BLKÖ:Thun-Hohenstein, Friedrich Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 45 (1882), ab Seite: 48. (Quelle)
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Thun-Hohenstein, Friedrich Graf (Diplomat, geb. zu Tetschen in Böhmen am 7., nach Anderen am 8. Mai 1810, gest. ebenda am 24. September 1881), zweitgeborener Sohn des Grafen Franz Anton I. aus dessen Ehe mit Theresia Maria Gräfin Brühl. Zugleich mit seinen Brüdern Franz Anton II. und Leopold Leo im elterlichen Hause trefflich herangebildet, bezog er die Prager Hochschule, an welcher er die juridischen Studien beendete. Hierauf ging er mit seinen Eltern und Geschwistern auf Reisen, auf denen er innerhalb zweier Jahre Großbritannien, Frankreich und Oberitalien besuchte. Nach seiner Heimkehr, 29. Juli 1835, widmete er sich der diplomatischen Laufbahn. Im Jahre 1837 Attaché des kaiserlichen Gesandten im Haag, wohnte er 1838 der Krönung der Königin Victoria in England bei und fungirte dann auf den Londoner Conferenzen über die belgische Frage als Secretär des k. k. Bevollmächtigten, des Botschafters im Haag Grafen Senfft-Pilsach [Bd. XXXIV, S. 108]. 1840 kam er als Legationssecretär zur kaiserlichen Gesandtschaft in Turin, wo er, bis August 1844 verbleibend, die letzten sechs Monate, nach Abgang des Fürsten Felix Schwarzenberg bis zur Ankunft des neuen Botschafters Grafen Karl Schauenstein, sein Amt als bevollmächtigter Geschäftsleiter versah. Nach seiner Abberufung der Staatskanzlei in Wien zugetheilt, erhielt er gegen Ende 1847 seine Bestimmung als Gesandter am königlichen Hofe zu Stockholm. Kaum aber war er auf seinem Posten eingetroffen, als die Märzbewegung des Jahres 1848 ausbrach. Metternich trat von seinem Platze ab, und dessen Nachfolger, Graf Fiquelmont, bestätigte Thun’s Ernennung zum Gesandten am schwedischen Hofe, übertrug ihm jedoch sofort eine vertrauliche Mission mit der Weisung, dieselbe auf einem Umwege über St. Petersburg nach Wien zu überbringen. Da es dem Grafen Friedrich verboten war, seinen Weg über Berlin zu nehmen, und zwischen Petersburg und Stockholm noch keine Dampferlinie bestand, mußte er die Reise über Abo antreten und den bothnischen Meerbusen auf einer einfachen Barke überschiffen. Den Sommer des Bewegungsjahres 1848 brachte er theils bei seiner Familie in Böhmen, theils am kaiserlichen Hoflager in Innsbruck zu, kehrte aber noch im September auf seinen Posten in Stockholm zurück. Bald nach Beginn des Jahres 1849 wurde er zum Gesandten in München, 1850 zum Präsidialgesandten an dem erneuerten Bundestage in Frankfurt am Main und im December 1852 zum Gesandten in Berlin ernannt. In letzterer Eigenschaft begleitete er 1854 den preußischen König zur Zusammenkunft mit dem Kaiser von Oesterreich und dem Könige von Sachsen in Tetschen am 8. bis 10. Juni. 1854 zur Disposition gestellt, sah er sich schon im Winter 1855 zum Adlatus des Feldmarschalls Radetzky im lombardisch-venetianischen [49] Königreiche, mit dem Sitze in Verona, erhoben, auf welchem Posten er bis zur Ernennung des Erzherzogs Ferdinand Max zum Civilgouverneur verblieb, worauf er 1857 auf seine Güter zurückkehrte. Im Herbst 1859 als Botschafter an den St. Petersburger Hof geschickt, verbrachte er daselbst bis zum Jahre 1863, in welchem er aus Familienrücksichten aus den kaiserlichen Diensten ausschied. Seit dieser Zeit auf seinen Gütern lebend, wurde er im Jahre 1867 von Seite der Großgrundbesitzer in den böhmischen Landtag gewählt, in welchem er, die politischen Gesinnungen seines Bruders Leo, des Führers der conservativen oder historischen Adelspartei, theilend, derselben angehörte. Auch dem kirchlichen Leben blieb Graf Friedrich nicht fremd. Als 1870 das Wiener erzbischöfliche Consistorium während der h. Fastenzeit an einem bestimmten Sonntage in sämmtlichen Pfarrkirchen Wiens Sammlungen für den h. Vater anordnete, gab er der Aristokratie der Residenz bekannt, daß er in der Pfarre St. Michael mit der Sammlung betraut sei. Auch war er die Seele des Prager Katholikenvereins und Präsident der St. Michaels-Bruderschaft in Wien. Im Jahre 1879 wurde er als erbliches Mitglied in das Herrenhaus des österreichischen Reichsrathes berufen, in welchem bereits sein Bruder Leo und noch vier Mitglieder der Familie Thun, die Grafen Emanuel, Chef der Linie Castell-Brughier, Guido, Ladislaus und Oswald Plätze einnahmen. Nach dem Tode Franz Antons I., 1873, brach wegen des Besitzes der Fideicommißherrschaft Tetschen ein Proceß aus zwischen Friedrich und seinem Neffen Zdenko Franz, dem ältesten Sohne des Grafen Franz Anton II., welch Letzterer in Folge seiner Verheiratung mit einer Bürgerlichen auf das Fideicommiß verzichtet hatte. Auf dieses erhob nun Graf Friedrich Anspruch und trat es auch an, während Graf Zdenko Franz behauptete, daß sein verstorbener Vater Franz Anton II. nur für seine Person auf die Erbfolge verzichtet habe, und daß die Descendenz an die Consequenz dieser Verzichtleistung nicht gebunden sei. Die Angelegenheit wurde, wie die Journale meldeten, durch einen Ausgleich beendet, welchem zufolge Graf Friedrich im Besitze des Majorates verblieb, während die Erben Franz Antons II. apanagirt werden sollten. Graf Friedrich Thun wurde 1850 wirklicher geheimer Rath, im November 1852 Großkreuz des Leopoldordens. Aus seiner am 15. September 1845 geschlossenen Ehe mit Leopoldine geborenen Gräfin Lamberg (geb. 9. April 1825), Sternkreuzordens- und Palastdame der Kaiserin, stammen drei Söhne und sechs Töchter, die sämmtlich aus der zweiten Stammtafel ersichtlich sind.

Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4° ) 1875, Nr. 67, S. 1019; 1878, Nr. 40; 1881, S. 3956, im Artikel: „Böhmische Wanderungen. II.“ Von Lucian Herbert. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1870, Nr. 67; 1877, Nr. 87 und 88, unter den politischen Tagesnachrichten. – Neue Freie Presse, 1881, Nr. 6134, S. 5/a. – Presse vom 8. Mai 1878, Nr. 125. – Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie (Wien, Fol.) 26. September 1881, Nr. 265, und 27. September 1881, Nr. 266. – Wiener Zeitung, 1863[WS 1], Nr. 89.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1763.