BLKÖ:Sándor, Moriz Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
---|---|---|---|
korrigiert | |||
<<<Vorheriger
Sandmann, Marcus Wilhelm |
Nächster>>>
Sándor, Stephan von | ||
Band: 28 (1874), ab Seite: 185. (Quelle) | |||
[[| bei Wikisource]] | |||
Móric Sándor in der Wikipedia | |||
Moritz Graf Sándor von Szlavnicza in Wikidata | |||
GND-Eintrag: 136753310, SeeAlso | |||
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
| |||
|
[186] Grafen in Both und Bajna nennt, reicht bis in’s 15. Jahrhundert zurück, wo ein Kaszai Bechich als Stammvater des Hauses erscheint, dessen Urenkel Martin 1517 schon den Namen Sándor de Slavnicza führt. Von da ab setzt sich das Geschlecht, das sich in mehrere Aeste und Zweige spaltet, bis auf die Gegenwart in ununterbrochener Folge fort. Zwei Brüder, Johann, 1616 Vice-Palatin, und Ladislaus, Obergespan des Neutraer Comitates, sind die Begründer der heute noch blühenden drei Hauptlinien des Hauses. Zu der von Ladislaus gestifteten, heute gräflichen Linie gehört Graf Moriz. Des Ladislaus Sándor Enkel Melchior wurde Baron und Melchior’s Enkel Anton, kön. ungar. Septemvir, erhielt im Jahre 1788 den Grafenstand. Graf Moriz ist ein Enkel des Grafen Anton. Die Ahnentafel dieses gräflichen Astes gibt Ignaz Ritter von Schönfeld auf S. 233 des zweiten Jahrganges seines „Adelsschematismus des österreichischen Kaiserstaates“. Die biographischen Daten des Grafen Moriz, der durch seine, einer halbvergangenen Zeit angehörenden Reiterbravaden noch im Wiener Volksmunde lebt und seiner Zeit „der Stallmeister des Teufels“ genannt wurde, sind ganz kurz. Ehe er noch gehen konnte, hatte er schon reiten gelernt. Als er noch Knabe war, saß er fester zu Roß, als mancher ergraute Stallmeister, und was ihm an Eleganz im Reiten mangelte, ersetzte er durch eine an’s Unglaubliche grenzende Verwegenheit. Im Alter von 30 Jahren vermälte sich Graf Moriz am 5. Februar 1835 mit Leontine Fürstin Metternich (geb. 18. Juni 1811), einer Tochter des Fürsten Clemens Wenzel Lothar Metternich aus dessen Ehe mit Maria Eleonore Fürstin Kaunitz. Gräfin Leontine starb am 16. November 1861 und hinterließ ihrem Gatten, dem Grafen Moriz, eine Tochter Pauline Clementine – ein Sohn war in früher Jugend gestorben – welche sich am 30. Juni 1856 mit ihrem Stiefoheim, dem Fürsten Richard Metternich [Bd. XVIII, S. 82], einem Sohne des Staatskanzlers, vermälte. Diese einfachen Lebensdaten erhalten einige Verbrämung, wenn man den Grafen Moriz als Pferdezüchter, worin er es zu seltener Steigerung des thierischen Instinctes brachte, und als Reiter, in welcher Eigenschaft er, was Verwegenheit, ja Tollkühnheit betrifft, unübertroffen dasteht. Doch auch hier muß das Ueberlieferte von den Schlacken der jocosen Erfindung, die sich immer in Uebertreibungen gefällt, gereinigt werden, wobei ja noch immer genug des Bemerkenswerthen übrig bleibt. So z. B. ist es Thatsache, daß der Graf, der im Sommer in Baden bei Wien wohnte, sehr oft am Fenster des zweiten Stockwerkes zu sehen war, aus welchem er zugleich mit seinem Pferde, das mit ihm zum Ergötzen des unten versammelten Publicums eine Pfeife rauchte, herausschaute; daß er mit einem Viergespann über hohe Treppen hinauf- und herabfuhr; daß er mit einem seiner bestdressirten Pferde „Tatar“ über einen mit drei Pferden bespannten Bauernwagen in einer ziemlich engen Straße hinübersprang; daß er den Weg von Salzburg nach München (181/2 Meilen) in nicht vollen 9 Stunden, jenen von Wien nach Ischl (431/2 Meilen) in 16 Stunden 7 Minuten; jenen von seinem Schlosse zu Bajna nach Wien (36 Meilen) in 8 Stunden theils ritt, theils fuhr; diese Reihe außerordentlicher Leistungen im Schnellreiten oder Schnellfahren, im [187] Nehmen von Hindernissen u. dgl. m. ließe sich noch weiter ausführen. Doch möchte das vorhandene genügen, um einen Begriff von den Wagnissen des Grafen und seiner Dressur der Pferde zu geben. Ausführlicheres darüber findet sich in zwei Werken, an deren Einem er mit Anderen betheiligt ist, während das zweite die Reitergeschichten des Grafen zum ausschließlichen Inhalte hat. Ersteres führt den Titel: „Les Chasses et le Sport en Hongrie. Ouvrage redigé par Mrs. les comtes Emanuel Andrássy, Béla Festetics, Maurice Sándor et les barons Béla Orczy, B. Wenckheim et Gr. Szalbek“. Album de luxe in Folio. 