Textdaten
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Autor: Carus Sterne
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Titel: Astronomie mit bloßem Auge
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 520–524
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Astronomie mit bloßem Auge.

Von zehntausend Menschen kommt durchschnittlich wohl höchstens Einer dazu, gelegentlich durch das Fernrohr einen Blick auf den Sternenhimmel zu werfen, und weil man nun meint, ohne Fernrohr sei an demselben nicht viel Besonderes zu schauen, so wird er selbst in den meisten Schulen mit einer nicht entschuldbaren Gleichgültigkeit behandelt. Wie groß dieser Irrthum ist, mag aus der Bemerkung erhellen, daß die Fixsterne, sofern sie nicht zu den Doppelsternen gehören, dem bewaffneten Auge selbst durch die stärksten Werkzeuge keineswegs größer erscheinen, als dem bloßen Auge, sondern eher kleiner. Im Gegentheile kann man viele der merkwürdigsten Erscheinungen des Sternenhimmels, z. B. die verschiedene Farbe und den regelmäßigen Lichtwechsel einzelner Sterne, das Thierkreislicht, Nebelflecke etc. recht wohl mit bloßem Auge, oder wenn dasselbe schwach ist, mit einem kleinen Opernglase, wie es ja fast Jedem zugänglich ist, erkennen, und ich glaube Manchem einen Gefallen zu erweisen, wenn ich ihn auf einige dieser den meisten Menschen ihr Lebelang verborgenen Sehenswürdigkeiten am Sternenhimmel aufmerksam mache.

Zunächst sollen diese Zeilen nur anregend wirken, und ich werde mich deshalb auf den Standpunkt jener ältesten Väter der Astronomie stellen, denen der nächtliche Himmel ein großes Märchenbuch mit schönen Bildern war, in deren Symbolik sich das geistige Auge gern vertiefte. Wenn wir eine der gewöhnlichen Sternkarten, wie sie unsern Schul-Atlanten vorgeheftet zu sein pflegen, zur Hand nehmen, so sehen wir darauf den Niederschlag jener uralten mythischen Betrachtungsweise des Weltalls, ein wundersames Gewimmel von Götter- und Menschenkindern, Thieren und Fabelwesen, die sich bunt, wie auf einem Maskenballe, durch einander tummeln. Auch in unsere Kalender sind jene märchenhaften Bezeichnungen der Sterngruppen, zum wenigsten die Namen und Bilder der sogenannten Thierkreiszeichen übergegangen, und wir finden dort jedem Monat sein besonderes Thierkreiszeichen: Widder, Stier, Zwillinge etc., wie sein Wappen zuertheilt. Es sind dies bekanntlich diejenigen zwölf Sternbilder, welche, den Leidensstationen der Calvarienberge katholischer Länder vergleichbar, längs des stark geneigten Himmelspfades liegen, den die Sonne im Laufe des Jahres scheinbar zurücklegt, sofern sie jeden folgenden Monat bei der nächsten Station auftaucht.

Jene Bezeichnungen der Thierkreissternbilder, wie das Gerippe unseres ganzen Kalenders und unserer Zeiteintheilung verdanken wir einem alten Culturvolke, welches viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung Babylon colonisirt hatte, den sogenannten Akkadiern, von deren culturhistorischer Bedeutung die Alterthumsforschung erst seit wenigen Jahren die sicheren Spuren aufgefunden hat. In einer aus Ziegelsteinen bestehenden Bibliothek des wieder aufgegrabenen königlichen Palastes von Ninive hat man unter den vor zweitausendfünfhundert Jahren copirten Keilschrifttafeln bruchstückweise auch dem viel älteren poetischen Commentar zu jenen zwölf Bildern gefunden, welche die erste Textseite unserer Kalender zu zieren pflegen. Es ergab sich daraus, daß jenes älteste Culturvolk die Sonne als einen abenteuernden Ritter verherrlichte, der alljährlich seine Rundreise durch die Himmelsstaaten machte und dabei an jeder der zwölf Monatsstationen eine Heldenthat verrichtete, z. B. wilde Widder und Stiere besiegte, oder sonst Abenteuer erlebte, an welche jene Thierkreisbilder zu erinnern bestimmt waren. So bezog sich z. B. das Sternbild des Wassermanns (auf unseren Himmelskarten als ein Mann dargestellt, der aus einer Urne einen ungeheuren Strom über den Himmel ergießt) auf den babylonischen Regengott, der die sogenannte Sündfluth auf Befehl eines höheren Gottes vollzogen haben sollte, und die Bibel hat, wie wir seit wenigen Jahren wissen, die Beschreibung derselben Zug für Zug dem chaldäischen Dichter entlehnt. Auch die sogenannten zwölf Thaten des Hercules sind nichts als ein entstellter Nachklang jenes altehrwürdigen Sonnen-Epos, welches die Namen der jetzt freilich (durch das Vorrücken der Nachtgleichen) weit von ihrem ursprünglichen Platze entfernten Monatszeichen in Form eines Märchens erläuterte.

