Absalom’s Denkmal in der Nekropolis von Jerusalem
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Alles in der großen, weiten Welt wechselt, vergeht und kommt wieder; Alles in ihr ist auf der Flucht, und Leben und Tod, und Bauen und Zerstören lösen sich ab. Auf des Todes eigenem Acker ist der Wechsel die SUPREMA LEX. Heute brichst du Blumen von den geschmückten Grabhügeln deiner Angehörigen und Freunde; kehre nach dreißig Jahren wieder und du suchst vergebens an der bekannten Stätte die alten Namen. Verschwunden sind sie mit den Zeichen, welche die Liebe aufrichtete und deine Füße treten auf der Geliebten verschütteten Staub. Wo du den Vater zur ewigen Ruhe sicher gebettet wähntest im tiefen, dunkeln Kämmerchen, da schläft der Sohn jetzt, um nach einigen Jahren auch herausgeworfen zu werden, Platz zu machen dem Enkel! – Es ist nirgends Beständigkeit auf der Erde zu hoffen. Auch das Grab hat keine. Vergeblich, ihr Gewaltigen, baut ihr euch Mausoleen, höhlt ihr Berge aus, um eurer Asche ein Ruheplätzchen zu gewinnen. Labyrinthe verbergen sie nicht genug und Pyramiden schützen sie nicht vor der Allmacht des Wechsels. Wer noch zweifeln möchte, der sehe, wie nach vier Jahrtausenden die Leiber der Herrscher Aegyptens, Herrscher, einst gewaltiger als die heutigen, von Markt zu Markt geführt und verhandelt werden wie eine schlechte Waare, oder er sehe die irdischen Ueberreste der Gekrönten die seltsamste Metamorphose[1] erleiden in jenem neuen Erdtheil, von dem die alte Welt nichts wußte.
[30] Auch die herrlichen und zahlreichen Mausoleen, welche das große Todtenfeld trägt, das Jerusalem von südlicher und östlicher Seite umgibt, theilten längst das gemeinschaftliche Geschick der Unbeständigkeit alles Irdischen. Nicht ein einziges dieser Gräber ist unerbrochen geblieben, und nicht eins enthält noch Spuren seines Inhalts. Wie könnte es auch anders seyn? Ist doch seit der Zeit, da diese Grabmäler die Könige, Helden und Seher Israel’s aufnahmen, Jerusalem selbst dreimal ausgetilgt worden bis auf die leere Stätte, sind doch unzählige Reiche versunken, Throne eingestürzt, Völker mit ihren Namen verschwunden.
Absalom’s Mausoleum, das schönste und best erhaltene unter allen jenen Denkmälern, ist aus dem lebendigen Felsen gearbeitet und nur der obere Aufsatz, mit der kuppelförmigen, mit einer Lotosblume geschmückten, Spitze ist massives Mauerwerk. Auf den vier Seiten sind Säulen ausgehauen, die einen Fries mit dorischen Verzierungen tragen. Das Ganze macht einen sehr gefälligen Eindruck und erinnert an den Styl und Charakter der ältesten Bauwerke in den von Ioniern und Doriern gegründeten Städten Kleinasiens. Wahrscheinlich waren es, in den Zeiten der Könige und Propheten, griechische Baumeister aus Ephesus und Milet, welchen der Bau dieser Monumente anvertraut wurde; denn bekanntlich war die Kunst für das israelitische Volk selbst immer ein verschlossenes Buch.
In das Innere dieser Gruft führt eine gewaltsam und erst in spätern Zeiten gebrochene unregelmäßige Oeffnung. Es ist eine mit Reliefs von Blumenarabesken einfach verzierte dunkle Todtenkammer; längst leer und der gelegentliche Aufenthalt wilder Thiere, welche in diesem weiten, öden und schauerlichen Todtenfelde ungestört ihr Wesen treiben. In geringer Entfernung von Absalom’s Denkmal ist das Grab Zacharia’s, eine Felsenhöhle, deren Eingang dorische Säulen und ein Frontispiz schmücken, und die Gruft des Königs Josaphat. –
Noch immer ist die Nekropolis Jerusalem’s den Juden die heiligste Stätte und die Sehnsucht, nachdem ausgeträumt ist der schwere Traum des Lebens, da zu ruhen, wo die Helden und Großen ihrer Väter schlummern, ist für viele Israeliten der Beweggrund, am Abend ihres Lebens nach Jerusalem zu ziehen. Die unzähligen Grabhöhlen an der ganzen Seite der felsigen Bergwand hin, welche das Thal Josaphat einschließen und bis in die Nähe von Absalom’s Grabmal, dienen noch heute der ihnen vor Jahrtausenden gegebenen Bestimmung und neben den Eingängen befindliche, aufrechtstehende Steinplatten mit hebräischen Inschriften ehren die hier ruhenden Verstorbenen. Jährlich an einem gewissen Tage vereinen sich die jüdische Gemeinde Jerusalem’s und alle Israeliten der Gegend [31] hier zu einem Allerseelenfeste. Unter allen Feierlichkeiten des unglücklichen Volks macht keine einen tiefern Eindruck. Im Thale Josaphat versammeln sich die Juden mit dem frühen Morgen, von jedem Alter und jedem Geschlecht, angethan mit dem Gewande der Trauer, und mit verhüllten Angesichtern und gebeugten Häuptern ziehen sie dann still und lautlos hinaus in die Todtengefilde, wo sie sich zerstreuen und an den Grabstätten ihrer Angehörigen, oder denen ihrer großen Ahnen, ihr Gebet verrichten. Die meisten kehren dann wieder zur Stadt zurück; aber Tausende bleiben bis zum späten Abend auf den Gräbern sitzen, da ihrer abgeschiedenen Lieben und einer großen Vergangenheit ihres Volks zu denken.
- ↑ Vor einigen Jahren konsignirte ein spekulativer Amerikaner in Cairo eine Ladung Mumien, den Inhalt neugeöffneter Königsgräber aus der Nekropolis des alten Theben, nach seiner transatlantischen Heimath. Sie wurden in New-York versteigert; aber die Parthie war zu groß, und sie mußten zu Spottpreisen weggegeben werden. Der Hauptkäufer war ein Apotheker, der auf den barocken Gedanken kam, die mit den köstlichsten Spezereien geschwängerten Leiber zu zermahlen und sie als ächte Königs-Räucherkerzchen den Wohlgeruch-liebenden Republikanern anzubieten. Man lachte über den Einfall; die Kerzen aber waren gut und der Mann machte sein Glück.