BLKÖ:Majláth, Georg (III.) von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 16 (1867), ab Seite: 297. (Quelle)
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Mailath, auch Majláth, Georg (III.) von (k. ungarischer Hofkanzler, geb. zu Preßburg im Jahre 1816, nach Anderen im Jahre 1818). Ein Sohn des (im April 1861) verstorbenen „Judex Curiae Georg (II.) von M. [S. 289]. Die seltenen Tugenden seines Vaters erbend, erhielt M. eine gediegene Erziehung. Nach vollendeten Studien betrat er, 22 Jahre alt, die politische Laufbahn, wurde 1838 Vicenotar im Baranyer Comitate, 1839 zweiter Vicegespan und dann zum Landtags-Abgeordneten gewählt. Nach dem Landtage wurde M. erster Vicegespan und wieder Abgeordneter des 1843ger Landtages. Schon damals berechtigte M. durch sein gemessenes aber entschiedenes Auftreten zu schönen Hoffnungen und der „Croquist aus Ungarn“ berichtet zwar wenig aber doch voraussichtlich über ihn: „ein junger talentvoller Mann mit ruhigem Blute, der eine schöne Zukunft haben kann, wenn er die natürlichen Talente pflegt und durch das Studium vervollkommnet“. Auf diesem Landtage that sich auch M. hervor in allen Fragen der einzuführenden Reformen und durch gemäßigte aber freisinnige Ansichten. Nach diesem berühmten Landtage wurde er Administrator des Baranyer Comitates und die reichliche Muße, die ihm sein Amt ließ, benützte er zu Reisen auf dem Continente. Er besuchte Deutschland, Holland, Frankreich, England. Die beiden letztgenannten Länder waren damals der Schauplatz großer Bewegungen. In Frankreich entwickelten die Legitimisten, zu denen Männer wie Lewis, Noailles, Valmy, Pastoret u. A. gehörten, eine ungemein große Rührigkeit, und das Comité, in dem eben die Obgenannten sassen, hielt täglich Versammlungen; der Anhang des Grafen Chambord mehrte sich in auffallender Weise; zwischen der Universität und dem Clerus hatte sich der alte Streit über die Lehrfreiheit entsponnen, für welche Michelet und Quinet mit allen Gaben ihres Geistes kämpften. In England war noch die Kornbill an der Tagesordnung und der Kampf wurde immer heftiger gekämpft, die Gereiztheit in den unteren Volksclassen nahm mit ledern Tage zu. O’Connell’s Agitationen arbeiteten am Abfall des von England geknechteten Irland und er verlangte ein besonderes irisches Parlament. Von diesen politischen Kämpfen, die in den verschiedenen Lagern mit großer Energie und Ausdauer und mit einer Freiheit in den Meinungsäußerungen geführt wurden, die selbst den damals in Oesterreich freiheitbeglückten Magyaren neu war, war M. Zeuge; das fremdartige sociale Leben, die ernsten Bestrebungen in den Reformen der Legislatur blieben nicht ohne mächtigen Eindruck auf den jungen thatkräftigen Mann, der für alles, was er sah und hörte, Parallelen zu den Verhältnissen der eigenen Heimat zog, die zeitgemäßen Reformen in derselben, die Abschaffung veralteter Vorurtheile überdachte und mit Eifer und Gründlichkeit ernste Studien in den wichtigsten socialen und politischen Fragen an Ort und Stelle machte. Nach seiner Rückkehr von dieser Reise wurde M. im Jahre 1847 Obergespan des Baranyer Comitates. Im Landtage war er den rücksichtslosen [298] politischen Bestrebungen Kossuth’s und seiner Anhänger mit Entschiedenheit entgegengetreten. Mit dem kurzweg „der große Ungar“ bezeichneten Stephan Grafen Széchényi vereint, arbeitete er rastlos an der Hebung der materiellen Interessen Ungarns, wobei er jedoch erklärte, daß sein Volk noch lernen und nachholen müsse, was es im Laufe der Jahrhunderte versäumt, um sich auf der geistigen Arena mit anderen Nationen messen zu können. Von den Wogen der achtundvierziger Revolution wurde M. so gut weggespielt wie andere seiner tüchtigen und einsichtsvollen Gesinnungsgenossen. Während der Bach-Thun’schen Periode lebte M. zurückgezogen von dem öffentlichen Leben ausschließlich seinem volkswirthschaftlichen, politischen und literarischen Studien, immer aber, wenn sich ihm Gelegenheit darbot, für die Geltung der ungarischen Gesetze einzustehen, war er an seinem Platze; so unterschrieb er im Jahre 1851 die Denkschrift