Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section/H8

Heft 7 des Lausitzer Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke
Heft 8 der Section Markgrafenthum Oberlausitz
Heft 9 des Lausitzer Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Alt-Hörnitz
  2. Ober-Kemnitz
  3. Lehndorf
  4. Milstrich


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Althörnitz.


Althörnitz liegt eine halbe Stunde von Zittau an der Mandau, die sich in der Nähe dieser Stadt mit der Neisse vereinigt, an der Löbau-Zittauer Eisenbahn und der Chaussee nach Rumburg zwischen den Ortschaften Hainewalde, Hausgrund, Oberbetzdorf und Neuhörnitz dicht an der Böhmischen Grenze. Der Name Hörnitz bedeutet einen erhaben gelegenen Ort (horny) doch giebt es auch eine zweite Definition, welche den Namen von hornica, Topf, ableitet, und damit die neuerliche Auffindung einer Anzahl Slavischer Todtenurnen in dem benachbarten Pethau in Verbindung bringt. Der Ort zeichnet sich durch ungemein fruchtbaren Boden aus, und namentlich wird hier der Gemüsebau ausserordentlich cultivirt, da die Aecker einen wahrhaft fabelhaften Ertrag gewähren. Vorzüglich wird der Gurkenbau gepflegt, und es ist nicht selten, dass die Erndte eines einzigen Sächsischen Ackers achtzig bis hundert Thaler einbringt. – Der grösste Theil des Rittergutes Althörnitz ist parcellirt und verpachtet, gegenwärtig werden nur hundert Acker Feld und fünfundzwanzig Acker Wiesen bewirthschaftet. Der trefflich bestandene Forst des Gutes beträgt hundert Acker. Rittergut und Dorf Althörnitz sind in die Johanniskirche zu Zittau eingepfarrt.

Wie alle von den Slaven gegründete Ortschaften ist auch Althörnitz uralt, doch fehlen alle Urkunden über dasselbe bis zum Jahre 1369, wo Kaiser Karl IV. Dienstag nach der eynlef tusend maget tag den gewin vun dem Forwerge czu hurnicz (nach anderer Abschrift „czu Hrönitz“) der Stadt Zittau gegen eine jährliche Geldleistung an das Kloster Oybin überliess, welcher Vertrag drei Jahre später am Sonntage Cantate 1373 wieder erneuert wurde. Im Anfange des funfzehnten Jahrhunderts war Hörnitz bereits an die mächtigen Burggrafen von Donyn gekommen, denn eine im Archive des Klosters Marienthal aufbewahrte Urkunde von 1420 nennt den Burggrafen Wenzk von Donyn, auf Hornicz gesessen. Im Jahre 1497 besass das Rittergut Georg von Debschitz, der Montags nach Lätare, am Tiburtiustage, als Zeuge bei einem Vertrage erschien, den die Stadt Zittau, mit der Landschaft ihres Weichbildes, wegen Ausübung der Gerichtsbarkeit abschloss. Georg von Debschitz wird noch in einer zweiten Urkunde vom Tage St. Thomä 1498 erwähnt, wo er dem Altare der Heiligen Fabian und Sebastian in der Johanniskirche zu Zittau für sich und seine Nachkommen eine Mark jährlichen Zinses von einem in Hörnitz gelegenen Bauergute überliess. Seine Nachfolger, die Gebrüder Hans Georg, Bernhard und Caspar von Debschitz geriethen mit der Stadt Zittau 1517 in grosse Streitigkeiten. Längst schon hatte die reiche, stolze Stadt Zittau mit dem Adel ihres Weichbildes wegen der Ausübung der Rechtspflege in Unfrieden gelebt. Nun begab es sich, dass Barthel Güttel von Schönau auf dem Hornitzer Território einen alten Mann, Namens Heidel, dergestalt misshandelte, dass derselbe nach wenigen Tagen starb, und die Zittauer liessen Güttel einfangen und bestraften ihn, doch wie es scheint nicht eben hart. Die Herren von Debschitz waren über die Eingriffe des Zittauer Rathes in ihre Gerichtsverwaltung höchst beleidigt, liessen nun ihrerseits den freigelassenen Güttel einfangen und stellten ihn vor die Hörnitzer Gerichtsbank, worüber sich jedoch der bereits bestrafte Todtschläger bei dem Rathe zu Zittau beschwerte, der die Edelleute zwang ihren Gefangenen aus der Haft zu entlassen. Später besassen Althörnitz Balthasar und Georg von Debschitz; Neuhörnitz aber gehörte Christoph von Debschitz, der sein daselbst befindliches Freigut 1544 an die Stadt Zittau verkaufte. Althörnitz kam 1566, ebenfalls durch Kauf, an Christoph von Nostiz auf Hainewalde.

Von der, in der Lausitz so reichbegüterten, Familie von Nostiz besass Althörnitz 1577 Christophs von Nostiz Wittwe, Barbara, und nach ihr Christoph von Nostiz, ihr Sohn, der jedoch schon 1584 starb, worauf das Gut an Hans Ulrich von Nostiz gelangte, der auch Ruppersdorf und Hainewalde besass. Er veräusserte Althörnitz an Georg von Löben, von dem das Gut in Besitz Caspar Christophs von Gersdorf kam. Georg von Löben war ein vorzüglicher Fechter und wol auch etwas rauflustig. Er hatte 1640 drei Zweikämpfe mit Sächsischen Offizieren, denn damals lag in Zittau und dessen Umgegend starke Einquartirung unter dem Commando des Oberstwachtmeisters von Milkau und Oberstleutnants von Wedelbusch, und reiste alsdann mit dem Bürgermeister Just nach Dresden, den Churfürsten um Erleichterung der Kriegslasten zu bitten, welches Gesuch auch Gewährung fand.