Aber nicht allein sie, sondern auch alle übrigen Sternbilder verdanken ihre Namen der mehr oder minder poetisch angehauchten Volks- oder Gelehrtenphantasie. Wie sehr sinnig und volksthümlich solche astronomische Märchen oftmals sein können, möge uns das Sternbild lehren, mit welchem für die Kinder der nördlichen Halbkugel stets die Sternkunde beginnt, nämlich der große Wagen, oder wie ich ihn mit einem bekannteren, aber bloßen Mißverständnissen entsprungenen Namen nennen muß, der große Bär. Jedes Kind kennt diese uns nie entschwindende herrliche Zierde unseres nordischen Himmels, aber nur höchst wenige unter ihnen werden wissen, daß sie darin die Illustration, ja wahrscheinlich den Ursprung eines ihnen Allen bekannten Volksmärchens zu erblicken haben,des Märchens vom kleinen Däumling. Ich selbst habe erst von einem mit unserer Volksliteratur ausnehmend vertrauten Franzosen, Herrn Gaston Paris in Paris erfahren, daß dieses Sternbild, über dessen Mythologie derselbe im vorigen Jahre ein kleines lesenswerthes Buch[1] herausgegeben, in der Volkssprache der alten Deutschen und Slaven von Belgien bis Rußland, von Schweden bis nach Süddeutschland, seit Jahrhunderten allgemein der Däumlingswagen genannt worden ist; gerade wie vor mehr als zweihundert Jahren der hessische Schriftsteller Prätorius das Sternbild [523] als den „Fuhrmann Hans Dümeke“ bezeichnete, so hört man in Holstein noch heute die Benennung „Hans Dümken sitt opn Wagen“, und die Wallonen in Belgien geben ihm den Namen „Char-poucet“, das heißt Däumlingswagen.

Wir bitten die Väter, welche ihren Kindern das Märchen am Himmel zeigen wollen, die nähere Erklärung hinzuzufügen, welche schon die alten Griechen den Römern überlieferten, daß nämlich die vier Sterne, welche zusammen ein Viereck bilden, als die vier Räder eines Wagens anzusehen sind, während die drei in gebogener Linie daranstoßenden Sterne drei Zugthiere (Rinder oder Pferde) vorstellen, die, wie es in vielen Ländern z. B. jenseits des Rheins, allgemein Sitte ist, nicht nebeneinander, sondern hintereinander angespannt sind. Genau betrachtend bemerken wir, daß der Wagen rückwärts geht, als wenn er umwenden wollte, und so erklärt sich nun leicht die schiefe Stellung der Deichsel und der drei Zugthiere an derselben. „Wo aber steckt der Fuhrmann, der den Wagen rückwärts lenkt?“ wird wohl bei dieser Erklärung jeder Zuhörer fragen. Wenn wir den mittelsten der drei als Zugthiere gedeuteten Sterne genau betrachten, so werden wir bei leidlich guten Augen sogleich, ganz klar aber mit einem Opernglase dicht über demselben eine zweiten, ganz winzigen Stern erblicken, der also, wie es Fuhrleute thun, auf dem einen Ochsen oder Pferde seines Gespanns gleichsam reitet: das ist das Reiterchen der Araber, der Postillon der Franzosen, der Fuhrmann Hans Dümchen oder Däumling der Deutschen. Sein Auftauchen über dem größern Sterne beim genauern Hinschauen bietet uns für das bloße Auge fast dasselbe Schauspiel, wie die Zerlegung eines sogenannten Doppelsternes durch das Fernrohr. Wie jene in unendlicher Ferne umeinander kreisenden Sonnen des Weltalls dem bloßen Auge stets als einfache Sterne erscheinen und sich erst durch stärkere Fernröhre in zwei, meist complementär (das heißt grün und roth oder orange und blau) gefärbte Sterne trennen lassen, so erscheint dem ersten Blick auf unser Sternbild Zugthier und Reiterchen stets verschmolzen, und die Araber betrachten es als einen Prüfstein guter Augen, beide voneinander getrennt zu erblicken. Bei Anwendung eines gewöhnlichen Opernglases stehen sie bereits fingerbreit voneinander entfernt. Während sich diese beiden Sterne für den Ausblick in das All nur zufällig beinahe decken, weil sie im Raume mit unserer Sonne fast eine gerade Linie bilden, entpuppt sich der Träger des Reiterchens in stärkeren Ferngläsern als ein wirklicher aus zwei umeinander kreisenden Sonnen bestehender Doppelstern, sodaß die Absonderung des Reiterchens nur das Vorspiel einer wirklichen Entzweiung oder Zweitheilung ist.

