BLKÖ:Lavotta, Karl Johann

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Lavos, Joseph
Band: 14 (1865), ab Seite: 231. (Quelle)
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Lavotta, Karl Johann (Violinvirtuos und Compositeur, geb. zu Puszta-Födémes im Preßburger Comitate 12. Juli 1762, gest. zu Tallya im Zempliner Comitate, nach Nagy’s „Magyarország családai“ 10. August 1820). Sein Vater war früher Secretär der Statthalterei, die damals in Preßburg ihren Sitz hatte. L. hat die unteren Schulen zuerst in Preßburg, dann in Tyrnau beendet, hier entstand auch im Convicte seine erste Composition unter dem Titel: „Rhetorica“. Im Jahre 1785 ging er nach Pesth, um die Rechte zu hören. 1791 war er bei Gelegenheit der Banderien Kanzellist bei Ladislaus Baron Orczy, später Erzieher bei dem Sohne des Landesrichters Karl Graf Zichy. Im Jahre 1795 wurde er Orchester-Director der ersten ungarischen Schauspieler-Gesellschaft, bei der er drei Jahre wirkte, später sehen wir ihn in Klausenburg dritthalb Jahre in derselben Eigenschaft. Im Jahre 1803 ließ er sich von der Debrecziner Schauspieler-Gesellschaft engagiren, konnte jedoch zu der Zeit schon seinem Amte weder ordnungsmäßig noch pünctlich vorstehen, ja zeitweise [232] vermochte er es nicht einmal, eine Stunde lang auf einem Platze auszuhallen, obgleich er noch in einigen vornehmen Häusern, z. B. bei Emerich Grafen Teleky als Clavierlehrer thätig war. Große Neigung für die Musik zeigte er schon in seinem zehnten Jahre. Er gewann diese Begeisterung durch seinen Vater, der selbst ein vorzüglicher Dilettant auf der Geige war. Er lernte heimlich einige Lieder, worauf sein Vater, als er dieß gewahr wurde, ihn der Leitung des berühmten Geigers des Fürst-Cardinals Grafen Batthyány überließ. Dieß ist Alles, was Paul Szemere im Jahre 1811 zu Terenya im Hause des Obernotars des Neograder Comitates Paul Györki, wo Lavotta gerne weilte, nach dessen eigenen Angaben von ihm aufschrieb. Zu der Zeit hatte das Publicum schon 98 Compositionen von ihm in Händen. Im April-Hefte des Jahrganges 1832 der Zeitschrift „Tudományos Gyüjtemény“ finden wir die Mittheilung, daß er um das Jahr 1820 zu Tallya im Zempliner Comitate sehr verlassen starb und daß dort sich auf seinem Grabe ein sechseckiger Stein erhebt, der, wie die Inschrift besagt: Von einem Verehrer der ungarischen Musen aus Szathmár 1831 ihm gesetzt worden. Aus dem Allen geht hervor, daß L. kein Zigeuner war, wie dieß viele behaupten wollten, sondern ein geborner ungarischer Edelmann und daß er, als er starb, nicht 50, sondern 58 Jahre alt gewesen. Um seinem Vater zu gehorchen, der ihn für die juridische Laufbahn bestimmt hatte, hatte er die Rechte in Pesth gehört, aber die Prüfungen nicht abgelegt. Aus diesem oder vielleicht aus einem anderen Grunde verstieß ihn sein Vater. Er litt sehr durch diesen Schlag und sein Schmerz spricht sich in einer ergreifenden Composition aus, die in der Erinnerung an die väterliche Grausamkeit entstanden war. Als er schon obdachlos umherirrte und nicht mehr wußte, wohin er sein Haupt legen solle, hatte er in einigen Privathäusern Theilnahme und eine Zufluchtsstätte gefunden. Aber weder die Größe seines Elends noch das Zureden seiner Wohlthäter vermochten seinen zügellosen Geist auf bessere Bahnen zu bringen, er blieb stolz, unbändig, leidenschaftlich, und blieb es bis zu seinen letzten Augenblicken. Mit seinem äußeren Elend wuchs seine innere Verbitterung und für beides suchte er ein Gegenmittel im Trunke. Als Compositeur war L. der erste in Ungarn, der mit den Gaben der Natur wissenschaftliche Bildung, mit Geschmack die Kraft, mit der Kraft Einfachheit, mit der Anmuth Charakteristik zu paaren wußte. Er war der Erste, der die ungarische Musik in verschiedenen Formen zum Ausdruck brachte, er erhob den nachlässigen Styl des Volksliedes aus seiner Rohheit und Einseitigkeit, er entwand die Geige den Händen der Zigeuner, obzwar sie dann wieder in die Hände des Zigeuners Bihary [Bd. I, S. 394] kam, aber wie ganz anders nach Lavotta. Früher war von einer ungarischen Symphonie natürlich gar keine Rede, konnte auch keine Rede sein und hätte L. unter anderen Verhältnissen gelebt, er würde gewiß auch sein Vaterland mit größeren Werken beschenkt haben. L. kann sich als Compositeur zwar nicht mit Csermák’s [Bd. III, S. 56] strömender Originalität messen, als Geiger nahm er es nicht mit Bihary’s stürmischem Spiele auf, in dem Spiele des Letzteren wirkte jedoch nur die Kraft, und in Bezug auf Charakteristik übertraf er sie Beide.

