BLKÖ:Brocchi, Johann Baptist

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Brlić, Ignaz Alois
Band: 2 (1857), ab Seite: 148. (Quelle)
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Brocchi, Johann Baptist (Naturforscher und Reisender, geb. zu Bassano 18. Febr. 1772, gest. zu Chartum 26. Sept. 1826). Sohn wohlhabender Eltern, erhielt er eine sehr sorgfältige Erziehung. Früh zeigte B. Anlagen zur Poesie, und seine Arbeiten erfreuten sich des Beifalls von Jac. Vitorelli, des Nestors der Bassaneser Poeten. In seine Jugendzeit fällt eine italienische Uebersetzung der „Batrachomyomachia“. Ehe B. erwachsen war, verlor er seinen Vater; dem Wunsche der Familie gemäß sollte er Rechtsgelehrter werden, aber die von Valisnieri begründete Naturaliensammlung u. der Pflanzengarten seiner Vaterstadt zogen ihn mehr an, als die juridischen Hörsäle. Als die Zeit der Prüfung herankam, wurde B. ängstlich und entfloh ohne Wissen der Verwandten heimlich nach Rom. B. zählte damals 20 J. – Während eines 3monatlichen Aufenthaltes in Rom besuchte er dort die Kunstsammlungen, und als Resultat seiner Studien erschien: „Sulla scultura egiziaca“ (Venedig 1792). – Nun begab sich B. nach Venedig, wo er das naturhistorische Cabinet des Patriziers Ascanio Molin ordnete und den Aufsatz: „Delle piante odoriferei“ schrieb. Später arbeitete er in Bassano an der Aufstellung einer Sammlung Zanuzzi’s, die in Paris erworben und im mineralogischen Theile von Romè de l’Isle geordnet worden war. In dieses Jahr fallen auch seine „Lettere sopra Dante“ an eine Dame. Im J. 1801 erhielt er die Lehrkanzel der Naturgeschichte zu Brescia. Zugleich hatte er die Aufsicht über den dortigen botanischen Garten. Die Ideen, welche die französische Revolution in Praxis gesetzt, beeinflußten auch seine Vorträge, und die Vernachlässigungen, die B. später erfuhr, wollte man aus seinen freisinnigen Vorträgen jener Zeit erklären. In den „Atti“ der Brescianer Akad. legte er (1808) manche seiner wissenschaftlichen Arbeiten nieder, darunter: seine „Analyse des magnetisch-eisenhaltigen Sandes des Flusses Olio, dem Goldkörnchen beigemischt sind“, seine „chemische Untersuchung des Valteliner Stahles“, und „eine Anatomie des Auges der Kerbthiere“. Auch erschien in diesem J. sein: „Trattato mineralogico e chimico sulle miniere di ferro del dipartimento del Mella, coll’ esposizione della fisica costituzione delle montagne metallifere della Valtrompia“ (Brescia 1808, 2 Bde., 8°.). Dieses Werk öffnete ihm den Eintritt in den Staatsdienst und B. erhielt [149] die Stelle eines „Inspecteur des mines du royaume d’Italie“. In Gemeinschaft mit Malacarne, damals Secretär im Coniglio delle miniere, wo B. diente, machte er 1810 eine Wanderung nach dem Fassathale an der obern Etsch, wo sich B. überzeugte, daß auf dem kleinsten Raume die seltensten und schönsten Fossilien vorkommen. Aus Anlaß dieser Reise schrieb er seine: „Memoria mineralogica sulla valle di Fassa“ (Mailand 1811), worauf er Mitglied des Istituto lombardo wurde. Im Sommer 1811 unternahm er mit seinem Landsmanne Parolini eine Reise von Modena über Sassuolo, Barigazzo nach Etrurien, wo er für seine conchiliologischen Forschungen eine seltene Ausbeute machte. Zum zweiten Male begrüßte er Rom und ging von dort nach Neapel, wo er den merkwürdigen Ausbruch des Vesuvs am 1. Jän. 1812 in der Nähe sah. 1813 besuchte er die Höhen von Asti, überstieg die Bocchetta, reiste nach Genua und untersuchte die dortigen Gestade. Seine an schönen Exemplaren reiche Sammlung, die er von diesen zwei Ausflügen mitgebracht, machte er dem „Coniglio delle miniere“ in Mailand zum Geschenk; die wissenschaftliche Frucht dieser Reise war aber seine: „Conchiologia fossile Subapennina con osservazioni geologiche sugli Apennini e sul suolo adiacente“, 2 Bde.