Aus dieser eigenthümlichen Erscheinung des nur bei völlig dünstefreiem Himmel dem bloßen Auge erkennbaren Reiterchens scheint nun der Volkswitz der Germanen und Slaven jenes reizende Märchen von dem kleinen, schlauen Däumling „geschnitzt“ zu haben, der seinem Vater auf dem Felde vorschlug, ihn in das Ohr des einen Wagenpferdes zu setzen, um von dort unsichtbar das ganze Gespann mit jüh und joh! mit hott und har! zu lenken, wie es in dem Grimm’schen Märchenbuche heißt. Unser Sternbild stellt, wie gesagt, den Augenblick dar, in welchem der unsichtbare Fuhrmann seinen Wagen durch energisches Ziehen und Zupfen mit der Leine rückwärts umlenkt, worin sich ja die Kunst des Fuhrmannes vorzugsweise bewährt, und deshalb heißt der kleine Wagenlenker in Westphalen Zupdümken, und es wird hinzugesetzt, daß er stets um Mitternacht seinen Wagen „torügge zupt“, damit er anderen Tages wieder auf seinem richtigen Platze stehe.

Auch noch andere Züge unseres Märchens stehen offenbar mit den häufigen Verschwinden und Unsichtbarwerden des Reiterchens in Verbindung, so wenn er von seinem Ochsen „aus Versehen“ verschluckt wird, aber immer wieder zum Vorsehen kommt und seine Geschicklichkeit sich zu ducken und durch die engsten Spalten zu schlüpfen zu einer Reihe von Diebeskünsten benutzt. Schenkl hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Däumlings-Streiche von den arkadischen Schäfern dem Hermes in die Schuhe geschoben wurden, der bekanntlich als ganz kleiner Knirps Rinder stahl, sie scheinbar rückwärts gehen ließ, damit die Spuren irre führen sollten, sich durch Schlüssellöcher drückte und endlich, was besonders kennzeichnend ist, der Gefangenschaft durch denselben Originalkniff entwischte, wie Daumesdick bei den Gebrüdern Grimm. Wir haben also hier offenbar ein indogermanisches Sternmärchen vor uns, und die griechische Lesart von den sieben Rindern, die das Hermeskind scheinbar rückwärts davon trieb, malt sich noch in der Deutung der Römer, die das Sternbild auch als sieben auf der Tenne des Himmels im Kreise umgehende und dreschende Rinder (Septem triones) bezeichneten und nach ihnen den ganzen Nordhimmel und die Weltgegend Siebenrind (Septemtrio) tauften.

