Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Hein, Jacob
Band: 8 (1862), ab Seite: 215. (Quelle)
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Hein, Franz (Bürgermeister von Troppau, Landeshauptmann-Stellvertreter in Schlesien und Präsident des Abgeordnetenhauses im ersten österreichischen Reichsrathe, geb. in Oesterreichisch-Schlesien um das Jahr 1810). Ein Sohn deutscher Eltern, in einem Lande, das öfter bereits von slavischen Bestrebungen berührt worden, genoß H. eine Erziehung, welche seine Anhänglichkeit an die deutsche Sache, der H. stets treu blieb, früh kräftigte. Nach beendeten rechtswissenschaftlichen Studien erwarb er die juridische Doctorwürde, nahm die Advocatenpraxis, wurde Advocat zu Troppau in Schlesien und 1848 Bürgermeister daselbst. Damals schon richteten sich die Blicke seiner Mitbürger auf den wegen seiner Geradheit, Offenheit und gemäßigt liberalen Gesinnung vielbeliebten Rechtsgelehrten, den überdieß ein umfassendes gründliches Wissen und eine nicht gewöhnliche Rednergabe auszeichneten. Er wurde im nämlichen Jahre als Abgeordneter für die Stadt Troppau in den constituirenden österreichischen Reichstag gewählt, in welchem er auch als Berichterstatter für den Verfassungsausschuß fungirte und zur gemäßigten sogenannten deutschen Partei zählte. Seine damalige Thätigkeit gab sich in mehreren Amendements und Anträgen kund, welche er in weniger glänzenden als kräftig gehaltenen Vorträgen vertheidigte; so stellte er in der 17. Sitzung (9. August 1848) zum bekannten Kudlich’schen Antrage, betreffend die Aufhebung der Unterthänigkeit und die Ablösung der Grundlasten einen nicht unwesentlichen Abänderungsantrag, welcher von der Versammlung unterstützt und später, in der 32. Sitzung (29. August d. J.), debattirt wurde; schon in der 36. Sitzung (2. September d. J.) erhob er Einsprache gegen die Zeitzersplitterung, mit welcher die Sitzungen bedroht wurden, und sprach das gewichtige Wort: „daß jeder Tag 3000 fl. koste und man mit unnützem Zeitvertreibe dem Lande sehr wenig Nutzen verschaffe“. In der 48. Sitzung (30. September d. J.) erklärte er, als mehrere Redner vor ihm die Ausschreibung der directen und indirecten Steuern für 1849 mehr oder weniger heftig angegriffen hatten, mit großer Mäßigung, „daß er, wie die Sachlage sich stellte, selbst einem Ministerium, welches sein Vertrauen nicht besäße, die Steuern als eine Nothwendigkeit votiren würde“. In der 48. (16. Kremsierer) Sitzung (9. Jänner 1849) sprach er über und für den §. 1 der Grundrechte: „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus“, nachdem er schon in der Tags zuvor gehaltenen Sitzung (vom 8. Jänner) den Antrag eines Abgeordneten (Pinkas): „Durch einen Protest gegen die Ministerialerklärung vom 4. Jänner, in welcher das Ministerium die sichere Ueberzeugung aussprach: der §. 1 der Grundrechte werde verworfen werden, die Ehre des Hauses zu retten“, einen solchen Protest als eben mit der Ehre des Hauses unvereinbar [216] erklärte, weil für den Reichstag die Möglichkeit, durch eine Ministerialerklärung in seinen Beschlüssen beeinflußt zu werden, gar nicht stattfinden dürfe und könne. In der 70. (18. Kremsierer) Sitzung (14. Jänner) vertheidigte er den §. 2 der Grundrechte, welcher die österreichische Staatsbürgerschaft betrifft, gegen mehrere Abänderungsanträge. In der 73. (21. Kremsierer) Sitzung (17. Jänner) hielt er als Berichterstatter des Constitutionsausschusses anläßlich des §. 3 der Grundrechte, welcher die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze und die Aufhebung aller Standesvorrechte aussprach, eine geharnischte Rede für die Beibehaltung des Adels. In der 80. (28. Kremsierer) Sitzung (29. Jänner) vertheidigte er den §. 6, welcher die Todesstrafe abschafft; in der 84. (32. Kremsierer) Sitzung (6. Februar) den §.11 der Grundrechte, worin das freie Associationsrecht den österreichischen Staatsbürgern eingeräumt wird, gegen die von den Abgeordneten Borrosch, Löhner, Polažek u. A. vorgebrachten Amendements in zwei längeren Vorträgen; und in der letzten, der 99. (47. Kremsierer) Sitzung (6. März) beantragte er bezüglich des §. 