Von dem Herrn von Gersdorf erkaufte Althörnitz der berühmte Christian von Hartig, Doctor der Medizin und dreizehn Male Bürgermeister der Stadt Zittau. Dieser hochverdiente Mann war am 16. Mai 1605 in Zittau geboren, studirte in Frankfurt, Strassburg und Genf, bereiste alsdann Frankreich, England, Holland und Dänemark, ging später nach Venedig und promovirte endlich in Padua zum Doctor der Medizin und [58] Philosophie. Hierauf unternahm Hartig eine wissenschaftliche Reise durch Italien, und kehrte alsdann nach Venedig zurück, wo der eben so gelehrte als liebenswürdige Mann sich die allgemeine Gewogenheit und Achtung dergestalt zu verschaffen wusste, dass der damalige Doge, Nicolo Contarini ihn 1629 zu seinem Leibmedicus ernannte, und in öffentlicher Versammlung zum St. Marcusritter schlug. Hartig kehrte 1632 nach seiner Vaterstadt Zittau zurück und wurde sofort in den Rath gewählt, ein in den Stürmen des dreissigjährigen Krieges gar schwieriges Amt. Als 1643 die kaiserlichen Generale Gallas und Götz Zittau belagerten, waren es hauptsächlich die Rathsherren Hartig, Just und Stoll, welche die Schwedischen Obersten Reichwald und Brandeshagen bewegten die nutzlose Vertheidigung der Stadt nicht weiter fortzusetzen, und somit noch zu rechter Zeit grösseres Verderben von Zittau abwandten.

Schon 1639 hatte Christian von Hartig Zittau gerettet. Damals wurde die Stadt von Helmold Wrangel, genannt der tolle Helm, schwer geängstigt und ihr ein Aufwand von der damals ungeheuren Summe von 60,000 Thalern in einer Zeit von sechs Wochen verursacht. Mehrere Deputationen des Rathes hatten bereits den Obergeneral Banner um Erleichterung der schweren Kriegslast gebeten, aber es war vergeblich gewesen, da half Christian von Hartig. Man erzählt zwei Veranlassungen die den Schwedischen Feldmarschall zur Gnade bestimmten. Nach einer Tradition hatte Hartig noch einen Bruder, Jacob von Hartig, der ebenfalls Mediziner und in Venedig als Stadtphysikus angestellt war. Dieser behandelte einst die Gemahlin Banners bei einer schweren Krankheit und rettete ihr das Leben, und diesen Umstand benutzte Christian von Hartig zu seinem Zweck. Als die Deputation der Stadt Zittau bei der Brücke von Brandeis den Feldmarschall knieend um Hülfe angesprochen, aber solche nicht erlangt hatte, liess Hartig sich dessen Gemahlin vorstellen, erinnerte sie, was sein Bruder, ein geborener Zittauer, an ihr gethan, und gewann ihr Wohlwollen. Die Dame erinnerte sich dankbar ihres Retters und versprach Alles zu thun um dessen Vaterstadt zu schützen. Glücklicher Weise fiel um jene Zeit des Feldmarschalls Geburtstag, und die dankbare Frau benutzte diese Gelegenheit den Gemahl um Gnade für die bedrängte Stadt zu bitten. Banner konnte dem Flehen der geliebten Gattin nicht widerstehen und gab am 21. Juli Ordre Zittau zu räumen, ja er liess der Stadt sogar eine Salvegarde. Nach einem anderen Bericht soll noch ein zweiter günstiger Umstand, Banners Herz zu erweichen, hinzugekommen sein. Als Hartig nämlich nach Brandeis kam, war ein Sohn des Feldmarschalls schwer erkrankt, und die Schwedischen Aerzte hatten alle Hoffnung aufgegeben des Jünglings Leben zu retten. Da übernahm der geschickte Doctor Hartig die Cur, nach wenigen Tagen war der junge Banner wieder hergestellt, und des hocherfreuten Vaters Dankbarkeit befreite sofort die Stadt Zittau von ihren Quälgeistern. - Als 1651 die durch den Krieg verwüstete Kreuzkirche in Zittau wieder aufgebaut werden sollte, unterstützte Hartig den Baufond durch eine bedeutende Summe und errichtete in derselben auf eigene Kosten den Altar, welcher zur Erinnerung an ihn die Insignien des Markusordens trägt. Auch das 1651 von ihm in altitalienischem Style erbaute Schloss Althörnitz ist mit dem stolzen Löwen der Republik Venedig geschmückt. Im Jahre 1655 wurde Hartig am Landtage Bartholomäi in den Oberlausitzischen Ritterstand aufgenommen, „weil er zu Venedig mit dem Ritterorden St. Marci geziert sei und bei männiglich in gutem Valor stehe.“ Er war ein grosser Gartenfreund und führte verschiedene bisher in der Lausitz nicht gekannte Pflanzen, namentlich Tuberosen, Tulpen und Orangerie in hiesiger Gegend ein, auch stiftete er kurz vor seinem Tode ein ansehnliches Stipendium, zunächst für Verwandte, und in deren Ermangelung für Zittauer oder Predigersöhne des Stadtgebietes, von denen zur Zeit drei mit sechszig Thalern unterstützt werden. Der hochverdiente Mann starb am 1. Mai 1677 und den Eindruck seines Verlustes bezeichnen die Worte des Rectors Kaimann, der das Leichencarmen fertigte:

Zittau, steh noch tausend Jahre,
Hartigs gleichen kriegst du nicht.

Er wurde in der Johanniskirche vor der Sakristei begraben. Sein Vater war Johann Hartig, gleichfalls ein berühmter Arzt, und die Mutter Johanne Montanus, des kaiserlichen Leibarztes, Tochter. Beide Eltern starben 1632 zu Zittau an der Pest und ruhen ebenfalls in der Johanniskirche.

