Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Polet, Johann
Band: 23 (1872), ab Seite: 83. (Quelle)
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Pollet, Johann (k. k. Artillerie-Hauptmann, geb. zu Prag 1814). [84] Sohn eines k. k. Kreissecretärs, trat P., nachdem er die philosophischen Studien beendet hatte, im Jahre 1832 in die k. k. Artillerie ein, wurde 1834 zum Bombardiercorps übersetzt, in welchem er 1839 zum Feuerwerker, 1844 aber außer der Tour zum Oberfeuerwerker befördert wurde. Durch seine heroische That vom 13. März 1848 ist P.’s Name in weitere Kreise gedrungen und geradezu unvergeßlich geworden. Dieselbe trug sich folgendermaßen zu. Die Ereignisse der 48ger Märztage, ihre Ursachen und Folgen sind bekannt. Schon in der Nacht vom 12. auf den 13. März wurde der innere Burghof auf Befehl der Regierung militärisch besetzt. Unter der Mannschaft, welche die 4. Compagnie des Bombardiercorps zu verstärken hatte, befand sich auch Oberfeuerwerker Pollet. Um 7 Uhr Abends erschien Erzherzog Maximilian d’Este, sowohl um die bivouakirenden Truppen zu inspiciren, als auch um an die Officiere und die Mannschaft, deren Stimmung eine sehr gedrückte war, eine ermunternde Ansprache zu halten. In diesem Augenblicke traf die Meldung ein, daß das Grenadierbataillon, welches die Umgebung des Riesenthores der Hofburg besetzt hielt, in Gefahr geriethe, von der tumultuanten Volksmenge durchbrochen und zurückgedrängt zu werden. Diese Meldung gewann noch an Wahrscheinlichkeit, als ein Proletarierhaufe, welcher die Hofapotheke geplündert, unter einem Gebrülle und Gejohle, das bis an die Ohren des Erzherzoges tönte, heranzog. Allsogleich commandirte der Erzherzog zwei Geschütze, von den auf der Hauptwache aufgefahrenen, unter dem Commando des Oberfeuerwerkers Pollet zum Riesenthore hinaus, wo sie, von den Grenadieren maskirt, Posto faßten. Da der Tumult durch eine vom Kohlmarkte heranziehende Abtheilung Bürgergrenadiere, die in das Chaos, das am Michaelerplatze hin und herwogte, Ordnung bringen wollte, noch vermehrt wurde, so eilte der Erzherzog sogleich herbei, zog die Mannschaft, welche die Geschütze maskirte, zurück und gab P. den Befehl allsogleich zu feuern. P., der mit scharfem Auge die Bewegung beobachtet und sich genau überzeugt hatte, daß dieselbe nur durch die heranziehenden Bürgergrenadiere entstanden war, aber auf keinem Falle gegen die Hofburg gerichtet sei, zauderte und fragte den Erzherzog, da er sofort einsah, welche entsetzlichen Folgen das Feuern für die Dynastie haben könne, wie er die Kanonen richten solle, ob er einen „Gellerschuß“ oder einen „Hochschuß“ abfeuern solle. Als der Erzherzog seinen Befehl nun genauer präcisirte, erklärte P., daß er nicht feuern werde, da ihm die strenge Weisung gegeben sei, blos auf Befehl des Stadtcommandirenden oder auf allerhöchsten Auftrag seine Geschütze zu lösen. Als der Erzherzog erzürnt, über den Ungehorsam Pollet’s, der Bedienungsmannschaft befahl, das Feuer zu eröffnen, stellte sich Pollet vor die Mündung der einen Kanone. Der Erzherzog entrüstet über dieses Benehmen, zog sich in die Hofburg zurück. Wie P. merkte, daß die Bedienungsmannschaft schwankte und nicht wußte, welchem der beiden Befehle sie Folge leisten solle, soll P. wie Heinrich Reschauer in seiner „Geschichte des Jahres 1848“ schreibt, gerufen haben „die Kanone steht unter meinem Befehle und ehe nicht von meinem Commandanten ein weiterer Befehl hiezu kommt und die positive Nothwendigkeit es gebietet, schießt Niemand auf befreundete, wehrlose Bürger“. Durch diese edle, im wahrhaften Sinne des Wortes hochherzige That, [85] bewahrte P., nicht nur die Dynastie vor unnügem Blutvergießen, sondern auch vor den schrecklichen, unabsehbaren Folgen eines Schusses, der zwar Hunderte niederschmetternd, am Ende aber doch eine ganz andere Wirkung als die beabsichtigte hätte haben können. Pollet war nun der Mann des Tages, wurde in Wort und Lied gefeiert. Aber dieser Glorienschein seiner mannhaften That war nur von kurzer Dauer. Wohl war in Anbeginn alles gut. P. wurde nach dieser Katastrophe außer der Tour im April 1848 zum Lieutenant im 1. Artillerie-Regiment befördert, aber von Wien nach Prag übersetzt. Von Prag marschirte er dann mit einer Kavallerie-Batterie in den ungarischen Feldzug und wurde für hervorragende Leistungen mehrmals belobt. Im Jahre 1854 wurde er sogar Hauptmann, allein die vielen Verfolgungen und Kränkungen, die er ob seines Benehmens vom 13. März 1848 zu erleiden hatte, auch das geringschätzende Benehmen einer gewissen Clique unter den Officieren, und der Umstand, daß er mehreremale zu höheren militärischen Auszeichnungen, auf die er als ebenso tapferer wie geschickter Officier gerechten Anspruch hatte, wohl vorgeschlagen worden, aber keine derselben erhielt, sondern mit dem Militärverdienstkreuz abgefertigt wurde, brachten es dahin, daß er fast dem Wahnsinn nahe im Jahre 1860 in Pension gehen mußte. Er lebt nun, wie es heißt, dem Trübsinn verfallen, zurückgezogen, im Kreise der Seinigen, welche es sorgfältig vermeiden, der Achtundvierziger Ereignisse in seiner Gegenwart mit einer Silbe zu gedenken.

Reschauer (Heinrich), „Das Jahr 1848. Geschichte der Wiener Revolution“ (Wien, R. v. Waldheim, 4°.) S. 308: „Oberfeuerwerker Pollet, der militärische Held der Märzrevolution“. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibl. Inst., gr. 8°.) Zweite Abtheilung, Bd. IV, S. 363. – Hirtenfeld (J.), Oesterreichischer Soldatenfreund (Wien, 4°.) 1850, S. 171 u. 172.] – Porträt. Holzschnitt in H. Reschauer’s „Das Jahr 1848“, auf S. 269, ohne Angabe des Zeichners (KriehuberK?) und Xylographen; ebendaselbst auf S. 273 ein Bild: „Oberfeuerwerker Pollet weigert sich, die Kanonen abfeuern zu lassen“, nach Zeichnung von Katzler. Außerdem erschienen noch mehrere Darstellungen dieses denkwürdigen Ereignisses in Wort und Bild in jenen Tagen selbst. –