BLKÖ:Bihari, Johann
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Bigot von St. Quentin, Franz Ludwig Graf von |
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Band: 1 (1856), ab Seite: 394. (Quelle) | |||
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Simon Bányák (s. d. S. 147 dieses Lex.). Nach und nach vervollkommnete er sich im Violinspielen [395] so sehr, daß er bald als erster Violinist an der Spitze einer Musikbande stehen konnte. Als sein Schwiegervater starb, ging V. mit seinem Genossen, dem Zimbalspieler Bakos Ferencz nach Pesth und machte sich als Chef einer Musikbande bald in den weitesten Kreisen bekannt. Es schlossen sich ihm nun mehrere geschickte Zigeunermusikanten, als Bakos Laczi, Ficsur, Bakos Jos., Mungyi Imre u. Sárkőzi Janos an, die alle, den Zimbalschläger ausgenommen, nur Streichinstrumente spielten. Bihari ward der Mittelpunct der kunstliebenden Welt. Nun hatte er in Pesth Gelegenheit, sich vollends auszubilden, er stieg immer höher und das Publicum ließ ihm reichlichen Lohn zukommen. Zu allen öffentlichen und Privat-Festlichkeiten wurde nur er gerufen; in Ofen bei den k. k. Fürst-Palatinal-Freudengelagen und in Preßburg bei den Krönungs-, Hof-, Landtags- und andern Festen (selbst noch auf dem Landtage von 1825) spielte stets er und seine Capelle, ja sogar nach Wien wurde er oft zu den glänzenden kaiserlichen Festgeprängen und Schmausereien beschieden, wohin er übrigens beinahe alle Jahre mit seiner Gesellschaft zu reisen pflegte. Daselbst feierte er viele Triumphe; im J. 1814 nach der Schlacht bei Leipzig spielte B. vor dem kaiserl. Hofe, und wurde zu dem Concerte, das die Kais. Mar. Ludovica am 23. Dec. 1814 veranstalten ließ, als Zuhörer geladen. Zur Zeit seiner höchsten Blüte bereiste B. auch die vorzüglicheren Städte Ungarns, Siebenbürgens, der Slovakei, Kroatiens u. Galiziens, und erntete überall allgemeinen Beifall. Im J. 1824 stürzte sein Wagen zwischen Gyöngyös und Hatvan um, die Knochen an seinem linken Arme zersplitterten und blieben trotz der Bemühungen, selbst eines Stáhly, so starr, daß er nicht mehr im Stande war, seinen Arm mit der alten Gelenkigkeit zu bewegen, besonders in der Aplicatur. Er spielte wohl noch einige Zeit, aber nur als Gehilfe neben seinen Genossen. In den letzten Tagen seines Lebens kämpfte er mit der größten Armuth. In dieser Zeit geschah es, daß einige Magnaten in einem Pesther Gasthause, wo Bihari die letzten Reste seiner Kunst hören ließ, seinen kranken Arm über und über mit Banknoten buchstäblich umwickelten und ihm das Geld schenkten. Sie thaten es in Erinnerung dessen, was Bihari einst war und aus Mitleid über die traurige Lage, in der er sich nun befand und die immer mehr zunahm. Er hatte alles durchgebracht, blos seine Lieblingsgeige bewahrte er bis zum Tode. Als er starb, mußten die Leichenkosten aus den Spenden einiger Wohlthäter gedeckt werden. – Sein Sohn Johann war ebenfalls ein berühmter Musikus, starb jedoch in Folge seiner unregelmäßigen Lebensweise frühe; sein Enkel Franz lebt, wurde von Frz. Farkas im Violinspiele ausgebildet und ist jetzt zweiter Violinist bei der trefflichen Musikbande des F. Sárközy. – Bihari’s Auffassung war durch und durch eigen. Was