Nach Hartigs Tode erbte Althörnitz dessen Sohn, Johann Jacob von Hartig, geboren am 2. Februar 1639. Gleich seinem Vater unternahm er bedeutende Reisen, promovirte in Padua zum Doctor der Medizin und kehrte nach Zittau zurück, wo er drei Mal das Stadtrichteramt und dreizehn Mal das Amt eines Bürgermeisters versah. Zu Hartigs vertrauten Freunden gehörte der berühmte Tzschirnhausen auf Kiesslingswalde bei Görlitz, mit dem er in stetem Briefwechsel stand, und da er ein grosser Freund der Chemie war, liess er sich auf dem Schlosse Althörnitz ein Laboratorium einrichten, in welchem die beiden Freunde oft tagelang arbeiteten. Ebenso war Hartig auch ein ausgezeichneter Musiker und hatte bei dem berühmten Lully in Paris Unterricht genossen. Vorzüglich die Laute wusste er meisterhaft zu spielen und es wird von ihm erzählt, dass er durch sein herrliches Lautenspiel in Bourges das Herz eines jungen Landsmannes von schweren Verirrungen gerettet habe. Johann Jacob von Hartig starb 1718 und ihm folgte im Besitze des Rittergutes Althörnitz sein Sohn, Adam Jacob von Hartig, der das Gut 1771 seinem [59] Schwiegersohne August von Kyau hinterliess. Im Jahre 1781 kam Althörnitz an Johann Gottfried Kämmel und 1823 an dessen Schwiegersohn den späteren Bürgermeister von Zittau Ernst Friedrich Wilhelm Just; 1840 aber erwarb es der frühere Besitzer von Grossschweidnitz Hans Christoph Moritz von Beschwitz von dem es 1850 an den jetzigen Eigenthümer Herrn Wolf Leopold Moritz von Beschwitz gelangte.

Ausser den Böhmischen Grafen von Hartig stammt noch eine vornehme Familie aus Althörnitz. Da nämlich eine Tochter Johanns von Hartig, Christiane Margarethe Elisabeth, sich mit Christoph Friedrich von Manteuffel vermählte, so wurde hier der Sächsische Minister Georg August Ernst von Manteuffel geboren, dass demnach auch der jetzige Ministerpräsident des Königreiches Preussen aus Althörnitz stammt. Von den Hartigs leben aber auch noch Abkömmlinge in der Oberlausitz, die jedoch den Adel nicht mehr führen, da der alte Glanz ihrer Familie von ihnen gewichen ist.

Westlich von Althörnitz liegt die Koitsche, ein Berg mit herrlicher Aussicht über die Zittauer Gegend bis an das Riesengebirge, der früher sehr besucht war und auf dem 1659 eine Kindesmörderin hingerichtet wurde. Im nahen Schülerthale befindet sich ein sehenswerther Viaduct der Löbau-Zittauer Eisenbahn, auf dem Schülerbusche aber soll einst eine Burg gestanden haben, von der jedoch keine Spur mehr wahrzunehmen ist. Dagegen sind noch bedeutende Reste vormaliger Verschanzungen vorhanden, von denen behauptet wird, dass sie gleich denen auf dem Ostritzer Venusberge noch aus der Heidenzeit herrühren, wahrscheinlicher aber ist es, dass sie Ueberbleibsel von Befestigungen aus dem siebenjährigen Kriege sind, die hier von den Preussen angelegt wurden. Nach der verlornen Schlacht bei Collin zog sich eine Abtheilung der Preussischen Armee unter dem Prinzen August Wilhelm, Bruder des Königs von Preussen, nach der Oberlausitz zurück um die dort, namentlich bei Zittau befindlichen Magazine zu decken. Die Oestreicher waren indessen schon vor Zittau erschienen und die Preussen lagerten sich von Pethau über Heringsdorf bis Oderwitz, auch errichteten sie auf dem Schülerbusche verschiedene Verschanzungen. Von hier aus sahen sie nun das sich entwickelnde Trauerspiel der Beschiessung und Einäscherung Zittaus mit an. Es war am 23. Juli 1757 als das furchtbare Bombardement in wenigen Stunden die grosse, schöne volkreiche Stadt Zittau in einen Aschenhaufen verwandelte. Fünfhundert vierundsechszig Häuser, darunter das Rathhaus mit dem Archiv und die Hauptkirche gingen zu Grunde und nur hundertachtunddreissig grösstentheils kleine schlechte Häuser blieben stehen. Die meisten Einwohner retteten nichts als das Leben, Viele aber wurden von den einstürzenden Häusern erschlagen, oder erstickten in den Kellern. Zittau erlitt durch diese Verwüstung einen Verlust von zehn Millionen Thalern. Noch jetzt erinnern einige Brandruinen an jene nutzlose Barbarei, die Zittaus Wohlstand auf viele Jahre hinaus zerstörte.

Bis zum Jahre 1682 war der Schülerbusch Schauplatz fröhlicher Schulfeste, woher er auch seinen Namen erhalten hat, denn früher wurde er der Steinberg genannt. In der Woche nach Michaelis zogen täglich Vormittags elf Uhr die Lehrer mit ihren Schülern unter Absingung geistlicher Lieder nach dem Schülerbusche und der Spielwiese, wo dann „ehrbare Ergötzlichkeiten“ erlaubt waren. Es mögen indessen bei diesen Vergnügungen mancherlei Rohheiten vorgekommen und namentlich die jüngeren Schüler von den älteren oft misshandelt worden sein. Der um Zittaus Gymnasium vielfach verdiente Rector Kaimann gab sich viele Mühe diese Schulfeste zu veredeln, und es wurden deshalb vom Jahre 1660 an von den Schülern Schauspiele aufgeführt, welchen Gebrauch aber der spätere Rector Weise abschaffte. Man nannte das Fest den Schülerbuschgang oder auch das Spielwiesengehen.

O. M.     




Ober-Kemnitz.


