BLKÖ:Treitschke, Magdalena

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Treitz, Wenzel
Band: 47 (1883), ab Seite: 105. (Quelle)
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Treitschke, Magdalena (Tänzerin, geb. zu Cittavecchia am 25. April 1788, gest. zu Wien am 24. August 1816). Eine geborene de Caro, war sie die jüngste von vier Schwestern, die sämmtlich zu Wien in verschiedenen Fächern des Tanzes Ruhm und Ehre erwarben. Sie erblickte in dem Augenblicke das Licht der Welt, als ihre Familie zu Schiff zu gehen dachte, um nach Genua zu reisen, wohin die älteste Tochter Marie, später vermälte Narducci, ein Engagement rief. Die Mutter mußte mit der Neugeborenen zurückbleiben, und erst nach einigen Monaten, als Marie einem Rufe nach London folgen wollte, sahen sich die Getrennten wieder. Der Familie Aufenthalt in London und Dublin dauerte sieben Jahre, und die kleine Magdalena wurde in Sprache und Sitten ganz als Engländerin erzogen, und es blieb ihr davon noch Vieles in ihren späteren Jahren haften, so daß sie, wenn ihr ein deutsches Wort nicht gleich einfiel, dafür des englischen sich bediente. Fünf Jahre alt, erhielt sie von ihrer Schwester Marie bereits Unterricht im Tanzen – nicht in grotesken und seriösen Verrenkungen und Capriolen, weil die denkende Meisterin, getreu der Vorschrift ihres Lehrers, des berühmten Tänzers Noverre, dem Grundsätze folgte, daß allzu große Anstrengung in den Kinderjahren Schlaffheit und Kränklichkeit des in der Entwicklung begriffenen Körpers nach sich ziehen müsse – hingegen in den ersten und reinen Stellungen und Schritten, deren Besiegung allein die spätere Ruhe, Sicherheit und Festigkeit erwirbt. Mit Ruhm und Reichthum gesegnet, verließ Maria England und ging mit vielen Empfehlungen nach Paris. Ihre Bemühungen, in den Ballets der großen Oper aufzutreten, verhinderte der Ausschuß, der ihre Debuts immer wieder verschob. Das wurde anders, als Noverre ankam, dessen Willen, Marie tanzen zu [106] lassen, sich Niemand zu widersetzen wagte. Sie trat nun mehrmals auf, und zwar immer mit außerordentlichem Beifall. Gleichzeitig gab Noverre, der die kleine Magdalena liebgewonnen hatte, derselben Unterricht, indem er dabei wesentlich auf die künstlerische Entwicklung ihres Tanzes sah. Von Paris ging Marie nach Mailand, und Noverre empfahl seine kleine vielversprechende Schülerin an Gallet, seinen Schüler, der sich daselbst als Balletmeister befand. In Mailand war es nun, wo Magdalena das erste Mal, und zwar in einem Divertissement als Amor die Bühne betrat; sie tanzte ein kleines Solo, und von der Vergötterung, die man der ältesten Schwester zollte, blieb auch ein nicht geringes Theilchen für die jüngste übrig. Während der nun folgenden Jahre 1798 bis 1800 besuchte Marie die bedeutenderen Städte Italiens, überall mit Enthusiasmus empfangen, da ihr ein glänzender Ruf voranging, und stets neue Erfolge feiernd. Aber in den damals bewegten Zeiten lief nicht Alles so glatt ab, und Marie gerieth in manche Bedrängniß. So wurde einmal ihr Reisewagen geplündert und ihr alle Barschaft nebst kostbaren Juwelen geraubt, nur ein Theil ihrer Wäsche blieb durch den Umstand gerettet, daß die Räuber über einen großen, aber falschen Theaterschmuck sie vergaßen. In Terracina wurde in einem Tumulte das Landhaus zerstört, welches sie bewohnte, und in Neapel bei den Revolten der Lazzaroni schwebte die Familie in großer