BLKÖ:Stiaßny, Wilhelm
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 38 (1879), ab Seite: 334. (Quelle) | |||
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Weiser stehenden Oberrealschule auf der Landstraße. Eine sorgfältige häusliche Erziehung wurde ihm durch seine Mutter (gest. 1866) und durch den bereits verstorbenen ehemaligen Schiffsarzt Doctor Eduard Schwarz der Novara-Expedition [Bd. XXXII, S. 286] zu Theil. Besonderen Werth legte Letzterer auf die gründliche Erlernung fremder, namentlich der romanischen Sprachen. 1857 trat S. in das Wiener Polytechnikum, das er 1861 mit Erfolg beendete. Hier machte er sich durch seine Bestrebungen zur Herbeiführung einer Reform der durchwegs veralteten Lehrmethode bemerkbar und überreichte 1859 im Vereine mit Collegen eine Denkschrift dem Directorate, in welcher die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform des Lehrwesens, ausführlicher Unterricht in den Hilfswissenschaften der Technik, endlich die Einrichtung von Specialschulen (Facultäten) verlangt wurde. 1861 trat S. in die Akademie der bildenden Künste, woselbst er Schüler der Professoren Van der Nüll [Bd. XX, S. 422], von Siccardsburg [Bd. XXXIV, S. 204], Rösner [Bd. XXVI, S. 247] und des Dombaumeisters Schmidt [Bd. XXX, S. 244, Nr. 37] wurde. Bald nach seinem Eintritte gründete S. im Vereine mit strebsamen Genossen, die „Wiener Bauhütte“, einen Verein von akademischen Schülern, dem sich nachmals fast sämmtliche Wiener Architekten anschlossen, und der unter Anderen auch die Veröffentlichung von strengwissenschaftlichen und künstlerischen Reiseaufnahmen hervorragender Baudenkmäler Oesterreichs zum Zwecke hatte, und dessen Präsident er eine Zeit lang war. Im Jahre 1862 erhielt Stiaßny einen akademischen Preis und verließ 1866 die Kunstschule, um seine Thätigkeit als selbständiger Architekt zu beginnen. – Im Februar 1867 wurde S. von dem österr. Handelsministerium zur Theilnahme an den Arbeiten der österr. Commission zur Weltausstellung nach Paris entsendet und ward daselbst später Beisitzer der internat. Jury für Arbeiterwohnungen. Dieser Umstand, sowie gründliche Studien über die bis dahin vernachläßigte Wohnungsfrage, denen Stiaßny sich auf seinen Reisen durch Frankreich, England, Belgien, Deutschland und die Schweiz widmen konnte, veranlaßten ihn, im Winter 1867/68 in einer Reihe von Vorträgen im niederösterreichischen Gewerbeverein das große Publicum für die Wohnungsfrage in Wien, mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der arbeitenden Classen zu interessiren. Auch strebte er eine Reform des Wohnungssystems im Allgemeinen an, indem er die Einrichtungen des englischen und des belgischen Familienhauses als mustergiltig hinstellte und an der Hand von statistischen Daten den Einfluß des Wohnungssystems auf Gesundheit, Sittlichkeit und Sterblichkeit in großen Städten, in [335] seiner „Denkschrift über die Gründung einer gemeinnützigen Baugesellschaft“ (Wien 1868, Gerold), nachwies. In diesem Jahre trat S. in den Verwaltungsrath des niederösterr. Gewerbevereins, an dessen Leitung er sich in hervorragender Weise bis Ende 1877 betheiligte. In diesem Zeitraume besprach er häufig große wissenschaftliche Fragen, die das Baugewerbe, das Wohnungssystem, Städteanlagen, die bauliche Entwicklung Wiens, endlich eine Reihe von kunstgewerblichen Angelegenheiten betrafen. Auch eine Reihe von Kundgebungen dieses Vereins, namentlich in Form von Petitionen an die Regierung, über den durch die Krisis 1873 hervorgerufenen Nothstand, über Wiener Localbahnen, die Kettenschiffahrt, worüber Ausführlicheres in der „Wochenschrift des niederösterreichischen Gewerbevereins“ 1867–1868 zu finden, rührt von ihm her. Die allgemeine Besserung der wirthschaftlichen Verhältnisse, welche 1868 in Oesterreich Platz griff, veranlaßte