Kemnitz, ein nicht unbedeutendes Dorf, zwei Stunden von Löbau, anderthalb Stunden von Herrnhuth und eine Stunde von Bernstadt gelegen, ist eine der alten Wendischen Niederlassungen, deren Namen schon die bekannte Grenzurkunde vom Jahre 1213 erwähnt, indem der gleichnamige Bach, auch Steinbach genannt, die Gauen Zagost und Budissin sowie das Gebiet des[WS 1] Bischofs von Meissen und des Burgwarts von Dolgowitz von einander trennte. Obgleich die Urkunde nur des Baches Cameniza, nicht aber eines Ortes gleiches Namens erwähnt, spricht doch schon die Slavische Benennung des letztern für seine Gründung in der Zeit des Heidenthums, sowie auch zwei nahe Hügel (der Butterberg, vormals Boier- oder Braterberg, wo das Gericht gepflegt wurde und die Heidenpriester ihre geheimnissvollen Werke trieben und der Ochsenberg, [60] welcher in der Vorzeit den Namen Woiskehory, Kampfberg, führte) die uralte Entstehung des Ortes zu beweisen scheinen. In den ältesten noch vorhandenen Urkunden, welche bis in das vierzehnte Jahrhundert hinabreichen, wird das Dorf Kemnitz Kamnitz, Kampnitz, Kammelz und Kemlitz geschrieben. Der Name bedeutet im Slavischen einen steinigen Ort, ein Steindorf (von Kamjenny, steinig) und wirklich liegt der untere Theil des Dorfes in einem Thale, das verschiedene anmuthige Felsparthieen enthält. Kemnitz besteht aus zweihundertachtzehn Feuerstätten, worunter, ausser den beiden Rittergütern, und den geistlichen Gebäuden, siebenundzwanzig Bauergüter, dreiunddreissig Gärtnernahrungen, zwei Windmühlen, drei von der Kemnitz getriebene Wassermühlen, drei Schenken, zwei Gasthäuser, drei Schmieden, neunundsechszig Häuser und fünfundsechszig Auenhäuser befindlich sind, in welchen letzteren hauptsächlich Tagelöhner wohnen. Die Fluren des Dorfes grenzen im Osten mit der Preussischen Oberlausitz, Altbernsdorf und Bernstadt, südlich mit Kunnersdorf, Rennersdorf und Berthelsdorf, westlich mit Strahwalde, Herwigsdorf, den Bellwitzer und Wendischkunnersdorfer Forsten und Bischdorf, nördlich mit Sohland am Rothstein, und das ganze Areal besteht nach neuerer Vermessung aus 2800 Ackern. Die Grenze zwischen Herwigsdorf, Bischdorf und Sohland bildet einen Theil der Wasserscheide zwischen dem Gebiete der Elbe und Oder, zu welchem letzteren Kemnitz gehört. Nahe beim Dorfe befindet sich der Wachberg mit schöner Aussicht.

Sowie die Gründung des Dorfes einer unbekannten Zeit angehört, lässt sich auch nicht ermitteln wer die ersten Besitzer des hiesigen Rittersitzes gewesen sein mögen. Nicht nur die obenerwähnte Grenzurkunde sondern auch einige andere, jener Zeit angehörige, Pergamentbriefe erwähnen zwar die Herren von Kemnitz als eines ritterlichen angesessenen Geschlechts, aber nirgends findet sich die Burg genannt, auf der diese Edelleute ihren Sitz hatten, obgleich es nach aller Wahrscheinlichkeit das Rittergut Kemnitz war. Die Sitte des ältesten Adels, sich nach seinem Schlosse zu nennen, erschwert die genealogischen Forschungen ungemein, und es dürfte daher die Behauptung, dass die Herren von Kemnitz der Familie von Gersdorf angehört hätten, sehr schwer zu beweisen sein. Die ersten Besitzer von Kemnitz welche mit Bestimmtheit nachgewiesen werden können lebten im vierzehnten Jahrhundert, und zwar Hans von Gersdorf (Giersdorf) 1364, und zwei andere Herren desselben Geschlechts, Heinrich und Hans von Gersdorf 1401. Die Gebrüder Hans und Nikolas von Gersdorf, auf Kemnitz gesessen, kommen in einem Görlitzer Amtsbuche von 1406 vor, und Caspar von Gersdorf besass (laut Görlitzer Rathsrechnungen) Kemnitz 1410. In dem Vertheidigungskampfe der Stadt Görlitz gegen die Hussiten nahm 1428 auch John von Gersdorf Theil, (auch wird derselbe zu gleicher Zeit als Zeuge bei einer Belehnung erwähnt) und ist in die Liste der adligen Kämpfer eingetragen als Jan von der Kemnitz. Nikol, Hans, Caspar, Peter und Rütschel von Gersdorf folgten 1438 ihrem Verwandten John als Lehnsvettern und 1459 besass Kemnitz Peter von Gersdorf allein. Das Jahr seines Todes ist unbekannt, er lebte jedoch noch 1472. Die Gebrüder Caspar, Christoph und Hans von Gersdorf wurden nach einer noch vorhandenen Urkunde im Jahre 1491 mit Kemnitz belehnt. Der Sohn Hansens von Gersdorf, Christoph, war der letzte Herr seines Geschlechts welcher Kemnitz besass, indem er bloss eine Tochter, Barbara, hinterliess, welche sich 1538 mit Hans von Kyau vermählte und 1549 mit Tode abging. Hans von Kyau (auch Kyaw und Keye genannt) war 1541 am Freitage nach Ostern Gewahrbürge, als Wenzel von Kaey zu Ruppertsdorf an Ulrich von Nostiz einige Bauergüter und ein wüstes Gut verkaufte, und 1551 am 2. Januar bewilligte er mit den Gebrüdern von Falkenhain von Gütern, Teichen und anderem Zubehör ein Kriegspferd. Er starb am 20. April 1555 und wurde, gleich seiner Gemahlin, in der Kirche zu Kemnitz bestattet.