Unser Däumlings-Gestirn dient auch insofern als Ausgangspunkt für alle ersten Ausflüge in die Sternregionen, als man in der Verlängerung der Verbindungslinie seiner beiden Hinterräder am leichtesten den Polarstern findet, um welchen alle übrigen Gestirne kreisen. Er, der einem ganz ähnlichen Sternbilde wie unser Däumling, dem kleinen Bären oder Wagen als Schwanz- oder Deichselspitze angehört, war natürlich bei Naturvölkern wegen seiner allein festen Stellung in dem scheinbar allgemeinen Wirbeltanz der Sterne ebenfalls der Gegenstand sinnvoller Dichtungen und Mythen. Die alten Indier verehrten in ihm geradezu den Gott Indra, der die Welt erschaffen, und hielten die sechs oder sieben zunächst um ihn kreisenden Sterne für sieben fromme, in seine unmittelbare Betrachtung immerdar versenkte Büßer. Die Chinesen hielten, wie die Griechen, den Polarstern für den Palast ihres höchsten Gottes, für den unbeweglichen Sitz, von dem er das Weltall regiert; die Finnen wollten wenigstens in ihm das Thor erblicken, aus welchem alles Leben in die Welt getreten sei.

Die Abiponen, ein südamerikanisches Volk, haben diesen Wohnplatz und Regierungssitz ihres höchsten Gottes, denn sie zugleich als ihren „Großvater“ verehren, nach Dobritzhoffer in das Siebengestirn verlegt, und sie fürchten, wenn dieser Sternhaufen im Winter von dem südlichen Himmel verschwindet, um an dem unsrigen aufzugehen, daß der Großvater krank geworden sei, und wünschen ihm bei der Rückkehr von seiner Erholungsreise im Frühling Glück zu seiner Genesung. Sie würden eine auffallende Bestätigung ihrer Ueberzeugung, daß dort die Gottheit residire, in den Ansichten der neueren Astronomie finden, die, entgegen dem scheinbaren Mittelpunkte des Polarsternes, in dieser gedrängten Gruppe kleiner Gestirne den wirklichen Mittelpunkt unseres von der Milchstraße umgürteten Sternensystemes sucht. Im Uebrigen spielt auch in dieser Gruppe der eine Stern „Versteckens“ mit dem menschlichen Auge und hat daher, wie der Däumling, entsprechende Märchen hervorgerufen. Einem schwachen Auge erscheint das Siebengestirn wie ein Nebelfleck; ein etwas schärferes erkennt deutlich nur den einen Stern, die Alcyone, inmitten eines Gewimmels kleinerer (woher der Name der „Gluckhenne mit ihren Küchlein“); ein normales Auge unterscheidet sechs, aber nur ein ganz vorzügliches sieben Sterne, weshalb die Griechen das Märchen von den sieben Töchtern (Plejaden) der Pleione erfanden, unter denen sich eine in einen Sterblichen verliebt hätte und deshalb aus Scham vor den Blicken der anderen Menschen gewöhnlich einen Schleier über’s Gesicht ziehe, sodaß nur die übrigen Plejaden sichtbar sind. Durch ein Opernglas betrachtet, vermehrt sich die Zahl dieser kleinen Sterne bereits zu einem ganzen Haufen, der sich, durch ein Fernrohr gesehen, noch beträchtlich an Kopfzahl erweitert.

Aber auch einen wirklichen Nebelfleck vermögen wir in mondlosen Nächten von October bis April mit unbewaffneten Augen am nördlichen Sternenhimmel zu erkennen. Wenn wir die Linie, die uns vom großen Wagen zum Polarstern führte, über denselben hinaus verlängern, so treffen wir diesseits und jenseits der Milchstraße auf eine Anzahl von Sternbildern, die allesammt dem babylonisch-griechischen Märchen von Perseus und Andromeda angehören. Zuerst begegnen wir den königlichen Eltern der Andromeda, Cepheus und Cassiopeja, dann der Königstochter selbst; tiefer am Horizonte steht der Walfisch, das Ungeheuer, welches sie verschlingen wollte, auf der einen Seite Perseus mit dem Medusenhaupte, auf der andern der durch vier ein großes Quadrat bildende Sterne bezeichnete Pegasus, welcher den befreienden Helden herbeigetragen.

