BLKÖ:Széchenyi, Paul (1642–1710)
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Széchenyi, Paul Graf (1789–1871) | ||
Band: 41 (1880), ab Seite: 233. (Quelle) | |||
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[234] (geb. zu Gyöngyös 1642, gest. am 22. Mai 1710). Ein Sohn Lorenz Széchenyi’s aus dessen Ehe mit Judith Gellén, und ein Bruder Georgs (II.) [S. 231, Nr. 12] ersten Grafen von Széchenyi, des unter dem Namen „Schrecken der Türken“ bekannten Helden. Dem geistlichen Stande sich widmend, studirte er zunächst in Wien, dann in Rom und trat 1662, 20 Jahre alt, zu Warndorf in den Pauliner Eremitenorden. Nachdem er längere Zeit als Professor der Theologie zu Preßburg, alsdann zu Tyrnau gewirkt hatte, bekleidete er auch verschiedene Aemter im Orden selbst, in welchem er noch lange Jahre verblieb, obwohl man ihm höhere geistliche Würden wiederholt anbot. Auch als ihn der päpstliche Nuntius in Wien zum Uebertritte in den Cistercienserorden bereden wollte, lehnte er entschieden ab. In den Jahren 1687–1697 führte er nacheinander die Verwaltung der Bisthümer von Fünfkirchen und Veszprim und später jene von Kalocsa. Als sein berühmter Oheim, der Graner Erzbischof und Primas Georg (I.) [S. 229, Nr. 11], 1695 das Zeitliche gesegnet hatte, wurde ihm und seinen Nachfolgern in der canonisch vereinigten Kalocsaer und Bácser Erzkirche von Kaiser Leopold I. die Obergespanswürde des Bácser Comitates verliehen. Bereits in jenen Tagen ging man in Regierungskreisen mit dem Gedanken um, Ungarn auf völlig deutschen Fuß zu setzen, aber schon den Bemühungen, ihn auszuführen, werden immer nur Weh und Jammer folgen. Als darüber in Wien berathen wurde, sprach Paul entschieden und offen seine gegentheilige Meinung aus. Der Jesuit Stephan Katona hat uns diese denkwürdige Antwort Pauls in seiner „Historia critica regum Hungariae“ aufbewahrt. Durch seinen stolzen Freimuth lenkte der würdige Priester den Blick des Kaisers Leopold I. auf sich, als es galt, anläßlich der Rákóczy’schen Unruhen den richtigen Vermittler zu wählen. Die politischen Verhältnisse in Oesterreich lagen zu jener Zeit tief im Argen. Der spanische Erbfolgekrieg war im Auflodern, die verbündeten Franzosen und Bayern drangen von Passau her in österreichisches Gebiet und fielen in Tirol ein; im Süden drohten die Verluste der Lombardie und Siciliens; Spanien und mit ihm Indien sollten in Philipp von Anjou ihren künftigen Herrscher anerkennen. Kein Wunder, wenn die malcontenten Ungarn eine so günstige Gelegenheit benützten, im Trüben zu fischen, sie erschienen im Marchfelde, bedrohten sogar Wien, sengten und mordeten in Mähren, spannten ihre Fangarme bis nach Schlesien hinüber, und Rákóczy ließ sich zu Weißenburg zum Fürsten Siebenbürgens, zu Seczyn zum Haupt des conföderirten Ungarn, zu Lublin zum Könige Polens wählen. So standen verwickelt und verschoben alle Verhältnisse. Da that ein Mann von Paul Széchenyi’s Art noth; furchtlos stand er Rákóczy und dessen wüsten Genossen im Gyöngyöser Lager gegenüber. „Wir mögen ihn nun erblicken“, schreibt ein Historiker in der Schilderung jener bewegten Zeit, „wie er mitten unter dem wilden Jubel der Tafel des Gyöngyöser Lagers Rákóczy’s und Bercseny’s frevlen Hohn über Gewissen und Unsterblichkeit, Gott und Ewigkeit mit demosthenischem Donner niederwirft, wie er die kaiserlichen Feldherren zur Mäßigung, die Gesandten der Vermittler zur Bundestreue mahnt, und im reißendsten Wechsel der Siege und Niederlagen, des Sonnenscheins und der dunklen Wolken der Hofgunst, immer der nämliche bleibt für Gott, den König und das Vaterland!“ Mochten die Rákóczy’schen seine Güter verwüsten, Feldmarschall Siegbert Graf Heister, ihre gefürchtete Zuchtruthe, der Sieger von Tyrnau, von Trencsin, von Rouchny, Miene machen, ihn aus der Residenz zu drängen, ihm Boten und Depeschen auffangen, ja ihm – dem Vermittler des Kaisers – Briefe schreiben, wie sie nur ein hochfahrender, ungestümer Geist hervorbringen konnte, alles das brachte ihn nicht aus seinem Gleichmuth, ließ ihn keinen Augenblick die Aufgabe vergessen, die er zu lösen hatte. Glücklich vermittelte er den Waffenstillstand, bereitete auch den Frieden vor, recht in dem milden versöhnenden Geiste seiner Familie, deren Wappen, die Taube mit dem Oelzweige, gleichsam das Symbol dieses Geistes ist. Den Abschluß des Friedens sollte er nicht mehr erleben. Nachdem er in Wien gewesen, wohin ihn Joseph I., der ihm seine ganze Huld schenkte, zu einer wichtigen Berathung berufen hatte, kehrte er in sein Vaterland zurück, wurde aber auf der Heimreise zu Oedenburg von einer Krankheit befallen, die den 68jährigen Greis dahinraffte. Bei den Paulinern in Warndorf, wo er seine priesterliche Laufbahn begonnen [235] hatte, wurde er auch zur ewigen Ruhe bestattet. Hundert Jahre später kam die fast noch unversehrte Leiche auf Geheiß des Grafen Franz in die Familiengruft zu Zinkendorf. Ein nicht unwichtiges Denkmal zur Geschichte der Zeit, in welcher Paul lebte, wie zu seiner eigenen und seines Oheims, des Graner Primas Georg, Charakteristik verdanken wir dem Director der Széchenyi’schen Regnicolarbibliothek Jacob Ferdinand Miller von Brassó, welcher das Werk: „Epistolae archiepiscoporum Georgi Strigoniensis et Pauli Colocensis e Comitibus Szécsényi ad Pontifices, Imperatores, Reges, Electores, Principes, Ministros, Belliduces aliosque illustres aevi sui viros datae et vicissim ab illis acceptae“ (Pesth 1807) herausgab. [Pados (János), Szécsényi Pál Kalocsai érsek életrajza, d. i. Biographie Paul Szécsényi’s, Erzbischofs von Kalocsa (Pesth 1862). – Ungarischer Plutarch oder Biographien merkwürdiger Personen des Königreichs Ungarn und der dazu gehörigen Provinzen. Aus authentischen Quellen geschöpft... Von Karl Vincenz Kölesy und Jacob Melzer (Pesth 1816, J. Eggenberger, 8°.) Bd. IX, S. 116. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. V, S. 218. – Taschenbuch für die vaterländische Geschichte. Herausgegeben durch die Freiherren von Hormayr und von Mednyansky (Wien, Franz Härter, 12°.) III. Jahrg. (1822), S. 435–438.] –
24. Paul