Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sitte, Franz
Band: 35 (1877), ab Seite: 38. (Quelle)
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Sitter, Karl (Schriftsteller, geb. in Wien im Jahre 1825). Der Sohn [39] eines Kanzellisten der böhmischen Hofkanzlei. Er besuchte und beendete das Gymnasium zu den Schotten, die beiden philosophischen Jahrgänge an dem Lyceum zu Budweis, und widmete sich hierauf in seiner Vaterstadt dem Studium der Medicin. Mittellosigkeit war die Ursache, daß er das kostspielige Studium wieder aufgab, um nach dem Wunsche seines Vaters die Beamtenlaufbahn zu ergreifen. Er war jedoch kaum als Praktikant bei der damaligen k. k. Hofkriegsbuchhaltung eingetreten, als ihn das Jahr 1848 mitten in den Strom der Bewegung riß. Er betheiligte sich in diesem Jahre an mehreren Journalen als Mitarbeiter, vorzüglich an den Journalen: „Die Gegenwart“, von Schumacher, und „Der Freimüthige“, von Mahler, gegen das Ende der Bewegung, gab er selbst ein Witzblatt heraus, unter dem Titel: „Schwefeläther“, das aber nur auf den Moment berechnet, mit dem Momente auch wieder zu Grunde ging. Nach der Revolution im Jahre 1849 nahm er seine Entlassung als Praktikant, und gründete im Vereine mit dem Romanschriftsteller Ed. Breier das Witzblatt „Punch“, das bald ein sehr verbreitetes und in allen Classen der Gesellschaft gelesenes Blatt der Residenz wurde. Der „Punsch“ wurde im Jahre 1851 seiner oppositionellen Haltung wegen von der Militärbehörde verboten, und Karl Sitter als gewesener Redacteur von der damaligen Stadthauptmannschaft zum Militär abgestellt, um bis zu seinem 45. Lebensjahre als Gemeiner zu dienen. Die ersten zwei Jahre davon sollte er bei der Strafcompagnie zu Olmütz verbringen, nach einer damaligen Verordnung für solche, die aus politischen Gründen zwangsweise zum Militär abgestellt wurden, er wurde aber schon nach einem Jahre auf Verwendung des Ministers Baron Bach wieder freigelassen. Seine sehr interessanten Erlebnisse bei der Strafcompagnie schilderte er später im Jahre 1872 in der damals bestandenen Wochenschrift „Der Correspondent“. Nach seinem Rücktritte in den Civilstand nahm er seine unterbrochenen medicinischen Studien wieder auf, und beendete dieselben vollkommen, ohne jedoch den Doctorgrad zu erwerben, da er keineswegs den Beruf zum Arzte in sich fühlte. Während er diesen Studien oblag, war er zugleich auch literarisch thätig, und betheiligte sich an den Journalen: „Die Morgenpost“, „Der Telegraph“ und hauptsächlich an Schwarzer’s Journal „Die Donau“ mit humoristisch-satyrischen Feuilleton-Artikeln. Für letzteres Journal schrieb er auch den humoristischen Roman: „Leben und Lieben in Wien“, der später in Buchform erschienen ist. Im Jahre 1857 übernahm er die Redaction des humoristischen Wochenblattes „Figaro“, und des damit in Verbindung stehenden Figarokalenders, während er zugleich für Waldheim’s „Mußestunden“ kleinere Artikel, wie „Das Genie von Lischau“ [1859, S. 312], „Das Sparcassebüchel und die Gewerbefreiheit“ [1860, S. 1860, S. 91, 103, 115], „Die weiblichen freiwilligen Bataillone in England“ [ebd., S. 306] u. a., dann für desselben „Illustrirte Zeitung“ die „Wiener Gasflammen“ eine Reihe humoristischer Artikel über die Wiener Gesellschaft schrieb, und zwei kleine Bändchen humoristischer Skizzen unter dem Titel „Modernes Wien“ herausgab. Seit 1. Jänner 1876 erscheint in Verbindung mit dem „Figaro“ eine nach Friedrich Schlögl’s kulturhistorischem Werke „Wiener Luft“ betitelte Beilage, gleichfalls unter Sitter’s Redaction, [40] mit vorwiegend localen und socialen Stoffen, getreue Scenen, Charaktere und Bilder aus dem Wiener Volksleben dringend, woran auch Schlögl mitarbeitet, und wofür Stur die Zeichnungen liefert. Das Blatt hat binnen kurzer Zeit Volksthümlichkeit erlangt, und erfreut sich großer Verbreitung.

Der Correspondent (Wiener Blatt), 1872, Nr. 40–50, im Feuilleton: „Blecherne Memoiren eines Journalisten aus Eisen“. Von Karl Sitter. – Klapp (Michael), Wiener Bilder und Büsten (Troppau 1867, H. Volck, 8°.), S. 192.