Gefahr, ein Opfer der Volkswuth zu werden. Allem Anscheine nach war der Pöbel gegen sie, als eine fremde, von Frankreich gekommene und mit den demokratischen Grundsätzen der Pariser sympathisirende, von Kunstgenossen, welche mit ihr rivalisirten und sie um die glänzenden Erfolge beneideten, aufgestachelt worden. Es kam noch schlimmer. Marie wurde aus Neapel verbannt. Indeß durch Verwendung der Lady Hamilton, welche am neapolitanischen Hofe eine einflußreiche Rolle spielte, ehrenvoll zurückberufen, sah sie sich von nun ab in Ruhe gelassen. Lady Hamilton aber nahm die täglich mehr sich entwickelnde und in der künstlerischen Ausbildung stets fortschreitende Magdalena zu sich ins Haus, bis ein Contract die ganze Familie nach Triest abrief. Daselbst wurde zu jener Zeit das neuerbaute große Theater eröffnet, und man versammelte zu dieser Feier die ersten und gediegensten Kräfte des In- und Auslands. Auch Magdalena trat als Tänzerin auf, und obwohl nur als zweite, bot sie, wenn auch nicht eben große, so doch in ihrer Art vollendete Leistungen. Von Triest begab sich Marie nach Mailand, von da aber nach Wien, denn Baron Braun, der Director der Hoftheater, hatte mit den Schwestern Marie, Francisca und Magdalena einen mehrjährigen Contract abgeschlossen. Im April 1802 tanzten sie in einem Divertissement von Salvatore Viganò und bald darauf in dem Ballete: „Die Tänzerin von Athen“ von Muzzarelli. Der Zeitpunkt, in welchem Magdalena anfing, allein zu wirken, beginnt mit der Ankunft Gallet’s in Wien, welcher der ihm von Noverre empfohlenen Schülerin voll Theilnahme entgegenkam. Im Jahre 1804 konnte das Publicum im sogenannten Tiroler Ballete erkennen, daß es mit einer Künstlerin zu thun habe, welche zu den schönsten Hoffnungen berechtige. Aber die nächsten Zeiten waren Magdalena nicht günstig, ihre Schwester Marie verließ 1806 bleibend die Bühne, Balletmeister Gallet war [107] auch abgegangen, ohne daß ihm ebenbürtige nachgefolgt wären. So verlor denn Magdalena zwei ihrer wichtigsten Stützen, behauptete aber immer ihre Stellung, und zwar in so hervorragender; Weise, daß sie im Jahre 1807 von der Hoftheaterdirection den Rang als erstes Tänzerin erhielt. Und daß sie es in der That sei, bewies sie in dem bald darauf zur Aufführung gelangten großen Ballete: „Die Zerstörung Pompejis“, in welchem sie einen großen Erfolg feierte. Als dann 1808 Duport erschien, der in den verschiedensten Gattungen des Tanzes eine bisher nicht gekannte Meisterschaft entfaltete, bekam auch die Tanzkunst ein höheres Ziel. Magdalena wurde nun seine Schülerin und prägte sich die Lehren des berühmten Meisters ein. Nach dem Abgange Duport’s blieb sie seinen Traditionen treu und gab in den Jahren 1809 und 1810 davon schöne Proben, insbesondere, als sie mit ihrer Schülerin Therese Neumann, nachmaligen Madame Duport, in pas de deux Männerrollen übernahm. Vornehmlich eine Leistung fand damals große Anerkennung, es war in dem Ballete: „Das eigensinnige Landmädchen“, als sie in der Rolle des Bauernknaben in einem von ihr componirten Tanzstücke Duport’s Lieblingsschritte mit unnachahmlicher Grazie ausführte. Im Sommer 1811 erhielt sie einen vortheilhaften Ruf nach Monza, dem Lustschlosse des damaligen Vicekönigs von Italien, und schon nach wenigen Vorstellungen, in welchen sie den höchsten Beifall errang, einen Contract für das große Theater la Fenice in Venedig, wo sie so