BLKÖ:Bonneval, Claudius Alexander Graf von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Bonjoannes, Anton
Band: 2 (1857), ab Seite: 54. (Quelle)
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Bonneval, Claudius Alexander Graf von (k. k. Generalfeldzeugmeiste, später Pascha von zwei Roßschweifen, geb. zu Paris 14. Juli 1675, gest. zu Constantinopel in der Nacht vom 23. auf den 24. März 1747). Entstammt einer alten Familie in der franz. Landschaft Limousin, welche mit dem regierenden Hause der Bourbons verwandt war. B. wurde von den Jesuiten erzogen, wählte selbst den Militärstand, und trat 1691 als Schiffsfähnrich in königliche Dienste. 1698 kaufte er eine Lieutenantsstelle bei der Garde. Beim Ausbruche des spanischen Erbfolgekrieges erhielt er die Erlaubniß, ein Regiment zu werben, und B. zeichnete sich durch seine Tapferkeit aus. Bei Luzzara stand er dem Prinzen Eugen von Savoyen gegenüber, der mit militärischem Scharfblicke durchschaute, welcher ebenbürtige Gegner der junge französische Oberst sei. B. diente bis 1704 in Italien unter Catinat, Villeroy u. Vendome. Sein wüstes Leben, wovon Frau von Maintenon[WS 1], welche damals Frankreich regierte, Kenntniß bekam, war Veranlassung, daß der Kriegsminister Chamillart bei dem großen Avancement im Jahre 1704 den Obersten Bonneval überging. Nun [55] griff B. öffentlich den Minister und den Hof an, so daß es ihm endlich, in der Besorgniß verhaftet zu werden, gerathen schien, über die Gränze zu gehen. B. verlangte seine Entlassung. Zugleich gab er seine Absicht kund, in des deutschen Kaisers Dienste zu treten: où tous les ministres sont gens de qualité et savent comment il faut traiter leurs semblables (Brief an Chamillart). Der König über solches Benehmen entrüstet, zog B.’s Güter ein und erklärte ihn seiner Würden, ja seines Lebens verlustig. Im Winter 1705–6 reiste B. in Italien, im März kam er nach Venedig und, da alle seine Hilfsquellen zur Neige gingen, trat er in österreichische Dienste, in welche ihn Prinz Eugen am 6. April 1706 als kais. General-Major aufnahm. An Eugen’s Seite bethätigte B. sein militärisches Talent, namentlich bei den siegreichen Unternehmungen gegen Turin und bei mehreren gegen die Franzosen erfochtenen Siegen. B. hatte die Belagerung von Alessandria mit dem glänzendsten Erfolge geleitet, und bei Tortona die beiden Commandanten dieser Citadelle mit eigener Hand niedergemacht. 1707 diente B. unter dem Prinzen in der Provence und Dauphiné, und 1708 befehligte er die Truppen, welche gegen den Papst Clemens XI. zu Felde zogen. Im Kirchenstaate schlug er überall die kaiserl. Wappen an, und zwang den heil. Vater zu einem harten Vergleiche. Zu Comachio empfing er den König von Polen, August II. von Sachsen mit solchen Festlichkeiten, daß die gleichzeitigen Berichte voll sind von der Pracht derselben. Bis 1714 wohnte B. den Feldzügen in Savoyen, Flandern u. endlich den Unterhandlungen in Rastatt bei, welche mit dem Frieden vom 7. März 1714 geschlossen wurden. Im J. 1715 zog B. mit Prinz Eugen gegen die Türken, mit denen mittlerweile der Krieg begonnen hatte. Am Siege von Peterwardein (5. August 1716) hatte B. durch den Widerstand, den sein Regiment einem überlegenen Haufen Janitscharen entgegengesetzt, wesentlichen Antheil, auch wurde er