Von seinen nachgelassenen Söhnen, Peter, Joachim und Hans erhielt Ersterer bei der Theilung des väterlichen Vermögens, den am rechten Ufer des Kemnitzbaches gelegenen Theil des Dorfes, Hans aber die andere Hälfte desselben, wo er 1576 ein Herrenhaus erbaute, so dass sich nunmehr zu Kemnitz zwei Rittersitze befanden. Aus einem Schreiben des Magistrats zu Görlitz geht hervor, dass 1587 auch Adam von Kyau Mitbesitzer von Oberkemnitz war, denn als der Rath sich nicht geneigt zeigte beiden Edelleuten das Gut abzukaufen, bat Peter von Kyau denselben um ein Darlehn von 2500 Thalern, welches ihm jedoch abgeschlagen wurde. Peter von Kyau starb um das Jahr 1590. – Hans von Kyau, vermählt mit Elisabeth von Gersdorf, wurde bei seinem 1575 erfolgten Tode unter den Linden des Kirchhofs begraben, und es wird von ihm erzählt, dass eine durch jugendlichen Uebermuth herbeigeführte Haft im Niklasthurme zu Görlitz auf sein Gemüth einen solchen Eindruck ausgeübt, dass er darüber in schwere Anfechtung verfallen sei. Der dritte Bruder, Joachim von Kyau, starb 1609 als Herr auf Arnsdorf. –

Nach Peter von Kyau’s Tode besass beide Güter zu Kemnitz, sowie auch Kerbsdorf, Adam von Kyau, der am 2. Juli 1590 durch eine Feuersbrunst einen Theil seiner Güter in Kemnitz verlor, wobei auch fünf Bauern verunglückten. Durch ihn entstand in der Kirche zu Kemnitz eine neue Sakristei und ein Gewölbe, auch wird er als Mitglied des königlichen Hofgerichts in einem Processe wegen des Rittergutes Bellwitz genannt. Das erste Mal war er vermählt mit Catharina von Maltitz, das [61] andere Mal mit Anna von Tzschirnhausen. Sein Tod erfolgte 1605, und Kemnitz kam in Besitz Adams von Kyau, seines Sohnes, der die grosse Glocke in der Ortskirche giessen liess, viele Kriegsdrangsale auszustehen hatte, und 1634 zu Görlitz starb. Seine Gemahlin, Martha geborene von Minkwitz, lebte während der Dauer des Krieges mit ihren Kindern zu Görlitz und starb 1651 auf ihrem Wittwensitze Kerbsdorf. Seit 1648 besass Kemnitz der Oberst Johann Reichwald von Kämpfen, der sich 1643 mit der jüngsten Tochter Adams von Kyau, Susannen, vermählt hatte.

Johann Reichwald von Kämpfen war im Jahre 1609 in Semcaden in Lithauen geboren und trat 1627 als gemeiner Soldat in Schwedische Kriegsdienste, welche er jedoch schon 1628 wieder aufgab um über Amsterdam nach Ostindien zu reisen. In Amsterdam reute ihn jedoch sein Entschluss und er schiffte sich nach England und von da nach Frankreich ein, wo er auf der Insel Rè landete und in einem Weinberge, wo ein Gefecht zwischen Engländern und Franzosen stattgefunden hatte, bei Betrachtung der Gefallenen als Spion verhaftet wurde. Ein Holländer befreite ihn aus den Händen des Profoses und empfahl den jungen Abentheurer dem commandirenden Offizier, welcher Reichwald Anstellung versprach. Da indessen ein Schwede ihn beredete nach Paris zu gehen und sich dort anwerben zu lassen, verliess Reichwald das Lager vor Rochelle und folgte dem gegebenen Rathe, wodurch er aber, weil keine Werber in Paris waren, in die grösste Noth gerieth. Gezwungen nochmals nach Rochelle zurückzukehren fand Reichwald dort Aufnahme in dem Leibregimente des Königs und marschirte mit diesem nach der Eroberung Rochelles in das Standquartier zu Paris, nahm hier seinen Abschied, reiste nach Rotterdam und trat, von Bewunderung für Gustav Adolf durchdrungen in Schwedische Dienste. In dem Regimente des Obersten Kirchbaum durchlief Reichwald alle niederen Militairgrade und wurde nach vielfachen Beweisen seiner Unerschrockenheit und Kriegskunde im Regimente Erich Anderson erst Quartiermeister und später Leutnant. Er kämpfte einen grossen Theil der Schlachten und Gefechte des dreissigjährigen Krieges mit seltener Tapferkeit und Ausdauer, wurde bei Wittstock gefährlich verwundet und bei Halle gefangen, aber bald wieder ausgewechselt. Bei Torgau avancirte er unter dem General Pfuel zum Oberstwachtmeister, worauf ihn Generalfeldmarschall Banner von seinem Regimente wegnahm und ihm das Commando über sechs Compagnieen und vierhundert Deutsche Reiter anvertraute. Reichwald rechtfertigte die von ihm gehegte Erwartung vollständig, indem er durch viele Beweise glänzender Tapferkeit sich auszeichnete, so dass 1642 Torstensohn ihn zum Obersten und Commandanten der Stadt Zittau erhob. Hier vermählte er sich am 10. März 1643 mit Susannen von Kyau aus Kemnitz, ging bald darauf zur Hauptarmee, kehrte aber bald nach Zittau zurück. Bei der Belagerung dieser Stadt durch die Kaiserlichen setzte Reichwald dem Feinde eine heldenmüthige Vertheidigung entgegen und erst auf dringende Bitten der Bürgerschaft, die Stadt, welche schon dreitausend Schüsse ausgehalten hatte, vor gänzlichem Untergange durch Uebergabe zu retten, entschloss sich der tapfere Oberst zu diesem schweren Schritte. Im Jahre 1647 quittirte Reichwald nach zwanzigjähriger Dienstzeit den Kriegerstand, kehrte aus Holstein nach der Lausitz zurück, und kaufte 1648 Kemnitz und Bischdorf, wo er sich als tüchtigen Oekonomen zeigte. Die Königin Christine von Schweden hatte den kühnen Kriegsmann 1647 unter dem Namen Reichwald von Kämpfen in den Adelstand erhoben. Als er am 17. Februar 1662 nach Reichenbach fuhr um seine Gemahlin abzuholen wurde er von einer heftigen Krankheit befallen die seinem Leben schon nach elf Tagen ein Ziel setzte. Er schlummert in der Gruft zu Kemnitz. Von 1662 bis 1665 besassen Kemnitz die Reichwald’schen Erben, dann aber vermählte sich des Obersten Wittwe mit Adolf von Gersdorf auf Mostrichen und Reudnitz, der Kemnitz kaufte aber schon 1667 mit Tode abging.

