BLKÖ:Schilling, Julius

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 29 (1875), ab Seite: 322. (Quelle)
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Schilling, Julius (der eigentliche Anreger des Mozart-Denkmals in Salzburg, geb. zu Posen 21. September 1800, gest. zu Salzburg 3. März 1870). Scheint eine traurige Jugend verlebt zu haben, denn in seinen eigenhändigen Aufzeichnungen, aus denen die folgende Skizze zusammengestellt ist und die seit seinem Aufenthalte in Berlin im September 1821 beginnen, bemerkt er anläßlich [323] der Zeit vor seiner Ankunft in Berlin: „Mit meiner Reise von Posen nach Berlin fange ich an, da die Erinnerung mir nur traurige Bilder aus der früheren Periode meines Lebens aufstellt, die mir zu tief in mein Gedächtniß eingeprägt sind und daher keiner Bemerkungen bedürfen“. Die ausgeprägte, fehlerfreie Schrift und der für Tagebuchaufzeichnungen sehr gewandte Styl lassen vermuthen, daß S. eine gute Erziehung genossen habe. Ueberdieß scheint er das Setzerhandwerk gelernt zu haben. Am 3. Mai 1821, damals 21 Jahre alt, verließ S. seine Heimat Posen und nun brachte er bis zum Herbst 1823 auf der Wanderschaft zu. Er besuchte und hielt sich während derselben bald längere, bald kürzere Zeit auf in Wittenberg, Dessau, Halle, Leipzig, Altenburg, Jena, Weimar, Gotha, Eisenach, Marburg, Frankfurt a. M., Mainz, Nassau, Darmstadt, Baden, Heidelberg, Rastatt, Straßburg, Stuttgart, Heilbronn, Mannheim, Worms, Coblenz, Wiesbaden, Speyer, Aschaffenburg, Würzburg, Bamberg, Nürnberg, Erlangen, Eichstädt, Ingolstadt, München, Memmingen, Constanz, Schaffhausen, Aarau, Bern, Luzern, Einsiedeln, St. Gallen, Feldkirch, von wo er im Herbst 1823 in Salzburg eintraf und daselbst seine bleibende Wohnstätte aufschlug. Ueber die vorgenannten Städte schreibt S. in seinen Aufzeichnungen in einfacher, aber anregender Weise Alles nieder, was er gesehen, und er ließ es sich angelegen sein, Vieles zu sehen. In Salzburg, wo ihn die reizende Lage der Stadt fesselte, erhielt er in der Duyle’schen Druckerei Beschäftigung als Schriftsetzer, und immer wieder verlängerte S. die kurze Zeit, die er anfangs zu bleiben gedachte, bis er nach 47jährigem Aufenthalte in derselben daselbst auch seine letzte Ruhestätte fand. Es ist ein stilles und doch ungemein reges Menschenleben, welches sich unbemerkt von der Welt abspinnt und doch manchen ganz tüchtigen Knopf in seinen Lebensfaden schlang. Unter der halben Namenschiffre Jul. Sch. lieferte er dann und wann kleine poetische Beiträge in verschiedenen Localblättern, die keinen hohen dichterischen Schwung, aber einen gewandten Ausdruck und eine glückliche Form bekunden. Außer einigen landschaftlichen Schilderungen befinden sich darunter mehrere metrisch bearbeitete „Untersbergsagen“, im „Bayerischen Gebirgsboten“ 1848, Nr. 42, 44, 47, 49, und 1849, Nr. 47; verschiedene Salzburger Volkssagen: „Die Freude am End“ (Grenzboten 1855, Nr. 90); – „Das Gastmahl“ (ebd. 1855, Nr. 72); – „Maria Guckinsthal“ (ebd. 1864, Nr. 14); – „Wie Dr. Paracelsus zu Geld und Lebenstinctur kam“, – „Die Brüder Kuenburg“ in einem salzburgischen Kalender, und noch mehreres andere im „Ischler Fremden-Salon“ und im „Welser Anzeiger“, in welch letzterem auch sein Gedicht: „Der Kaiser-Märtyrer“ (an Kaiser Maximilian von Mexiko) (1868, Nr. 8) abgedruckt stand. Auch kleinere historische Aufsätze veröffentlichte er, so u. a. eine kurzgefaßte Chronik von Salzburg von 136 nach Chr. bis 1862; – „Die Reihenfolge der Bischöfe und Erzbischöfe von Salzburg“; – „Verzeichniß der Aebte des Stiftes St. Peter“ u. s. w. Seine Muse war nicht selten im Dienste der Wohlthätigkeit und gewöhnlich mit günstigem Erfolge thätig, so nach dem verheerenden Brande Reichenhalls am 9. November 1834 und bei anderen Gelegenheiten. Ueberdieß war S. ein Alterthumsfreund und ein ganz tüchtiger Numismatiker. Funde römischer