daselbst durch einen Lanzenstich schwer verwundet. Der Kaiser selbst erließ an ihn ein schmeichelhaftes Handschreiben. Bei der Belagerung Belgrads, welche Stadt 6. Aug. 1717 fiel, wirkte B. auf das thätigste mit; für alles dies wurde er nicht nur mit einem ansehnlichen Theile der Beute belohnt, sondern mit Auszeichnungen und Ehren überhäuft und zum Hofkriegsrathe erhoben. In Wien stand er in großem Ansehen, und nahm sich unter andern des aus Frankreich verbannten Dichters J. B. Rousseau[WS 2] und mehrerer unbillig gekränkter Officiere theilnahmsvoll an. Nun erwachte seine Sehnsucht Paris zu sehen, und durch Vermittlung des Prinzen Eugen, der an den allmächtigen Abbé Dubois[WS 3] schrieb, erhielt er von dem Regenten Herzog von Orleans[WS 4] die Erlaubniß dazu. In der kurzen Periode seines Pariser Aufenthaltes heiratete er die Tochter des Herzogs Biron, doch in wenigen Tagen trennte er sich wieder von ihr, um nach Oesterreich zurückzukehren. Er sah seine Gattin nie wieder, blieb aber bis an sein Lebensende in Briefwechsel mit ihr. Im J. 1723 schickte ihn der Hof in die Niederlande, damit er dem alten FM. Grafen von Vehlen im Commando beistehe. Vorher war er noch zum Generalfeldzeugmeister befördert worden. Aber sein rohes ausschweifendes Benehmen, boshafte Spötteleien über seinen Gönner Eugen und den Staat, der dem Verfolgten Schutz gewährt und ihn mit Ehren überhäuft hatte, hatten ihn schon früher des Schutzes des Prinzen Eugen verlustig gemacht, ihn aber in den Niederlanden mit dem Unterstatthalter derselben, dem Marquis de Prie[WS 5] in solche Verwicklungen [56] gebracht, daß ihm der Proceß gemacht, er seiner Würden entsetzt und auf den Spielberg in Mähren in Haft gebracht wurde. Am 13. Jan. 1726 nach jahrlanger Haft – wurde er wieder entlassen. Am nämlichen Tage war auch Marquis de Prie in Brüssel gestorben. Von Rache gegen Oesterreich erfüllt, trat nun B. zuerst in spanische Dienste; war 1729 in Venedig, von wo er mit einem Passe der Signoria nach Ragusa, von dort nach Bosnien reiste. Plötzlich hieß es und bestätigte sich auch, Graf Bonneval habe türkische Dienste genommen und hetze die Pforte zum Kampfe gegen den Kaiser. In Constantinopel, wohin der Ruf seiner ruhmvollen Thaten ihm vorausgegangen, fand er eine sehr ehrenvolle Aufnahme. Der Sultan empfing ihn in feierlicher Audienz und ernannte ihn zum Pascha mit zwei Roßschweifen; 1732 zum Kumbaradsjii Baschi, d. i. Chef der Bombardiere, welches Corps er auf 4000 Mann trefflich exercirter Leute brachte. In der Türkei verbesserte B. das Artilleriewesen, und gab sich viel Mühe, europäische Disciplin unter den Türken einzuführen. Doch auch hier war sein Verhalten nicht geeignet, ihm das Vertrauen der Türken zuzuwenden. 1738 mußte er sogar Constantinopel verlassen, worauf er zu Kastemone in Asien sich aufhielt. Nach einem Jahre durfte er wieder zurückkehren, aber all sein Ehrgeiz fand keine Gelegenheit sich zu bethätigen. Prinz de Ligne sagt von B.: „Keinen Tag war sein Kopf ohne Projecte“, und sein merkwürdigstes war das folgende: er schlug Frankreich vor, ihm den Eintritt in’s schwarze Meer zu gewähren. Ueber diesem abenteuerlichen Plan starb er im Alter von 72 Jahren. Auf hohen Befehl wurde ihm aus schönem weißen Marmor ein prächtiges Monument zu Pera errichtet, mit