(Mailand, 4°., mit 16 sehr schönen und genauen K. K.) [Ebert 2995], womit B. seinen Namen im Gebiete der Naturwissenschaft festgestellt hat. In Folge der politischen Ereignisse verlor B. mit dem Ende der französischen Herrschaft in Italien und mit der Auflösung des Consiglio delle miniere seinen Posten. Seit dieser Zeit betheiligte er sich nun auf das thätigste an der damals eben begründeten „Biblioteca italiana“. 1815 besuchte er Rom zum dritten Male und durchforschte jetzt auf’s sorgfältigste das ganze Gebiet zwischen der Tiber, dem Garigliano, dem Sabiner Gebirge und Mittelmeere; die pontinischen Sümpfe, Terracina und den Berg der Circe, und gab über seine Wanderung Bericht in den damals viel gelesenen Artikeln der „Biblioteca italiana“. Nun erschien sein: „Catalogo ragionato di una raccolta di rocce disposto con ordine geografico per servire alla geognosia d’Italia“ (1817). Als B. im Nov. 1818 von dieser Wanderung nach Rom zurückkehrte, hatte das Fieber daselbst so überhand genommen, daß im Spitale S. Spirito 6000 Fieberkranke sich befanden. B. wollte sich über diese aria cattiva genauer unterrichten; vier Nächte nacheinander brachte er in der ungesundesten Gegend bei S. Lorenzo fuori le mura zu, wo er den feuchten Niederschlag der chemischen Prüfung unterzog und seine Untersuchung im Novemberhefte der „Biblioteca ital.“ 1818 bekannt machte. Im J. 1819 bereiste B. noch das italienische Festland, durchstrich ganz Calabrien, und beobachtete den eben erfolgten Ausbruch des Aetna, über den er genauere Berichte bekannt machte, als bisher über diese Naturerscheinung noch veröffentlicht worden. Im Winter kehrte B. nach Rom zurück, und die Frucht eines viermaligen Aufenthaltes in dieser heiligen Stadt war die Druckschrift: „Dello stato fisico del suolo di Roma. Memoria per servire d’illustrazione alla carta geognostica di questa città con due tavole in rame“ (Rom 1820, 8°.). Außerdem brachte die Biblioteca italiana in d. J. 1818–23, das damals erscheinende „Giornale di fisica e di chimica di Pavia“ (Jahrg. 1821) viele sehr werthvolle Mittheilungen aus seiner Feder. Aber nicht blos die Geologie war es, die den rastlosen Forscher fesselte, auch auf anderen Gebieten wollte er sich heimisch finden lassen, und die Bibl. Italiana, 1818 Maiheft, enthielt seine Nachricht von Cola Rienzi[WS 1], [150] wozu ihm ein Archiv im Sabinerlande nicht unwichtige Daten dargeboten, und seine ebenda enthaltene Lebensskizze von Cesalpini[WS 2], welche sein Geschick für biographische Arbeiten beurkundet. Im J. 1821 machte B. in Mailand die Bekanntschaft des Apothekers Forni, der lange in Diensten des Vicekönigs Mehemed Ali von Egypten gestanden und jetzt einen tüchtigen Gelehrten suchte, der die Aufsicht über die Bergwerke des Vicekönigs zu übernehmen gesonnen wäre. Brocchi besann sich nicht lange; längst begierig die ferne Welt zu sehen, nahm er den Posten, der überdies mit sehr vortheilhaften Bedingungen verknüpft war, an, schiffte sich am 23. Sept. 1821 ein, und langte im Dec. d. J. in Cairo an. Im Dec. 1822 durchschritt er mit einer Caravane von 120 Cameelen die Wüste und kam nach Sayd in Oberegypten. Er berichtet darüber im Giornale di fisica e chimica di Pavia 1824, Bd. 7. Die Wiederaufnahme der Metallgruben scheiterte aber an Mangel von Brennmaterialien. Um solche aufzutreiben, reiste B. nach dem Libanon, wo sich die Nachgrabungen nach fossiler Kohle erfolgreich zeigten. Auf dieser Reise machte B. Forschungen über den Cultus der Drusen, sammelte Handschriften, die Aufschlüsse darüber gaben und übersetzte sie aus dem Arabischen. Im Mai 1824 war B. schon wieder in Cairo. Da seine Verpflichtungen