der Vierundzwanzig und im Jahre 1857 die an Se. Majestät übergebene Bittschrift mit hundertfünfzig Unterschriften. Im Jahre 1860 wurde er in den österreichischen verstärkten Reichsrath berufen und zählte mit Barkoczy in demselben und mit dem Grafen Szécsen, Baron Vay, damaligem k. ungarischen Hofkanzler und dem Fürst Primas Scitovszky außerhalb zu den Chefs der ungarischen Bewegung, die alsbald nach dem italienischen Kriege im Jahre 1859 bestimmte Formen angenommen hatte. Im Reichsrathe selbst war M. einer der bedeutendsten und hervorragendsten Erscheinungen. Im Gegensatze zu dem Grafen Barkoczy, der immer nur mit Keulen dreinschlug, alles niederdonnerte und keinen Pardon gab, gebrauchte M. in feiner angemessener Form den Fleuret, mehr elegischer Natur, sprach er liebevoll ermahnend und suchte überall zu überzeugen. Am 20. October desselben Jahres wurde M. zum Tavernicus und geheimen Rath ernannt. Im Landtage 1861 war es er, und zwar der Einzige, der den Muth besaß, der wogenden Strömung sich entgegen zu stellen und seine Ueberzeugung mannhaft auszusprechen. In seiner Ansicht über das Verhältniß des Octoberdiploms und Februarpatentes zueinander, klang es deutlich heraus, daß er kein Gegner freiheitlicher Entwickelung auch der Völker diesseits der Leitha sei. Dabei legte er, und es ist dieß im Munde des Ungarn von großer Wichtigkeit, den vollen Accent auf die Reichseinheit und blieb dabei stehen, daß diese um jeden Preis erhalten bleiben müsse. Mit Allerh. Handbillet vom 26. Juni 1865 wurde M. an des Grafen Forgách [Bd. XI, S. 407; Bd. XIV, S. 451] Stelle zum ungarischen Hofkanzler ernannt. Sein Programm wurde bald darauf in der „Neuen freien Presse“ (1865, Nr. 317) mitgetheilt und beleuchtet. Er hatte dasselbe bereits in der Rede, welche er in der Sitzung des verstärkten österreichischen Reichsrathes am 27. September 1860 in seiner Vertheidigung des Majoritätsgutachtens gegenüber von Hein [Bd. VIII, S. 215, und Bd. XI, S. 429] und Lichtenfels [Bd. XV, S. 79] gehalten, kurz zusammengefaßt. „Das Vaterland, sagt M., läßt sich nun einmal nicht decretiren, es muß geworden sein, es kann nicht geschaffen werden; abgesehen von dem natale solum, dessen unverkennbarer Zauber schon der römische Dichter mit so warmer Farbe geschildert hat, kann die Geschichte des Landes, können die Institutionen Sitten und Gebräuche, mit einem Worte der Complex seiner geistigen und materiellen [299] Gemeingüter, welche aus seinem Schoße im Laufe von Jahrhunderten sich herausgebildet haben, nicht mit einem Federstriche beseitigt werden, der Ruf nach einer engeren Einigung – ich bitte diese Worte wohl zu beachten, weil sie ganz und gar den deutschen Staatsgedanken aussprechen – muß aus den einzelnen Ländern erschallen und kann nicht hier octroyirt werden. Man muß eben eine Geschichte machen, welche sich an die frühere würdig anschließt, man muß altehrwürdige Institutionen, deren Güte und Trefflichkeit sich durch Jahrhunderte bewährt hat, sorgsam pflegen und auf diesem Fundamente weiter bauen. Man muß die Zusammengehörigkeit der Interessen nicht der Form sondern dem Wesen nach erstarken lassen, man muß jedem Einzelnen das Gefühl einflößen, daß ihm nirgends so wohl sei, als in diesem Verbande, und der Patriotismus für den Gesammtstaat wird durch die Natur der Dinge entstehen.“ In Bezug der religiösen Verhältnisse, die im Organismus des Kaiserstaates einen so erheblichen Factor bilden, sprach er sich aber dahin aus: daß die Gleichberechtigung der Confessionen überhaupt ein Schlagwort sei, welches an und für sich gar keine Lösung bietet. Was unter gegebenen Verhältnissen zu erstreben ist, ist die staatsbürgerliche Gleichstellung aller Confessionen. Der Staat soll in den confessionellen Angelegenheiten nie beistimmend, immer nur vermittelnd, ausgleichend, versöhnend eintreten. – Schon über ein Jahr ist M. ungarischer Hofkanzler und noch ist die Einigung der Regierung mit dem ungarischen Landtage kaum um ein Wesentliches vorwärts gerückt und doch ist der Ausgleich mit Ungarn eine Grundbedingung der Großmachtstellung Oesterreichs.

Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1860, Moriz Ráth, 8°.) Bd. VII, S. 253: „III. Györgi“ [nach diesem geboren 1818]. – Fata Morgana. Pesther Blätter für Kunst, Literatur u s. w. II. Jahrgang (1865), Nr. 28: „Georg von Majláth“ [nach diesen geb. im Jahre 1816]. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 298, zweiter Leitartikel: „Georg von Majláth“; Nr. 317, erster Leitartikel: „Majláth’s Programm“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1861, Nr. 234: „G. v. Majláth’s Rede“ [in der Schlußsitzung des ungarischen Oberhauses]; 1865, Nr. 177, erster Leitartikel; 1866, Nr. 70, erster Leitartikel. – Fremden-Blatt von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1865, Nr. 176, erster Leitartikel. – Tiroler-Stimmen (Innsbrucker Blatt, 4°.) 1865, Nr. 150; „Der Hofkanzler von Majláth“. – Constitutionelle Volks-Zeitung (Wien, kl. Fol.) I. Jahrg. (1865), Nr. 90: „Georg von Majláth“ [mit Bildniß im Holzschnitt]. – Didaskalia (Frankfurter Blatt, 4°.) 1861, Nr. 28 u. 29: „Die Chefs der ungarischen Bewegung“. – Schleswig-Holsteinische Zeitung 1865, Nr. 304, im Feuilleton: „Correspondenz aus Pesth“. – Der ungarische Reichstag 1861 (Pesth 1861, Carl Osterlamm, 8°.) Bd. III, S. 124. – Verhandlungen des österreichischen verstärkten Reichsrathes 1860. Nach stenographischen Berichten (Wien 1860, Friedr. Manz, 8°.) Bd. I, S. 37, 122, 126; S. 226, 227, 232 u. Bd. II, S. 5 [über die Presse]; – Bd. I, S. 500 [über Sparkassen in Ungarn]; S. 510 [über die Kopfsteuer in Ungarn]; S. 536 [über die Weinsteuer]; S. 611 [über das Salzgefälle]; S. 637 [über das Tabakmonopol]; S. 735 [über die allgemeine Finanzlage]; – Bd. II, S. 114 [über den Majoritätsantrag]; S. 348 [über die ungarischen Rechtszustände]; S. 389. – Illustrirte Zeitung (Leipzig. J. J. Weber, kl. Fol.) 1865, Nr. 1154: „Das Ministerium Belcredi-Majláth“. – Porträt. Unterschrift Georg v. Majláth, königl. ung. Hofkanzler. (Nach einer Photographie v. Schrecker.) Lith. v. Grimm [auch in der „Fata Morgana“ 1865, Nr. 28]. – G. v. Majláth’s Charakteristik. Die von Aranyos Kákay jüngst erst herausgegebenen „Licht- und Schattenbilder [300] zur Charakteristik des ungarischen Landtages“ (Pesth 1867, Wilhelm Lauffer, gr. 8°.), welche manche trefflich gezeichnete Silhouette ungarischer Landtagsmänner enthalten, entwerfen von Majláth folgenden Umriß: „Etwas unter der Mittelgröße, ist Georg Majláth von robustem, kräftigem Körperbau. Auf kurzem Halse sitzt ein gewaltiger Kopf mit harter Stirne, krausem Haar, kurz geschnittenem Rundbart: Das runde Gesicht ist sonnengebräunt[WS 1], mit ungarisch-tatarischen starken Backenknochen und geschlossenen Lippen. Dieß Gesicht ist selten freundlich und hat vielmehr etwas Herbes – mit dem Ausdrucke starker Energie. Er hat dunkle, gedanken- und seelenvolle Augen, welche aufflammen, wenn er warm wird. Sein Aeußeres ist leichter zu beschreiben, als sein Inneres. Er