er einmal gehört, war er im Stande alsogleich vorzutragen. Aus Noten zu spielen hatte er nie gelernt, und dennoch spielte er jene Tanzmusikstücke, welche deutsche Compositeure und Musiker auf Bällen vortrugen, während der Raststunden präcis herab. Als Compositeur ist er nicht ausgezeichnet, da er weder einen schöpferischen Trieb, noch hinlänglich Muße zur Composition hatte. Jene trefflichen Werke, die man ihm zuschreibt, oder die unter seinem Namen gedruckt erschienen sind, waren selten eigenes Product, denn er trug meistens Compositionen Anderer, des Lavotta und Czermák (s. d) vor. Geschickte Dilettanten, so erzählt man von ihm, übergaben ihm ihre Compositionen, denen er vermöge seines Spieles den echten nationalen Typus verlieh; besonders war er in seinen Variationen ausgezeichnet. [396] Bihari besaß aber ein außergewöhnliches Gehör und Gedächtniß. Der größte Rivale B.’s war Czermák, ein geborner Böhme, der aber trotzdem den Compositionen seiner ungar. Melodien einen rein nationalen Typus zu verleihen wußte. Czermák soll darüber, daß Bihari alle seine Stücke, nachdem er sie einmal gehört, nachspielte, ja sogar, indem er Czermáks Proben belauschte, vorher spielte und für seine eigenen Compositionen ausgab, wahnsinnig geworden sein. Daß Czermák wahnsinnig geworden, ist nun wohl eine Thatsache, doch als Ursache seines Wahnsinnes wird nicht Bihari, sondern unglückliche Liebe angegeben [vergleiche darüber die interessanten Mittheilungen in der „Oestr. Zeitung“ 1856, Nr. 325: „Ein ungarischer Musikant“ u. Nr. 341 das Schreiben des Ernst Suschitzky de dato: Innsbruck 5. Juli 1856]. – Wie schon bemerkt worden, hatte B. die ihm zugeschriebenen Werke nicht verfaßt. Die berühmtesten sind: „A koronázási vagy Biharinóta“, d. i. Die berühmte Krönungs- sonst auch Bihari-Nóta genannt (ein Toborzó oder Verbunkos in langsamem Tempo, A-dur), ein Marsch, welcher im J. 1808, als die Kaiserin Maria Ludovica Beatrix in Preßburg als Königin von Ungarn gekrönt wurde, und während des bei dieser Gelegenheit abgehaltenen Landtages vorgetragen wurde. Die Composition soll, wie Kenner und Zeitgenossen Bihari’s und Lavotta’s behaupten, von Letzterem sein; die zweite Composition B.’s ist: „A primatialis lassu magyar“, ein langsamer Ungartanz in E-dur. Dieses Stück nur ist von B.’s Sohn, und das Trio dazu von seinem Collegen Sarközy János componirt. Diese Composition gefiel dem alten Bihari so sehr, daß er sie sogleich einstudirte, und bei der Inauguration des ehemaligen Primas Rudnay am 15. und 16. Mai 1820 in Gran zum ersten Male spielte; die dritte berühmte Piece ist der „Lassu szomoru“, eine Trauermelodie in D-moll, die er auf den Tod seines Sohnes componirte. Diese wieder soll von Csicsó (auch Csánsai genannt), Chef einer Waizner Musikgesellschaft, und der mit B. wetteiferte, componirt sein. Außer diesen Stücken sind in Pesth und Wien noch mehrere unter seinem Namen bekannt. – Bihari war frei von dem Laster der Trunkenheit; freilich hat er in den letzten Jahren seines Lebens, wenn ihm Gönner dazu die Mittel gaben, mehr als gewöhnlich getrunken, aber er that es um sein Herzleid zu betäuben, und trieb es auch dann nicht bis zum viehischen Rausch. Die Mitglieder seiner Musikgesellschaft