Indessen wir wollen in diesem alten Märchenbuche nicht weiter blättern, sondern unsere Aufmerksamkeit vielmehr auf den mit Hülfe einer Sternkarte leicht auffindbaren Nebelfleck am Gürtel der Andromeda richten. Er ist von den Tausenden der später mit Fernrohren gefundenen Nebelflecke des nördlichen [524] Sternenhimmels der Erstentdeckte, denn er wurde bereits 1612 von dem ehemaligen Musicus Mayer aus Guntzenhausen, nachmaligem Hofmathematicus des Markgrafen von Kulmbach, beobachtet. Er zeigt die besonders im Opernglase hervortretende weberschiffchenförmige Gestalt der meisten Nebelflecke, und sein Licht erscheint, wie Mayer ganz trefflich sich ausdrückte, wie der verwaschene Schimmer des Lichtes in einer Hornlaterne, oder wie eine fadenscheinige Stelle der dunklen Wölbung, durch welche der außen befindliche glanzvolle „Himmel der Seligen“ (nach Derham’s Ausdruck) hindurchschimmert. Uebrigens gehört dieser dem bloßen Auge allein deutlich sichtbare Nebelfleck zur Gruppe der auflösbaren Nebel, und der amerikanische Astronom Bond, dem im Jahre 1845 zuerst die theilweise Auflösung mittelst eines Riesenteleskopes glückte, zählte in diesem Lichtwölkchen fünfzehnhundert dicht aneinander gedrängte Sterne. Wir erblicken also dort wie durch ein Fenster unseres Sterngebäudes schon mit bloßem Auge eine äußere Fixsternwelt von ähnlicher linsenförmiger Gestalt wie diejenige, welche die Milchstraße umgürtet, und ihre Betrachtung muß daher für jeden Menschen ein interessantes Schauspiel darbieten.

Nicht sehr fern von diesem Nebel der Andromeda in dem Medusenhaupte des Perseus funkelt uns der leicht auffindbare Stern Algol entgegen, der in der Regel einen so lebhaften Glanz hat, daß man ihn den Sternen zweiter Größe beizählt. Aber jedesmal, nachdem er zweiundsechszig Stunden in diesem Glanze gestrahlt hat, nimmt seine Helligkeit so plötzlich ab, daß er nach viertehalb Stunden als Stern vierter Größe unserem Auge fast zu verschwinden droht, worauf er nach einer Viertelstunde größter Lichtschwäche neu erstarkt und nach weiteren viertehalb Stunden wieder in voriger Herrlichkeit strahlt. Da diese Stunde der Schwäche im Laufe des Jahres oftmals in die Nachtzeit fällt, so müssen wir uns eigentlich wundern, daß die Alten nicht auch davon ein schönes Märchen zu erzählen wußten. Man vermuthet mit guten Gründen, daß diese schnell vorübergehende theilweise Verdunkelung durch einen um den Algol kreisenden dunklen Begleiter von kleinerem Umfange hervorgebracht werde, sodaß es sich bei diesem Schauspiele um eine ringförmige Sonnenfinsterniß am Nachthimmel handeln würde. Einen noch auffallenderen Lichtwechsel, der deshalb auch zuerst (1596 von Fabricius) am nördlichen Sternenhimmel wahrgenommen wurde, bietet ein Stern am Halse des Ungeheuers (Walfisch), das die Andromeda zu verschlingen drohte, denn seine Helligkeit sinkt im Laufe von elf Monaten von derjenigen eines Sternes zweiter Größe bisweilen herab bis zu einer völligen Unsichtbarkeit selbst für starke Fernröhre. Dieser daher der Wunderbare (Mira) genannte Stern ist aber nur im Herbste zu sehen und daher viel seltener zu finden als Algol, den man den größten Theil des Jahres am Nachthimmel erblickt.

Auch die verschiedene Farbe der Gestirne gehört zu den Gegenständen der Astronomie mit bloßem Auge. Von den jedem Betrachter auffallenden Sternen erster Größe sind Wega, Deneb, Regulus und Spica weiß, der Polarstern, Procyon, Atair (und besonders das eine Hinterrad im großen Wagen) gelblich, Arktur, Aldebaran, Pollux und Beteigeuze deutlich röthlich. Man nimmt an, daß die röthlichen Sterne weniger heiß seien, als die gelblichen, zu denen unsere Sonne gehört, und diese wiederum weniger heiß, als die weißglühenden. Mit dem Fernrohre entdeckt man freilich, namentlich unter den Doppelsternen, lebhaftere Färbungen, purpurrothe, grasgrüne, blaue Sterne, sodaß manche Gegenden des Himmels mit schimmernden Edelsteinen aller Farben besäet erscheinen. Aber von diesen Märchengebilden darf ich heute nichts erzählen.
Carus Sterne.
  1. „Le petit poucet et la grande ourse“. Paris 1875