Bernát (Gaspar), Lavotta élete, d. i. Lavotta’s Biographie (Pesth, Hartleben, 8°.). – Vasárnapi [233] ujság, d. i. Sonntags-Zeitung (Pesth, gr. 4°.) 1858, Nr. 35: „Lavotta Janos“ [nach diesem ist er im Jahre 1764 geboren]. – Magyar és Erdélyország képekben. Kiadják Kubinyi Ferencz és Váhot Imre, d. i. Ungarn und Siebenbürgen in Bildern. Herausgegeben von Franz Kubinyi und Emerich Vahot (Pesth, 4°.) Bd. IV, S. 124. – Jelenkor. Politikai és társas élet Encyclopaediája, d. i. Die Gegenwart. Politisches Conversations-Lexikon (Pesth 1858, Heckenast, gr. 8°.) S. 109. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1860, Mor. Ráth, 8°.) Bd. VII, S. 47 [nach diesem ist Lavotta am 5. Juli 1764 geboren und am 10. August 1820 gestorben]. – Porträt. P. Hertel sc. [im Holzschnitt in der Nr. 35 des Jahrgangs 1858 des „Vasárnapi ujság“]. – Lavotta’s künstlerische Charakteristik. Ein Ungar schreibt bezüglich Lavotta’s und seiner Compositionen wie folgt: „Dasjenige, worin wir Ungarn in Bezug auf Musik groß dastehen und was uns vielleicht nie mehr verloren gehen kann, finden wir, fern von jedem fremden Geschmacke, von jeder ausländischen Modesucht, in Lavotta’s Werken bewahrt. Sein Spiel weckte in unserer Seele die tiefernstesten und schmerzvollsten Wünsche. Er griff nur dann zur Geige, wenn er Gefallen daran fand und spielte höchst selten, wenn er aufgefordert wurde. Er schlief gerne lange und seine Geige lag, als ob sie sein Weib gewesen wäre, stets neben ihm im Bette. Wenn er sein Lager verließ, stand schon die Sonne gewöhnlich sehr hoch oder begann bereits sich zu neigen, wenn dann die Seele gleichsam inmitten zwischen Licht und Dunkel, zwischen Traum und Wachen, so zu sagen in geistiger Dämmerung umherirrt, da ließ er dem kühnen Fluge seiner Phantasie freien Lauf; nach welcher Richtung hin etwa sie auch fliegen wollte, sie senkte immer wieder in die ernste, verbitterte und mit schwerem Leid erfüllte Wirklichkeit herab, als ob er den großen Schmerz unserer Nation fühlte und nur dann einige Erleichterung gewinnen könnte, wenn er ein trauerndes Lied geschrieben. In solcher Stimmung componirte er viele Lieder, und besonders liebte er Csokonai [Bd. III, S. 62]. Die im Volksmunde lebenden Lieder Csokonai’s sind fast sämmtlich von ihm componirt. Seiner äußeren Erscheinung nach war L. mittlerer Statur, von brauner Gesichtsfarbe, die Haare waren wie die Kleidung unordentlich, voll Flaumen und in sehr vernachlässigtem Zustande. Gewöhnlich trug er einen grünen Rock. Gegen das Ende seines Lebens war er bereits physisch so herabgekommen, daß ihn auch schon das Gedächtniß verließ. Bei Gelegenheit einer Ueberfuhr fiel er einmal aus dem Kahn in’s Wasser, erfaßte aber noch rechtzeitig den Schiffsschnabel und ward so gerettet. Da sagte er: „Wenn die Theiß voll Wein wäre, so stürbe ich wohl darin, das Wasser aber mag mich nicht leiden, sowie ich es nicht leiden mag, und deßhalb warf es mich wieder aus!“ Vielleicht gab dieß Veranlassung zu der voreiligen Nachricht seines Todes. L. hörte, wie Lord Brougham, mit Ruhe die Nachricht seines Todes und componirte ein neues Werk: sein eigenes Requiem.“