zum allgemeinen Gebrauche gesetzmässig eingeführtes[WS 1] Maass-, Gewichts- und Münz-System mit einer Darstellung der in den k. k. österreichischen Erbstaaten gebräuchlichen Maass- und Gewichtsverfassung nebst Vergleich derselben, herausgegeben von A. Kreil“ (Wien 1804, Degen, 4°.; neue Aufl. Wien 1824, Marschner und Jasper); wie schon oben in der Biographie bemerkt wurde, erschien dieses Werk erst nach Vega’s Tode; und in den „Nova Acta Academiae Petropolitanae“, Bd. IX, 1795, befindet sich abgedruckt die Abhandlung: „Détermination de la démi-circonférence d’un cercle dont le Diamètre est = 1, exprimée en 140 figures décimales“. Die Angabe, daß Vega am 26. September 1802 gestorben, die man fast überall trifft, ist ganz unrichtig, er wurde am 26. September 1802 todt in der Donau gefunden, aber wahrscheinlich schon am 17. September ermordet. Vega’s Biograph Michael Peternell berichtet ausdrücklich: „Freiherr von Vega starb unverehelicht ... mit ihm ist sein Adel erloschen“. Das scheint denn doch nicht ganz richtig zu sein: denn am 28. Jänner 1807 trat ein Franz Freiherr von Vega (geb. zu Wien am 12. Februar 1796) in die Wiener-Neustädter Militär-Akademie, aus welcher derselbe am 15. December 1813 als Lieutenant zu Hohenzollern-Chevauxlegers Nr. 2 ausgemustert wurde. Dieser Freiherr Franz scheint somit ein Sohn Vega’s zu sein, da eine zweite Freiherrenfamilie dieses Namens nicht bekannt ist. Dieser Franz war, als Freiherr Vega starb, siebenthalb Jahre alt.
Vega, Georg Freiherr (k. k. Artillerie-Oberstlieutenant und Ritter des Maria Theresien-Ordens, geb. zu Zagorica in Krain am 23. April 1754, am 26. September 1802 in der Donau mittels eines dünnen Strickes an einen Pfahl geknüpft und todt gefunden, ermordet allem Anscheine nach schon am 17. September). Seine Eltern Bartholomäus und Helena Vecha (Veha, auf deutsch Spundloch) waren arme Bauern. Noch als Student in Laibach führte Georg diesen Namen. Wann und warum er denselben in Vega umänderte, ist nicht bekannt, bei seinem Uebertritt zum Militär war diese Veränderung bereits bewerkstelligt. Georg hatte keinen Bruder, nur drei Schwestern: Maria, welche die väterliche Besitzung erbte und den Bauern Jacob Peterka ehelichte, Gertraud, die sich nach Weichselburg in Unterkrain verheiratete, und Apollonia, welche bei ihrem Bruder lebte und die Gattin des Artillerieofficiers Franz Pauer wurde. Georg begann 1767, dreizehn Jahre alt, in Laibach den- Allgemeine Literatur-Zeitung, 1803, Intelligenzblatt, S. 268. – Baur (Samuel). Allgemeines historisch-biographisch-literarisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die in dem ersten Jahrzehend des neunzehnten Jahrhunderts gestorben sind (Ulm 1816, Stettini, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 646. – Carniolia (Laibacher Unterhaltungsblatt, 4°.) V. Jahrg. (1843), S. 273, 283. – Hirtenfeld (J.). Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wien 1857, Staatsdruckerei, 4°.) S. 469 und 1738 [nach diesem geb. zu Moraits in Krain am 24. März 1754; in einem officiellen Festbuche sollte man doch bei berühmten Männern zuverlässige Angaben finden]. – Nova acta Academiae Petropolitanae, Bd. IX, 1795. – Poggendorff (J. C.). Bibliographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1863, K. Ambros. Barth, schm. 8°.) Bd. II, Sp. 1196. – (Schwaldopler). Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts. Mit besonderer Hinsicht auf die österreichischen Staaten (Wien 1806, Ant. Doll, kl. 8°.). Zweites Bändchen, S. 231. – Szöllösy (Joh. Nep.). Tagebuch gefeyerter Helden und wichtiger kriegerischer Ereignisse der neuesten Zeit u. s. w. (Fünfkirchen 1837, gr. 8°.) S. 274 [nach diesem geb. 16. Juli 1754, was ganz unrichtig ist]. – Zeitschrift von und für Ungarn, 1802, Bd. II, S. 237. – Zweiter Jahresbericht der k. k. vollständigen Unterrealschule [69] in Laibach. Veröffentlicht am Schlusse des Schuljahres 1854 (Druck bei Joseph Blasnik, 4°.): „Georg Freiherr von Vega. Biographische Skizze“. Von Michael Peternell.
- Porträt. Unterschrift: „Georg-L. B. A. Vega | Ince. C. R. Rei. Torment. IV. Reg. Procolon. | Ord. Milit. Mar. Theres. Eques. Academ. Reg. Scient. Berolin. | Goetting. Mogunt. Prag. etc. Sodalis. | Natus Sagorizae Parochiæ Moraitschensis in Carniolia 23. Mart. 1754 | Denatus 26. Septembr. 1802“. A. Ecker pinx. Hieron. Benedicti sc. (8°.). – 2) P. Wolf p. J. Gerstner sc. 1802 (kl. 4°., Gürtelbild).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: einführtes.