Textdaten
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Autor: Heinrich Pröhle
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Titel: Adalbert der Landmann
Untertitel:
aus: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, S. 69–72
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Tonger & Greven
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans eines Exemplares der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, Signatur 19 H 104 auf Commons; E-Text nach Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung: Jenseitserzählung (zum Typ siehe Ritter Gottfried) als Gründungserzählung des Klosters Sankt Katharinen bei Bad Kreuznach, zurückgehend auf die Sponheimer Chronik des Johannes Trithemius
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[69]
Adalbert der Landmann.

Wie die Griechen von dem Zauberschlafe des Epimenedes, Italiener und Deutsche aber von Barbarossa’s Bergentrückung erzählen, so berichten auch die griechischen und deutschen Schriftsteller von Männern, welche für tot galten, nach einiger Zeit aber wieder auflebten und von dem, was ihnen in einer andern Welt begegnet war, die lebhaftesten Schilderungen entwarfen. Die Männer, welche diese Berichte abstatteten, soweit sie bisher in neuerer Zeit Beachtung gefunden haben, waren Heiden oder Protestanten. Im Folgenden soll das „Gesicht“, die „Vision“ oder der „Entzückungstraum“ eines frommen Katholiken, Adalbert des Landmannes, erzählt werden.

Zwischen Rocksheim und Braunweiler liegt der Katharinenhof, welcher früher ein Nonnenkloster war. Dieses Nonnenkloster wurde auf folgende Veranlassung hin gestiftet.

Ein bejahrter Landmann, Adalbert, wurde krank. Man glaubte ihn sterben zu sehen und er lag eine Nacht hindurch als Toter da. Bei Sonnenaufgang, als man ihn eben beerdigen wollte, wurde er wieder lebendig. Die Umstehenden liefen entsetzt davon. Der Auferstandene aber ging in die Kirche und blieb lange auf den Knieen im Gebete liegen. Er sah und hörte nicht, daß sich die Menge um ihn versammelte. Endlich [70] als man ihn anredete, rief er aus: „O Ihr thörichten und gottlosen Menschen, welche Qualen sind Euch doch nach diesem Leben bereitet!“

Adalberts Äußerungen und Ermahnungen beschäftigten alle Menschen ringsumher, am meisten aber den Pfarrherrn von Mandel, den Abt von Sponheim und den Prior Johann. Diese drei Geistlichen begaben sich denn auch alsbald in Adalberts Hütte und ihnen erzählte er, was in der Nacht vorher mit ihm geschehen sei.

Nach seinem Tode – sagte er – hätten mehrere Engel seine Seele in die Luft geführt. Da wären lauter Funken wie Schneeflocken um ihn her geschwirrt. Das wären unzählige Teufel gewesen, die hätten ihn wollen in das ringsum lodernde Feuer stürzen, die guten Engel aber hätten die Teufel von ihm abgewehrt. Den bösen wie den guten Engeln wären alle seine Sünden bekannt gewesen. Ihm selbst aber wären sie noch fürchterlicher erschienen, wiewohl er doch manche davon in seinem früheren Leben nur für sehr unbedeutend gehalten hätte. So sei er einmal nach Kreuznach gegangen, da habe ihn ein Bettler nach dem Wege gefragt. Den habe er ihm zwar gesagt, aber nicht genau genug beschrieben und deshalb habe der Bettler nachher einige Stunden lang im Walde umherirren müssen. Dafür – so berichtete Adalbert der Landmann – sei er auf eine Weise gestraft worden, daß er es gar nicht ausdrücken könne und wenn er hundert Zungen hätte. Wegen eines anderen Fehlers, den er früher kaum für ein Vergehen gehalten habe, hätten die Teufel mit lautem Gelächter brennende Garben auf ihn geworfen und ihn, wie er gemeint hatte, wohl vierhundert Jahre lang auf das jämmerlichste verbrannt.

Darauf sei ihm ein Engel als Führer gegeben und der habe ihn zu dem Orte der ewigen Verdammnis geleitet. Nun sei er doch in Wahrheit nicht vierhundert Jahre, sondern nur eine Nacht im Tode gewesen. Aber während dieser Zeit seien so viele Seelen zur Hölle hinabgestürzt, als seiner Meinung nach kaum in Jahrhunderten könnten gestorben sein.

