Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 45 (1882), ab Seite: 152. (Quelle)
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Tilgner, Victor (Bildhauer, geb. zu Preßburg in Ungarn 1844). Als Sohn eines Hauptmanns der k. k. Armee in Preßburg geboren, kam er bereits im Alter von zwei Jahren nach Wien, wo er später in Folge der mittellosen Verhältnisse seiner Eltern sich vornehmlich selbst heranbilden mußte. Da er künstlerische Anlagen zeigte, gelangte er bald auf die Akademie der bildenden Künste und wurde ein Schüler Schönthaler’s [Bd. XXXI, S. 172]. Er machte sich daselbst schnell bemerkbar und erhielt auch mehrere Preise, so die goldene Füger’sche Medaille, ein Preisstipendium und einen zweiten Hofpreis. Doch war der Gewinn, den er aus dem Besuche der Akademie zog, vornehmlich auf eine tüchtige technische Fertigkeit beschränkt, was immerhin nicht gering anzuschlagen, denn was nützt alles Genie, wenn der Künstler nicht richtig zeichnen kann, überhaupt in den Elementen der Kunst unwissend ist. Nach seinem Austritte aus der Akademie vollständig auf sich selbst angewiesen, machte er anfänglich eine harte Schule durch, man kannte ihn nicht oder nur wenig und gab ihm keine Aufträge. So zwangen ihn seine pecuniären Verhältnisse lange Zeit, sich durch unbedeutende Arbeiten sein tägliches Brod zu verdienen, bis er sich auf ein Genre verlegte, durch welches er die Aufmerksamkeit auf sich wendete, es war jenes der intimen Porträtbüste, das, in Wien noch kaum bekannt, durch Tilgner rasch eingebürgert wurde. Denn im Jahre 1872 schuf er eine Anzahl derartiger Porträtbüsten, darunter jene der Schauspielerin Charlotte Wolter, welche so zu sagen seinen Künstlerruf begründete. Eigentlich bekannt aber wurde er erst durch die Wiener Weltausstellung 1873, in welcher seine sechs Porträtbüsten von Gips und Terracotta, darunter die vorgenannte der Wolter und jene Laube’s, allgemeines Aufsehen erregten. Ueber diese letztere schreibt ein Biograph Tilgner’s: „Der Kopf Laube’s – ursprünglich von eigentlich beleidigender Häßlichkeit (?), nur geedelt, in der Durchgeistigung von festem ehrlichen Willen, schneidiger Intelligenz, unermüdlicher phantasievoller Arbeit: da war eine Schwierigkeit zu überwinden, der nur ein geborener Bildhauer Herr werden konnte“. Auf der Jahres-Ausstellung im Künstlerhause 1874 erregte er mit einer Reihe seiner Büsten, darunter jener des Malers Angeli, des Dichters Bauernfeind, der Aerzte Oppolzer und Hebra, der Schauspielerin Kronau, solches Aufsehen, daß er zugleich mit Makart und Lenbach durch Verleihung der kurz vorher von dem Protector des Hauses Erzherzog Karl Ludwig gestifteten goldenen Medaille ausgezeichnet wurde. Um diese Zeit war es ihm auch gegönnt, einen längst gehegten Wunsch, eine Reise nach Italien auszuführen. Er trat sie in Gesellschaft Makart’s an. Wohl wurden die Früchte [153] dieser Reise an seinen Schöpfungen zunächst nicht sichtbar, aber sein Bestreben, ein großes Werk zu schaffen, ward durch dieselbe auf das mächtigste angeregt, und er strebte nur danach, von der Zeit, die er auf seine Arbeiten ums tägliche Brod verwenden mußte, sich endlich so viel Muße abzuringen, um zu seinem Ziele zu gelangen. So arbeitete er denn nach wie vor noch Büsten; beschickte mit mehreren die kunstgewerbliche Ausstellung 1876 in München und erhielt für jene des Malers Lukas Führich (später in Bronze ausgeführte) die goldene Medaille. Bald aber begann er an ein größeres längst im Kopf getragenes Werk Hand anzulegen, und es entstand die Gruppe des „Triton mit der Nymphe“, welche, als Kaiser Franz Joseph dieselbe gelegentlich eines Besuches des Ateliers des Künstlers sah, von dem Monarchen angekauft und dann im Wiener Volksgarten, leider in nicht ganz glücklicher Weise aufgestellt wurde. Die Bestellungen, namentlich zu Porträtbüsten, mehrten sich