folgender Inschrift: „Der weltberühmte Achmet Pascha verließ, um den Islam anzunehmen, sein väterliches Erbe. Er hatte unter den Seinigen einen Ruf erworben; hier erwarb er Herrlichkeit und Unsterblichkeit. Er war ein Weiser des Jahrhunderts, der Hoheit und Niedrigkeit aus Erfahrung kannte. Er unterschied Gutes und Böses, Schönheit und Häßlichkeit. Ueberzeugt von der Nichtigkeit aller irdischen Dinge, wählte er den glücklichsten Augenblick in die Ewigkeit überzugehen, und trank den Kelch des Todes in der Geburtsnacht des erhabenen Propheten. Das war der glückliche Zeitpunct sich der göttlichen Barmherzigkeit zu übergeben, und die Erde mit dem Himmel zu vertauschen. Bonneval Achmet Pascha finde im Paradiese seine Ruhe. Den zwölften des Mondes Rebbi-Ewel im 1160sten Jahre der Hedschra“. B. besaß neben seltenen Talenten leider keinen Charakter; sein abenteuerlicher ruheloser Hang herrschte in allem was er unternahm vor; wie ernstlich er seinen Uebertritt zum Islam genommen, darüber gibt seine eigene oft angebrachte Aeußerung: „Er habe seine Nachtmütze mit einem Turban vertauscht“ Aufschluß. Seinen Leichtsinn, der keine Gränze kannte, charakterisirt die Thatsache, daß er bei einem Hazardspiele, nachdem er bereits alles verloren, ausrief: „hier auf diese Karte setze ich als 100 Ducaten den Namen des Prinzen Eugen“. Friedrich der Große (Histoire de mon temps Indroduct. chap. I.) schreibt über ihn: „ce fameux aventurier n’était pas dépourvu de talens“ und hat ihn mit dieser Zeile am treffendsten gezeichnet, denn B. war thatsächlich nicht mehr als ein nicht talentloser Abenteurer. Was in Biographien über ihn von seinem Harem erzählt wird, ist erdichtet. B. hatte keinen Harem. Unter guten Freunden that er sich keinen Zwang an in Befolgung von Mahomet’s Weinverbot. Sonst hielt [57] er die Gebote des Korans, insbesondere den Ramazan sehr gewissenhaft. Er starb ohne Erben. Seinem Kammerdiener Soliman Bey, einem Italiener, der zugleich mit ihm den Turban genommen, hinterließ er alles, was er besaß.

Leben und merkwürdige Begebenheiten des Grafen von Bonneval (Frankfurt 1738, 4 Bde., 8°., mit Porträt). – Merkwürdiges Leben des Grafen C. A. von Bonneval (Hamburg 1737, 8°.). – Faßmann (David), Leben des Grafen von Bonneval (Leipzig 1740, 8°.). – Guyot-Desherbiers (N. N.), Mémoires du comte de Bonneval (Amsterdam 1736, 8°., auch London [Lausanne] 1740–55, 5 Bde., 12°., zuletzt: Paris 1806, 2 Bde., 8°.); [diese Memoiren sind erdichtet, und erschien dagegen von: Marche (C. J.), Critique ou analyse des mémoires du comte de Bonneval (Amsterd. 1738, 8°.)]. – Mirone (M. de), Anecdotes venetiennes et turques ou nouveaux mémoires du comte de Bonneval (Utrecht 1740, 2 Bde.“ 12°.; Frankfurt 1740, 2 Bde., 8°.; Leipzig 1740, 2 Bde., 8°.; Wien 1740, 2 Bde., 8°.; La Haye 1748, 2 Bde., 8°.), [der wahre Name des Verfassers ist: de Saumery; Andere schreiben das Buch irrig dem d’Argen zu; aus Saumery’s „Mémoires et Aventures secrètes“ (Liege 1732–1736) erhellt aber, daß er wirklich der Verfasser obiger Anecdotes sei). – Anecdotes turques ou Nouveaux Mémoires du Comte de Bonneval, mises en ordre par M. de C*** son Secrétaire (Utrecht 1741, kl. 8°., 1 Bd.) [ist ein erdichtetes unwürdiges Machwerk]. – Ligne (Charles Joseph de), Mémoire sur le comte