Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Hedwig, Johann
Band: 8 (1862), ab Seite: 193. (Quelle)
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Heeger, Ernst (Entomolog, geb. zu Perchtoldsdorf bei Wien am 2. October 1783). Ein Sohn des damaligen Inhabers eines privilegirten Knaben-Erziehungshauses, Wenzel Bernhard Heeger [siehe den Folgenden], im Markte Perchtoldsdorf unweit Wien. Anläßlich einer in der Nacht ausgebrochenen Feuersbrunst im Schreck von seiner Mutter um zwei Monate zu früh geboren, verlebte er eine traurige Kindheit, und konnte, bereits sechs Jahre alt, noch nicht gehen. Erst im Frühlinge 1790 wurde auf den Rath mehrerer Freunde seines Vaters beschlossen, ihn der Naturcur, durch anhaltendes Verweilen im Garten auf Rasenplätzen, zu übergeben, und in der That, der Zustand des Knaben besserte sich sichtlich; bald konnte auch mit dem Unterrichte desselben begonnen werden. Mit dem vierzehnten Jahre war seine Gesundheit bereits so gekräftigt, daß er in diesem Alter (1797) mit dem von seinem Vater in Perchtoldsdorf versammelten Aufgebote der Umgegend zur Vertheidigung des Vaterlandes ausziehen konnte, wofür er nach beendetem Kriege, sowie sein Vater und älterer Bruder, von Kaiser Franz persönlich mit der silbernen Aufgebotsmedaille ausgezeichnet wurde. Nach aufgelöstem Aufgebote kehrte H. zu den Studien zurück, und bis zum Jahre 1800 genoß er den Unterricht in allen wissenschaftlichen Fächern nach dem Unterrichtsplane der Erziehungsanstalt seines Vaters, wobei auch der Unterricht in den classischen Sprachen berücksichtigt wurde. Als sein Vater sein Institut aufzugeben genöthigt war und 1801 nach Wien übersiedelte, besuchte H. daselbst die Humanitätsclassen, trat dann, da er sich für ein eigentliches Fachstudium nicht entschließen konnte, in die Realschule, nach deren Beendung er die Akademie der bildenden Künste besuchte und sich das Zeugniß eines akademischen Künstlers erwarb. In der Absicht, sich dem Handelsstande zu widmen, kam er nun in ein Großhandlungscomptoir. Als aber der Krieg von Neuem ausbrach, und da mehrere seiner nächsten Angehörigen, darunter auch sein Bruder, in der kaiserlichen Armee dienten, so trat auch er im October 1805 nach dem Wunsche seiner Eltern als Privatcadet in dieselbe ein und machte die Feldzüge 1805, 1809 und 1814 mit. Er rückte im Felde zum Unterlieutenant vor, mußte aber mehrerer in den Feldzügen der Jahre 1809 und 1814 erhaltener Verwundungen wegen den activen Dienst verlassen. Er bewarb sich nun um eine Civilanstellung, jedoch gelang [194] es ihm erst im Jahre 1816 eine solche beim Wiener Magistrate zu erhalten, wo er bis 1833 bei der technischer Abtheilung diente. In diesem Jahre mußte er sich, da seine Gesundheit bei der von ihm während der Ueberschwemmung des Jahres 1830 ausgeführten Rettungsversuchen sehr gelitten hatte und sein Leiden für unheilbar erklärt wurde, pensioniren lassen. Schon in der Zeit, als er den Militärdienst verlassen hatte, bis zu jener, in der er seine Civilanstellung erhielt, brachte er sich dadurch fort, daß er im Markte Mödling bei Wien eine Zeichnen- und Sprachenschule errichtete. Nur auf eine kleine Pension beschränkt, versuchte er sich mit literarischen Arbeiten im naturwissenschaftlichen Gebiete. H. hatte sich schon als Jüngling im Elternhause mit Vorliebe in seinen Mußestunden mit dem Studium der Entomologie beschäftigt, dabei aber weniger das planlose Sammeln im Auge behalten, als vielmehr seine Aufmerksamkeit auf die Lebensweise, Nützlichkeit und Schädlichkeit der Insecten durch Zucht derselben und dadurch ermöglichte anhaltende und genaue Beobachtung gerichtet. Er hatte diese Studien und Beobachtungen vornehmlich zu eigenem Nutz und Frommen, zunächst um sich in seinem Beobachtungseifer zu befriedigen, unternommen. Erst als er durch eine Reihe von Unglücksfällen in den Jahren 1848 und 1849 um seine ganze Habe kam, erst dann setzte er seine schon früher unternommenen Versuche, seine Arbeiten durch den Druck zu veröffentlichen, fort. Es war ihm sein erstes Auftreten in der Oeffentlichkeit sehr verleidet worden. Er hatte nämlich früher schon seine „Beiträge zur Schmetterlingskunde oder Abbildungen und Beschreibungen sicilianischer Schmetterlinge“ (Wien 1838, J. P. Sollinger, 4°., mit illum. Taf.) erscheinen lassen, aber das Ergebniß dieses Werkes war so wenig zufriedenstellend, daß er, vom Buchhandel keine Verbesserung seiner Lage erwartend, es vorzog, seine Arbeiten im Pulte verschlossen zu behalten. Im Jahre 1848, einer Aufforderung Oken’s Folge leistend, begann H. in der „Isis“ seine Beiträge zur Naturgeschichte der Kerfe zu veröffentlichen. H. theilt darin 15 neue Insectenbiographien mit 9 Tafeln Abbildungen