Münzen und anderer Alterthümer veranlaßten [324] ihn, die späteren Ausgrabungen am Birgelstein von 1835 bis Ende 1852 zu überwachen; auch beschrieb er dieselben in einer eigenen Broschüre: „Der Birgelstein und seine Alterthümer“, ebenso den Untersberg, und sammelte seine Volkssagen, wovon acht Auflagen erschienen, und endlich verfaßte er einen Wegweiser: „Die Stadt Salzburg und ihre Umgebungen“. Noch veranstaltete er eine Sammlung von über Salzburg erschienenen Gedichten, welche in zwei Auflagen herauskam. Als Münzsammler und tüchtiger Münzenkenner hatte er mehrere in Oesterreichs und Salzburgs Numismatik bis dahin unbekannt gebliebene Münzen aufgefunden und bestimmt, einen Versuch über Salzburgs Münzkunde verfaßt und drei römische, auf dem Birgelsteine aufgefundene Leichensteine bekannt gemacht. S. galt in Salzburg als so trefflicher Münzenkenner, daß man gefundene alte Münzen, die Niemand kannte, nur ihm, um sie zu bestimmen, brachte. Aber mehr als alles Vorerwähnte sichert seinem Namen das Folgende ein bleibendes Andenken. Von ihm aus ging die erste Anregung und Aufforderung zur Errichtung des Mozart-Denkmals. Nun ist es wahrscheinlich, daß Mozart auch ohne Schilling’s Anregung einmal und irgendwo ein Denkmal erhalten haben würde. Es ist bekannt, daß, nachdem Columbus das Ei auf die Spitze gestellt, es ihm Jeder nachgemacht hat, aber doch ist bis auf den heutigen Tag nur das Ei des Columbus sprichwörtlich geblieben. Also auch Schilling als der erste Anreger des Mozart-Denkmals verdient ein dauerndes Andenken. Man hat sich ja, wie es scheint, um den schlichten Mann – der eben nur ein einfacher Setzer in einer Buchdruckerei war – weiter gar nicht gekümmert. Es hat nirgends verlautet, daß man bei der Enthüllungsfeier seiner gedacht habe. Aber das nimmt ihm nicht den Ruhm, der Erste das Denkmal angeregt und zu Beiträgen für dasselbe aufgefordert zu haben. – Nachdem Schilling in der Duyle’schen Buchdruckerei über vierzig Jahre als Schriftsetzer gedient, nöthigten ihn Brust- und Athmungsbeschwerden, den Setzkasten zu verlassen. Als um diese Zeit (im Juli 1868) von Seite des Ministeriums für Cultus und Unterricht über einen Antrag der Reichsraths-Deputirten Dr. J. A. Schindler und Adolph Ritter von Tschabuschnigg eine Summe von mehreren tausend (20.000?) Gulden zur Unterstützung von Schriftstellern und Künstlern zur Vertheilung kommen sollte, bewarb sich auch Schilling um eine solche, auf welche er – mindestens als Anreger des Mozart-Denkmals – zu welchem Titel er noch die eines Hilfe verdienenden Schriftstellers und Numismatikers beifügen konnte – gegründeten Anspruch hatte. Da er, unbekannt mit den Tax- und Stempelvorschriften, das Gesuch ungestempelt eingereicht hatte, war das Resultat seines Gesuches – ein abschlägiger Bescheid und eine Stempelstrafe, welche letztere dem hilflosen Schriftsetzer, der leicht nachweisen konnte, daß er gar nicht die Absicht gehabt, das Aerar zu übervortheilen, nachgelassen worden sein soll. S. wurde 70 Jahre alt, verlebte aber die letzten Jahre in harter Dürftigkeit, die Unterstützung eines Buchdrucker-Armen- und Versorgungsfondes genießend. Bis er dessen Hilfe in Anspruch nahm, half er sich durch Verkauf der einzelnen Stücke seiner bedeutenden Münzensammlung. Das Loos der Armuth traf den armen Mann um so empfindlicher, als er, der sonst so leutselig war, sich genöthigt sah, sich zurückzuziehen, denn sein verkommenes [325] Aeußere zwang ihn, der sonst immer auf Sauberkeit in der äußeren Erscheinung gehalten hatte, die Gesellschaft zu meiden. Dabei besaß er zu viel edlen Mannesstolz, um sich in Klagen darüber zu ergehen oder auch nur anzunehmen, was man auf die zarteste Weise ihm beizubringen suchte. Er verschmähte zu nehmen, was er nicht verdient hatte oder zu erwiedern und auszugleichen außer Stande war. Leute, die mit ihm in einem Hause wohnten, erzählen wirklich