auch eine Steigerung der im Kriegsjahre 1866 gänzlich erlahmten Bauthätigkeit in Wien. In kurzer Zeit zählte Stiaßny zu den beschäftigtsten Architekten Wiens. Während einer 13jährigen Wirksamkeit (bis Ende 1878) führte er den Bau von 115 Wohngebäuden, Familienhäusern, Palästen, Fabriksgebäuden, Spitälern, Schulen u. s. w. in Wien, seiner Umgebung und in den meisten Kronländern aus. Im Jahre 1870 wurde er mit dem Baue des Rothschild-Spitales an der Gürtelstraße in Wien (beendet 1875) betraut, nachdem er bereits 1867 die begonnenen Specialstudien über das Spitalbauwesen durch Reisen in Deutschland beendet hatte. In Anbetracht dieser Leistung wurde er 1873 mit dem goldenen Verdienstkreuze mit der Krone ausgezeichnet. – 1871 wurde ihm der Bau des von Dr. L. A. Frankl angeregten und von Jonas Freiherrn von Königswarter gestifteten „Blinden-Institutes“ auf der hohen Warte bei Wien übertragen, das 1872 vollendet ward. Für die bei dem Congresse in Brüssel ausgestellten Pläne dieses Gebäudes erhielt Stiaßny die große silberne Medaille. – In den Jahren 1872–1875 führte S. die Hermannsstraße in Ober-Döbling, eine nach einem Gesammtplane durchgeführte Anlage von eleganten Familienhäusern für den wohlhabenden Mittelstand aus. In allen diesen Bauwerken vertrat S. in stylistischer Hinsicht die von der Wiener Bauschule cultivirte italienische Renaissance als diejenige Stylrichtung, welche den gegenwärtigen künstlerischen Anschauungen und praktischen Bedürfnissen am meisten entspricht. – 1875 verfaßte S. die Pläne zum Rothschild-Hospital in Smyrna, welches, Dank den Bemühungen des österreichischen General-Consuls Dr. von Scherzer [Band XXIX, Seite 227], 1876 trotz des Widerstandes der türkischen Regierung vollendet wurde. – 1877–1878 wurde nach seinen Plänen und unter seiner Leitung der Bau der Friedhofsgebäude und die Anlage des israelitischen Begräbnißplatzes auf dem Wiener Central-Friedhofe ausgeführt. – 1878 wurde ihm der Umbau des freiherrlich Königswarter’schen Schlosses Schebetau in Mähren übertragen, welches, in französischer Renaissance ausgeführt, mit allem Luxus und Comfort, den die moderne Technik einem Wohnsitze zu verleihen vermag, ausgestattet wurde. – 1873 betheiligte sich Stiaßny an der Ausführung der im Prater-Parke um das Weltausstellungsgebäude errichteten Baulichkeiten. Als [336] Mitglied der internationalen Jury auf der Sanitäts-Aufstellung in Brüssel 1876 konnte er die gewonnenen Erfahrungen im Spitalsbauwesen entsprechend zur Geltung bringen; in diesem Jahre wurde Stiaßny correspondirendes und wirkliches Mitglied mehrere gelehrter Gesellschaften in Oesterreich, Frankreich und Brasilien. – Am 4. März 1878 in den Wiener Gemeinderath gewählt, eröffnete sich für ihn ein neuer Wirkungskreis auf technisch-administrativem Gebiete. Der Gemeinderath entsendete ihn im September desselben Jahres in die Central-Donauregulirungs-Commission. Stiaßny besitzt neben seinen streng fachmännischen Kenntnissen, eine ausgebreitete literarische Bildung, die sich fast auf alle europäischen und klassischen Sprachen ausdehnt. Ein gründlicher Kenner der Musik ist er als trefflicher Beethovenspieler auf dem Clavier bekannt. Mit der Gabe der Rede ausgerüstet, spricht er überzeugend und mit großer Gewandtheit. Seit 27. December 1868 mit Julia Taussig vermält, stammt aus dieser Ehe ein Sohn Sigmund (geb. 5. Juli 1873).
Stiaßny, Wilhelm (Architekt, geb. zu Preßburg 15. October 1842), Sohn eines Wiener Bürgers und Kaufmannes. Er erhielt seine Erziehung an der Wiener Volksschule im heiligen Kreuzerhofe, in die er als kaum sechsjähriges Kind eintrat, sodann an der Unterrealschule zu St. Anna und in der unter der vortrefflichen Leitung des Directors- Illustrirte Zeitung. Redigirt von Czuczori (Budapest, kl. Fol.) I. Jahrg. (1878), Nr. 7, S. 6: „Wilhelm Stiaßny“.