25 color. Tafeln (Pesth, H. Geibel). Das zweite kam durch den berühmten Thiermaler J. G. Prestel zu Stande, mit dem Graf Sándor seit seinem 18. Jahre in enger Freundschaft verbunden ist. Prestel, dessen Thierstücke ebenso seltene – da sie meist von Potentaten bestellt oder angekauft wurden – als durch Naturwahrheit und tiefes Studium ausgezeichnete Meisterwerke sind, war bei den meisten Reiterstücken des Grafen S. Gefährte und Augenzeuge, und hat sie sämmtlich skizzirt und in Oel ausgeführt; es sind solcher Skizzen nicht weniger denn 300 vorhanden, von denen viele bleibenden Kunstwerth besitzen. Im Jahre 1858 entschloß sich J. G. Prestel, die schönsten derselben in einem Werke gesammelt herauszugeben, welches auch unter dem Titel: „Sándor-Album. Reit-, Fahr- und Jagdereignisse. Gemalt und photographirt“, 3 Bde. (Mainz, Vict. von Zabern, Qu. 4°., jeder Band 50 Photographien enthaltend) herauskam. Das Album aber gelangte nicht in den Handel und ist also eine große Seltenheit. Auch in anderer Hinsicht, nicht blos als Pferdezüchter und Kenner, sondern als Mensch überhaupt ist Graf Sándor sehr interessant und eine in der That merkwürdige Natur. So trinkt er nie Wein oder sonst ein geistiges Getränke, während er selbst die Gastfreundschaft in liberalster und verschwenderischester Weise übt. Seine Liebenswürdigkeit und Heiterkeit machten ihn zu einer der beliebtesten typischen Gestalten des vormärzlichen Wien, und nur der Umstand, daß er der Schwiegersohn des Staatskanzlers Metternich gewesen, läßt es erklären, daß man ihm im Jahre 1848 eine Katzenmusik brachte. Wie aber nahm der Graf diesen Bubenstreich auf? Als der Haufe vor seiner Wohnung erschien, trat der Graf, der von dem ihm bevorstehenden Volksconcerte bereits unterrichtet war, auf den Balcon seines Hauses und blies auf einer helltönenden Pfeife, welche über alle anderen Instrumente schrillend hervorstach, ein mächtiges Furioso. Während er so selbst den Chorreigen anführte, accompagnirten ihn seine Bedienten mit obligatem Miauen, welches aus zwei, mit lebendigen Katzen angefüllten Säcken unisono erscholl. Dann verließ der Graf den Balcon, ging hinunter zu den Katzenmusikanten, warf selbst die Fenster seines Hauses ein und fragte zuletzt ganz gemüthlich: „Wohin gehen wir jetzt?“ Der Haufe sah verdutzt darein, und fernerer Excesse sich enthaltend, ging er seines Weges weiter. Als im Jahre 1865 der Graf seinen 60. Geburtstag feierte, brachte die Presse über den Jubilar Mittheilungen, welche ihn nicht nur als den einstigen gefeierten Sportsmann und sattelfesten Reiter, der seines Gleichen nicht hatte, hinstellen, sondern das Publicum mit weit ehrenvolleren Thatsachen aus dem Leben des Grafen bekannt machte. indem derselbe als einer der [188] wohlthätigsten und humansten Gutsbesitzer Ungarns geschildert wird. Die Bewohner seiner Guter rühmen ihm nach, daß der Graf nie einen Bittenden ungetröstet entlassen, nie für einen Nothleidenden taube Ohren gehabt habe. Die Dörfer und Pußten, die Graf S. sein Eigenthum nennt, sind außerdem von ihm mit Kirchen und Schulen bedacht worden, die als mustergiltig in Ungarn bezeichnet werden. Was er aber für die Pferdezucht gethan und wie er darin durch sein eigenes, trefflich gehaltenes Gestüt mit dem besten Beispiele vorangegangen, entzieht sich, als in ein Fachwerk gehörig, einer näheren Erörterung in diesem Lexikon. Der Graf, seit vielen Jahren irrsinnig, lebt in Wien. Ueber die Familie des Grafen, namentlich über dessen Vorfahren, sowie die genealogischen Tafeln dieses Geschlechtes von seinem Ursprunge bis auf die Gegenwart nebst einer Abbildung des Wappens, Alles dieß theilt Iván Nagy in seinem ungarischen Adels-Lexikon: „Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal“ (Pesth, Mor. Ráth, gr. 8°.) Bd. X, S. 31–40, ausführlich mit. Mit Moriz Grafen Sándor erlischt der gräfliche Ast der Familie Sándor.
