Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 2 (1857), ab Seite: 96. (Quelle)
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Boué, Ami (Naturforscher, geb. zu Hamburg 16. März 1794). Vater und Mutter gehören angesehenen, in Hamburg eingebürgerten Kaufmannsfamilien an. Die Familie selbst ist französischen Ursprungs, die nach der Wiederrufung des Edictes von Nantes vorzog, das Vaterland zu verlassen, als sich einer ungerechten Maßregel zu fügen. Ami wurde in Burmeisters Pensionat zu Hamburg erzogen. Dort lernte er insbesondere die Geographie und das kaufmännische Rechnen. Später wurde die Erziehung im Elternhause fortgesetzt, und namentlich der Unterricht in Sprachen berücksichtigt. Kriegs- und Familienumstände vereitelten die Absicht, in Göttingen B.’s Bildung zu vollenden, und er studirte nunmehr theilweise in Genf, Paris, Edinburg und Berlin. Die Liste der Lehrer, unter denen Boué seine Studien gemacht, enthielt große Namen [97] der Wissenschaft, in den philosoph. Studien Pierre Prevost aus der Dugald Stewart’schen Schule; für Mathematik Lhuilier, der dem Jünglinge besondere Theilnahme bewies; für Mineralogie de Luc, Rob Jameson zu Edinburg, Hauy, Brochant und Weiß zu Berlin; für Botanik Hermes, ein Schüler Willdenow’s; für Zoologie Lamark, Latreille, Geoffroy St. Hilaire, Cuvier; für medicinische Wissenschaften, de Gregory, Pinel, Dupuytren, Alibert, Gall, Hufeland, Berends. 1817 wurde B. zum Doctor der Medicin in Edinburg promovirt. Die günstigen Vermögensverhältnisse B.’s – denn sowohl von väterlicher als mütterlicher Seite herrscht Wohlhabenheit, von ersterer besteht noch ein Familien-Fideicommiß zu Hamburg, durch letztere ist die Familie Boué in inniger Verbindung mit der alten Familie de Chapeaurouge, von welcher der Chef des Hauses jetzt Senator in Hamburg ist – gestatteten es B., jene Unabhängigkeit sich zu bewahren, die, wenn eine ernste und gründliche Bildung vorangegangen, der Wissenschaft gewöhnlich die ersprießlichsten Dienste geleistet hat. Um die von tüchtigen Meistern begründete theoretische Bildung recht wirksam in’s Leben treten zu lassen, beschloß B., dieselbe auf Reisen durch Länder- und Menschenkenntniß zu vollenden. Zur Geologie vor allen andern Wissenschaften hingezogen, unternahm er, im nächsten Hinblick auf diese Wissenschaft, seit den Jahren 1812 bis 1839 eine Reihe von Reisen. Vier Sommer brachte er in Schottland zu, besuchte mehrere Theile Englands, das nördliche und westliche Island, Frankreich sammt den Pyrenäen, mehrere Theile der Schweiz, Savoyen und Belgien, ganz Deutschland, mit Ausnahme der Eifel und der baltischen Länder, sämmtliche Kronländer des österreichischen Kaiserstaates außer Dalmatien und der Bukowina, die europäische Türkei, u. in drei Reisen Italien bis Neapel. Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Reisen legte B. in einer Reihe von Werken, Karten und Abhandlungen, welche die Summe von 200 übersteigen, nieder. Seine geologischen und paläontologischen Sammlungen befinden sich, größtentheils mit Katalogen versehen, im Museum des Jardin des plantes zu Paris. Insbesondere bemerkenswerth ist noch B.’s seit 1828 begonnenes Repertorium über Physik, Chemie, Naturgeschichte, Geologie, Paläontologie, Geographie und angewandte Wissenschaften, welches über 