außerordentlich gefiel, daß man sie vor ihrer Abreise durch einen neuen Contract für die nächste Carnevalsaison verpflichtete, ein Vorgang, der bei dem Abwechslung liebenden italienischen Publicum für ihre große Beliebtheit spricht. Im Jahre 1812 trat sie in Wien als Gast in mehreren von ihr selbst erfundenen Tanzstücken auf. So waren die Haupttänze in „Preziosa“ größtentheils ihre Compositionen. Von Wien ging sie in Folge ihres Vertrages wieder nach Venedig und fand dort eine so freundliche, wohlwollende Aufnahme, daß dieser zweite Aufenthalt in der Lagunenstadt zu ihren liebsten Erinnerungen zählte. Nach ihrer Rückkehr im Sommer 1813 begann ihre glänzendste, aber letzte Kunstperiode. Duport, der neuerdings in Wien angekommen war, hatte für das Theater an der Wien die Ballete: „Aschenbrödel“ und „Amor und Psyche“ componirt. Im ersteren gab Magdalena anfangs das Aschenbrödel, nach Duport’s Abreise den Prinzen. Ihr größtes, aber siegreich bestandenes Wagestück war die Uebernahme der Titelrolle im „blöden Ritter“ (Sargines), Duport’s erster und berühmtester Rolle. So glänzend auch der Erfolg war, sie ließ dem Erfinder seinen vollen Antheil in der Erklärung, daß ihre Darstellung doch nur eine fleißige Copie des trefflichen Originals sei. Dieses Ballet wurde leider auch die nächste Ursache ihrer tödtlichen Krankheit. Am 8. Juli 1813 ging dasselbe nach langer Pause wieder in Scene. Durch eine plötzliche, in solchem Falle fast nicht zu vermeidende Abkühlung zog sich Magdalena Heiserkeit und einen Krampfhusten zu. Die sorgfältigste ärztliche Behandlung und Pflege besiegte vorderhand das keimende Uebel. Nachdem sie im „blöden Ritter“ noch zweimal – in Wien zum letzten Male – aufgetreten war, folgte sie, im Glauben, daß sie genesen sei, einem Rufe an das königliche Operntheater in London. Daselbst erschien sie als Gefährtin des berühmten, [108] damals bereits sechzigjährigen, aber in seiner Kunst noch ungeschwächten Vestris im Ballet: „Der Kalif von Bagdad“. Immer mit ihm tanzte sie in einer Reihe glänzender Vorstellungen, als die plötzliche Wiederkehr des Krampfhustens dieselben unterbrach und ihr eine mehrmonatliche Ruhe gebot. Hätten jetzt die Mahnungen der Natur über Magdalenens Eifer den Sieg davongetragen, vielleicht würde Rettung noch möglich gewesen sein, aber um nicht länger das Repertoire zu stören, kehrte sie zu früh auf die Bühne zurück. Mit dem Ballete: „Joconde“, in welchem sie die Edèle gab, beschloß sie Anfangs August 1815 ihre Laufbahn als Künstlerin. Sie kam am 24. September nach Wien zurück. Ein Ruf nach Florenz und dann ein neuer nach Venedig gaben ihr frohe Aussichten, während die Ihrigen schon bebten und zagten. Im März 1816 wurde ihr Leiden heftiger und bezwang die unbezwingbar scheinende Brust. Alle Mittel, alle Kunst der Aerzte blieben erfolglos. Sanft, die Länge des Schlummers nicht ahnend, entschlief sie. Am 23. October 1805 hatte sich Magdalena mit dem k. k. Hoftheaterdichter und Opernregisseur Georg Friedrich Treitschke, dessen Biographie [S. 101] der ihrigen voranging, vermält. In eilfjähriger Ehe gebar sie ihm drei Kinder, einen Sohn, der vor der Mutter starb, und zwei Töchter. Ihr Leichnam ruht auf dem Kirchhofe vor der Schönbrunner Linie unfern Haydn, Brockmann und Betty Rose.

Wiener Zeitschrift für Mode, Theater u. s. w. Redigirt von Schikh, später von Witthauer (Wien, 8°.) 11. September 1816, Nr. 47: „Nekrolog“.