15 der Grundrechte, worin die Freiheit der Kirche ohne Unterschied des Glaubens gewährleistet wird, eine Fassung, welche zunächst das Verhältniß zwischen Staat und Kirche im Allgemeinen feststellt, worauf dann die Bestimmungen des Verhältnisses zwischen Staat und jeder Kirche als Zusätze des Paragraphes zu folgen hatten; damit schloß seine Thätigkeit im constituirenden Reichstage, da am folgenden Tage, am 7. März, die Auflösung des Reichstages erfolgte. Nunmehr kehrte H. nach Troppau zurück, seine frühere Thätigkeit als Advocat und Bürgermeister in Troppau wieder aufnehmend, bis er durch das kaiserliche Patent vom 5. März 1860, welches einen verstärkten Reichsrath einsetzte, in denselben berufen wurde. In diesem gipfelt seine Thätigkeit in der Berichterstattung des Minoritätsantrages für die Organisation des Reiches, welcher im Gegensatze zur ungarischen, separatistischen Majorität, ein einiges Gesammtösterreich anstrebte. Von diesem Standpuncte aus bekämpfte H. namentlich die Ansichten des Grafen Clam-Martinitz, der mit dem Majoritätsantrage stimmte, warf die Beschuldigung des Reichsrathes Fürsten Salm, daß der Minoritätsantrag Etwas verhüllt ausspreche, was erst einer Interpretation bedarf, auf den Majoritätsantrag zurück, und gab zuletzt die Erklärung im Namen Derjenigen, welche das Minoritätsvotum unterzeichnet hatten, daß keines dieser Mitglieder je beabsichtigt habe, durch dieses Votum auch nur im Entferntesten auf eine Repräsentativ-Verfassungsform im modernen Zuschnitte und nach französischen Grundsätzen hinzudeuten, welche Erklärung dem Redner später irrig als eine Erklärung gegen jede Repräsentativ-Verfassungsnorm überhaupt ausgelegt wurde. Erhob sich auch Hein, wie es aus dem Vorstehenden ersichtlich ist, nicht zu dem unabhängigen constitutionellen Bewußtsein des siebenbürgischen Abgeordneten Maager, so gehörte er dennoch zu den bedeutenderen Genossen desselben. Als durch das Diplom vom 20. October 1860 und das kaiserliche Patent vom 26. Februar 1861 Oesterreich in die Reihe der Staaten mit repräsentativer Verfassung trat, wurde Hein von Sr. Majestät zum Landeshauptmann-Stellvertreter des Kronlandes Schlesien ernannt und von der Stadt Troppau als Abgeordneter für Schlesien in den österreichischen Reichsrath erwählt, für welchen ihn Se. Majestät zum ersten Präsidenten [217] ernannte. Als solcher versieht er dieses wie auch ehrenvolle, doch sehr schwierige Amt mit Würde, und gegenüber jener Partei, welche unter dem Vorwande des Patriotismus an Oesterreichs Zerfall mit eiserner Consequenz arbeitet, mit einer unerschütterlichen Strenge, so daß die publicistischen Organe dieser Partei sich in Schmähungen gegen den Präsidenten überbieten, die jedoch in den Augen aller Großösterreicher als Vertrauensadressen erscheinen. In letzter Zeit (Dec. 1861) steht sein Name auf der Ministerliste und soll H. an Stelle des seines Augenleidens wegen aus dem Cabinete ausscheidenden Justizministers Freiherrn von Pratobevera in dasselbe treten, ja seine Ernennung wird von den Blättern als bereits erfolgt und als sein Nachfolger in der Stelle des Präsidenten des Abgeordnetenhauses Leopold Hasner Ritter von Artha [s. d. S. 32 im Texte] bezeichnet.[BN 1][BN 2]

Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 1861, Nr. 934, S. 356: „Dr. Franz Hein“ [mit Porträt in Holzschnitt nach einer Photographie]. – Verhandlungen des österreichischen Reichstages (1848) nach der stenographischen Aufnahme (Wien, Staatsdruckerei, 4°.) Bd. I, S. 473; Bd. II, S. 21, 109, 208, 651, 748; Bd. IV, S, 134, 194, 270, 281, 314, 360, 399, 463, 491, 504, 647; Bd. V, S. 17, 21, 28, 72, 422. – Verhandlungen des österreichischen verstärkten Reichsrathes 1860. Nach den stenographischen Berichten (Wien 1860, Friedrich Manz, 8°.) Bd. I, S. 36: über die Comitébildung; – S. 56, 72: über die Grundbuchsordnung; – S. 100, 118: über den Austritt des Grafen Barkóczy; – S. 201, 206: über das Militär-Budget; – S. 145: über Administrativ-Justiz; – S. 276: über die Subventionirung einzelner Kronländer; – S. 326: über Landesbehörden: – S. 355: über Justizreform; – S. 461, 482: über die Grundsteuer; – S. 487 und 488: über die Hauszinssteuer; – S. 557: über das Concordat; – S. 661: über Insertionsgebühren; – S. 749: über Patrimonialgerichte; – Bd. II, S. 6: über die Presse; – S. 61, 62, 72, 133, 159, 160, 283, 339, 369: über den Minoritätsantrag. – Bohemia (Prager Blatt, 4°.) 1861, Nr. 197: „Silhouetten aus dem Abgeordnetenhause. IV. Das Bureau.“ [Eine humoristische Schilderung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses]. – Narodní listy (Prager Parteiblatt) 1861, Nr. 186: „Obrázy z risské snemovny. II“, d. i. Bilder aus dem österreichischen Reichsrathe [dieses Bild Nr. II beschäftigt sich ausschließlich mit der Zeichnung Hein’s; daß Hein in demselben mit nicht zu freundlichen Zügen bedacht ist, läßt sich bei dem Parteistandpuncte, den die Narodni listy einnehmen, leicht errathen]. – Presse (Wiener politisches Blatt) 1861, Nr. 151, Abendblatt: „Slovenische Anschauung über einzelne Reichsraths-Deputirte [aus dem slovenischen Blatte „Novice“, eine beleidigende Schreibübung eines slovenischen Studenten, der für die „Novice“ Berichte schreibt]. – Unter den 20 bei Stammler u. Carlstein in Wien erschienenen, von dem genialen Canon ausgeführten Zerrbildern der hervorragendsten Mitglieder des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes erscheint auch Präsident Hein als Glocke, aus deren Mantel sein Kopf mit dem Ausdrucke sichtlichen Leidens hervorschaut; sie wird von Mitgliedern der Linken in Bewegung gesetzt, während einige Mitglieder der Rechten im Costume ihr Ertönen zu vereiteln suchen. –

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Hein, Franz, k. k. österreichischer Minister der Justiz [s. d. Bd. VIII, S. 215]. Nachdem Freiherr von Pratobevera seines Augenleidens wegen seine Ministerstelle niedergelegt, wurde der Präsident des Abgeordnetenhauses Dr. Franz Hein mit Allerh. Cabinetschreiben vom 18. December 1862 zu seinem Nachfolger als Minister der Justiz ernannt. Zur Präsidentenstelle im Abgeordnetenhause des Reichsrathes, die er bis dahin bekleidet hatte, wurde von Sr. Majestät der bisherige Vicepräsident Leopold Hasner Ritter von Artha berufen. Die Troppauer überreichten aber ihrem ehemaligen Bürgermeister am 24. Februar 1863 im Namen der Stadt einen silbernen Ehrenpokal mit der Inschrift: „Die Stadt Troppau ihrem Bürgermeister Dr. Franz Hein. 1862“.
    Die Glocke, herausg. von Payne (Leipzig, kl. Fol.) 1862, Nr. 157, S. 4 [mit Porträt im Holzschnitt). – Tagespost (Gratzer [430] Blatt) 1862, Nr. 4: „Skizzen aus dem Parlamente. VII.“ [im Feuilleton]. – Der Reichsrath, Biographische Skizzen der Mitglieder des Herren- und Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes (Wien 1862, Förster, 8°.) Heft 2, S. 18. – Porträte. 1) Nach dem Leben lithographirt von Ed. Kaiser (Wien 1861, Kaiser’s Selbstverlag, Fol.); – 2) Photographie im Visitkarten-Formate von Ost (1862). [Band 11, S. 429 f.]
  2. E Hein, Franz [s. d. Bd. VIII, S. 215, und Bd. XI, S. 429]. Zugleich mit Ausscheiden des Ministeriums Schmerling im Juli 1865 fand auch der Rücktritt Hein’s Statt. Mit Allerh. Handschreiben vom 27. Juli 1865 wurde er über sein Ansuchen von dem Amte eines Ministers und von der Leitung des Justizministeriums unter Anerkennung seiner treuen und eifrigen Dienstleistung und unter Vorbehalt seiner weiteren Dienste in Gnaden enthoben und kurze Zeit darauf [474] zum Präsidenten des Wiener Oberlandesgerichtes ernannt.
    Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 352: der Leitartikel. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 306. [Band 14, S. 473 f.]