hielt er streng in Ordnung. Das erste Prachtcostume erhielten diese geschenkt im J. 1809, auf Antrag Karl Kubinyi’s, des Hauptmanns einer adeligen Insurgentenschaar, der einer der liberalsten Gönner B.’s war. Das Costume wurde mittelst einer unter den Patrioten gemachten Collecte angeschafft, und bestand aus kornblumenblauen Beinkleidern mit schwarzen Schnüren, einem rothen Dolmány mit schwarzen und blauen Schnüren, einem mit Lammsfell verbrämten Mantel, und einem Otterkalpag mit weißem Reiherbusch. Bihari selbst hatte Goldschnüre. Seine Lieblingsgeige überließ B.’s Witwe dem ehemaligen Schloßhauptmann des Pesther Comitates zum Verkauf, der ihr auch den Preis des Instrumentes im Voraus auszahlte. Bihari’s Spielweise im Vortrage ungarischer Melodien war regelrecht, und zu seiner Zeit ohne Gleichen. Er spielte dieselben einfach, ohne übertriebene Fiorituren, so wie er sie von den Compositeuren selbst gehört hatte, aber mit Gefühl und den nationalen Typus getreu wiedergebend, wobei er von seinen trefflichen Mitgliedern bestens unterstützt [397] wurde. Seine Fris nóta’s (Allegro) sprühten vom Feuer des Lebens. Freilich waren die damaligen ungarischen Melodien noch keine Csárdás, wie heute. Aus B.’s Adagio’s (Lassu, d. i. Langsamen) ertönten die rührendsten Elegien, nicht der Uebermuth der Schenke (Csárda), und der zartfühlende gebildete Zuhörer wurde da nicht durch den Ausbruch wilden Jubels, sondern durch edlen Genuß gehoben. B.’s Bild ist mehrmals gemalt worden. Ein Miniaturporträt auf Elfenbein, in Wien im J. 1814 gemalt, befindet sich zu Agota im Stuhlweißenburger Comitat bei dem Grundbesitzer Polimberger; eines von Johann Donat, im J. 1821 in Oel gemalt, ist in der Gallerie des Nationalmuseums zu sehen; ein anderes ebenfalls in Oel gemaltes Porträt ließ sich Joseph von Irsa anfertigen, der es auf seinem Gute Irsa den Zigeunern zu zeigen pflegte, und sie aneiferte, in B.’s Fußtapfen zu treten. Im J. 1828 erschien ein lithographirtes Porträt B.’s, das gut getroffen sein soll. Man nannte B. den „ungar. Orpheus“. Seine Geige wird im Pesther Museum aufbewahrt; den Bogen besitzt der Pesther Advocat Karl Aßtalos.
Bihari, Johann (Tonkünstler, Director einer Zigeuner-Musikbande, geb. zu Nagy-Abony im Preßburger Comitat 1769, gest. zu Pesth 1828). Sein Vater war gleichfalls Musikus. Seine Kindheit brachte er zu Böny bei seinen Verwandten zu, und er heiratete schon in seinem 18. Jahre die Tochter des berühmten Zimbalschlägers- Blätter für Musik, Theater und Kunst, redigirt und herausgegeben von L. A. Zellner (Wien 1855, 4°.) I. Jhrg. Nr. 41. – Magyar ország és Erdély Képekben von Vahot Imre. – Pester Lloyd 1855, Nr. 142 und 144: „Bihari János“ – Arader Anzeiger 1855, Nr. 52: „Ungarische Musik und Musiker“ – Das Echo, ein Unterhaltungsblatt (Jägerndorf, kl. 4°.) IV. Jahrg. Nr. 73: „Zwei rivalisirende Compositeure“ – Jelenkor. Politikai és tarsas élet Encyclopaediája, d. i. Die Gegenwart. Encyklopädie für politisches u. geselliges Leben (Pesth 1856, Landerer u. Heckenast) I. Jahrg. 2. Heft, S. 50. – Pest-Ofner Zeitung 1856, Nr. 149: „Ungarische Aehrenlese. Graf Fay über ungarische Nationalmusik.“ – [Vergleiche den späteren Artikel: „Czermák“ dies. Lexikons.]