gegen den Vicekönig Ende Sept. 1825 zu Ende gingen, verlängerte er auf des Letzteren Wunsch seinen Vertrag, und verließ um Bleigruben aufzufinden im Mai 1825 neuerdings Cairo in Begleitung des Mailänders Francesco Bonavilla, den B. als Gehilfen angenommen hatte. Im Juni traf B. zu Chartum in Sennaar ein, wo sich bei einer alles versengenden Hitze (37°.) wenig Nahrung für seine Wißbegierde fand. 6 Monate brachte er in Sennaar zu, sein letzter Brief war vom 28. April 1826, wo er noch die Hoffnung aussprach, im Frühjahr 1827 in Italien einzutreffen. Im Juni reiste B. von Sennaar ab, und wollte in Chartum das Ende der eingetretenen Regenzeit abwarten. Da befiel ihn am 17. und 18. Sept. ein Anfall der Ruhr, dem er auch wenige Tage darnach – am 23. Sept. – schon erlag. Auch seinen Reisegefährten Bonavilla traf bald darauf dasselbe Loos. Seine zahlreichen naturhistorischen Sammlungen und seine Manuscripte nahm Acerbi (s. d.) in seine Obhut, gab darüber in der Biblioteca italiana [siehe unten die Quellen] ausführlichen Bericht, und auch Auszüge aus seinem Tagebuche. Die Sammlungen bestanden aus Mineralien, einem 18 Fascikel umfassenden Herbarium, und zwar 1 Fasc. Pflanzen aus Ragusa, 1 Fasc. Pflanzen aus Alexandrien, 1 Fasc. aus Cairo, 1 Fasc. Pflanzen aus der Wüste, 2 Fasc. Pflanzen, gesamm. auf der Reise von Cairo nach Keneh, 4 Fasc. Pflanzen der östlichen Wüste gegen Esneh und das rothe Meer zu, 2 Fasc. aus der Gegend gegen Suez zu, 1 Fasc. Wüstenpflanzen auf dem Wege von Keneh gegen das Thal Cosseir und 5 Fasc. Pflanzen von Sennaar, eine Kiste Vogelhäute, ein Korb Conchilien, die B. zu beschreiben beabsichtigt hatte, 2 Mumien, u. z. die eines kleinen Crocodils, und die eines Ibis, und eine Sammlung türkischer Münzen. Von Fischen, Reptilien, Insecten legte B. keine Sammlungen an, weil dergleichen auf einer Reise sehr schwer transportabel ist; aber alles zeichnete er sorgfältig ab. Diese Sammlungen kamen glücklich in Triest an, dort aber sollen sie – darüber liegen keine bestimmten Nachrichten vor – zu Grunde gegangen sein. Seine Manuscripte wurden gerettet. In einem Testamente vom 30. Juli 1822 testirte er seine Sammlungen und seine Bibliothek der Stadt Bassano und überdies ein Capital von [151] 10,000 Lire ital., dessen Ertrag zur Besoldung eines Aufsehers über dieselben verwendet werden sollte. Auch seine Handschriften schenkte er dahin, doch mit dem Verbote, daß davon etwas in Druck gelegt werde, weil, wie er schrieb „mehrere darunter eilig auf der Reise niedergeschriebene Tagebücher, mehreres unterwegs blos zur Hilfe des Gedächtnisses abgefaßt, ohne Ordnung, ohne Methode, manches ungenau und deßhalb nicht würdig des Druckes“ sei. Sein Tagebuch bildet nach Acerbi’s Mittheilung vier klein geschriebene Bände, welche im Drucke 12 gewöhnliche Octavbände fassen würden. An jedem Tage sind die Grade des Thermometers, die Winde, der Stand der Atmosphäre verzeichnet, und alles was er auf seinen Reisen gehört, gesehen, gesammelt. Es enthält genauen Bericht über seine letzten vier Reisen: a) von Triest (am 24. Sept. 1822) bis Cairo (1. Dec. dess. J.); b) von Cairo (30. Dec. 1822) durch die Wüste bis nach Suez, auf dieser Reise besuchte er die berühmten Smaragdgruben zu Sachetto; c) nach dem Libanon (22. Aug. 1823) um Kohlenlager aufzufinden, und zurück nach Cairo (3. Mai 1824). Hier besuchte er alle die wichtigen Orte dieses classischen Bodens, und machte seine Studien über die Drusen und ihre Religion; d) von Cairo (3. März 1825) nach Sennaar und Chartum, wo er das Tagebuch bis zum Tage seiner Erkrankung (17. Sept.) fortgeführt. In vollster Manneskraft wurde dieses Leben dahingerafft. Die Wissenschaft beklagte laut diesen schmerzlichen Verlust.