Bis 1690 gehörte Kemnitz der nunmehrigen Frau von Gersdorf, wo diese das Gut an des heiligen Römischen Reiches Bannerherrn und Freiherrn Nikolas von Gersdorf verkaufte, der auch Baruth, Hennersdorf und Berthelsdorf besass. Ihm folgte 1702 sein ältester Sohn, Johann Georg von Gersdorf, welcher jedoch das Rittergut gegen Kreckwitz an seinen Stiefbruder Gottlob Friedrich von Gersdorf vertauschte, der 1745 in den Grafenstand erhoben wurde und 1751 starb, worauf Kemnitz seinem einzigen Sohne, dem Reichsgrafen Wilibald von Gersdorf anheimfiel. Dieser Herr besass Kemnitz bis 1756 und verkaufte es dann an Hans Hermann von Damnitz auf Guttau, welcher 1761 starb, worauf das älteste seiner dreizehn Kinder, Wolf Ludwig von Damnitz in den Besitz des Gutes trat. Nach neunundzwanzigjährigem Aufenthalte daselbst verkaufte der Herr von Damnitz Kemnitz 1790 an den Grafen von Hrzan und Harras auf Oberstrahwalde, der 1815 starb, und das Gut seinem Neffen Franz Xavier, Grafen von Hrzan und Harras k. k. Hauptmann vererbte, welcher es auch bis zu seinem 1833 erfolgten Tode besass. Da der Hauptmann Graf Hrzan und Harras nie vermählt war erbten Kemnitz seine Brüder, die Grafen Friedrich, Emanuel und Franz, welche es durch den Bürgermeister Starke in Budissin administriren liessen, 1837 aber an den Kammerherrn Franz Paul Emil von Uichtritz verkauften. Nach diesem gehörte das Rittergut Kemnitz einem Herrn Schulze; der [62] jetzige Eigenthümer aber ist der Landesälteste der Oberlausitz Herr H. E. A. von Thielau auf Plotzen.

Kemnitz hat mannigfaltige Schicksale erlitten. Als der Hussitenkrieg namenloses Elend über die Lausitz brachte, und wol hauptsächlich bei den Belagerungen der Städte Reichenbach, Bernstadt und Löbau, mag auch Kemnitz von den rohen Horden unendlich viel gelitten haben. In den Jahren 1583 und 1599 grassirte hier eine schreckliche Pest, während der sogar die Kirche geschlossen und auf freiem Felde gepredigt wurde. Der dreissigjährige Krieg brachte neues Unheil, und als die Preussen im siebenjährigen Kriege Kemnitz plünderten erlitt der Ort einen Schaden von 18,693 Thalern. In dem Französischen Kriege mussten die Bewohner von Kemnitz durch Einquartierungen, Durchmärsche, Contributionen und Spanndienste gleichfalls manche Misshandlung und grosse Verluste an ihrem Eigenthume erleiden. Hagelwetter berührten die hiesigen Fluren in den Jahren 1640, 1641, 1733, 1737, 1757, 1773 und 1787. Durch Feuersbrünste gingen 1590 der herrschaftliche Oberhof und fünf Bauergüter in Flammen auf, 1637 brannte ein Gärtnerhaus und 1645 wie auch 1647 ein Bauergut durch Bosheit schwedischer Soldaten nieder. Ein gleiches Schicksal traf 1647 die Scheunen des herrschaftlichen Niederhofes und 1666 brannte bei Gelegenheit eines Gastmahls abermals das Herrenhaus des Oberhofes ab. Ausserdem verzehrten die Flammen 1685, 1697, 1713, 1776, 1812 und 1826 jedesmal ein Bauergut, 1749 den Gerichtskretscham mit der Schöppenlade und dem Archiv, 1806 die Buschschenke, 1816 ein Haus und 1834 die Wohngebäude des Kretschams.

Ein altehrwürdiges Gebäude ist die Kirche zu Kemnitz, die wahrscheinlich im Hussitenkriege durch Feuer zerstört wurde, da man bei dem 1794 vorgenommenen Durchbruche einer Wand zwar Brandspuren entdeckte, keine Nachricht aber von einem stattgefundenen Kirchenbrande spricht. Den Altar zieren das Reichwald’sche und Kyau’sche Wappen mit der Jahreszahl 1657, und die Kanzel ist 1659 erbaut. Von dem Kirchenschmucke raubten die Kosaken 1813 einige goldgestickte sammetne Tücher und 1835 wurde durch Einbruch ein silberner Kelch sammt Patene, Kanne und Oblatenbüchse, Geschenke der 1701 verstorbenen Frau Susanne von Gersdorf, gestohlen, so dass nur noch ein alter silberner Becher vom Jahre 1540 mit der Umschrift: „Kniez: Girzir: Niekdi, Diekan: Bidzowski: Arodic: Kadanski: Audiclan: Gest: Anno 1540“ im Gebrauch ist. Als Denkmäler der Vorzeit sind noch die Leichensteine Adams von Kyau und seiner Gemahlin, des Obersten Reichwald von Kämpfen und der Pfarrherrn seit 1617 vorhanden, auch befinden sich hier zwei uralte Leichensteine mit längst verwitterter Schrift, einen Ritter und eine Dame, wahrscheinlich aus der Familie der Gersdorfe, darstellend. Zwei der Glocken tragen Mönchsschrift, die dritte ist 1606 gegossen worden. Im Jahre 1725 traf der Blitz den Kirchthurm, und obgleich er nicht zündete, verursachte die Erschütterung doch so gewaltigen Schaden, dass die Reparatur beinahe dreihundert Thaler kostete. An Legaten ist ein von dem Grafen Gersdorf gestiftetes von 200 Thalern vorhanden, dessen Zinsen zugleich mit dem Ertrage des Gotteskastens der Armenkasse zufliessen, ein zweites von 200 Thalern aber gründeten die letzten Grafen von Hrzan und Harras mit der Bestimmung dass davon alljährlich am Todestage ihres Bruders ein ausgewählter Armer drei Thaler empfangen solle. Der Kammerherr von Uichtritz schenkte bei Uebernahme des Rittergutes 50 Thaler an die Armen, die zur Hälfte sogleich vertheilt zur Hälfte aber zinsbar angelegt wurden. Die Schule zu Kemnitz besuchen durchschnittlich zweihundertunddreissig Kinder. –

O. M.     




Lehndorf.