de Bonneval, suivi des lettres de la comtesse de Bonneval à son mari etc. augm. du procès du comte de Bonneval, publiée par Ant. Alex. Barbier (Paris 1817, 8°.) [nur dieses Werk allein kann mit Sicherheit über B. benützt werden]. – Mémoirs of the Bagshaw count Bonneval, from his birth to his death (London 1750, 8°.). – Mémoires du Baron de Tott sur les Turcs (Amsterdam 1784, 4 Bde., 8°., auch deutsch Elbing 1785, 3 Bde., 8°.) [enthält hie und da erhebliche Notizen über Bonneval]. – Niebuhr, Det türkiske riges politiske og militaire Forfatning (Kopenhagen 1790) [enthält auch mannigfaltige Mittheilungen über B.] – Nouv. Dict. hist. Biogr. univers. tom V. [daselbst über sein ganzes Geschlecht, das seinen Namen von dem in Limousin gelegenen Schlosse Bonneval hat]. – (Ranfts) genealog.-histor. Nachrichten 112. Theil. S. 299–335. – Fortsetzung des allgem. histor. Lexikons (Leipzig 1740, Folio). – Saint-Beuve, Causeries du lundi, V. Bd. S. 397–415. – Journal encyclopédique 1773. – Nuovissimo Dizionario degli uomini illustri d’ogni età ec. (Milano 1854, Gr. Pozzoli, 16°.) I. Bd. S. 527 [setzt irrig das Jahr 1661 als B.’s Geburtsjahr, den 22. März 1747 irrig als dessen Todestag an]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoffer (Paris 1853) VI. Bd. Sp. 637 par Leo Joubert. – Lebensbeschreibung merkwürdiger Personen (Breslau 1774) S. 327–331. – Möller [E. F.), Biographien der Abenteurer (Gießen 1805, 8°.) S. 169–252. – Baur (Samuel), Interessante Lebensgemälde der denkwürdigen Personen des 18. Jahrhunderts (Leipzig 1803 u. f., 7 Bde., gr. 8°.) IV. Bd. S. 488–524. – Ebenders., Gallerie histor. Gemälde aus dem 18. Jahrhundert (Hof 1804–6, 6 Bde., gr. 8°.) I. Theil, S. 63–68. – Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste. Herausgeg. von J. S. Ersch und J. G. Gruber (Leipzig 1822, Gleditsch, 4°.) I. Sect. 11. Thl. S. 408 [nach diesem ist B. 14. Juli 1675 zu Paris geb., in der Nacht vom 23.– 24. März 1747 gest.]. – Oestr. Zeitung (Wien, gr. Fol.) 1855, Nr. 426: „Ein Omer Pascha des achtzehnten Jahrhunderts“ [auch Linzer Zeitung, 1855, Nr. 253, 254]. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) VI. Bd. S. 353 [nach dieser ist B. zu Paris 1672 geboren u. den 24. März 1744 gestorben]. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Aufl.) III. Bd. S. 103 [nach diesem ist B. nicht zu Paris, sondern zu Coussac im Limousin geboren und am 27. März 1747 gestorben]. – Ritter von Rittersberg (Johann), Histor. Militär-Almanach des 16., 17., 18. und 19. Jahrhunderts (Prag 1825) S. 117. – Gräffer (Franz), Kleine Wiener Memoiren [Wien 1845, Fr. Beck, 3 Bde.) I. Bd. S. 161: „Duell einer Dame“ [betrifft die berühmte Lady Montagne, welche sich mit B. duellirte]. – Derselbe, Wiener Dosenstücke (Wien 1852, J. F. Greß, 2. Ausgabe, 8°.) I. Bd. S. 157: „Der Fehdehandschuh“ [das obige Duell dramatisirt]; – II. Bd. S. 137: „Vor 100 und so viel Jahren“ [eine in Gräffers Manier behandelte hist. Novellette, worin Bonneval handelnd auftritt]. –– Derselbe, Wiener Tabletten (Wien, Kuppitsch, 8°.) S. 110: „Szene beim schwarzen Adler in der Taborstraße, in der großen Gaststube zu Anfang des vorigen. Jahrhunderts“ [eine novellisirte Szene zwischen Bonneval [58] und dem Hofjuden Samuel Oppenheimer].

Anmerkungen (Wikisource)