besitzt weniger Eitelkeit als irgend ein Staatsmann. Mit seinen Ideen zu brilliren, sie einem Anderen einzureden, ist nicht seine Gewohnheit. So wie es Riesentenore gibt, deren Stimme erst recht zum Vorschein kommt, wenn sie schon eine gute Weile gesungen, wo ein Anderer bereits heiser geworden, so kann Majláth eine halbe Stunde mit dir sprechen, d. h. dich reden lassen, wenn du zu reden weißt, und erst, wenn du in Verzweiflung gerathen, wie du den Monolog fortführen sollst, beginnt er zu sprechen. Endlich ist er warm geworden und beginnt sein Geist Funken zu sprühen. Wenn er aber nichts Ueberflüßiges sagt, so macht er auch keine leeren Versprechungen und schmiedet keine Pläne, von denen vorauszusagen, daß sie Seifenblasen. In dem, was er sagt, ist klarer Verstand, gesundes Urtheil und eine gewisse Positivität. Es ist nicht seine Gewohnheit, zu loben. In der Kritik ist er stark. Im Starrsinn nimmt er es mit Guizot auf. Diese Mischung von Eigenschaften tritt auch in ihm als Redner hervor. Majláth’s markige und männliche Beredsamkeit ist, wenn auch keine lapidare, doch ohne überflüssiges Schnörkelwerk, sie ist nicht faltenreich, aber compact – nicht Filigranarbeit, sondern ein eherner Guß. Phrasen gebraucht er selten, geschieht es aber, so sind es gesunde und treffende. Manchmal läßt er auch einen Witz los und begleitet ihn mit einem herben Lächeln. Es liegt darin etwas Hohn und Verachtung der gegnerischen Meinung, zwar diplomatisch verhüllt, aber doch herauszufühlen. Er provocirt nicht, fordert man ihn aber heraus, so stellt er seinen Mann. Er ist stark in der Improvisation, obwohl kein rascher Denker; er gehört vielmehr zu jenen Geistern, die man aufstacheln, durch Widerspruch reizen muß, damit sie zu voller Thätigkeit erwachen und alle ihre Fähigkeiten entfalten. Dann geräth er in Feuer, bringt in Feuer und überzeugt oder besiegt vielmehr. Aus Allem, was er sagt, ist zu entnehmen, daß seine Bildung und Belesenheit mehr eine classische und solide, als eine moderne oberflächliche. M. pflegt nicht, wie Metternich in seinen alten Tagen gethan, vor aller Welt seine Gedanken und Pläne weitläufig auszukramen und darzulegen, was er denkt, wollte oder noch will. Majláth ist eine Sphinx und gibt in dieser Hinsicht der Sphinx an der Seine nicht viel nach, und es ist in der That amüsant, wenn Journalisten und solche, die keine Journalisten, sondern politisirende Geschöpfe einer höheren Gattung sind, es versuchen, von Sr. Excellenz etwas herauszulocken. Manche suchen sich diesem Ziele in weitem Bogen zu nähern. „Man spricht, oder die heutigen Blätter schreiben, daß die Regierung – oder Excellenz dieß oder jenes beabsichtigt ...“. „So“, antwortet Se. Excellenz, aber dieses langgedehnte „So“? richtet vor ihm eine Mauer auf, vor welcher der neugierige Frager sich zurückzieht und so viel weiß wie vorher.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: sonnnengebräunt.