Sándor, Moriz Graf (Hippolog, geb. in Ungarn 23. Mai 1805). Ein Sohn des Grafen Vincenz aus dessen Ehe mit Maria Anna Gräfin Szapáry. Die Familie Sándor, zu welcher Graf Moriz gehört – denn es gibt außer derselben noch mehrere Familien dieses Namens: die Sándor von Saghfa, jene von Gyarmath, dann von Csik und Domokos, von Kenos, von Farczád, von Szent-Lélek, von Jánosfalva, von Lokod, von Oláhfalva, von Magurai, von Dercsi u. A. – und welche sich zum Unterschiede der vorgenannten Sándor von Szlavnicza,- Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1864, Nr. 145. – Freyschütz (Hamburg, 4°.) 1837, S. 343: „Merkwürdige Wetten“. – Gartenlaube (Leipzig, Keil, 4°.) 1866, S. 29: „Ein ungarisches Reiterleben“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber. Fol.) Nr. 784, 10. Juli 1858: „Jagd und Sport in Ungarn“. – Linzer Abendpost 1864, Nr. 99: „Ein Fahrkunststück des Grafen Sándor“. – Märzroth (Dr.), Geister und Gestalten aus dem alten Wien. Bilder, Geschichten und Erinnerungen (Wien, 1868, Prandl, 12°.) S. 157: „Von den Fiakern“ [auch in der „Morgen-Post“ nachgedruckt 1868, Nr. 246]. – Neu-Wien (Wiener polit. Blatt) 1858, Nr. 36: „Graf Sándor“ [mit ziemlich ähnlichem Bildniß; der Graf zu Pferde] – Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Local-Anzeiger Nr. 141: „Graf Moriz Sándor“. – Theater-Zeitung, herausg. von Ad. Bäuerle (Wien, gr. i°.) 1848, S. 397. – Ungarische Nachrichten (Pesther polit. Blatt, Fol.) 1864, Nr. 99: „Sport“. – Wanderer (Wiener politisches Blatt, Fol.) 1858, Nr. 71, Abendblatt, in den Tagesnachrichten: „Abenteuer des Grafen Moriz Sándor“. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntagszeitung (Pesth, 4°.) 1858, Nr. 13, S. 148. – Porträt. Unterschrift: „Graf Sándor auf dem Pferde Lion“. Trefflicher Holzschnitt mit dem ähnlichen Bildniß des Grafen zu Pferde; auch in Bäuerle’s Theater-Zeitung 1848. Die Original-Bleistiftzeichnung von Zampis im Besitze des Herausgebers dieses Lexikons. – Wappen. In Blau steht auf einer auf drei grünen Hügeln ruhenden goldenen Krone ein rechtsgekehrter natürlicher zwölfendiger Hirsch, der an einem Felsen emporspringt, auf dessen Spitze zwei Eichenzweige sich erheben. Der Hirsch trägt im Munde gleichfalls einen Eichenzweig und sein Hals ist von rückwärts von einem rothbefiederten Pfeile durchschossen. Die Abbildung des Wappens bei Nagy ist sehr mangelhaft.