Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 31 (1876), ab Seite: 68. (Quelle)
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Schobri, Georg[WS 1] (ungarischer Räuber, Geburtsjahr unbekannt, geb. in Ungarn, wo er sich im Jahre 1837 bei Praga unweit Sümegh selbst erschoß). Eine der abenteuerlichsten Gestalten des Menschenlebens; was Gasparone oder Zampa in Italien, das ist oder war Schobri in Ungarn. Ursprünglich Fleischer seines Zeichens, lebte er zu Czenstochau in Russisch-Polen, mit der Ausübung seines Gewerbes beschäftigt. Da ermordete er in einem Anfalle von Eifersucht seine Geliebte, nun war seines Bleibens nicht länger im Orte. Aus Furcht vor den Gerichten floh er in die Wälder, sammelte alsbald eine Bande verwegener Burschen, mit welcher er in dem seiner Bewaldung wegen berühmten und ob seiner Unsicherheit berüchtigten Bakonyer Walde Ungarns sein Unwesen trieb. Seine ebenso kühnen und verwegenen, als listigen und mitunter komischen Streiche machten ihn alsbald zu einem Manne des Volkes; er war der Rózsa Sándor der Dreißiger-Jahre. Seine Thaten lebten damals in Aller Munde, er war einige Zeit geradezu der Held des Tages. Da wurde durch Verrath im Jahre 1837 sein Schlupfwinkel entdeckt und er von einem ihn in demselben zu überfallen abgeordneten Uhlanen-Piquet umringt. Um nicht in die Hände der Soldaten zu fallen, erschoß er sich selbst. Mehrere Jahre später, 1843, brachte die „Kölner Zeitung“ die befremdliche Nachricht, „Räuber Schobri befindet sich zur Zeit (1843) zu Charlestown in Nordamerika als Apotheker ansässig. Er habe sich im Jahre 1838 über Hamburg dahin begeben und dort bei einem deutschen Phamaceuten die Apothekerkunst erlernt“. Daß man das Leben des berüchtigten Briganten, so gut es eben gehen wolle, ausbeuten würde, versteht sich von selbst. So erschien denn auch ein ungarischer Roman, der Schobri’s Namen als Titel trägt, von Ladislaus Halics Székhely, wovon ein Ungenannter eine deutsche Uebersetzung unter dem Titel: „Georg Schobri, der Räuberhauptmann in Ungarn. Ein Charakter-Gemälde der neuesten Zeit. Nach dem Ungarischen u. s. w.“, 2 Theile (Leipzig 1837. Klein; 2. Aufl. ebd. 1838, 16°.), herausgegeben hat. – Das Gymnase dramatique zu Paris brachte den Räuber sogar auf die Bühne unter dem Titel: „Schubry, le brigand hongrois, vaudeville par M. M. Deforges et Paul Duport. Bei der Aufführung jedoch zeigte sich die Mystification, da man nämlich dem schon früher gegebenen Vaudeville der beiden genannten Autoren: „Roche le Barbu“ den zeitgemäßeren Namen des ungarischen Banditen gegeben hatte, wahrscheinlich, um neues Publicum anzulocken. – Dergleichen kommt in Deutschland und anderswo auch vor, hatte man doch. als der berüchtigte Grasl mit seiner Bande (1816) Böhmen zittern machte, in Budweis ein Melodram, betitelt: „Franz Grasl, der böhmische Räuber“, aufgeführt, welches Stück nichts weiter als Schiller’s „Räuber“ war, nur hatte man Franz Moor in einen Schlächtergesellen, Amalie in eine čechische Ludmilla und Spiegelberg in einen Juden umgestaltet. Das Pikanteste aber ist, daß die Franzosen den ungarischen Schobri, an dessen Existenz noch keinem Menschen zu zweifeln eingefallen ist, als die müssige [69] Erfindung eines geistreichen Journalisten, als ein Wesen, das gar nie existirte, erklärten. Denn, als obenerwähnte Mystification im Theater Gymnase dramatique gegeben wurde, schrieb der Theater-Recensent des Pariser Journals: „Charte de 1830“ wörtlich das Folgende: „tout le mond (?) sait aujourdhui à quoi s’en tenir sur l’existence de ce fameux brigand hongrois, sorti tout armé de la cervelle d’un fort spirituel journalist qui a inventé bien d’autres“. Nun, daß die Feuilletonisten Dichtungen zu Thatsachen erheben, kommt oft genug vor, hier aber bietet sich der seltene, vielleicht einzige Fall dar, daß ein Feuilletonist eine Thatsache in’s Reich der Dichtung versetzt. – E. M. Oettinger, der in seinem Blatte „Argus“ 1837, Nr. 189, eine sehr pikante Geschichte von Schobri erzählt, die in vielen Blättern nachgedruckt wurde, läßt Schobri gehenkt werden. Man sieht also, es zieht sich noch zu seiner Zeit ein mythischer Schleier um den Helden des Waldes, nach den Franzosen hätte er gar nicht existirt, nach Anderen habe er sich, um, überfallen, nicht in die Gewalt der Soldaten zu gerathen, selbst erschossen, und der berühmte Bibliograph und Humorist Oettinger läßt ihn gar hängen.

Frankl (Ludwig Aug. Dr.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) II. Jahrgang (1843), S. 507: „Schobri in Amerika“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vergleiche dazu die Ergänzungen und Berichtigungen Sóbri, Józsi.