BLKÖ:Heeger, Wenzel Bernhard

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 8 (1862), ab Seite: 195. (Quelle)
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Heeger, Wenzel Bernhard (Pädagog und Naturforscher, geb. zu Johannesberg in Oesterreichisch-Schlesien am 28. September 1740, gest. [196] in Croatien im Juni 1807). Sein Vater war Gutsbesitzer und Posthalter, und der Sohn wurde bis zum 16. Jahre im elterlichen Hause erzogen. 1756 kam er nach Troppau, wo er bis 1764 die Schulen besuchte, worauf er nach Wien ging und daselbst juridische und medicinische Vorlesungen besuchte, ohne jedoch Rechts- und Arzneiwissenschaft vollständig zu absolviren. Während seiner Studien in Wien versah er bis zum Jahre 1780 die Stelle eines Erziehers im Hause des Grafen Chotek, damaligen Hofkanzlers. Im Jahre 1782 errichtete er zu Perchtoldsdorf bei Wien mit besonderem Privilegium des Kaisers Joseph (jedoch nur auf sechs Jahre) eine Knaben-Erziehungsanstalt für alle Fächer, mit Ausschluß der juridischen und medicinischen Wissenschaften. Heeger’s Erziehungssystem berücksichtigte vornehmlich die Fähigkeiten und Fortschritte seiner Zöglinge, und sah daher von einer bestimmten Classeneintheilung, in welcher Mehr- und Minderbefähigte zugleich aufsteigen, ganz ab. Eine Verlängerung seines Privilegiums, nachdem dasselbe 1788 zu Ende gegangen, wurde ihm ungeachtet des fördernden Wohlwollens des Kaisers Joseph II. von den Behörden verweigert. Heeger warf sich nun auf die Schriftstellerei, und vornehmlich auf das Studium der Naturwissenschaft. Bei seinen sorgfältigen Beobachtungen der Thierwelt war er auf die Vorzüglichkeit des Gespinnstes des mittleren Nachtpfauenauges (Saturnia spini) aufmerksam geworden. Endlich nach vielfältigen Versuchen, welche überdieß mit nicht geringen Kosten verbunden waren, gelang es ihm, schon 1790 davon namhafte Quantitäten Seide als spinnbares Material zu gewinnen. Selbst Se. Majestät Kaiser Franz I. beehrte aus diesem Anlasse den Erfinder mit einem Besuche, und nachdem es H. im Jahre 1794 gelungen war, unmittelbar von der Raupe ohne mechanische Vorrichtung einen schönen, weißen, brauchbaren Stoff zu erhalten, wurde ihm für seine Erfindung ein Privilegium verliehen. Die Nichtgestattung, sein Erziehungsinstitut, für das er manche Opfer gebracht, fortzusetzen, ferner die kostspieligen Versuche mit der (Saturnia spini), die erst dann lohnend gewesen wären, wenn es ihm möglich gewesen wäre, die nöthigen materiellen Mittel aufzubringen, was aber bei den Wirren und alle Industrie und den Handel lähmenden Folgen der beginnenden französischen Revolution unmöglich war; die Erhaltung seiner zahlreichen Familie (12 Kinder), und endlich sein Patriotismus, welch’ letzterer ihn anspornte, mit seinen beiden älteren Söhnen Joseph und Ernst das erste allgemeine Aufgebot im V. U. W. W. zu organisiren, alle diese Umstände zusammengenommen hatten ihn um sein Vermögen gebracht. Auch fehlte es ihm nicht an heimlichen und offenen Gegnern, welche ihn des Jacobinismus verdächtigten, so daß H. verhaftet und in Untersuchung gezogen wurde, welch’ letztere, freilich mit einer förmlichen Schuldloserklärung und Freilassung endete, aber in H. eine tiefe Verbitterung zurückließ und ihm in jenen argwöhnischen Zeiten die Beischaffung von Mitteln zur Erhaltung seiner Familie wesentlich erschwerte. Endlich verlieh ihm 1801 die Gnade des Kaisers Franz, der ihm besonders wohlwollte, und an seiner schlichten Weise, wie an seinem das Nützliche mit rastlosem Eifer anstrebenden Geiste Gefallen fand, einen Hofdienst, der ihn in die Lage setzte, für sich und seine Familie sorgenfrei in die Zukunft zu blicken. Im Jahre 1805 erhielt er zur Herstellung seiner angegriffenen Gesundheit einen unbestimmten Urlaub. [197] Einer Einladung seines Freundes, des Bischofs von Agram, folgend, begab er sich dahin, wo er wieder seinen pädagogischen Arbeiten oblag und in dieser Zeit die erste croatische Sprachlehre verfaßte. Anhaltende Nachtarbeiten verschlimmerten aber sein Leiden, dem er endlich im Alter von 67 Jahren erlag, eine Witwe mit acht unversorgten Kindern zurücklassend. In der Zeit, als H. nach Nichtverlängerung des Privilegiums zur Fortsetzung seines Erziehungsinstitutes mit schriftstellerischen Arbeiten sich beschäftigte, veröffentlichte er in Wien das Programm zu einem größeren Erziehungswerke, welches unter dem Titel: „Patriotische Vorschläge zu einer allgemeinen Erziehung oder Bildung rechtschaffener Bürger“ (1783, 8°.) erschien. Nach Kayser’s „Bücherlexikon“ (Bd. III, S. 76) wären davon zwei Bände in Wien erschienen; nach einer ausdrücklichen Mittheilung seines noch lebenden Sohnes Ernst [s. d. Vorigen] wäre aber die Herausgabe dieses Werkes in Wien nicht gestattet worden, und seien davon im Auslande sechs Bände gedruckt erschienen. Jedoch kann der Sohn den Druckort nicht angeben, und muß, da er das Werk nicht besitzt, die Bändezahl vor der Hand dahingestellt bleiben. Das oberwähnte gedruckte Programm aber, welches ich selbst besitze, kündigt sechs Bände an. Noch erschien zur Zeit seiner Entdeckung der Eigenschaft des Nachtpfauenauges folgendes Werk: „Biographie des neu entdeckten österreichischen Seidenwurmes“ (Wien 1794, 8°., mit 1 Kupf.). Nach den Mittheilungen seines Sohnes war H. noch Verfasser mehrerer anderer ohne Angabe seines Namens im Auslande gedruckter Werke naturwissenschaftlichen, ökonomischen und pädagogischen Inhaltes, aber auch die Titel derselben vermag er nicht anzugeben, ferner war er Correspondent der zu ihrer Zeit berühmten und stark verbreiteten „Neuwieder Zeitung“. H. stand mit den hervorragendsten Männern, welche zu seiner Zeit in Wien lebten, als einem Blumauer, Eder, Host, Jacquin, Dr. Leber, Mertens, Mozart, Mühlfeld, Oesterreicher, Quarin, Schreibers, Sonnleithner, Trattinik, Vivenot und vielen Anderen in freundschaftlichen Beziehungen.