Viele Bischöfe, Äbte, Priester, Mönche und Nonnen, Christen und Heiden wären darunter gewesen und ein fürchterliches Geheul hätte sich erhoben. Die Seele eines gewissen Bischofs sei mit großem Getöse von den Teufeln in die Hölle geschleppt. Mönche und Nonnen wären wegen ihres Ungehorsams und Murrens fürchterlich gestraft, unzählige Bischöfe und [71] Prälaten hätten wegen Simonie, das heißt wegen Bestechlichkeit und Stellenverkauf, wegen Geiz, Stolz, Prachtliebe, Verachtung der Armen, Vernachlässigung des Amtes und Fleischeslust[1] jämmerlich leiden müssen. Die meisten Landleute seien bestraft worden wegen Betruges unter sich und weil sie selten in der Ohrenbeichte ihre Sünden ganz rein und wahrhaft zu bekennen pflegten.

Mitten in der Erde hatte Adalbert der Landmann einen fürchterlichen und ganz mit Seelen angefüllten Schacht gesehen, aus welchem die Flammen bis zum Himmel aufschlugen. Teufel wirbelten dazwischen herum. Jammer und Wehgeschrei und gräßliches Fluchen scholl aus der Tiefe empor. Der Engel sagte zu Adalbert dem Landmanne: Wer da drinnen sitzt, kommt niemals wieder heraus.

Der Engel zeigte dem Landmanne auch das Fegefeuer. Darauf sah dieser in ein tiefes, tiefes Thal, in demselben strömte ein großer stinkender Fluß und über diesen ging eine dünne schlüpfrige Brücke von einem Berge zum anderen, höher als wenn man den Kirchthurm zu Kreuznach viermal aufeinander setzt. Diese Brücke war nur zwei Fuß breit und ging steil aufwärts bis zur Mitte, dann aber ebenso wieder abwärts. Es waren aber der Seelen, so über diese Brücke wollten, gar viele. Einige fielen im Anfange, andere in der Mitte, noch andere am Ende hinab in den Fluß, den abscheulichen Drachen und ungeheuren Schlangen, welche nach den Herabfallenden die Köpfe aus dem Wasser steckten, geradeswegs in den Rachen. Andere fielen neben den Untieren nieder bis an den Kopf oder den Hals oder auch nur bis ans Knie nach Verdienst ihrer Sünden. Mancher arbeitete sich auch mit der größten Schnelligkeit durch den Fluß hindurch.

Diese, wenn sie das Ufer erreichten, waren viel schöner anzusehen als vorher. Sie wurden da von den Engeln mit Jubel empfangen und in den Palast des Himmelreiches eingeführt.

Aber manche, die mit Golde beladen einhergingen, fielen gleich zu Anfang, und da ihnen die Umkehr unmöglich war, so mußten sie gewaltig arbeiten, um noch an’s Ufer zu gelangen. So wälzten sich denn viele manches Jahr hindurch, wie der Landmann wenigstens glaubte, in dem stinkenden Unflate umher, bis sie endlich doch noch auf’s höchste entkräftet an’s Ufer gelangten.

[72] Eine nackte, aber sehr schöne Seele sah Adalbert rasch und sicher über die Brücke gehen. Das ist der Mönch Theodobert, sagte der Engel, der außer Gott nichts auf der Welt geliebt hat.

Nun faßte der Engel die Hand Adalberts des Landmannes und führte ihn zu dem Wohnsitze der Seligen. Was er da sah, kann keines Menschen Zunge aussprechen. Da war unter anderen der verstorbene Pastor Hildebert aus Sponheim. Der trug einen Stern auf der Brust, welcher funkelte wie die Sonne, weil der Pfarrer schon auf der Erde durch Wissenschaft und Frömmigkeit wie ein Licht geleuchtet hatte.

Die Schar der himmlischen Heerscharen wünschte, daß Adalbert der Landmann bei ihnen bleiben solle. Allein der Engel, der ihn umherführte, sprach: „Er muß zur Erde zurück, damit er seine Sünden bereuen und büßen und nach Jahren glücklicher zu uns zurückkehren kann.“

Darüber entsetzte sich Adalbert der Landmann und weinte bitterlich.

Nachdem er den drei Geistlichen dies Alles berichtet hatte, unterwarf er sich einer strengen Buße. Er baute sich eine Hütte von Holz und Lehm im Walde nahe bei Dahlen und hat da noch sieben Jahre in großer Kreuzigung seines Fleisches gelebt.

Darauf aber stifteten der Propst zu Kreuznach, der Landdechant zu Hilbersheim und der Pfarrer zu Mandel das Kloster Katharinenhof.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Fleicheslust