Als die Franken nach unsäglichen Anstrengungen die Slavischen Einwohner der Lausitz unter ihre Botmässigkeit gebracht hatten, mussten sie vor Allem daran denken, durch Erbauung fester Burgen und Thürme sich gegen etwaige Empörungen des gedemüthigten Volkes zu sichern, und so entstand nebst vielen anderen Festungen auch die Burg Camenz, auf welcher ein vom Kaiser eingesetzter Burggraf als Beherrscher eines nicht unbedeutenden Distrikts hauste. Dem Beispiele des Burggrafen folgten bald andere von ihm mit Ländereien und Unterthanen belehnte Vasallen welche die Slavischen Leibeigenen dazu verwendeten auf ihrem Grund und Boden feste, mit Wall und Graben umzogene Zwingburgen aufzuthürmen, in denen die strengen Herren von dem Schweisse der armen Fröhner bereichert ein üppiges Leben führten. Zu diesen Gütern, welche theils von Edelleuten theils aber nur von sogenannten Freien bewohnt wurden, gehörte auch Lehndorf, und der Lehnsmann welcher dort seinen Sitz hatte, war verpflichtet, dem Burggrafen von Camenz Vasallendienste zu leisten. Die Entstehung Lehnsdorfs fällt somit etwa in das elfte Jahrhundert. [63] Die frühesten Besitzer des Rittergutes sind nicht bekannt, erst im funfzehnten Jahrhundert werden als Herren auf Lehndorf die von Metzrad genannt, deren Geschlecht in dieser Gegend überhaupt bedeutende Besitzthümer hatte. Längst schon waren viele Vasallen der Burggrafen von Camenz von diesen unabhängig geworden, denn durch Vermächtnisse, Schenkungen, Verpfändungen und Verkäufe sank deren Macht und Besitz so tief, dass sich die einst so gewaltigen Dynasten schon 1318 entschliessen mussten, alle Ansprüche und Rechte an die Stadt Camenz dem Markgrafen Woldemar von Brandenburg zu verkaufen.

Borso von Camenz veräusserte endlich 1432 nicht nur sein Schloss zu Camenz mit allem Zubehör, sondern auch das in der Stadt ihm zustehende Freihaus, an den Rath zu Camenz und als er, der letzte seines Stammes, 1438 mit Tode abging fielen sämmtliche Lehen der Burggrafschaft dem Könige von Böhmen zu. Um diese Zeit gehörte Lehndorf bereits den Herren von Metzrad. Diese behielten das Gut lange Zeit, bis es im siebzehnten Jahrhundert an die Herren von Gersdorf kam, die es an das Kloster Marienstern veräusserten. Der jetzige Besitzer von Lehndorf ist Herr Richter. Eingepfarrt ist der Ort mit noch zwölf anderen Dörfern nach Uhyst am Taucher. Die meisten dieser Ortschaften, wobei auch Lehndorf, waren früher in die Nikolaikirche zu Bautzen eingekircht, als aber im dreissigjährigen Kriege dieses Gotteshaus zerstört wurde hielten sich die Bewohner der dahin gepfarrten Dörfer zu den ihnen am nächsten gelegenen Kirchen bis darüber eine Ordnung getroffen war.

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Milstrich.

Das Dorf Milstrich liegt am rechten Ufer der schwarzen Elster, zwei Stunden von Camenz und sechs Stunden von Budissin entfernt, an der Strasse welche von erstgenannter Stadt nach Wittichenau führt. Der Ort hat in funfzig Häusern etwa dreihundertfunfzig Einwohner, darunter zehn Bauergutsbesitzer, deren zu Anfange des vorigen Jahrhunderts hier neunzehn vorhanden waren, so wie sich auch unterhalb des Dorfes noch eine zweite Mühle befand. – Das hiesige Rittergut ist eins der bedeutendsten in der Umgegend, denn es enthält über tausend Acker Areal von trefflicher Beschaffenheit, fruchtbare am Ufer der Elster gelegene Wiesen, bedeutende Teichfischerei und wohlbestandene Waldung. An lebendem Inventar werden gehalten zwölf Pferde, funfzig Stück Rindvieh und vierhundert Schafe, auch gehört zum Rittergute eine Ziegelbrennerei und die 1853 abgebrannte Mühle. Eine bedeutende Haide, die Otterschütz genannt, war in früherer[WS 2] Zeit ebenfalls Zubehör des Rittergutes Milstrich, wurde jedoch zu Ende des vorigen Jahrhunderts unter äusserst billigen Bedingungen an das nahe Bernsdorf verkauft und mit dessen Rittergutsgebiete verbunden.