250,000 Thatsachen, Bücher und Abhandlungen umfaßt; dasselbe ist in methodisch-leichtfaßlicher Ordnung ausgeführt. Eine reiche Kenntniß von Sprachen, indem B. deren 13 mit mehr oder weniger Leichtigkeit liest und spricht (darunter die russische, serbische und türkische), fördern dengelehrten Geologen in seinen Arbeiten, von denen in der folgenden Darstellung nur die selbständigen vollständig, von den zerstreuten Abhandlungen aber jene berücksichtigt werden sollen, welche die Kenntniß des Kaiserstaates nach naturwissenschaftlicher, insbesondere geo- und paläontologischer Hinsicht vermitteln. Alle übrigen Arbeiten sind im unten bezeichneten Almanach der kaiserl. Akademie, und in seinen Fortsetzungen detaillirt verzeichnet. Selbständige Werke: „Dissertatio inauguralis de Methodo Floram regionis cujusdam conducendi exemplis e Flora Scotica etc. ductis“ (Edinburg 1817, 63 S., 8°.); – „Essai géologique sur l’Ecosse“ (Paris 1820, 519 S. 8°. Mit 2 Karten und 7 Kupf. Durchsch.); – „Geognostisches Gemälde Deutschlands mit Rücksicht auf die Gebirgs-Beschaffenheit nachbarlicher Staaten. Herausgegeben von C. v. Leonhard“ (Frankf. a. M. 1829, 623 S., 8°. Mit 8 Kupft. Durchsch.); – „Journal de Géologie, [98] von A. Boué, Jobert und Rozet“ (Paris 1830–31, 3 Bde., 8°. Mit Kart. und Kupfrt.) [von B. mit den beiden andern Geologen gegründet]; – „Mémoires géologiques et paléontologiques“ (Paris 1832, 362 S., 8°. Mit 4 Kupfrt.); – „Guide du Géologue-Voyageur“ (Paris 1836, 2 Bde., 12°. Mit 4 Kupfrt. und 1 Tabelle) [Nachdruck zu Brüssel]; – „La Turquie d’Europe ou observations sur la Géographie, la Géologie, l’Histoire naturelle, la Statistique, les Moeurs, les Costumes, l’Archéologie, l’Industrie, le Commerce, le Gouvernement divers, le Clergé, l’Histoire politique et l’état politique de cet Empire“ (Paris 1840, 4 Bde., 8°., mit 1 Karte); – „Der ganze Zweck und der hohe Nutzen der Geologie in allgemeiner und in specieller Rücksicht auf die österreichischen Staaten und ihre Völker“ (Wien 1851, 128 S., 8°.); – „Sur l’Etablissement de bonnes Routes et surtout de Chemins de fer dans la Turquie d’Europe“ (Wien 1852, Braumüller, 8°.). – Geologische u. ethnographische Karten: „Geologische Karte Schottlands. 1820“; – „Geologische Karte Europa’s“ (Zeitschr. für Mineralogie, Aug. 1827. 1. Bl. – Zweite verbesserte Auflage: „Carte géologiq. de l’Europe et des continens voisin (durch Herrn de Caumont herausgegeben). Paris 1831, 1 großes Blatt. Copirt in Lyells Principles of Geology. 1832, Bd. 2. – in Berghaus Physik. Atlas 1843, Ch. Nr. 4 und Nachdruck zu Weimar 1848); – „Geologische Karte Siebenbürgens“ (Mém. Soc. géol. de Fr. 1834, Bd. 1., Th. 2., Taf. 15); – „Geologische Karte der europäischen Türkei“ (1840, 1842 und 1847); – „Carte géologique du Globe terrestre“ (durch Herrn Commandant Leblanc u. die geologische Societät zu Paris herausgegeben). (Paris 1845, 1 gross. col. Blatt) [Wird noch immer verbessert.] Reduc. und verbess. in Berghaus, Physik. Atlas von Keith-Johnstohn 1847, 3. Theil; – „Geologische Kolorirung der 2 Detailkarten des Hrn. Visquenel’s namentlich die des nördlichen Albaniens, Serbiens, eines Theiles von Bosnien (Mém. Soc. géol. de Fr. 1842, Bd. 5, Theil 1) und von Macedonien, Thessalien und eines Theiles von Albanien“ (Ebend. 