der verschiedenen Metamorphosenzustände und zergliederten Theile derselben mit; sie sind im V. Hefte (S. 322) und im XII. Hefte (S. 971) enthalten; Oken’s bald darauf erfolgter Tod (Anfangs 1849) unterbrach die Fortsetzung dieser Mittheilungen. Nun übergab H. seine biographischen Insectenbeobachtungen der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, welche sie in ihren Sitzungsberichten veröffentlichte. so daß bis zum Jahre 1859 18 Hefte unter dem Titel: „Beiträge zur Naturgeschichte der Insecten“, und 2 Hefte mit dem Titel: „Neue Metamorphosen einiger Dipteren“, mit 101 lithographirten Tafel, erschienen sind. Das vollständige und geordnete Verzeichniß der naturgeschichtlichen Beschreibungen einzelner Insecten, welche Heeger in den „Sitzungsberichten der math. naturw. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften“ veröffentlicht hat, siehe in der neuesten von J. Victor Carus und Wilhelm Engelmann bearbeiteten „Bibliotheca Zoologica“ (Leipzig 1861, Engelmann), Bd. II, S. 1957, diesem Musterwerke deutscher Bibliographie. Als aber die kais. Akademie 1859 durch die Verfügungen des Grafen Gołuchowski, traurigen Andenkens, in ihrer Dotation beschränkt ward, so wurde auch Heeger dadurch getroffen, der bis dahin von der Akademie für seine Mittheilungen anständig honorirt worden war. H. war nun [195] bedacht, auf andere Weise sich ein Einkommen zu erwerben. Bei seinen anatomischen Untersuchungen hatte Heeger von jeher die Mikroscop-Präparate aufbewahrt und auf diese Art eine bedeutende Anzahl interessanter Gegenstände zusammengebracht. Auch hatte er seit vielen Jahren die durch das Sonnenmikroscop erhaltenen Vergrößerungen genau beobachtet, anfänglich auch nachgezeichnet, später aber, als die Photographie entstand, sie durch das Sonnenmikroscop zu photographiren versucht, was ihm durch vielfältige Versuche, Verbesserungen und Uebung im Jahre 1858 schon so weit gelungen war, daß er seine Beobachtungen unter dem Titel: „Album mikrospisch-photographischer Gegenstände aus dem Gebiete der Zoologie, mit 100 Abbildungen und erklärendem Text in 4 Lieferungen“ zu veröffentlichen begann. Vor der Hand verfolgt H. in diesem Werke weniger wissenschaftliche Zwecke, als er durch theils belehrend, theils unterhaltend gefaßte Artikel das gebildete Publikum überzeugen will, daß die Insectenkunde auch mehr als Spielerei sei und für Jedermann eine interessante Seite haben könne. Die bisher erschienenen zwei Lieferungen fanden eine beifällige Aufnahme, die Ausgabe der dritten Lieferung bereitet H. für den Anfang des Jahres 1862 vor. Um aber zugleich den weniger Bemittelten die Anschaffung dieses Albums möglich zu machen, so veranstaltete er auch eine Octavausgabe, von welcher jede Lieferung sammt Text mit 10 Tafeln und Titelumschlag nur 1 fl. 60 kr. österr. Währ. kostet. Um die Erfindung seines Vaters, die Nutzbarkeit des Gespinnstes der Raupe von Saturnia spini“ (des mittleren Nachtpfauenauges), nicht gänzlich verloren gehen zu lassen, cultivirt H. ununterbrochen jährlich an 2–3000 Raupen und läßt sofort gleich brauchbaren Stoff von den Raupen selbst spinnen. Zur allgemeinen Zucht derselben fehlt nur mehr ihre künstliche Vermehrung, welche er durch verschiedene Versuche zu erzielen anstrebt. Als nun gar in neuester Zeit sich Stimmen erhoben, welche behaupteten, das Gespinnst dieser Raupe sei keine Seide, so fand sich Professor Schrötter, General-Secretär der Akademie und Professor der technischen Chemie, veranlaßt, beide, die Mori- und die Spini-Seide zu analysiren und hierüber der Akademie den Vortrag zu übergeben, der unter dem Titel: „Untersuchungen des Gespinnstes der Saturnia spini (Schwarzdornspinner[WS 1]) von Samuel Jenny“ (Wien 1858, Staatsdruckerei, auch im 30. Bande der Sitzungsberichte der math. naturw. Classe) veröffentlicht wurde und zu Gunsten Heeger’s ausfiel. Heeger hat umfassende Arbeiten aus dem Gebiete der Entomologie handschriftlich im Pulte liegen, darunter eine neue Serie Beschreibungen sicilianischer Schmetterlinge, welche Georg Dahl [Bd. III, S. 129], der bekannte Entomolog und Sammler, den Heeger zu seinen Reisen aus eigenen Mitteln unterstützte hatte, an Ort und Stelle gesammelt, dann biographische Beiträge zur Naturgeschichte der Insecten und über die Hauptcharaktere der Käfergattungen. Alle diese Arbeiten sind mit Heeger’s eigenhändigen Zeichnungen, die er genau nach der Natur aufgenommen hat, ausgestattet. Ernst Heeger ist auch Mitglied mehrerer naturwissenschaftlichen und ökonomischen Gesellschaften.

Jahrbücher der Ereignisse und Bestrebungen der Wissenschaften, Künste und Gewerbe (Leipzig 1855) S. 99.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schwarzdornspinne.