nun mit jedem Jahre, denn Tilgner wird gerade auf diesem Gebiete als einer der ersten jetztlebenden Meister nicht bloß Oesterreichs, sondern des Continents bezeichnet. Wir erwähnen von seinen zahlreichen Arbeiten aus dem Jahre 1877 die Büsten des Malers Alois Schönn, des Fürsten Károlyi, aus dem Jahre 1878 die Büsten der Gräfin Széchenyi geborenen Gräfin Hoyos, der Baronin Hasenauer und der beiden Industriellen Ludwig Lobmeyer und Ditmar, letztere im Bronzeguß von C. Hohmann ausgeführt; aus dem Jahre 1879 die „Rubensstatue“ für die Façade des Wiener Künstlerhauses im Auftrage des Ministeriums; die Büsten des Grafen Edmund Zichy, der Baronin Rosine Rothschild, des Ritters von Schmerling; der Fürstin Kinsky aus Terracotta, und des gelehrten Geologen Ami Boué, eines 84jährigen Greises, eines der schönsten Werke Tilgner’s; aus dem Jahre 1880 mehrere reizende Kinderbüsten, die Kaiserbüste von Röhlich und Pönninger[WS 1] in Bronze gegossen, übrigens hat Tilgner das Bild des Monarchen wiederholt ausgeführt; die Büste des Dr. Prechtl; „Amor als Mars“ und „Elsässerin“ Majolikacompositionen von bestechendem Reiz; „Italienischer Jäger aus dem vierzehnten Jahrhundert“, eine prächtige Statuette; „Modell einer Brunnengruppe“, wofür ihm der im Jahre 1880 zum ersten Male zur Verwendung gelangte Reichelpreis im Betrage von 1500 fl. vom akademischen Professoren-Collegium zuerkannt wurde; die Büste des verstorbenen Chef-Redacteurs der „Neuen Freien Presse“ Michael Etienne, die Statuen des Moriz Schwind, Cornelius, Rauch und Lukas Führich für das neue kunsthistorische, jene des Alexander von Humboldt und Leopold von Buch für das neue naturhistorische Museum in Wien. Für das Parlamentsgebäude sind ihm acht Statuen und Porträtfiguren, darunter Archimedes, M. T. Varro, Homer und Phidias zur Ausführung zugewiesen. Wir haben im Vorstehenden die Arbeiten des Künstlers lange nicht erschöpft, aber doch gewiß keine der bedeutenderen vergessen. Tilgner’s Talent ist ein durchaus eigenthümliches, es bekundet einen brillanten Naturalismus im Bunde mit einer dem Barok abgesehenen malerischen Inscenirung. Herr Pecht in seinen Berichten der Münchener Kunstausstellung aus dem Jahre 1879 bemerkt, indem er die schöne Büste Tilgner’s bespricht, welche den bekannten Regenerator der böhmischen Glasindustrie Lobmeyer darstellt, „daß es dem Künstler [154] hier einmal gelungen sei, in derselben das Ideal eines Industriellen darzustellen, dem das Gemeinwohl immer noch höher am Herzen liegt als das eigene“. Ob Tilgner seine ideale Aufgabe zu lösen, eben nur dieses eine Mal gelungen, das hier näher zu untersuchen, möge dahin gestellt bleiben; im hohen Grade befremdend erscheint es uns aber, wenn sich der Kritiker dabei für unseren Künstler des Epithetons „der leichtsinnige Wiener“ bedient; diese Art der Kritik und Charakteristik eines Künstlers ist uns neu, wie es uns auch unerfindlich, woher sich ein Kritiker und sei er, wer er wolle, das Recht dazu geholt haben kann.

Neue illustrirte Zeitung (Wien, Zamarski, kl. Fol.) 1875, Bd. I, Nr. 21. – Die Heimat (Wiener illustrirtes Familienblatt, 4°.) 1880, S. 168. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.[WS 2]) 25. September 1879, Nr. 268, S. 3939: „Die Münchener Kunstausstellung“. Von Friedr. Pecht. IX. Deutsche Sculptur. – Allgemeine Kunstchronik. Von Dr. Heinrich Kabdebó (Wien, 4°.) I. Jahrg. 1878/79, Nr. 2, S. 23; Nr. 3, S. 43; Nr. 9, S. 140; Nr. 10, S. 154; III. Bd., Nr. 7, S. 138; Nr. 9, S. 166; IV. Bd., Nr. 2, S. 22; Nr. 3, S. 38; V. Bd., Nr. 1, S. 5; Nr. 9, S. 85.
Porträte. 1) Holzschnitt nach Zeichnung von F. Weiß in der „Neuen Illustrirten Zeitung“ 1875, Nr. 21. – 2) Chemitypie von Angerer und Göschl nach Zeichnung von Appelrath in der „Heimat“ 1880, S. 169.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Pönniger.
  2. Vorlage: 1°..