Larber (Giovanni), Elogio storico di G. B. Brocchi (Padua 1828, 8°.) [daselbst auch sein Porträt]. – Alcune lettere di illustri Italiani a Giambattista Brochi (Bassano 1854, Baseggio, 8°.) [diese kleine aber nicht uninteressante Briefsammlung ist aus dem zu Bassano aufbewahrten handschriftlichen Nachlasse B.’s „Per le nozze Garbini-Fiori“ veröffentlicht worden und enthält Briefe von Gian Rinaldo Carli, vom Cardinal Borgia, Saverio Bettinelli, Vinc. Malacarne, Melch. Cesarotti, Angelo Anelli, Cesare Arici, Luigi Bossi, Cuvier, Scip. Breislak, Massim. Ricca, Gius. Acerbi und Pietro Maraschini, Namen, die mehr als jede Lobrede bestätigen, in welcher Achtung B.’s Name stand; qui non cognoscitur ex se cognoscitur ex socio]. – Lettere dell’ illustre Brocchi. Per le auspicatissime nozze Antonibon-Chilesotti (Bassano 1856, tipografia Baseggio) [Fünf Briefe des berühmten Reisenden Brocchi aus Alexandrien (1822), Cairo (1824), Chartum und Sennaar (1825 und 1826)]. – „Zeitgenossen.“ Ein biographisches Magazin. Dritte Reihe. Herausgegeben von Fr. Christian Ans. Hasse (Leipz. 1830, Brockhaus, gr. 8°.) II. Bd. S. 20; „Biographie“ von Heinr. Hase. – Ritratti e Biografie d’illustri Bassanesi (Bassano 1853, Tipogr. Baseggio, 4°.) Nr. 10. – Biblioteca italiana (Mailand, 8°.) L. Bd. S. 80 u. 211; „Ragguaglio de’ manoscritti e della raccolta di minerali e di piante lasciati dal defunto Brocchi [diese Uebersicht ist von Acerbi (s. d. I. Bd. S. 3), dem vielverdienten Begründer der „Biblioteca italiana“ und damals östr. Generalconsul in Egypten verfaßt. – Tipaldo, Biografia degli Italiani illustri. II. Bd. S. 301 [theilt die verschiedenen einzeln erschienenen Abhandlungen B.’s mit]. – Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur. In 4 Bänden (Leipzig 1832, Brockhaus, Lex. 8°.) I. Bd. S. 326. – Biographie des hommes vivants (Paris 1816, Michaud, 8°.) I. Bd. S. 490. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Aufl.) III. Bd. S. 307. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibl. Inst., Lex. 8°.) V. Bd. S. 901. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer u. Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) VI. Bd. Supplem. S. 383. – Porträt. Unterschrift: Giambattista Brocchi. Casa Jacopo dis. Dr. Conte incis. (Bassano 1853, Baseggio, 4°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Cola di Rienzo (Wikipedia).
  2. Andrea Cesalpino (Wikipedia).