Milstrich, von den Wenden Jitrow (von Jutro der Morgen oder vielleicht auch von Jutry, Ostern) genannt, ist ein uralter Ort und war einst ein wichtiger Grenzpunkt des Milczener Gaues, und Standpunkt eines heidnischen Götzenbildes. Die Milczener hatten Jahrhunderte hindurch ihre Aecker bebaut und die Gegend, welche ihre Väter zur Niederlassung gewählt, liebgewonnen, als die Christen, in einer Hand das Kreuz und in der anderen das Schwert, die Slavischen Gauen heimsuchten und die Lehre des Friedens und der Menschenliebe durch Flammen und Ströme Blutes einzuführen begannen. Im Jahre 805 berührte Karl, Kaiser Karls des Grossen Sohn, auf seinem Zuge gegen die Slavenvölker auch diese Gegend. Das Heer rückte von Königsbrück heran, aber die Slaven gaben das Land, welches ihnen zur Heimath geworden, nicht so leicht auf. Verschanzungen und Gräben hinderten die Feinde am Vordringen wozu der Sumpf Selenz bei Ossling nicht wenig beitrug. Doch nur kurze Zeit vermochten die Slaven den kampfgewöhnten Franken zu widerstehen, sie mussten ihren Nacken unter das Joch beugen und das Götzenbild Jutros, des Morgengottes, bei Milstrich wurde zerstört. Zwar eilte Herzog Czech von Böhmen mit einem Heere zur Hülfe herbei, aber vergeblich, Karl und der Sachsenherzog Wittekind schlugen die Böhmen in einer blutigen Schlacht bei Budissin, und Herzog Czech wurde getödtet. – Nahe bei Milstrich steht an der Landstrasse eine uralte steinerne Säule, mit einem Aufsatze, worin sich zwei vertiefte Felder befinden. Das Volk behauptet die Säule sei zur Erinnerung an das Milczenervolk und seine steinernen Götter aufgerichtet, wer das alte Monument aber näher betrachtet, findet, dass die Bedeutung desselben rein christlicher Art ist, denn auf den Feldern [64] zeigt sich, obgleich sehr verwittert, die Kreuzigung Christi und die Auferstehung. Die Gemeinde zu Milstrich führt in ihrem Siegel dasselbe Bild der Kreuzigung (ein Kruzifix mit zwei nebenstehenden weiblichen Figuren) wie es die alte Säule zeigt, und die Sage behauptet, dass einst auf deren Stelle ein Kloster gestanden habe. Nach aller Wahrscheinlichkeit ist die Säule ein altes Heiligthum aus dem funfzehnten (kaum aus dem vierzehnten) Jahrhundert, das den Wanderer an seine religiösen Pflichten erinnern sollte, wie man denn dergleichen Säulen noch hier und da an Hauptstrassen z. B. bei Halle und Leipzig findet, welche dieselben Bilder enthalten.

Die frühesten Besitzer des Rittergutes Milstrich sind unbekannt, doch kann man mit ziemlicher Bestimmtheit annehmen, dass selbiges im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert ein Besitzthum der Herren von der Duba war, eines stolzen, reichen Geschlechts, das die meisten nahen Rittersitze innehatte, und in vielfachen Fehden mit den eben so mächtigen Herren von Camenz lag. Im sechszehnten Jahrhundert befanden sich zu Milstrich zwei Rittergüter, von denen eines der schon länger hier ansässigen Familie von Ponikau, das andere denen von Luttitz gehörte. Hans Christoph von Ponikau, der auch Königswartha und Pulsnitz besass, verkaufte am 22. December 1595 seinen Rittersitz zu Milstrich an Friedrich von Luttitz, der schon 1592 unter den Rathmännern auf dem Rittertage zu Budissin genannt wird. Ob Heinrich von Luttitz, der 1644 bei Camenz von Soldaten ermordet wurde, Herr auf Milstrich war ist nicht bekannt, Esaias von Luttitz aber besass das Gut 1684, wo er auf dem Rittertage zu Budissin als Besitzer fungirte. Als Esaias von Luttitz am 6. September 1692 mit Tode abging hinterliess er seinen Söhnen Gottlob und Esaias, jedem zur Hälfte, das Rittergut Milstrich, doch wurden beide Theile durch Esaias von Luttitz bald wieder vereinigt. Am 17. Mai 1721 entstand in dem Herrenhause zu Milstrich ein furchtbarer Brand, bei welchem dessen Besitzer durch die Flammen dergestalt verletzt wurde dass er am 18. Juni starb. Den 12. December desselben Jahres erhob der Landesherr das Rittergut Milstrich zum Allodialgute und es nahm dasselbe die Wittwe des verunglückten Esaias von Luttitz Friederike Margarethe geborene von Haugwitz aus Königswartha, nebst ihrem ältesten Sohne Ernst Christian Adolf von Luttitz in Lehn, verkaufte es jedoch schon 1730 an den königlich Polnischen und churfürstlich Sächsischen Kabinetsminister und Geheimrath Grafen von Hoym, auf Schlaventitz und Althammer der im nächsten Jahre auch Döbra, Trado, Skasska, Liesske, Ossling und Liebegast an sich brachte. Vom Grafen Hoym gelangte Milstrich 1731 an die Gräfin von Vitzthum, seine Schwester, die 1753 mit Tode abging und das Gut ihrem ältesten Sohne, dem Minister Ludwig Grafen von Vitzthum-Eckstädt hinterliess, welcher 1777 starb. Von dessen drei hinterlassenen Söhnen erkaufte Milstrich 1791 Andreas von Ludwig, welcher es seiner Tochter, Anna Katharine, der Gattin des Hauptmanns von Hacke testamentarisch überliess, die das Gut 1803 an Johann von Kanig verkaufte, nach dessen am 7. October 1821 erfolgtem Tode es sein Sohn, Herr Karl August von Kanig, der jetzige Besitzer, erhielt.

Milstrich ist mit Skasska, Ossling, Trado, Liesske, Zeissholz, Weissig und Döbra in die Kirche zu Ossling eingepfarrt, die ursprünglich dem Apostel Petrus geweiht war und unter dem Archidiakonat zu Camenz stand. Das alte, baufällige Gotteshaus, welches schon von den Hussiten mehrfach heimgesucht worden war, hatte trotz häufiger Reparaturen und Anbauten bald keinen hinreichenden Raum mehr für die zahlreiche Gemeinde, so dass in den Jahren von 1803 bis 1805 ein Neubau vorgenommen werden musste, der 14,800 Thaler kostete. Die neue Kirche ist ein schönes, massives Gebäude mit stattlichem Thurme, trefflicher Uhr und drei aus der ersten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts herrührenden Glocken. Der Altar, welcher aus der alten Kirche herrührt, enthält eine Inschrift, welche besagt, „dass im Jahre 1646 Johann Friedrich Knoche auf Döbra und Skasska, Amtshauptmann und Commandant der Festung Senftenberg diesen Altar zu Gottes Ehren eingesetzt und aufgerichtet habe.“ Die kirchlichen Legate, zum Besten armer Leute gestiftet, rühren von den Familien Ponikau, Luttitz, Haugwitz, Metzrad und Ludwig her. – – Die Schule zu Milstrich, welche auch von den Döbraer Kindern besucht wird, brannte im Jahre 1836 ab, und ist das Jahr darauf an einer anderen Stelle wieder aufgebaut worden.

O. Moser, Redacteur.     





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Milstrich
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