1846, N. F., B. 1, Th. 2.); – „Ethnographische Karte der Europäischen Türkei“ (Berghaus Physikal. Atlas, 1844); – „86 geologische Durchschnitte“; – „Sechs kleine geologische Karten sammt 86 geologischen Durchschnitten“. – Von B.’s zahlreichen in gelehrten Vereinsschriften enthaltenen Abhandlungen folgen hier alle, welche den Kaiserstaat betreffen. – Im „Edinburgh philosophical Journal“: „Kritik der neptunischen Meinungen des Hrn. Beudant’s über krystallinische massive Gesteine in seinem Werke über Ungarn“ (1824, Bd. 9, S. 17); – „Ueber den Karpathen-Wiener-Sandstein“ (ebend. S. 371). – In den „Proceedings“ der Geological Society of London: „Erläuternde Skizze zweier vorgelegter geologischer Detailkarten des südl. Bayerns und des Erzherzogthums Oesterreich“ (1830, Bd. 1, S. 223) [franz. J. d. Géologie 1831, Bd. 1, S. 373, u. deutsch. Arch. f. Mineral. 1831, Bd. 3, S. 562]; – „Erläuternde Skizze einer geologischen Karte von Bayern und des nordwestl. Ungarn“ (1830, Bd. 1, S. 239) [franz. J. d. Géologie 1831, Bd. 3, S. 280, deutsch. Arch. f. Mineral. 1831, Bd. 3, S. 574]. – In den „Annales de Sciences naturelles“: „Ueber die tertiären und basaltischen Gebilde des südwestlichen Deutschlands nördlich der Donau“ (1824, Bd. 2, S. 5); – „Ueber die ältern und Flötz-Gebilde desselben Theiles Deutschlands“ (1824, Bd. 2, S. 173, mit Durchschnitten). – Im „Journal de Géologie 1830–31“: „Resultate meiner Beobachtungen über das relative Alter der Flötz-Gebilde der Alpen und Karpathen“ (Bd. 1, S. 50 und 115, mit 8 Kupfert., u. Bd. 2, S. 308); – „Das Kniestersalz Wieliczka’s“ (S. 98); – „Das tertiäre Gebilde Galiziens“ (337. S. u. [99] Bd. 2, S. 1, mit 7 Durchschnitten); – „Beudant’s Irrthum über die Fortbildung des Süsswasser-Kalkes Ungarns“ (S. 389); – „Einige Bergwerke Siebenbürgens, vorzüglich Vorös-Patak“ (S. 267); – „Die Lagerstätte der Marmaroscher Diamanten“ (S. 314); – „Die tertiären Gebilde in und vorzüglich vor den deutschen Alpen, so wie in Ungarn und Siebenbürgen“ (S. 333 u. B. 3, S. 1 u. 96); – „Katalog der bestimmten tertiären Petrefacten jener Länder“ (Bd. 2, S. 375, u. Bd. 3, S. 7); – „Lagerstätte des Scorza Epidot in Siebenbürgen“ (S. 409); – „Kritik einer Abh. des Herrn Sedgwick und Murchison über die östr. Alpen“ (1831, Bd. 3, S. 35). – In den „Mémoires géologique paléontologiques“: „Beschreibung zehn interessanter Gegenden in Salzburg und Oesterreich, wo die Gosau- oder die Nummuliten-Formation vorkommt, besonders der Halleiner und Ischler Salz-Gebirge“ (S. 185–240, mit Karten und Durchschnitten). – Im „Bulletin de la Société géologique“: „Das Zusammenvorkommen der Ammoniten, Belemniten und Orthoceren im mittlern Flötz-Kalksteine der österreichischen und italienischen Alpen, so wie in den Karpathen“ (1831, Bd. 1, S. 129 u. 136, 1841, Bd. 13, S. 88 u. 136, auch N. Jahrb. f. Miner. 1844, S. 329); – „Die Versammlung der deutschen Naturforscher zu Wien im J. 1832“ (1832, Bd. 3, S. 32, auch Ann. des Mines. 