rührende Züge des alternden Mannes, seiner Willenskraft und seines Zartgefühls. Er wäre ein wahres Muster, welches man dem Großtheil des heutigen Arbeiterstandes und Proletariats zur Nachahmung hinstellen könnte. Die Arbeit und ihre Errungenschaft war sein Stolz, und lieber hungerte und darbte er, als daß er aus fremdem Besitz nahm und fremden Erwerb für sich verwendete. Schilling war Protestant, dessenungeachtet unterließ er niemals, den festtäglichen Gottesdienst (Amt und Predigt) im Dome zu hören. Vor dem Jahre 1848 hatte er in Salzburg auch keine Gelegenheit, die Glaubensbräuche seiner Gemeinde zu üben, er machte selbe aber auch nicht mit, als eine protestantische Gemeinde und ein protestantisches Bethaus in Salzburg entstanden, und so trieb er es bis in sein Alter fort. An den schwarzen Blattern erkrankt, kam er in die Pflege der barmherzigen Schwestern im Johannes-Spitale und starb daselbst ohne die Tröstung des Pastors, und es that Jedem, der ihm auf dem letzten Wege das Geleite gab, schmerzlich wehe, daß dem todten Biedermanne noch in’s Grab darüber der herbe Vorwurf nachgeschickt ward. S. war ledig, aber er nährte stetig eine stille, in dichterischen Ergüssen gefeierte unerreichte und wohl unerreichbare Flamme, die bis in sein Alter nicht erloschen war. Vielleicht steht das Alles mit seiner Geheimniß gebliebenen Jugendgeschichte im Zusammenhange. Schilling, obwohl ein Fremder, war nach und nach eine typische Persönlichkeit Salzburgs geworden. Ein jeder Salzburger kannte das kleine, schiefgewachsene, aber sehr lebhafte Männlein, das sehr bescheiden, artig und zuvorkommend und überdieß sehr wißbegierig, dabei weit über seinen Stand gebildet war. Salzburg war ihm seine zweite Heimat geworden, die er mit wahrer Begeisterung liebte. An arbeitsfreien Tagen sah man ihn auf dem Gaisberge und Untersberge Pflanzen sammeln, noch öfter auf dem Kapuziner-, Mönchs- und Nonnenberge, besonders Abends bei Sonnenuntergang die Landschaft und ihre dahier wirklich zauberischen Naturspiele bewundernd. Bemerkenswerth erscheint es noch, daß Baron von Meyendorff, der russische Gesandte, S. alljährlich auf seiner Gasteiner Badereise in der Druckerei besuchte. Vielleicht waren es numismatische Interessen, welche den Staatsmann mit dem schlichten Schriftsetzer in Verbindung brachten. Schilling ruht auf dem Spital-Friedhofe in Salzburg. Seine eigene, an seltenen Werthstücken reiche numismatische Sammlung wurde, wie schon bemerkt, von S. aus Noth durch Verkauf zerstreut. Eine von ihm angelegte, reichhaltige, zumeist Salzburg betreffende Kupferstichsammlung gab er um den Spottpreis von 200 fl. dahin und sie gelangte durch Munificenz des Fabriksbesitzers Justinus Robert [Bd. XXVI, S. 209] in den Besitz des Salzburger städtischen Museums Carolino-Augusteum.

Zellner’s Blätter für Musik. Theater u. s. w. (Wien, kl. Fol.) 1870, S. 74. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) [326] 1870, Nr. 63, in der „Tages-Chronik“. – Neues Wiener Tagblatt 1870, Nr. 63, im Abendblatt. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1870, Nr. 1981, in der „Tageschronik“. [Die vorgenannten Quellen geben theils den 4., theils den 3. März als S.’s Todestag an. Der unten beschriebene Leichenstein setzt das Todesdatum auf den 3. fest.] – Schilling’s Tagebuch und andere handschriftliche Mittheilungen, die ich durch Gefälligkeit des Herrn Fabriksbesitzers Karl Steiner in Salzburg – nach lange vergeblichen Nachforschungen über J. Schilling – von Herrn Duyle zur Einsicht erhielt, wofür ich beiden Herren hiermit öffentlich meinen Dank ausspreche. – Schilling’s Grabstein auf dem Spitalfriedhofe in Salzburg. Julius Schilling | Schriftsetzer | Numismatiker, Geschichte- und Alterthumsforscher | Seiner Anregung verdankt Salzburg | Mozart’s Denkmal | Geboren zu Posen 21. Septb. 1800, gest. 3. März 1870 | Gewidmet von seinen Collegen.