1833); – „Geognostisches über Piemont und die Gegend von Sirone und Lecco im Mailändischen“ (S. 87); – „Vicentinische eocene Petrefacten-Bestimmungen“ (S. 90); – „Die Petrefacten bei Kaibel, Bleiberg und Idria“ (S. 92); – „Deshaye’s revidirte Bestimmung der gesammelten tertiären Petrefacten in der östr. Monarchie“ (S. 124–129); – „Geologie um Recoaro und Schio im Vicentinischen“ (S. 339); – „Farnkraut-Kohlenschiefer der Turracher Alpe (Steyermark)“ (S. 280) [vollständig: Mém. Soc. géol. Fr. 1835, Bd. 2, S. 53]; – „Erhebungskrater in nicht vulkanischen Gebilden mit besonderer Beziehung auf Kärnthen“ (1835, Bd. 6, S. 29) [vollständig: Mém. u. s. w. 1836, Bd. 2, S. 68]; – „Geologie des Banats, vorzüglich längs der Donau“ (1836, Bd. 8, S. 136); – „Geologie Vöslau’s“ (1841, Bd. 13, S. 82, u. 1842, Bd. 14, S. 66); – „Seltenes Vorkommen der Belemniten in der Gosau-Formation an der Wand (N. Oest.). Entdeckung des Herrn von Haidinger“ (S. 133); – „Wiener Sandstein“ (1842, Bd. 14, S. 61); „Die Versammlung der deutschen Naturforscher zu Graz im J. 1842, 1843“ (N. F. B. 1, S. 15); – „Versuch einer Tabelle der jährlichen Metall- und Hüttenmännischen Ausbeute aller Bergwerke und Hütten der östr. Monarchie“ (S. 141). – In den „Mémoires de la Société géologique de France“: „Allgemeiner Ueberblick über die Karpathen, die Marmarosch, Siebenbürgen und gewisse Theile von Ungarn“ (1834, Bd. 1, Th. 2, S. 215 u. 258) [Auszug im Bull. dito 1833, Bd. 3, S. 72]; – „Ueber die Geologie Illyriens, Istriens, der südlichen Steiermark u. eines Theiles Croatiens“ (1836, Bd. 2, Th. 1, S. 42 mit 1 Kupfert.) [Ausz. im Bull. 1836, Bd. 6, S. 80]. – In der „Zeitschrift für Mineralogie“: „Skizze von Siebenbürgen“ (1825, S. 508) [Ausführlicher in Proceed. géol. Soc. Lond. 1830, Bd. 1., S. 242, deutsch in Karsten’s Arch. f. Min. 1831, Bd. 3, S. 578, endlich verbessert und mit geol. Karten in Mém. Soc. géol. Fr. 1834, Bd. 1, S. 258]; – „Salzburger Petrefacten“ (1833, S. 63). – In dem „Berichte über die Mittheilungen der Freunde der Naturwissenschaften in Wien“: „Etwas über die Meteorologie Vöslaus“ (Bd. 3, S. 338); – „Ueber die Thermal-Quelle Vöslaus und die falsche Krater-Form einiger Gebirge“ (dito S. 382). – In den „Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften“, mathem.-naturhist. Classe: „Ueber die Höhe, die Ausbreitung und die noch jetzt vorhandenen Merkmale des Miocen-Meeres in Ungarn und vorzüglich in der europäischen Türkei“ (S. 382). – Boué ist emeritirter erster Secretär, Vicepräsident [100] und Präsident der geol. Gesellschaft von Frankreich zu Paris; am 1. Febr. 1848 wurde er correspondirendes, am 17. Juli 1848 wirkliches Mitglied der kais. Akademie d. Wissensch. Im J. 1847 verlieh ihm die Londoner geologische Gesellschaft die Wollaston’sche Palladium-Medaille, und gegen 30 naturwissensch. Akademien ernannten B. zu ihrem Mitgliede.

Almanach der kais. Akademie der Wissenschaften für 1851 (Wien, Staatsdruckerei, 8°.) S. 127, 138 [das vollständige Verzeichniß seiner Schriften und Abhandlungen, wovon in obiger Skizze nur die den Kaiserstaat betreffenden ausgezogen worden]. – Schröder (Hans), Lexikon der Hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart (Hamburg 1849–1854). – Quérard (J. M.), La France littéraire (Paris 1827, 8°.) I. Bd. S. 445. – La littérature française contemporaine 1827–44, par M. Charles Louaudre et Felix Bourquelot (Paris 1846, Daguin) II. Bd. S. 375. – Porträt: Facsimile des Namens, lithogr. de Thierry frere, in der Collection des naturalistes français du bulletin d’histoire nat. de France à dater de 1830 [III. Section Géologistes].